"Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu bauen"
Mit einer faustdicken Lüge täuschte Walter Ulbricht vor 60 Jahren die Weltöffentlichkeit, dabei war die Abriegelung der DDR längst beschlossen



Um Volkstümlichkeit und Liebe seiner Untertanen bemüht, bleibt Walter Ulbricht bis heute als skrupelloser Vollstrecker sowjetischer Befehle und als "Mauerbauer" in unrühmlicher Erinnerung. Das Time-Magazin vom 25. August 1961 dürfte dem als "Spitzbart" verspotteten SED-Chef kaum gefallen haben.



Am 13. August 1961 war eine neue Geschichtslegende geboren. Der "Antifaschistische Schutzwall" sei gebaut worden, um westdeutschen oder Westberliner Agenten und Provokateuren das Handwerk zu legen und den Ausverkauf der DDR zu beenden, lautete die östliche Begründung. Kein Wort davon, dass in den letzten Wochen und Monaten tausende DDR-Bewohner geflüchtet waren, und zwar nicht aus Abenteuerlust oder weil sie auf irgendwelche Verheißungen hereingefallen waren, sondern weil ihnen in Ulbrichts angeblichem Arbeiterparadies die Luft zu dünn geworden war. Hier nimmt er mit Erich Honecker am 23. August 1961 in Ostberlin eine Parade ab.



An die von Ulbricht und Genossen als Verräter diffamierten Opfer der Berliner Mauer und der innerdeutschen Grenze erinnern in und außerhalb der Hauptstadt Kreuze und Gedenksteine. Das Foto zeigt weiße Kreuze in der Nähe des Reichstagsgebäudes.



Friedrich II. ließ seine Pläne zur Eroberung der zum Habsburgerreich gehörenden schlesischen Herzogtümer durch Gutachten untermauern. Nach den Schlesischen Kriegen, die Preußen an den Rand des Abgrund brachten, ihm aber den Besitz von Schlesien bestätigten, wurde der König als Heilsbringer und Friedensfürst gefeiert.



Ein Teil der Kriegsausgaben wurde durch Prägung minderwertiger Münzen mit dem Bildnis und Wappen des polnischen Königs August III., der als Kurfürst von Sachsen Friedrich August II. hieß, bestritten.



Der Erste Weltkrieg war auch ein Krieg der Bilder und Worte, der Lügen und Verleumdungen. Nichts wurde ausgelassen, um die eigene Seite als kraftvoll und entschlossen und die andere als Ansammlung blutrünstiger Monster darzustellen. Die französische Postkarte verteufelt deutsche Soldaten als blutrünstige Monster und Zerstörer der Kultur. Der ehemalige Generalfeldmarschall Paul von Hindenburg, auf dem Propagandaplakat als Zivilist dargestellt, macht den Deutschen weis, wer Schuld an der Niederlage 1918 war. Hinterhältige Revolutionäre in der Heimat sollen es gewesen sein.



Der von Hitler und seinen Leuten lange vorbereitete und am 1. September 1939 mit einem fingierten Anschlag auf den Sender Gleiwitz begonnene Krieg gegen Polen weitete sich sehr schnell zu einem Weltenbrand und Blutbad ohne Beispiel aus. Hier wird ein Schlagbaum an der Grenze durchbrochen. (Foto/Repros: Caspar)

Angesichts der massiven Fluchtbewegung aus der DDR in die Bundesrepublik Deutschland lag der Mauerbau vor 60 Jahren in der Luft. Seit längerem liefen in aller Heimlichkeit die Vorbereitungen zur Abriegelung von Ost- gegenüber Westberlin und an der innerdeutschen Grenze. Die Frage war im Sommer 1961, wie lange die SED- und DDR-Führung und die hinter ihr stehende Sowjetunion diesem Exodus untätig zuschauen wollen. Auf die Idee, im Arbeiter-und-Bauern-Staat Dampf aus dem Kessel zu nehmen, indem wahrhaft demokratische Zustände hergestellt, die Lebenslage der Bevölkerung spürbar verbessert und der politische Druck von so genannten bürgerlichen und religiösen Kreise sowie von den Bauern genommen wird, die nicht in die LPG eintreten wollten, kamen Ulbricht und Genossen nicht. Stattdessen vertrösteten sie die Menschen mit viel Propaganda auf eine imaginäre "strahlende Zukunft im Sozialismus."

