Standhaft vor Kirche und Kaiser
Historische Zitate und was dahinter steckt: Martin Luthers Bekenntnis von 1521 "Hier stehe ich, ich kann nicht anders, Gott helfe mir"



In Worms, wo ein riesiges Lutherdenkmal von Ernst Rietschel mit vielen Figuren steht, wird Luthers Gegenrede am 18. April 1521 auf dem Reichstag in Worms so wiedergegeben: "Wenn ich nicht mit Zeugnissen der Schrift oder mit offenbaren Vernunftgründen besiegt werde, so bleibe ich von den Schriftstellen besiegt, die ich angeführt habe, und mein Gewissen bleibt gefangen in Gottes Wort. Denn ich glaube weder dem Papst noch den Konzilien allein, weil es offenkundig ist, dass sie sich selbst widersprochen haben. Widerrufen kann und will ich nichts, weil es weder sicher noch geraten ist, etwas gegen sein Gewissen zu tun. Gott helfe mir, Amen."



Die farbige Grafik aus dem 16. Jahrhundert trägt das nachträglich notierte Zitat, wie wir es kennen.



Auf dem Luther-Panorama in Wittenberg wird geschildert, wie es im frühen 16. Jahrhundert in der sächsischen Residenz- und Universitätsstadt zuging und wie Martin Luther seinen Protest den Leuten bekannt machte.



Der Buchdruck machte es möglich, Schriften und Bilder schnell und preiswert zu vervielfältigen, und so fand auch Luthers Porträt hier als Mönch und als streitbarer Ritter mit Worms im Hintergrund weite Verbreitung.



Bei der Leipziger Disputation scheint es hoch her gegangen zu sein, das wenigstens gibt die Grafik nach einem Gemälde von Julius Hübner zu verstehen. Der Narr im Vordergrund könnte bedeuten, dass man den Schlagabtausch im Beisein vornehmer Herren nicht ganz ernst nehmen sollte. Dass Luther von der lateinischen Gelehrtensprache in die deutsche Sprache wechselte, verschaffte ihm zusätzliche Popularität.



Reproduktionen von Flugblättern und Kampfschriften im Wittenberger Panorama geben eine Ahnung, wie zu Luthers Wort durch die Buchdruckerkunst verbreitet wurde. Vielen Leuten musste damals vorgelesen werden, weil sie weder lesen noch schreiben konnten.



Martin Luther wurde am 10. November 1483 in Eisleben geboren und starb dort am 18. Februar 1546. Auf dem Markplatz erinnert seit 1883 ein von Rudolf Siemering geschaffenes Denkmal an den großen Sohn der Stadt. Daneben Lutherdenkmäler vor der Frauenkirche in Dresden und der Marienkirche in Berlin. Die Bibel darf bei diesen und anderen Monumenten dieser Art nicht fehlen.





Der preußische König Friedrich Wilhelm IV. ließ die Tür der Wittenberger Schlosskirche aufwändig in eine Art Lutherdenkmal umwandeln, rechts ein Relief über der Tür eines Gebäudes, das anstelle von Luthers Geburtshaus in Eisleben erbaut und bereits 1693 als Museum genutzt wurde. (Fotos/Repros: Caspar)

Historische Zitate gibt es wie Sand am Meer, die schönsten Sprüche, die treffendsten Aussagen, die bösartigsten Sentenzen, die krassesten Urteile und natürlich auch Fehlurteile wurden über Jahrhunderte von Generation zu Generation weitergegeben. Mit ihnen werden Reden gewürzt, aus ihnen hat man Titel von Büchern und Filmen gewonnen, und immer wieder erntet man Aufmerksamkeit und Bewunderung, wenn man zitatenfest ist. Doch wissen wir immer, was hinter bestimmten Aussprüchen steckt? Können wir in jedem Fall sagen, ob sie authentisch sind, also in dieser Form wirklich so gesprochen oder geschrieben wurden, wie wir sie gebrauchen, oder ob sie nicht aus unterschiedlichsten Gründen nur erfunden oder jemand angedichtet wurden? In welchem Zusammenhang sind bestimmte Aussprüche in die Welt gesetzt worden, um eine Person, ein bestimmtes Anliegen zu feiern oder zu diskreditieren, und wo vermischen sich Dichtung und Wahrheit? Wie überhaupt kommt es, dass bestimmte Aussprüche wie der Martin Luther beim Reichstag zu Worms 1521 zugeschriebene Satz "Hier stehe ich, ich kann nicht anders, Gott helfe mir" noch nach fünfhundert Jahren zitiert werden?

