Großes Lob für Wunderblume
Berliner waren von der Victoria regia in Borsigs Gewächshaus begeistert / Konspirative Treffen von NS-Gegnern in Groß Behnitz



August Borsigs Büste wird gemeinsam mit alten Dampfmaschinen und Eisenbahnen im Deutschen Technikmuseum in Berlin-Kreuzberg gezeigt. Die Grafik aus dem späten 19. Jahrhundert zeigt, wie eine Lokomotive gebaut wird.



Die nach Plänen von Johann Heinrich Strack in Moabit gebaute Fabrik und die prächtige Villa Borsig nicht lange. Bereits 1887 wurde die Anlage abgerissen, weil sich die Firma auf neue Standorte in Tegel konzentrierte.



Das aus der Villa Borsig in Moabit stammende Wandgemälde von Friedrich Paul Meyerheim im Deutschen Technikmuseum Berlin zeigt, wie die Eisenbahn der guten alten Postkutsche davon fährt.



Albert Borsig ließ nach Plänen von Richard Lucae ein vornehmes Palais im Stil der Neorenaissance in der Voßstraße 1 errichten. In den Nischen zwischen den Fenstern standen von Reinhold Begas, Otto Lessing, Erdmann Encke und Emil Hundrieser geschaffene Statuen von Archimedes, Leonardo da Vinci, James Watt, George Stephenson und Karl Friedrich Schinkel als Protagonisten des technischen Fortschritts. Im Zweiten Weltkrieg schwer beschädigt, wurden die Ruine und die Neue Reichskanzlei nebenan nach 1949 beseitigt.



Die Familie Borsig legte sich ein eigenes Wappen zu mit dem Hammer als Symbol ihrer Tätigkeit als Maschinen- und Eisenbahnbauer. Die Gedenktafel am Eingang zum Landgut Stober in Groß Behnitz berichtet davon, dass sich hier Vertreter des Kreisauer Kreises zu Gesprächen über die Zeit nach Hitler trafen.



Das Tor der früheren Maschinenbauanstalt im Berliner Ortsteil Tegel zeigt, wie sehr man sich im 19. Jahrhundert um eine repräsentative Gestaltung von Fabriken bemühte.





Relikte aus der Borsigschen Glanzzeit sind im Deutschen Technikmuseum Berlin ausgestellt. Freunde historischer Dampfmaschinen, Eisenbahnen und Automobile finden hier eine Fülle historischer Maschinen und Fahrzeuge samt Erläuterungen ihrer Herkunft und ihres Schicksals. (Fotos/Repros: Caspar)

In Johann Heinrich Strack, einem Schüler beziehungsweise Mitarbeiter von Karl Friedrich Schinkel und Vertreter des Spätklassizismus, fand der Berliner Eisenbahnkönig August Borsig einen Architekten, der moderne Fabrikanlagen mit repräsentativen Bürgerbauten zu verbinden wusste. Nachdem die Produktion der 1836 gegründeten Maschinenbauanstalt von der Chausseestraße in den Berliner Ortsteil Moabit verlagert worden war, wurde das Stammwerk 1887 geschlossen und abgerissen, denn Bauland war in der Mitte der preußischen und deutschen Hauptstadt war rar und begehrt. Neun Jahre später wurde auch das Moabiter Werk geschlossen, nachdem Nachkommen von August Borsig in Tegel einen größeren und verkehrstechnisch günstiger gelegenen Standort gefunden hatten. Hier bauten Architekten Konrad Reimer und Friedrich Körte neue Werksanlagen, die auch heute noch stehen. Allerdings ist auf dem denkmalgerecht sanierten Werksgelände nicht mehr die alte Maschinenbauanstalt tätig, denn inzwischen ist die Borsig GmbH mit Kessel- und Kraftwerkstechnik befasst und im Kolbenverdichter- und Gebläsegeschäft tätig.