Berühmt-berüchtigt wurde die Antwort Walter Ulbricht am 15. Juni 1961 in einer Pressekonferenz auf die Frage einer westlichen Korrespondentin, ob der Bau einer "Mauer" bevorsteht. Der SED-Chef und stellvertretende DDR-Ministerpräsident wich dem Problem mit dieser Antwort aus: "Ich verstehe Ihre Frage so, dass es in Westdeutschland Menschen gibt, die wünschen, dass wir die Bauarbeiter der Hauptstadt der DDR dazu mobilisieren, eine Mauer aufzurichten. Mir ist nicht bekannt, dass eine solche Absicht besteht. Die Bauarbeiter unserer Hauptstadt beschäftigen sich hauptsächlich mit Wohnungsbau. Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten".

Honecker als Mann fürs Grobe

Als der "Genosse Niemand" mit dieser faustdicken Lüge versuchte, das Problem kleinzureden, waren die mit der sowjetischen Partei- und Staatsführung abgestimmten Abriegelungspläne und geheimen Einsatzbefehle geschrieben. Insgeheim machte der Spruch "Lügen haben kurze Beine, Ulbricht hat besonders kleine" die Runde. Ulbrichts Mann fürs Grobe und 1971 sein Nachfolger als Parteichef und bald darauf Staatsratsvorsitzender, Erich Honecker, war mit der Ausführung betraut und unterließ später keine Gelegenheit, den Mauerbau als Rettungstat und Beitrag für die Festigung und den Sieg des Sozialismus in der DDR und des Friedens in der Welt zu rechtfertigen. Wenn er "Alles für das Wohl des Volks" sagte, meinte er vor allem den eigenen Machterhalt. Ähnlich verklärte Stasiminister Erich Mielke Ende 1989 die Verbrechen seines Geheimdienstes mit den legendären Worten "Ich liebe doch alle, alle Menschen" und erntete schallendes Gelächter.

Mithilfe ausgeklügelter Signal- und Selbstschussanlagen, Sperren und Minenfelder erlaubte die nach und nach zur High-tech-Grenze ausgebaute und von unzähligen schwer bewaffneten Soldaten bewachte Anlage praktisch kaum noch ein Durchkommen. Die DDR gab in den folgenden 28 Jahren Unsummen zur technischen Aufrüstung des todbringenden Sperrgürtels aus. Ziel war es, schon im Vorfeld Flüchtlinge abzufangen und so Schüsse zu vermeiden. Im Herbst 1989 hatten auch Funktionäre aus dem engsten Kreis um Honecker erkannt, wie hoch verschuldet und wirtschaftlich geschwächt die DDR ist. Nur einer hielt an der Meinung fest, das Land sei gesund - der ignorante Honecker, von einigen ganz Linientreuen in seiner Meinung bestärkt. Zwar verkündete der Staats- und Parteichef zu Jahresbeginn 1989, die Mauer werde noch 50 oder 100 Jahre stehen. Doch dann fiel sie am 9. November 1989, mitten in der friedlichen Revolution in der DDR, schneller, als sich das jemand hatte vorstellen können. Als Honecker von seinen eigenen Genossen gefeuert wurde, haben diese Gesundheitsgründe angegeben. Dieser neuen Lüge hat dann keiner mehr geglaubt.

