Berlin steckt in einer Finanzkrise, die Kassen sind leer, aber das hindert die Landesregierung und den Bezirk Mitte nicht, schon seit Jahren vorliegende Pläne zur Um- und Neugestaltung des Gendarmenmarkts zu schmieden. Der Raum zwischen Deutschem Dom, Schinkels Schauspielhaus und Französischem Dom mit dem Schillerdenkmal in der Mitte gilt als schönster Platz Berlins, und er übt auf Besucher aus aller Welt große Anziehungskraft aus, vergleichbar mit dem Pariser Platz vor dem Brandenburger Tor. Jetzt nehmen die Pläne, den nach dem hier ehemals stationierten Kürassierregiment Gens d’armes benannten Platz umzubauen und ihn technisch zu ertüchtigen, langsam Gestalt an .
Schwarzer, hässlicher Asphalt
Der in 1980er Jahren mit Blick auf die 750-Jahrfeier der Stadt von 1987 von der DDR um-und neugestaltete Platz ist in die Jahre gekommen. Das Pflaster und Bodenplatten sind buckelig und an vielen Stelle verschlissen. Lücken und Leerstellen sind mit schwarzem hässlichem Asphalt gefüllt. Die durch Ketten verbundenen, rötlich gefärbten Betonpoller passen nicht mehr in unsere Zeit, ebenso Bänke aus Beton. Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und der Bezirk Mitte stoßen sich an Stufen, die nicht behindertengerecht sind und den berühmten Stadtraum von den umliegenden Straßen trennen. Solche Erinnerungsstücke an DDR-Zeiten, als der Gendarmenmarkt noch Platz der Akademie hieß, sollen nun beseitigt werden. Er erhält in den kommenden Jahren ein nachhaltiges Regenwassermanagement, mit dem Niederschlag aufgefangen und dem Grundwasser zugeführt werden soll. Außerdem erhält er ein unterirdisches Leitungsnetz für elektrischen Strom, so dass Veranstaltungen unabhängig von der Infrastruktur des Konzerthauses stattfinden können, das wir auch als Schinkels Schauspielhaus kennen. Dadurch sollen Auf- und Abbauzeiten verkürzt und Kosten eingespart werden.Während der zweijährigen Baumaßnahmen bleibt der Gendarmenmarkt komplett gesperrt. Die Kosten belaufen sich auf rund 20 Millionen Euro.Die Fertigstellung der Baumaßnahmen wird für Dezember 2024 angestrebt.
Keine oberirdischen Kabel mehr
Bevor der Umbau durch den landeseigenen Betrieb Grün Berlin beginnt, wird der 300 Jahre alte Platz auf Kampfmittel aus dem Zweiten Weltkrieg im Boden untersucht. Die Entfernung des Natursteinpflasters beginnt in Kürze auf einer Fläche von 14.000 der insgesamt 19.000 Quadratmeter, der Rest wird in einem weiteren Bauabschnitt abgetragen. Es werden 29 unterirdische Stromanschlüsse installiert, so dass oberirdisch künftig keine Kabel mehr verlegt werden müssen. Außerdem sollen etwa 50 versenkbare Trink- und Schmutzwasseranschlüsse angelegt werden. Alles in allem wird mit drei Kilometern neuen Leitungen für Stromkabel sowie 1120 Metern Abwasser und 737 Metern Trinkwasserleitungen gerechnet. Da etwa acht Millionen Liter Regenwasser pro Jahr auf den Platz fallen, soll diese Menge unter dem Stichwort „Schwammstadt Berlin“ nicht mehr wie bisher in der Kanalisation landen, sondern künftig in unterirdischen Anlagen vorgereinigt und in so genannten Rigolen gesammelt. Sie fungieren besonders bei Starkregenereignissen als Speicherräume, halten überschüssiges Wasser zurück, entlasten das Kanalnetz und sorgen dafür, dass örtliche Überschwemmungen verhindert werden. Wenn alles geschafft ist, bekommt der Gendarmenmarkt eine neue Pflasterung aus einheimischem Naturstein. Die Mosaiken und Steinplatten orientieren sich an der aktuellen Rasterung. Damit bleibt das bekannte Bild erhalten und wird gleichzeitig auf die gestiegenen Nutzungsansprüche ausgerichtet. 23 noch aus DDR-Zeiten stammende Kugelahornbäume werden gefällt und durch japanische Schnurbäume mit großer Krone ersetzt. Solange der Gendarmenmarkt gesperrt ist, können Veranstaltungen hier nicht stattfinden. Deshalb werden der Weihnachtsmarkt und das Classic Open Air auf den Bebelplatz neben der Staatsoper verlegt.
Denkmalgerechte Wiederherstellung
Berlin hat mit der denkmalgerechten Wiederherstellung historischer Plätze gute Erfahrungen gemacht. Fehler und Versäumnisse der Vergangenheit wurden auf dem Lustgarten vor dem Dom und dem Alten Museum, dem Pariser Platz vor dem Brandenburger Tor, dem Hausvogteiplatz, dem Lindenforum, dem Schinkelplatz und dem Zietenplatz behoben, um einige Beispiele nur aus dem Bezirk Mitte zu nennen. Indem nun auch der Gendarmenmarkt durch von störenden Elementen befreit wird, wird er auch gestalterisch aufgewertet. Die Begrünung des 19. Jahrhunderts wird man wohl nicht wiederherstellen können und wollen, denn der Platz wird als Veranstaltungsort für große Konzerte unter freiem Himmel benötigt, und da würden Blumenrabatten und Beete wohl nur stören. Ob es dabei bleibt oder nicht noch andere Lösungen gefunden werden, sich sich in den kommenden zwei Jahren zeigen.
Der Gendarmenmarkt entstand am Ende des 17. Jahrhunderts nach den Plänen von Johann Arnold Nering. Damals siedelten sich französische Hugenotten in dem neuen Viertel an und bekamen eine eigene Kirche, die nach dem Anbau des monumentalen Turms „Französischer Dom“ genannt wird, obwohl sie keine Bischofskirche ist. Die parallel gebaute Deutsche Kirche wird analog „Deutscher Dom“ genannt. Der Marktplatz hieß zunächst Esplanade, dann in chronologischer Reihenfolge Lindenmarkt, Friedrichstädtischer Markt und Neuer Markt. Schließlich wurde er 1799 in Gendarmenmarkt umbenannt, da von 1736 bis 1782 die Wache und die Ställe des Garderegiment „Gens d´armes“ dort angesiedelt waren. Auf Karten des 17. und 18. Jahrhunderts findet man kaum noch bekannte Bezeichnungen wie Lindenmarkt, Mittelmarkt und Neuer Markt. Nachdem 1871 das von Reinhold Begas geschaffene Schillerdenkmal vor Karl Friedrich Schinkels Schauspielhaus aufgestellt war, kam ein weiterer Name hinzu: Schillerplatz. Diese Bezeichnung galt allerdings nur für das unmittelbare Umfeld des Monuments aus Marmor und hat sich nicht eingebürgert.
18. Oktober 2022
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