Friedrich der Große wollte Särge einschmelzen
Hohenzollerngruft im Berliner Dom wird umgebaut und bekommt neue Ausstellungsfläche und barrierefreien Zugang





Das erste preußische Königspaar Friedrich I. Sophier Charlotte ist nicht in den vergoldeten, nach Entwürfen von Andreas Schlüter geschaffenen Sarkophagen im Predigtraum bestattet, sondern in nach 1887 geschaffenen Särgen aus Marmor, die in der Gruft darunter stehen.



Besonders kostbar ist die von den Nürnberger Bildgießern Peter und Hans Vischer geschaffene Grabplatte mit dem Bildnis des 1499 verstorbenen brandenburgischen Kurfürsten Johann Cicero aus der Zeit um 1530. Dahinter steht die Zweitfassung des von Reinhold Begas geschaffenen Marmorsarkophags mit dem darauf liegenden Kaiser Friedrich, der 1888 nach nur 99 Tagen Regierungszeit starb. Die Särge werden im Zuge der Gruftsanierung neu ausgerichtet.



Die vielen Kindersärge in der Hohenzollerngruft sagen nichts anderes als dass es an Fürstenhöfen mit der Gesundheitsvorsorge und Behandlung von Krankheiten nicht zum Besten bestellt war. Hier der Sarg des Prinzen Friedrich Ludwig. Der Sohn des späteren Soldatenkönigs Friedrich Wilhelm I. wurde nur ein Jahr alt.



In dem Holzsarg liegen die sterblichen Überreste des 1806 im Krieg gegen Frankreich gefallenen Prinzen Louis Ferdinand.



Wenig würdig sah die Gruft in der alten, um 1890 abgerissenen Domkirche aus, wenigstens war sie elektrisch beleuchtet.



Der im holländischen Exil lebende Ex-Kaiser Wilhelm II. hat 1935 die Aufstellung der Särge in der Domgruft genehmigt. Ohne seine Zustimmung durfte niemand das Gewölbe betreten.



Die zur Museumsinsel gerichtete Front des Berliner Doms erinnert umrisshaft daran, dass hier die Denkmalkirche mit den Hohenzollernsärgen stand. Ihre Gestalt und Ausmaße sind auf dem Modell rechts unten gut zu erkennen. (Fotos/Repros: Caspar)



Der Berliner Dom lockt auch in Corona-Zeiten Besucherinnen und Besucher aus aller Welt an. Manche werden enttäuscht sein, dass sie nicht auch die berühmte Hohenzollerngruft besichtigen können, die seit Frühjahr 2020 eine Baustelle ist. Hinter niedrigen Gittern waren über 90 Särge mit den Gebeinen von Angehörigen des bis 1918 regierenden Herrscherhauses aufgestellt. Dass hier hochadlige Personen ihre letzte Ruhe fanden, las man auf Inschriftentafeln. Kronen-, Adler-, Putten- und Lorbeerschmuck unterstreichen den hohen Rang der Kurfürsten, Könige und Prinzen sowie ihrer Gemahlinnen. Viele Särge sind klein, denn die bergen die sterblichen Überreste von früh verstorbenen Kindern, und sie zeigen, dass die hohe Sterblichkeit bei den Jüngsten auch am Berliner Hof nicht unbekannt war.

Die Toten an die Lebenden

Die zum Teil sehr schweren, ineinander verschachtelten Sarkophage aus vergoldeter Bronze und Zinn, aber auch aus kostbaren Hölzern mit und ohne Samtbezug diesen wurden im Zusammenhang mit den wohl bis 2023 andauernden Baumaßnahmen ins Depot gebracht. In den vergangenen Jahren waren viele von ihnen sorgsam restauriert worden. Vor der der eigentlichen Kurfürsten- und Königsgruft entsteht ein neuer Ausstellungsbereich, in dem über die wechselvolle Geschichte der Gruft und die hier bestatteten Fürstlichkeiten berichtet wird. Außerdem plant die Domverwaltung einen besseren Zugang zur Gruft, Veränderungen bei den Sanitäranlagen sowie die Einrichtung eines Domshops. Künftig können alle Etagen des Doms barrierefrei über Fahrstühle erreicht werden. In der Gruft selbst soll es still sein, und auch die üblichen Audioguides bleiben ausgeschaltet. "Wenn die Besucherinnen und Besucher vom lichterfüllten, goldstrotzenden Predigtraum hinuntersteigen in die schwach beleuchtete Gruft, werden sie vielleicht innehalten und auch über die eigene Endlichkeit nachdenken. Dieses ,Memento mori' (Gedenke des Todes) ist eine Botschaft der Toten an die Lebenden", sagt Domprediger Michael Kösling. Er hofft, dass vom Dom und seiner Gruft spirituelle Wirkungen ausgehen, die auch bei der Bewältigung alltäglicher Dinge und zwischenmenschlicher Beziehungen nachhaltig und von Nutzen sind. Künftig erhält die Grablege auch eine kleine Andachtkapelle, in der man innehalten, Kerze anzünden und ein Gebet sprechen kann.