Erfundene Kriegsgründe und falsche Münzen

Ein Blick in die Geschichte zeigt, wie Kaiser, Könige, Kanzler und andere "Bestimmer" ihr Streben nach Macht und eigenes Versagen in einer Wolke von schönen Worten und deftigen Lügen verhüllt haben. Wer einen Krieg führt, braucht einen Grund. Doch wenn es den nicht gibt, wird er erfunden oder mit manipulierten Dokumenten herbei geredet. König Friedrich II. von Preußen, genannt der Große, verkündete zwar, dass Gazetten, wenn sie interessant sein sollen, nicht "genieret", also behindert, werden dürfen. Aber wenn jemand sich verächtlich über ihn äußerte, dann schlug er unbarmherzig auf die "Schreiberlinge" drein, sofern er ihrer habhaft wurde. 1740 mit 28 Jahren auf den Thron gelangt und nach eigenen Worten von Ruhmsucht besessen, wies er seinen Minister Heinrich Graf von Podewils an, in uralten Akten Gründe für die Eröffnung eines Kriegs um Schlesien gegen Österreich aufzuspüren. "Die Rechtsfrage ist Sache der Minister, also die Ihrige; es ist Zeit im Geheimen daran zu arbeiten, denn die Befehle an die Truppen sind gegeben." Da die drei Schlesischen Kriege Unsummen kosteten, ließ der König mit erbeuten Stempeln minderwertige sächsische Münzen, die so genannten Ephraimiten, nachprägen. Gemeine Betrüger wären für dieses Verbrechen an den Galgen gekommen. Der unumschränkt herrschende König von Preußen aber musste keine Strafe befürchten, denn er stand über dem Gesetz. Seine Sieg beruhten zu großen Teilen auf Falschgeld!

Der nach dem Attentat am 28. Juni 1914 in Sarajewo auf den österreichischen Thronfolger Franz Ferdinand von deutschen und ausländischen Kriegstreibern herbei geredete Erste Weltkrieg endete für das Deutsche Reich und seine Verbündeten in einem blutigen Fiasko, begann aber mit einer Lüge aus dem Mund von Kaiser Wilhelm II. In seinem "Aufruf an das deutsche Volk" behauptete er und fand zahlreiche Nachbeter: "Seit der Reichsgründung ist es durch 43 Jahre Mein und Meiner Vorfahren heißes Bemühen gewesen, der Welt den Frieden zu erhalten und im Frieden unsere kraftvolle Entwickelung zu fördern. Aber die Gegner neiden uns den Erfolg unserer Arbeit. Alle offenkundige und heimliche Feindschaft von Ost und West, von jenseits der See haben wir bisher ertragen im Bewusstsein unserer Verantwortung und Kraft. Nun aber will man uns demütigen. Man verlangt, dass wir mit verschränkten Armen zusehen, wie unsere Feinde sich zu tückischem Überfall rüsten, man will nicht dulden, dass wir in entschlossener Treue zu unserem Bundesgenossen stehen, der um sein Ansehen als Großmacht kämpft und mit dessen Erniedrigung auch unsere Macht und Ehre verloren ist. So muss denn das Schwert entscheiden. Mitten im Frieden überfällt uns der Feind. Darum auf! zu den Waffen! Jedes Schwanken, jedes Zögern wäre Verrat am Vaterlande. Um Sein oder Nichtsein unseres Reiches handelt es sich, das unsere Väter neu sich gründeten."

Dolchstoß im Rücken des siegreichen Heeres

Die meisten Deutschen gingen ihrem Kaiser und Oberbefehlshaber und all den vielen Kriegstreibern auf den Leim. Auch auf der anderen Seite des Kriegsschauplatzes hatte man die Vorstellung, jetzt sei die lang ersehnte Gelegenheit gekommen, es den "verdammten Deutschen" und ihren Verbündeten richtig zu zeigen. In der aufgeheizten Stimmung und dem Überschwang nationalistischer Gefühle wagte kaum jemand, seine Stimme gegen das militärische Abenteuer zu erheben, auf das keiner der kriegführenden Staaten wirklich vorbereitet war. Die Kirche erklärte den Waffengang zu einem heiligen Krieg und ließ das 5. Gebot "Du sollst nicht töten" nicht mehr gelten, weil in den Augen vieler von militaristischer Euphorie beseelter Geistlicher die gegnerische Seite, ganz gleich ob es sich um Soldaten oder um Zivilisten handelte, keine Gnade verdient sondern nur den Tod. Einzig linke Sozialdemokraten wie Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg erhoben mahnend ihre Stimme und wurden prompt ins Gefängnis geschafft.