Großbürgerliche Villa und Treibhäuser in Moabit

Auf seinem Grundstück in Moabit ließ August Borsig, der sich vom Tischlergesellen zu einem der führenden Unternehmer in Preußen hochgearbeitet hatte und den man "Fürst der Technik" nannte, eine großbürgerliche Villa und daneben Treibhäuser errichten, die dienstags und freitags besichtigt werden konnten. Das Eintrittsgeld kam der von ihm gegründeten Unterstützungskasse für in Not geratene Arbeiter zugute. In seinem Villengarten ließ der Fabrikant 1851 ein kreisrundes Gewächshaus mit einem Durchmesser von zehn Metern erbauen. Bestehend aus einer selbst gefertigten Eisenkonstruktion mit viel Glasfläche, war das Gewächshaus eine Sensationelle und Sehenswürdigkeit ersten Ranges.

In dem Kuppelbau, der durch warmes Wasser aus der benachbarten Fabrik temperiert und gespeist wurde, wuchs neben vielen exotischen Pflanzen auch die berühmte Riesenseerose Victoria regia (Victoria amazonica). Aus Südamerika stammend, wurde sie zunächst in England kultiviert und trat um 1850 von dort ihren Siegeszug durch Botanische Gärten verschiedener europäischer Länder an. Natürlich bemühte man sich auch in Berlin um die Wunderblume, auf deren runden Blättern ein Mann stehen kann. Borsig wetteiferte mit dem Königlichen Botanischen Garten, der damals an der Potsdamer Straße lag, um die Ehre, welche Victoria regia als erste blüht.

Exotische Pflanzen im Wundergarten

Als sie in seinem Gewächshaus am 19. Juli 1852 drei Tage vor der im Botanischen Garten erblühte, war Borsig der strahlende Sieger. Natürlich meldeten die Zeitungen das Ereignis und sorgten so für reichliches Besucherinteresse in beiden Anlagen. Außerdem wurde der Berliner Eisenbahnkönig nun auch mit der Züchtung seltener Pflanzen in Verbindung gebracht. August Borsig wäre nicht August Borsig gewesen, hätte er nicht mit der spektakulären Aktion auch ein praktisches Ziel verfolgt. Denn sein Victoria-Haus aus Eisen und Glas war ein Prototyp, mit dem er Werbung für Treibhäuser sowie für Fontänen- und Bewässerungsanlagen machte, die in seiner Fabrik gebaut wurden.

In Borsigs Wundergarten wuchsen und blühten Palmen und Kamelien, Azaleen, Orangen und Orchideen, Farne und viele andere Pflanzen aus fernen Ländern. Der Fabrikant hegte und pflegte die exotischen Pflanzen nicht nur zu eigenem Vergnügen, sondern war ebenso an ihrer Erforschung in den Ursprungsländern interessiert. Deshalb unterstützte er verschiedene Forschungsreisen und ließ sich von dort Pflanzensamen mitbringen. So verwundert nicht, dass Palmen und Farne nach ihm benannt wurden. Zeitgenossen fanden bewundernde Worte für das von Borsig geschaffene Paradies. Der Berliner Chronist Ludwig Rellstab schrieb, dass der großartige Aufschwung des Geistes, wie ihn Borsig in seinem Anwesen zeigte, auch entsprechende Früchte eingetragen hat. "Sein Landhaus in Moabit ist ganz auf den Fuß der königlichen Villa eingerichtet. Mit den Wohngebäuden verbinden sich die Treibhäuser, die schönsten, die Berlin besitzt. Und doch überbot der Besitzer die Schönheit dieser Anlage bald durch eine zweite, die er leider nicht lange in ihrer Vollendung sah. Denn, in einer dieser Konstruktionen nur aus Glas und Eisen, doch in selbständig schönen Formen, baute Borsig sich ein Palmenhaus. Dieser Bau erregte bei seiner Vollendung das Staunen und die Bewunderung aller Welt."

Mustergut in Brandenburg mit Eisenbahnanschluss

Der berühmte Weltreisende Alexander von Humboldt stand mit Borsig auf freundschaftlichem Fuß. Er empfahl Friedrich Wilhelm IV., das "zierliche Treibhaus und die Anlagen von Borsig in Moabit" zu besuchen, denn der "vortreffliche Besitzer verdiente wohl dieses Glück". Der Monarch tat dies mit Vergnügen und soll dem Fabrikanten mit den Worten "So wie Sie, mein lieber Borsig, möchte ich auch mal wohnen" seinen Respekt gezollt haben. Mit dem preußischen König war Borsig übrigens mehrfach geschäftlich verbunden, so bei der Einrichtung einer Pumpstation "in maurischem Styl", wie man damals sagte, zur Versorgung der Fontänen und Wasserspiele im Potsdamer Gartenparadies Sanssouci, aber auch beim Bau der Kuppeln der Potsdamer Nikolaikirche und des Berliner Schlosses. Für diese technischen Meisterleistungen und seine Verdienste um die Krone wurde August Borsig von Friedrich Wilhelm IV. mit Orden und dem Titel eines Kommerzienrats (1851) beziehungsweise Geheimen Kommerzienrats (1854) ausgezeichnet.

