Von guten und schlechten Talern
Alte Bücher neu gelesen - Berühmter Ratgeber von Wolff Stürmer aus dem Jahr 1572 erlebte viele Auflagen und Raubdrucke



Wolff Stürmers Holzschnitte geben Guldengroschen und Taler ziemlich genau wieder. Gezeigt werden ein halber und ein ganzer Guldengroschen Erzherzog Sigmunds von Tirol aus den Jahren 1484 und 1486. Der "münzreiche" Sigmund ist mal mit seinem Brustbild beziehungsweise stehend, aber jedesmal als Reiter abgebildet, umgeben von den Wappen der zu seiner Herrschaft gehörenden Gebiete. Seine Guldengroschen galten so viel wie die Goldgulden, mit denen größere Summen bezahlt wurden. Da Sigmunds Goldressourcen gering waren, setzte er das bei ihm reichlich geschürfte Silber als Äquivalent ein. Der Erzherzog war so erfolgreich, dass andere Fürsten und Städte ebenfalls diese großen und etwa 31 Gramm schweren Guldengroschen mit ähnlichem Design herausbrachten.



Das Münzbuch von 1572 könnte in einer solchen Buchdruckerei hergestellt worden sein. Rechts ein Mann am Setzkasten, links ein weiterer mit Farbballen und daneben einer, der die Druckerpresse bedient.



Am Anfang seines Talerbuchs präsentiert Wolff Stürmer kursächsische Silbermünzen wie die von 1500 bis 1525 in großen Mengen und Varianten geprägten Klappmützentaler. Da der Verfasser die Münzen der Kurfürsten nach der damaligen Hierarchie ganz oben einteilt, bildet er Ausgaben rheinischer Kurfürsten auf der linken Seite ab.



Die in Sankt Joachimsthal ab 1519 von den Grafen Schlick geprägten Silbermünzen gaben der Gattung den Namen Thaler oder Taler, eine Bezeichnung, die heute im Dollar fortlebt.



Während sächsische und mansfeldische Taler in Wolff Stürmers Buch analog zu deren massenhafter Prägung gut vertreten sind, findet man nur wenige Beispiele anderen Territorien wie hier Lübeck, Wismar und der Kurpfalz. Sie alle waren normale Zahlungsmittel, sind aber heute begehrte Sammelstücke. Man muss bedenken, dass die guten alten Taler oft ein kurzes Leben hatten, weil man in ihnen einen Rohstoff zur Herstellung neuer, meist minderwertiger Geldstücke sah und dem Schmelztiegel überantwortete.



Im hinteren Teil seines Buches taxiert Wolff Stürmer in- und ausländische Taler unterschiedlich. Die Spanne reicht von 25 Groschen 2 Pfennige bis hinunter zu 20, 19 und sogar 16, zehn und sogar sieben Groschen. Sammlern von heute ist es egal, wie die Münzen eingestuft wurden, sie werden Mühe haben, diese oft sehr seltenen Stücke zu bekommen.



Im Stil des Barocks verlustieren sich Putten in einem imaginären privaten Münzkabinett an alten und neuen Münzen. Wer über sie genauer Bescheid wissen wollte, schaute in "Thaler-Cabinet" und ähnlich bezeichnete Folianten, die mit solchen Kupferstichen geschmückt wurden.





Die alten Taler- und Dukatenbücher aus dem 18. Jahrhundert sind bibliophile Kostbarkeiten und erfreuen Sammler und Buchliebhaber. Ab und zu werden sie von Antiquariaten und vom Münzhandel angeboten. Ihr wissenschaftlicher Wert ist begrenzt, weil, die sich numismatische Forschung seither stark entwickelt hat. (Fotos/Repros: Caspar)

