Zerplatzte Träume und ein indisches Tor
Katastrophe im DomAquarée hat schlimme Auswirkungen auf Hotel, Restaurants und DDR-Museum



Wer dieser Tage an der Unglücksstelle vorbei geht, sieht nur einen Bauzaun, der die Sicht in das Innere des Hotels versperrt und ansonsten auf der Seite zur Spree und zum Dom hin nur dunkle Fenster und Räume sowie menschenleere Läden und Restaurants.





Die Behörden gehen davon aus, dass „Materialermüdung“, was immer das bedeutet, zu dem Unglück und dem Verlust der Berliner Sehenswürdigkeit geführt hat. Der Schaden ist nicht zu beziffern, mit einem Neubau wird nicht gerechnet.



Besucher des am Ufer der Spree gelegenen DDR-Museums werden ein paar Monate warten müssen, bis sie wieder die Hinterlassenschaften des zweiten deutschen Staates betrachten und sich mit seiner Geschichte auseinandersetzen können. Das zweite Foto stammt aus besseren Tagen.



Die erstmalig aus Sandstein gefräste Replik ist zehn Meter hoch und etwa sechs Meter breit. Die Fotos wurden am 11. und am 20. Dezember 2022 aufgenommen. Das originale Tor ist Teil eines der ältesten und bedeutendsten erhaltenen buddhistischen Heiligtümer und gehört zum UNESCO-Welterbe. (Fotos: Caspar)

Die schönsten Sicherungsvorkehrungen, die genauesten Überprüfungen nutzen nichts, wenn man keine Schwachstellen, sozusagen das brüchige Glied einer Kette findet und beseitigt. Die Betreiber des säulenförmig, aus 12 Zentimeter starken Acylelementen gefügtes Aquariums im Radisson-Hotel an der Berliner Karl-Liebknecht-Straße dachten, nach der 2,5 Millionen Euro teuren Sanierung vor ein paar Jahren auf der sicheren Seite zu sein. Doch der Traum vom großen Glück und Geld zerplatzte im wahrsten Sinne des Wortes, als sich am 16. Dezember 2022 gegen 5.15 Uhr im DomAquarée der 14 Meter hohe durchsichtige Zylinder mit einer Million Liter Salzwasser und 1500 Fische darin zerbarst und das Wasser, die Fische und das Mobiliar wie bei einem Tsunami auf die Straße geschwemmt wurde. In der Werbung für das DomAquarée heißt es: „Die Idee, Erlebnis und Konsum sowie Arbeiten und Wohnen unter einem Dach zu vereinen, hat in Berlin neue Maßstäbe gesetzt. Das CityQuartier DomAquarée hat sich zu einem gefragten Bürostandort für Technologieunternehmen entwickelt. Büro- und Wohnungsmieter genießen hier den Blick auf die Spree und das lebendige Umfeld.“ Das ist jetzt nur noch in dem verschont gebliebenen Teil des Gebäudekomplexes möglich.

Tsunamiartige Flut spülte alles auf die Straße

Da das Unglück noch sehr früh ausbrach, gab es unter den Gästen des Hotels und Kunden der umliegenden Geschäfte keine Toten, lediglich mussten zwei Verletzte von der schnell angerückten Feuerwehr versorgt werden. Sie und das Technische Hilfswerk hatten den ganzen Freitag zu tun, die Straße von Geröll zu reinigen und die wenigen Fische, die überlebt hatten, in andere Aquarien zu überführen. Die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey sprach bei einer Ortsbesichtigung von einer tsunamiartigen Flut und sagte, man habe Glück im Unglück gehabt, denn wenige Stunden hätte man Tote und Schwerverletzte zu beklagen gehabt. Nicht auszudenken, wenn die Riesensäule über den Besuchern des Dom-Aquaree zerplatzt und sich die riesigen Wassermassen über sie ergossen hätten.

Die Zeitungen, Rundfunk und Fernsehen waren voll von Schadensbeschreibungen und Mutmaßungen über die Ursachen für das Unglück. Fremdverschulden und ein Anschlag wurden ausgeschlossen. Hauptsächlich Materialermüdung, was immer man darunter versteht, wird auch heute als Ursache angenommen. Bei seismographischen Aufzeichnungen in Berlin wurde eine erdbebenartige Wallung aufgezeichnet. Anfängliche Sorgen, das ganze Hotelgebäude könne einsturzgefährdet sein, wurden später aufgehoben. Der Berliner Kurier listete weltweit bisherige Schäden an ähnlichen Riesen-Aquarien auf. So platzte 2010 in Shanghai ein Aquarium 30 000 Litern und Haien darin, und in Dubai entdeckte man im gleichen Jahr eine defekte Scheibe. Das Problem konnte rechtzeitig vor einem Schaden behoben werden.