Erstmals erhält die Hohenzollerngruft eine Klimaanlage, denn Feuchtigkeit und Temperaturschwankungen hatten in der Vergangenheit dazu geführt, dass sich an den Särgen Schimmel und Risse bildeten und Farbschichten abplatzten. Außerdem wird in Abstimmung mit dem Landesdenkmalamt ein neues Lichtkonzept mit dem Ziel erarbeitet, durch vorsichtigen Einsatz von Lichtelementen die Raumstimmung als Grablege zu betonen und gleichzeitig Nischen, Kreuzgewölbe und die gesamte Innenarchitektur sichtbar werden zu lassen. Auch soll die Aufmerksamkeit auf kunstgeschichtlich oder historisch besondere Details auf den Särgen wie Stoffbespannungen, Vergoldungen und Verzierungen gelenkt werden.

Bundesregierung übernimmt fast alle Kosten

Mit dem Umbau erhält die Hohenzollerngruft ihre historische Aufstellung der Särge wie auf einem Gräberfeld zurück. Dadurch entfällt der Kreuzgang in der Mitte der Gruft, denn zukünftig stehen die Särge - ähnlich wie vor dem Krieg - wieder nebeneinander. Neu hinzu kommt ein Altar- und Andachtsbereich im Osten der Krypta direkt unter dem Altar der Predigtkirche. Dieser Altar ist in den Bauzeichnungen des Architekten Julius Carl Raschdorff gut zu erkennen und wird jetzt realisiert. Die Umbaumaßnahmen werden zu 90 Prozent durch die Beauftragte für Kultur und Medien finanziert, den Rest trägt die Domgemeinde.

Seit mehreren Jahren hatten die Domverwaltung und die 1800 Mitglieder umfassende Domgemeinde darüber nachgedacht, wie sie mit den wachsenden Besucherzahlen in der Gruft umgehen sollen und wie die Särge angemessen beleuchtet und das Gewölbe gut belüftet werden kann. Es hatte sich gezeigt, dass von Besucherinnen und Besuchern mitgebrachte Feuchtigkeit den Särgen ganz gleich aus welchem Material sowie da und dort ihren Textilbespannungen nicht gut bekommt. Wenn die Särge wieder zurück kommen, werden sie mit veränderter Ausrichtung neu aufgestellt, so wie es Julius Carl Raschdorff um 1900 wollte. Ziel aller Anstrengungen ist es, die Hohenzollerngruft angemessener als bisher als würdevollen Ort der Totenruhe und bedeutendes Denkmal deutscher und preußischer Geschichte und Sepulkralkultur zu präsentieren. Alle Arbeiten sind mit der Denkmalpflege und der Familie Hohenzollern abgestimmt und werden von der Berliner Firma BASD Architekten realisiert. Deren Chef Gerhard Schlotter hat mit Hohenzollernbauten in Berlin, Königs Wusterhausen, Oranienburg und an anderen Orten gute Erfahrungen und freut sich, auch der Kurfürsten- und Königsgruft neues Leben einhauchen zu können.

Im Zweiten Weltkrieg wurden der Berliner Dom und mit ihm auch Hohenzollerngruft schwer beschädigt. Feuer und der Einsturz der von Bomben getroffenen Hauptkuppel haben einigen Särgen, unter dem von König Friedrich Wilhelm II., des Nachfolgers von Friedrich dem Großen, schwer zugesetzt. Viele kleine Särge, in denen frühverstorbene Prinzen und Prinzessinnen bestattet wurden, stehen in der Gruft. Manche sind namenlos, weil die Kinder tot geboren wurden oder nur wenige Tage gelebt haben, und dies, obwohl die medizinische Versorgung am kurbrandenburgischen und königlich-preußischen Hof wesentlich besser war als in "normalen" Familien.