Erwähnt sei, dass Albert Borsig, der Sohn des Formengründers, 1866 das heruntergekommene Rittergut Groß Behnitz bei Nauen im brandenburgischen Landkreis Havelland 1866 für 450 000 Taler von Graf Peter von Itzenplitz kaufte, der wegen Misswirtschaft und Verschuldung dazu gezwungen war. Es folgte eine umfassende Umgestaltung als Mustergutes, das 1923 eine Fläche von 2700 Hektar einnahm. Zwischen 1869 und 1872 ließ Albert Borsig hier ein Schloss errichten, außerdem wurde eine Eisenbahnstrecke gebaut, über die landwirtschaftliche Produkte direkt nach Berlin geliefert werden konnten. Das in DDR-Zeiten als Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft (LPG) genutzte Gut mit eindrucksvollen Backsteinbauten aus der Zeit um 1875 wurde in den vergangenen Jahren unter dem Namen Landgut Stober saniert und zu einem Tagungshotel und Kulturstandort entwickelt. Nach Aufhebung der Akzisemauer und mehreren Stadterweiterungen wurde das Oranienburger Tor 1867 zusammen mit anderen Toren in Berlin, wie sie dem sich stark entwickelnden Verkehr im Wege standen, abgebrochen. Albert Borsig erwarb zwei Sandstein-Trophäen und schmückte das Eingangstor seines Gutes mit ihnen.

Treffpunkt mutiger Nazigegner Das Borsig-Gut war im Zweiten Weltkrieg geheimer Treffpunkt von Mitgliedern der Widerstandsorganisation Kreisauer Kreises. Sie sprachen hier über Maßnahmen gegen das Hitlerregime und für die Zeit danach. Im Verlag für Berlin und Brandenburg erschien 2015 das Buch von Ernst-Friedrich Harmsen "Ernst von Borsig: Märkischer Gutsherr und Gegner des Nationalsozialismus". Der studierte Volkswirt und Landwirt hatte Groß Behnitz zu einem Musterbetrieb entwickelt, noch heute spricht man vor Ort mit großem Respekt von ihm und seinen Mut. Als NS-Gegner schloss er sich dem Kreisauer Kreis an, der sich hier zwischen 1941 und 1944 mehrmals konspirativ, als Jagdgesellschaft getarnt, traf. Nach dem gescheiterten Attentat auf Hitler vom 20. Juli 1944 blieb Borsig von Repressalien durch die Gestapo und die Nazijustiz verschont. Doch nahmen ihn Rotarmisten Ende April 1945 fest. Er starb in sowjetischer Lagerhaft im Herbst 1945 in Landsberg an der Warthe.

Die Leser erfahren, wie Ernst von Borsig in seiner Gemeinde gegen den Widerstand lokaler Nazis und ihnen wesensverwandter Kirchenvertreter einen Pfarrer der im Widerstand befindlichen Bekennenden Kirche als Pastor durchsetzte und dass sich Peter Yorck von Wartenburg auf der Suche nach einem Ort für ungestörte Gespräche bei seinem ehemaligen Mitschüler Ernst von Borsig meldete. Daraus entwickelten sich Treffen in loser Folge, an denen neben Yorck auch Helmuth James von Moltke, Adam von Trott zu Solz und andere später von der NS-Justiz ermordete Vertreter des Kreisauer Kreises teilnahmen. Eine Gedenktafel am Eingang erinnert an die mutigen Nazigegner, die in DDR-Zeiten, weil sie Adlige, Unternehmer oder Großgrundbesitzer waren, lange Zeit nur geringes Ansehen besaßen.

13. Juli 2022

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