Albtraum von Aquariumsbesitzern

Es sei ein Albtraum von Aquariumsbesitzern, schreibt Ruthe weiter, das Becken könnte aus irgendeinem dummen Grund platzen. Und schlimmer noch als bei einer überlaufenen Badewanne, deren Inhalt sich über die Wohnungen darunter wohnender, garantiert erboster Nachbarn ergießt, laute dann das Urteil: fahrlässige Tötung. „Im Aquadom – die Attraktion mitten im Radisson-Hotel-Aquarée an der Karl-Liebknecht-Straße – müsste es heißen: fahrlässige Fisch-Massentötung. Die Investmentgesellschaft Union Investment mit ihrer&xnbsp;Sea-Life-Ausstellung machte den Gigantismus möglich. Ein Magnetismus, attraktiv nicht nur für die Hotelgäste, auch für Tagesbesucher, Schulklassen, Kindergarten- und Touristengruppen, gebaut von International Concept Management (ICM) aus Junction/Colorado, heute Sitz in Hongkong. ICM beglückte schon Hotels, Shoppingmalls, Nobelrestaurants in Dubai, China, Russland, Brasilien und Griechenland mit derartigen Groß-Aquarien. Das Dinieren neben Delphinen und Haifischen gilt als Highlight der Event-Gastronomie. Das Radisson-Hotel ist nicht der Betreiber des Aquadoms, hat aber 18 Jahre lang von der Sea-Life-Gigantomanie profitiert.“ Nun sei der Schaden da, Gebäudeteile seien ruiniert, der Hotelbetrieb müsse ruhen. „Nun sollte statt eines neuen Riesenaquariums besser eine stromsparende LED-Lichtskulptur errichtet werden oder etwas, das zum Kuppeldach umweltfreundlich und nachhaltig wächst und grünt und möglichst wenig Energie verschlingt.“

Stark in Mitleidenschaft gezogen wurde das benachbarte DDR-Museum. Es ist geschlossen, und es wird noch Monate dauern, bis die Schäden behoben sind, wenn sie sich denn beheben lassen. Es teilte nur mit, dass es voraussichtlich bis Ende Februar 2023 geschlossen bleibt. „Durch die Zerstörung des Aquadoms und des Gebäudes sind insbesondere auch technische Anlagen außer Funktion. Wir werden nach der Instandsetzung und den Erneuerungsmaßnahmen wieder eröffnen. Vielen Dank für Ihre Treue zum Museum des Jahres 2022“, heißt es auf der Internetseite des wegen der Präsentation von mamal recht amüsanten, doch auch tiefernsten und erschreckendne Relikten aus der Geschichte des zweiten deutschen Staats bei Besuchern sehr beliebten Museums.

Buddha am Humboldt Forum

Es gibt aber auch gute Nachrichten. Wenige Schritte von der Unglücksstelle erhebt sich die Replik eines altindischen, mit menschlichen Figuren und Elefanten geschmückten Tores. Die Arbeiten auf der Lustgartenseite des Humboldt Forums sind beendet, die rotbraun eingefärbte Replik des prächtigen Ost-Tores von Sanchi wirbt für das Ethnologische Museum und das Museum für Asiatische Kunst der Staatlichen Museen zu Berlin Preußischer Kulturbesitz, die von Dahlem ins Humboldt Forum umgezogen sind und inzwischen großen Widerhall bei Besuchern aus dem In-und Ausland finden. Sanchi ist ein berühmter Ort im indischen Bundesstaat Madhya Pradesh. Im Zentrum des Subkontinents gelegen, beherbergt Sanchi einen zum Teil aus dem 3. vorchristlichen Jahrhundert stammenden buddhistischen Stupa, der zu den ältesten noch existierenden Bauwerken dieser Art gehört. Unter einem Stupa wird ein buddhistisches&xnbsp;Bauwerk verstanden, das Buddha selbst und seine Lehre symbolisiert. Den frühen Stupas ähnelnde Grabhügel diente ursprünglich der Bestattung von Herrschern. Im frühen Buddhismus wurden in einem Stupa Reliquien des indischen Religionsstifters und später von verehrungswürdigen Mönchen. 1989 wurde Sanchi in Unesco-Liste Weltkulturerbes eingetragen.

Das Sanchi-Tor führt in die Geschichte beider Museen, denn ein Gipsabguss des Originals war 1886 im damaligen Königlichen Museum für Völkerkunde zu sehen, aus dem das heutige Ethnologische Museum hervor gegangen ist. Eine weitere Kopie aus Kunststein kann man seit 1970 auf dem Museumscampus Berlin-Dahlem bewundern. An der Fertigstellung der Replik aus Sandstein vor dem Humboldt Forum waren auch Steinbildhauer aus Indien beteiligt. Detailfreudige Szenen schmücken drei Querbalken und die beiden Pfeiler. Meist sind es Episoden aus dem Leben des Buddha. Seine Symbole sowie Darstellungen von erotisch anmutenden Glücksgenien, aber auch Elefanten, Löwen oder Pfauen rahmen die Bilderzählungen ein. Vergeblich wird man Buddha selbst suchen, er ist jedoch durch Symbole wie einen Thron unter einem Baum oder Fußabdrücke präsent.



21. Dezember 2022

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