Postkrieg im Zeichen des Kalten Kriegs
DDR und Bundesrepublik Deutschland ließen Briefe mit unliebsamen Marken udn Parolen nicht durch





Im neuen Erinnerungsort "Flucht, Vertreibung, Versöhnung" an der Stresemannstraße in Berlin-Kreuzberg wird berichtet, wie sich beide deutsche Staaten ganz im Zeichen des Kalten Kriegs wegen unliebsamer Briefmarken gestritten haben, hier bündelweise angehaltene Briefe mit Marken, die die DDR für revanchistisch hielt.









Im Haus 1 des ehemaligen Ministeriums für Staatssicherheit in Berlin-Lichtenberg sind Briefe in den Westen ausgestellt, die manchen Absendern großen Kummer bereitet haben. (Fotos: Caspar)

Das unlängst eröffnete Dokumentationszentrum "Flucht - Vertreibung - Versöhnung - Zwangsmigration" im Deutschlandhaus Stresemannstraße 90 gleich neben dem U-Bahnhof Anhalter Bahnhof in Berlin lädt zum Besuch von Ausstellungen, ab er auch zu Studien in der Bibliothek sowie einem Zeitzeugenarchiv ein. Zu sehen sind unter anderem Relikte eines Postkriegs im Zeichen des Kalten Kriegs zwischen der DDR und der Bundesrepublik Deutschland. In einer Vitrine sind stapelweise Briefe an Empfänger jenseits der Elbe mit westdeutschen Briefmarken ausgelegt, die vom Arbeiter-und-Bauern-Staat als provokatorisch und revanchistisch eingestuft wurden, weil sie Motive aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten oder solche zeigen, die an den Volksaufstand vom 17. Juni 1953 erinnern beziehungsweise die Forderung im Grundgesetz nach der Wiederherstellung der deutschen Einheit unterstreichen.

Solche Sendungen gingen entweder an die Absender zurück oder wurden von der DDR-Post beziehungsweise dem Ministerium für Staatssicherheit einbehalten. Manche Briefmarken wurden auch übermalt oder sonstwie unkenntlich gemacht. Dessen ungeachtet haben Westdeutsche unverdrossen solcherart frankierte Briefe, Postkarten und Pakete ihren "lieben Brüdern und Schwestern" im Osten geschickt. Und auch die Deutsche Bundespost dachte nicht daran, auf die Herstellung dieser Marken zu verzichten. Umgekehrt wurden, wie Philatelisten ebenfalls wissen, im deutschen Westen Briefe zurückgeschickt, wenn sie mit Marken beklebt waren, die den Bau der Berliner Mauer und der innerdeutschen Grenze verherrlichten. Der "Postkrieg" erstreckte sich auch auf auch osteuropäische Länder einschließlich der Sowjetunion, ist in der Ausstellung zu erfahren.

Welche Mühe aufgewandt wurde, um missliebiger Briefe habhaft zu werden, wird auch in der Ständigen Ausstellung im Haus 1 auf dem Gelände des ehemaligen Ministeriums für Staatssicherheit an der Ruschestraße im Berliner Stadtteil Lichtenberg deutlich. Dort sind ebenfalls Briefe zu sehen, die Hörer aus dem Osten an den West-Berliner Sender RIAS oder Radio Luxemburg mit der Bitte geschickt haben, ganz bestimmte Musiktitel in der beliebten Sendung wie "Schlager der Woche" oder "Hitparade" zu spielen und dies auch mit Grüßen an "liebe Leute" zu verbinden. Es dürften Heerscharen von Stasispitzeln nur damit beschäftigt gewesen sein, um die anonymen oder pseudonymen Schreiber ausfindig zu machen. Ob sie dabei Erfolg hatten und wenn ja, was den Absendern geschehen ist, könnten Forschungen in den Stasi-Archiven und Nachfragen bei Zeitzeugen ergeben.

Siehe auch Eintrag vom 30. Juni 2021 auf dieser Internetseite/Museen und Ausstellungen

5. Juli 2021



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