Was wären Münzen- und Medaillensammler ohne Kataloge, Fachzeitschriften und gute Monographien, die ihren helfen, ihre numismatischen Lieblinge besser kennenzulernen und in die Geschichte des Münz- und Geldwesens einzudringen? Die numismatische Literatur füllt viele Bücherregale, der Handel bietet ab und zu historische und neue Publikationen an, darunter auch solche in wundervollen Einbänden und ausgestattet mit prachtvollen Holzschnitten und Kupferstichen, die bereits mehrere Jahrhunderte alt sind. Viele Bücher wurden nicht für Gelehrte und Sammler verfasst, die oft beides in einer Person waren, sondern dienten Kaufleuten, Bankiers, Wechslern und Finanzbeamten, die oft eine Person waren, und all jenen als praktische Ratgeber und Nachschlagewerke die sich beruflich mit den gerade umlaufenden Münzen beschäftigten. Solides Wissen über den aktuellen Wert großer und kleiner Münzen war wie bares Geld. Bücher, Dekrete, Valvationstabellen, Münzordnungen und amtliche Mitteilungen teilten mit, was gutes und was schlechtes Geld ist, wer gerade gegen geltendes Recht verstößt und leichtgewichtige, minderwertig legierte Sorten herausbringt, und wie diese Machwerke aussehen.

Gedruckte Kinder des 16. Jahrhunderts

Kaufmännische Handbücher mit Darstellungen von aktuell umlaufenden Münzen sind Kinder des 16. Jahrhunderts. Die Buchdruckerkunst und die Technik des Holzschnitts, später auch des Kupferstichs brachten eine Fülle illustrierter Aufklärungsschriften über die im Römisch-deutschen Reich und darüber hinaus herrschenden Geldverhältnisse hervor. Schon im 15. Jahrhundert, dem Jahrhundert von Johannes Gutenberg, gab es solche Schriften, wie ein in der numismatischen Fachliteratur immer wieder reproduzierter Einblattdruck aus dem Jahre 1481 zeigt, der mit weiteren Flugblättern dieser Art in der Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz zu Berlin aufbewahrt wird. In ihm werden die Merkmale solcher in betrügerischer Absicht mit einem dünnen Goldüberzug versehenen, aber in Wahrheit nur aus Kupfer bestehenden Gulden beschrieben.

Einige Standardwerke erlebten beträchtliche Auflagezahlen und wurden, eben weil sie sehr beliebt waren, von Raubdruckern profitabel weiter vermarktet. "Cum gratia et privilegio", also begnadet und privilegiert, erschien 1572 in Leipzig ein Münzbuch, das viele Auflagen, aber zum Kummer des Verlegers, Formschneiders (Holzschneiders) und Buchhändlers Wolff Stürmer II. auch etliche Raubdrucke erlebte. Autor ist Wolff Stürmer I., der Ältere, dessen Nachfolger der Sohn, genannt der Jüngere war. Im Vorwort zu einem 1979 vom Berliner transpress Verlag herausgebrachten fotomechanischer Nachdruck nach einem Exemplar des Dresdner Münzkabinetts ist der leider frühverstorbene Numismatiker und Bibliophile Jürgen Gottschalk der Entstehungsgeschichte dieses Buche nachgegangen, von dem 1632 eine späte Auflage unter veränderten Titel erschien. Die wichtigsten Ausgaben sind in dem Werk "Bibliotheca numaria" von Gottfried Lipsius (Leipzig 1801) verzeichnet. Grobe und kleine Münzsorten

Wie damals üblich, hat Stürmer auf dem Titelblatt in groben Zügen den Inhalt seines Werkes angekündigt: "Vortzeichnus vnd Gepräge der Groben vnd Kleinen Müntzsorten / Welcher sich Churfürsten / Fürsten / vnd Stende in dem Obern Sächssischen Krais / vermöge des Heiligen Reiches Müntzordnung / vnd darauff eruolgten Krais vnd Probationtägen vorglichen / Darinne anfangs die Gulden Taler / so hinfüro geng vnd gebe / sein sollen / Vnd dann volgents auch die Groben vnd Kleinen Valuirten Sorte zubefinden / so auff den Bruch / in die verordnete Wechssel geantwortet werden sollen. Anno 1572." 182 Holzschnitttafeln im Anschluss an ein Inhaltsverzeichnis ersetzten nach dem Motto "Ein Bild sagt mehr als tausend Worte", beginnend bei den "Guten Alten Talern" Erzherzog Sigmund des Münzreichen von Tirol und Kaiser Maximilians I. umständliche Beschreibungen.