Nach dem Krieg verbreiteten Ex-Kaiser Wilhelm II. und seine Generale die haarsträubende Lügengeschichte, wonach an der Niederlage seien nicht sie und ihre Soldaten Schuld sind, sondern aufgewiegelte Zivilisten in der Heimat, die angeblich den tapferen Kriegern einen Dolchstoß in den Rücken versetzt hätten. Die Dolchstoßlegende wurde von General Erich Ludendorff, als Chef des Generalstabs engster Mitarbeiter des kaiserlichen Generalfeldmarschalls und späteren Reichspräsidenten Paul von Hindenburg, erfunden und im In- und Ausland propagiert. In das gleiche Horn stieß Hindenburg bei einer Vernehmung durch einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss, als er Ende 1919 behauptete, das deutsche Heer sei ab 1916 von revolutionären Bestrebungen "zersetzt" worden, und hätte es den Dolchstoß nicht gegeben, wäre der Krieg anders verlaufen.

Als Hitler am 1. September 1939 im Reichstag den Beginn des Kriegs gegen Polen verkündete, behauptet er, die Wehrmacht habe "zurück geschossen". Die Goebbels-Propaganda log, es habe einen polnischen Überfall auf den deutschen Sender im schlesischen Gleiwitz gegeben. In Wirklichkeit wurde die Geheimaktion von SS-Männern in polnischen Uniformen ausgeführt. Sie unterbrachen das Rundfunkprogramm und verbreiteten einen Aufruf an die polnische Minderheit in Schlesien für einen Aufstand gegen Hitler. Der Tote, der bei dem fingierten Feuergefecht liegen blieb, war ein deutscher KZ-Häftling. Hitler hatte ein Argument, den deutschen Überfall auf das Nachbarland zu rechtfertigen. "Ich werde propagandistischen Anlass zur Auslösung des Krieges geben. Der Sieger wird später nicht danach gefragt, ob er die Wahrheit gesagt hat oder nicht", erklärte er am 22. August 1939 in einer Geheimbesprechung.

Ohne Vorurteile hinter die Kulissen schauen

Als die Wehrmacht später nach und nach ihre Stellungen aufgeben musste, hatte die NS-Propaganda das Problem, wie sie diese Nachricht den Volksgenossen "verkaufen" soll. Sie verklärte den Rückzug mit Begriffen wie Frontbegradigung, taktischer Rückzug oder geplante Absatzbewegung und münzte alles in einen militärischen Vorteil um. Die von der Goebbels-Propaganda gebrauchten Begriffe wurden hinter vorgehaltener Hand zunehmend ironisch als das verwendet, was sie waren - Niederlagen auf dem Weg in den Untergang. Wenn sich jemand despektierlich über diese Lüge äußerte und angezeigt wurde, hatte schlimmste Strafen wegen Feindbegünstigung und Untergrabung des Verteidigungswillens zu gewärtigen. Zahlreiche Menschen verloren ihr Leben, wenn sie eine Lüge eine Lüge nannten.

Das geschieht heute zum Glück nicht, doch wird es zunehmend schwer, Fakenews von Tatsachen zu unterscheiden. Gefahren kleinzureden, sich selber groß zu machen und als Retter aus der Not darzustellen und Andersdenkende als Volksfeinde zu diffamieren, das gibt es bei uns leider in zunehmendem Maß. Dem kann man nur durch solide Information und dem Willen begegnen, ohne Vorurteile hinter die Kulissen zu schauen, sich nichts vormachen zu lassen und nicht jedem Heilsbringer und Hetzer auf den Leim zu gehen.

7. Mai 2021

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