Jeder soll nach seiner Fasson selig werden

Im Unterschied zu Luthers Ausspruch sind manche Zitate schriftlich überliefert, so der vom preußischen König Friedrich II. bekundete Satz "Die Religionen müssen alle tollerieret werden und mus der Fiscal nuhr das Auge darauf haben, dass keine der andern Abbruch thue, den hier mus ein jeder nach seiner Fasson selich werden" oder "Gazetten, wenn sie interessant sein sollen, dürfen nicht genieret werden". Das hört sich gut an, doch wenn es auch unterm "Alten Fritz" hart auf hart kam, war es mit Religions- und Meinungsfreiheit nicht weit her, dann konnte der König von Preußen unbarmherzig auf seine Kritiker eindreschen, da war er auch nicht besser als andere Potentaten.

Nach dem Anschlag seiner 95 Thesen am 31. Oktober 1517 dauerte es nicht lange, dass sich mächtige weltliche und geistliche Fürsten auf den Wittenberger Augustinermönch und Theologieprofessor Martin Luther stürzten, um ihn wie den tschechischen Reformator Jan Hus 1415 in Konstanz als Ketzer mit Feuer und Schwert zum Schweigen zu bringen. Was Luther in fein gedrechselten lateinischen, wegen der besseren Verständlichkeit aber bald ins Deutsche übersetzten Sätzen kundtat, war eine fundamentale Kritik am Ablasshandel, der dem Papst in Rom viel Geld zum Bau der Peterskirche und zur Bestreitung seiner luxuriösen Hofhaltung eintrug. Luther brachte in seinem Thesenpapier weitere Gebrechen der römischen Kirche zur Sprache und forderte dazu auf, sie an Haupt und Gliedern zu reformieren und zu den Wurzeln zurückzukehren.

Geldgier und Machtmissbrauch

Ausgangspunkt der von Luther initiierten Bewegung zur Erneuerung der katholischen Kirche war deren scheinheiliges Versprechen an die Gläubigen, durch Geldzahlungen Ablass und Vergebung von begangenen, aber auch von künftigen Sünden zu gewähren. Seit dem Mittelalter konnte man durch Teilnahme an Kreuzzügen oder Wallfahrten beziehungsweise durch Geldbußen Gutes für sein Seelenheil tun. Den gleichen Effekt versprachen sich die Gläubigen vom Bau von Kirchen sowie der Stiftung von Hospitälern oder Altären. Nach und nach verfestigte sich die Meinung, man könne nahezu alle Untaten durch Gulden, Groschen und Talern abgelten, und dies öffnete dem Machtmissbrauch Tür und Tor.

Bis zum Ende des 15. Jahrhunderts war der Ablass streng geregelt. Nicht alle Sünden, Vergehen und Verbrechen konnten vergeben werden, wichtig war es, einem Priester zu beichten und "tätige Reue" zu üben. Als die Päpste mehr und mehr Geld benötigten, um die damals größte Kirche der Christenheit, den Petersdom in Rom, zu errichten, wurde die Vergebung der Sünden gegen Geldzahlungen gelockert. Wer sich etwas zuschulden hat kommen lassen, konnte sich auch ohne Beichte und durch den Kauf eines Ablassbriefes reinigen. Die Hälfte der Einnahmen kam dem Bau des Petersdoms zugute, den Rest teilten sich Kardinal Albrecht von Brandenburg, der als Erzbischof in Mainz saß und ein Bruder des brandenburgischen Kurfürsten Joachim Nestor war, und der jeweilige Ablassprediger. Beteiligt an dem Geschäft war das Augsburger Handelshaus Fugger, bei dem der Erzbischof, der als geistlicher Kurfürst einer der vornehmsten Fürsten des römisch-deutschen Reiches war, hoch verschuldet war.

Durch ein Werk der Liebe wächst die Liebe

Zwar war der Ablassprediger Johann Tetzel im Erzbistum Magdeburg tätig, doch es kamen zu ihm auch Leute aus Wittenberg, von denen Martin Luther bizarre Einzelheiten über das Ablassunwesen erfuhr. Das brachte ihn so in Rage, dass er diese Auswüchse und den Missbrauch des Gotteswortes 1517 jene 95 Thesen mit ungeheurer Sprengkraft verfasste, die bald als Flugblätter überall verbreitet wurden und großen Anklang fanden. In dem Thesenpapier wird die Vergebung von Sünden gegen Geld als zügellos, frech und wertlos und nur für die Kirche und sein Oberhaupt in Rom nützlich angeprangert. "Warum baut der Papst, der heute reicher ist als der reichste Crassus, nicht wenigstens die eine Kirche St. Peter lieber von seinem eigenen Geld als dem der armen Gläubigen?", fragte Luther in der 87. These, und in weiteren, hier ins Deutsche übersetzten Zeilen forderte er: "Man soll die Christen lehren: Die Meinung des Papstes ist es nicht, dass der Erwerb von Ablass in irgendeiner Weise mit Werken der Barmherzigkeit zu vergleichen sei. Man soll den Christen lehren: Dem Armen zu geben oder dem Bedürftigen zu leihen ist besser, als Ablass zu kaufen. Denn durch ein Werk der Liebe wächst die Liebe und wird der Mensch besser, aber durch Ablass wird er nicht besser, sondern nur teilweise von der Strafe befreit." Wer gegen die Zügellosigkeit und Frechheit der Worte der Ablassprediger auftritt, der sei gesegnet, der päpstliche Ablass könne nicht die geringste lässliche Sünde wegnehmen.