Die auf Holzschnitten abgebildeten Taler und Teilstücke sowie tabellarisch aufgeführte Goldmünzen werden nach meißnischer und lübischer "Wehrung" taxiert, was auf das Verbreitungsgebiet dieses Nachschlagewerks in Norddeutschland deutet. Erfasst sind deutsche und ausländische Taler, so spanische Philippstaler sowie burgundische, dänische, schwedische, italienische und andere Silbermünzen. Sie werden ein wenig ungeordnet auf den Holzschnitttafeln abgebildet und bewertet. Das Buch schließt mit einem Register der vorgestellten Taler und weiterer Stücke und einer Auflistung des Wertes von einfachen und mehrfachen Dukaten, Kronen und anderen Goldmünzen ab, berechnet wiederum nach meißnische und lübischer Währung.

Raubdrucker scherten sich nicht um Privilegierung

Ein solches, für den täglichen Gebrauch bestimmtes Werk unterlag schnellem materiellen und moralischen Verschleiß. Da sich im damaligen Geldverkehr vieles änderte, waren immer wieder neue Auflagen nötig. Adam Bergs im Jahre 1597 veröffentliche "New Müntzbuch" fasste die Veränderungen zusammen, die es seit dem Talerbuch von 1572 gegeben hat. Zu Stürmers Schaden haben sich auch Raubdrucker seines Werks bemächtigt, kaiserliche Privilegierung hin oder her. Der Verleger sah sich zu kostspieligen Verfahren veranlasst, um seine Rechte durchzusetzen. Nachdrucke herzustellen war in damaliger Zeit und lange später ein übliches, kaum vermeidbares Verfahren, unter dem viele Autoren und Verleger litten. Der illegale Nachdruck unter neuem oder verändertem Titel hatte allerdings auch den Effekt, dass die Bücher weite Verbreitung fanden und neues Interesse stimulierten. Dass sich geschäftstüchtige Drucker und Verleger fremden geistigen Eigentums bemächtigten und damit Profit erwirtschafteten schlugen, war zu Stürmers Zeiten gang und gäbe und beunruhigte zweihundert Jahre immer noch Autoren und Verleger. So musste sich auch Johann Wolfgang von Goethe über mindestens etliche von seinem populären Werk "Werthers Leiden" hergestellter Machwerke ärgern, und auch viele seiner Zeitgenossen mussten hilflos zusehen, wie andere ihre Arbeit schamlos "vermarkteten".

Erstmals lieferte Stürmer ein präzises Abbild der Silbergeldsorten im Heiligen Römischen Reich deutscher Nation. Der Autor berücksichtigt die Münzreform von 1559, die Einheit und Übersicht in die Geldverhältnisse bringen sollte, aber von manchen geistlichen und weltlichen Münzständen und münzberechtigten Städten unterlaufen wurde. Sonst hätten nicht die gleichen Sorten mal gute, mal schlechte Bewertungen erhalten. So wird ein mansfeldischer Georgstaler aus dem Jahre 1555 mit 22 Groschen, 11 Pfennigen und einem Heller meißnisch beziehungsweise 30 Schillingen und 7 Pfennigen lübisch bewertet, während nassauische, bergische, schwedische und andere Münzen weit darunter liegen. Einige offenbar besonders minderwertige Sorten, die wie die guten Sorten weiter als Taler bezeichnet werden, sind mit nur sieben Groschen oder zehn Schillingen bewertet. Man sieht, das Gefälle ist beträchtlich. Dass es sich bei den von Stürmer beschriebenen und abgebildeten Münzen um heute sehr begehrte und gut bezahlte Raritäten handelt, sei am Rande vermerkt. Zu Stürmers Zeiten waren viele Stücke eher ein Ärgernis und alles andere als sammelwürdig.

Um das Werk vor Nachahmung zu schützen, erwirkte der Verleger bei den Fürsten und Ständen des für ihn zuständigen obersächsischen Kreises für zwei Jahre ein Schutzprivileg sowie 1574 gegen eine Geldzahlung beim Kaiser in Wien die Zusage, dass es zehn Jahre lang nicht nachgedruckt werden darf. Die im Vorwort abgedruckten Privilegien erhoben das Buch sozusagen zu einem offiziellen Nachschlagewerk und Richtschnur für alle diejenigen, die mit Geld zu tun hatten. Kaiser Maximilian II erkennt in seinem Schutzbrief an, dass Stürmer von dem Buch "etliche tausend exemplaria" mit merklichen Kosten hat drucken lassen. Der Verleger habe ihn, den Kaiser, demütig gebeten, ihn vor Schaden zu bewahren, weshalb kraft dieses Briefes verordnet wird, dass im Heiligen Römischen Reich und den habsburgischen Landen Nachdrucke von Text und Bildern sowie deren Verkauf verboten sind. Wer dagegen verstößt, fällt in des "Reichs schwere Ungnad" und soll als Geldstrafe die ungeheure Summe von zehn Mark lötigen Goldes zahlen, und zwar je zur Hälfte an die kaiserliche Kammer als auch an den Verleger, also Stürmer oder seine Erben. Mit anderen Worten profitierte sogar der Kaiser von den Machenschaften der Nachdrucker. Wer die Summen eintreiben soll, geht aus dem Text nicht hervor. Damalige Behörden kamen ja nicht einmal bei der Verfolgung von Münzfälschern sowie Kippern und Wippern nach! Wo immer Stürmer solche Nachdrucke bekomme, dürfe er mit ihnen tun wie es ihm beliebt, gestand der Kaiser dem Verleger in Leipzig zu. Jegliche Obrigkeit wird aufgefordert, ihn bei der Durchsetzung seiner Rechte zu unterstützen. Als Gegenleistung soll er der kaiserlichen Hofkanzlei alsbald drei Exemplare des Buches übersenden.

Vom Pech verfolgt und in Prozesse verwickelt

Mit seinem Werk ist der hochverschuldete Wolf Stürmer II., genannt auch der Jüngere, offenbar nicht reich geworden. Er hatte 1571 nach dem Tod seines Vaters das Geschäft fortgeführt. Groß war der finanzielle Schaden, der ihm aus den Machenschaften von Nachdruckern und Kopisten erwuchs. Als Stürmer gegen einen in Magdeburg agierenden Raubdrucker namens Johann Francke vorging, hatte war der Erfolg gering. Der Prozess machte den vom Pech verfolgten Verleger zu einem armen Mann. Nach seinem Tod 1593 führte Wolf Stürmer III. das Geschäft weiter und brachte Nachauflagen des berühmten Werks seines Großvaters heraus.

An Münzsammler hat man zu Stürmers Zeiten noch nicht gedacht, schon garnicht an solche, die nach zeitgenössischen Geldstücken wie Taler und Dukaten suchten, um an ihnen numismatische Forschungen anzustellen und sie in Kabinetten aufzubewahren. Das kam erst im 18. Jahrhundert in Mode, und so erschienen zur Freude der Sammler verschiedene Taler-, Groschen- und Dukatenkabinetten mit Bildern und Beschreibungen von alten und neuen Belegstücken. Münzensammeln galt nun als ritterliche Tugend, und vornehmen Reisenden wurde auch der Besuch fürstlicher Münzkabinette als Quelle von Bildung und Noblesse empfohlen. Alte Taler konnte man in der Barockzeit zumeist für etwas mehr als den Metallwert kaufen. Das waren verglichen mit heutigen Verhältnissen in der Tat paradiesische Verhältnisse.

22. März 2021

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