Was zunächst wie gelehrtes, dazu in lateinischer Sprache formuliertes Nachdenken über Verbesserungen im Bereich der Kirche aussah, wendete sich schon bald ins Weltliche und richtete sich, ausgestattet mit Argumenten des Kirchenrebellen, gegen Fürstenwillkür und unmenschliche Lebensbedingungen, unter denen das einfache Volk litt. Luther erhielt zunächst eine Vorladung nach Rom, der er jedoch nicht nachkam, weil er wusste, dass die Reise an den Tiber tödlich ausgehen konnte. Zu seinem Glück hielt einer der mächtigsten Männer im Reich, der sächsische Kurfürst Friedrich der Weise, seine Hand schützend über ihn. Papst Leo X., der auf deutsche Befindlichkeiten Rücksicht nehmen musste, genehmigte ein Verhör in Deutschland. Bei der Leipziger Disputation zwischen dem Ingolstädter Theologieprofessor Johannes Eck als Herausforderer und seinen Wittenberger Kollegen Andreas Bodenstein, genannt Karlstadt, und Luther im Sommer 1519 ließ sich Luther zu der geradezu revolutionären, ketzerischen Äußerung hinreißen, auch Päpste und Konzilien könnten irren. Da er zum Widerruf nicht zu bewegen und stattdessen seine Forderungen niederschrieb und mit Hilfe des neuen Mediums, des Buchdruckes, verbreiten ließ, war der Bruch mit Rom perfekt.

Rettung durch Kurfürst Friedrich den Weisen

Es versteht sich, dass Luthers Forderungen beim Papst in Rom und den anderen geistlichen und weltlichen Fürsten auf strikte Ablehnung stießen, da sie über das Ablassunwesen hinaus generelle Kritik an den herrschenden Zuständen übten. Dass sie auf fruchtbaren Boden fielen zeigt das ungeheure Echo im Römisch-deutschen Reich und außerhalb seiner Grenzen. Luther forderte dazu auf, die Kirche an Haupt und Gliedern zu erneuern und zu den Wurzeln des Glaubens zurückzukehren. Es dauerte nicht lange, dass der Kirchenrebell nach Worms zum Reichstag zitiert wurde. Zum Widerruf aufgefordert, verteidigte er mutig vor dem erst einundzwanzigjährigen, freilich auf Bildern von damals und aus späterer Zeit als ältere Mann dargestellten Kaiser Karl V. und den Fürsten des Reiches seine Schriften und Forderungen und schloss seine auf deutsch und lateinisch gehaltene Rede mit den Worten "Hier stehe ich, ich kann nicht anders! Gott helfe mir! Amen!" Schaut man in die Quellen und die ersten Flugschriften, die seine Verteidigungsrede unter die Leute brachten, dann sieht man, dass diese so nicht endete, sondern nur mit dem ersten Teil des Zitats, nämlich "Gott helfe mir! Amen!" Alles andere ist erfunden wie man es auch in anderen Fällen bei historischen Zitaten antrifft.

Authentisch ist der Wortlaut der Wormser Rede, in der Luther auf die Frage, ob er seine Worte und Schriften zurücknehmen wolle, mit einem klaren Nein antwortet, dies jedoch mit zeitüblichen Floskeln und verbalen Verbeugungen vor dem großmächtigen Kaiser verband. "Wenn ich nun dieselben (Bücher) auch widerrufen würde, würde ich nichts anders tun denn diese Tyrannei stärken und einem so unchristlichen Wesen nicht allein die Fenster, sondern die Türen auftun...Mein Gott, wie ein groß Schanddeckel der Bosheit und Tyrannei würde ich sein!" An den Kaiser und die anderen Fürsten gewandt, stellte er fest, er fühle sein Gewissen in Gottes Wort gefangen und wolle nichts widerrufen, "dieweil wider das Gewissen zu handeln beschwerlich, unheilsam und gefährlich ist". Karl V. ließ sich weder von Luthers Hinweisen auf die Bibel und Mahnungen an sein Gewissen noch von den Klagen gegen die Auswüchse der Kirche beeindrucken, sondern verhängte über Luther die Reichsacht. Doch bevor sie vollstreckt werden konnte, hatte sich der sächsische Kurfürst Friedrich der Weise seines Landeskindes bemächtigt und auf die zu seinem Herrschaftsbereich gehörende Wartburg bei Eisenach gebracht. Dort unter dem Decknamen Junker Jörg lebend, begann Luther mit der Übersetzung des Neuen Testaments in die deutsche Sprache.

21. Mai 2021

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