Dunkles und feuchtes Gewölbe

Der Zustand der Gruft in der Schlosskirche sowie in der Domkirche von 1750 am Lustgarten, die 1817 bis 1822 von Karl Friedrich Schinkel um- und ausgebaut wurde, muss ziemlich schlimm gewesen sein, wenn man zeitgenössischen Beschreibungen folgt. Es gibt aber auch die Beschreibung der "hellen, luftigen und geräumigen Gruft der Brandenburgischen und Preußischen Herrscher" in dem von Leopold von Zedlitz verfassten Berlin-Lexikon von 1834. Wie dem auch sei, Schutzmaßnahmen für die Särge waren dringlicher denn je. Wie wir einem Beitrag des damaligen Dombaumeisters Rüdiger Hoth in dem vom Landesdenkmalamt Berlin und der Oberpfarr- und Domkirche zu Berlin herausgegebenen Buch "Die Hohenzollerngruft und ihre Sarkophage. Geschichte - Bedeutung - Restaurierung - (Deutscher Kunstverlag München/Berlin 2005, ISBN 3-422-06591-1) entnehmen, erhielt der unter Friedrich II. nach Plänen von Johann Boumann dem Älteren und Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff am Lustgarten erbaute Dom eine Gruft, in die 51 Särge überführt wurden.

Das Gewölbe war aber alles andere als angemessen. Es war feucht und von Hochwasser der benachbarten Spree bedroht. König Friedrich Wilhelm IV. nahm sich im Zusammenhang mit Planungen für einen neuen Dom am Lustgarten auch der wohl wenig würdig gestalteten Gruft an. Um sie wenigstens vor dem Spreewasser zu schützen, hat man die Särge auf Podeste gestellt. Der mit den Planungen für den Neubau beauftragte Architekt Friedrich August Stüler befand in einem Bericht an den König vom 3. Januar 1849: "Die Särge der Vorfahren unserer Fürstenfamilie befinden sich jetzt in dem dunklen und feuchten Kellergeschoss des alten Doms, welcher Raum bei hohem Wasserstand der Spree auf 10 Zoll Höhe unter Wasser steht, und sind durch die schlechte Beschaffenheit des Raumes zum großen Teil zerstört."

Neue Aufstellung in der Denkmalkirche

Der Neubau des Doms im Stil einer altchristlichen Basilika und eines Campo Santo für die Hohenzollernsärge kam nicht zustande. Als nach dem Abriss des alten Doms um 1890 der neue Dom mit der riesigen Kuppel nach Plänen von Julius Carl Raschdorff gebaut wurde, erhielten sie eine großzügige und ihrer Würde entspreche Unterkunft in der Denkmalkirche. Bevor der alte Dom abgerissen wurde, hat man künstlerisch wertvolle Ausstattungsstücke und vor allem die Hohenzollernsärge geborgen. Sie fanden in einem neuen Gewölbe, der so genannten Denkmalkirche, ehrenvolle Plätze. Da der in Richtung Alte Nationalgalerie gelegene halbrunde Anbau nach dem Zweiten Weltkrieg aus Kosten- und ideologischen Gründen abgerissen wurde, erhielten die Hohenzollern neue Plätze unter der Predigtkirche.

Beispiele dafür, in welche kostbaren Gehäuse die Hohenzollern gebettet wurden, können in diesem Gewölbe, aber auch in der goldstrotzenden Predigtkirche darüber betrachtet werden. Zu nennen sind hier die von dem Hofbildhauer und Schlossbaumeister Andreas Schlüter geschaffenen barocken Prunksärge des ersten preußischen Königspaares Friedrich I. und Sophie Charlotte. Über und über mit Kronen und allegorischen Figuren geschmückt, bestehen die von hohen Gittern geschützten Särge aus vergoldetem Zinn. Eine trauernde Frau hat am Sarg der 1705 verstorbenen Königin Platz genommen und bedeckt ihr Gesicht mit den Händen. Gegenüber bewacht ein Totengerippe den König und gibt zu verstehen, dass auch Fürsten nur Menschen und sterblich sind. Auch bei anderen Sarkophagen wurde ein ähnlicher Prunk betrieben. Szenen aus seinem Leben, aber auch Adler und Kronen bedecken den vergoldeten Sarg des 1688 verstorbenen Großen Kurfürst Friedrich Wilhelm. Da er zweimal verheiratet war, sind die Sarkophage der Kurfürstinnen Luise Henriette (gestorben 1667) und Dorothea (gestorben 1689) seitlich aufgestellt. Hinzu kommen in der Gruft Särge verschiedener zur Hohenzollernfamilie gehörender Markgrafen von Schwedt und ihrer Familienangehörigen. Ein paar Schritte weiter geht es schlichter zu, dort stehen Zinnsärge aus der Zeit vor und nach 1600, in die man Inschriften und Wappenschildern graviert hat, um immer zu wissen, wer hier zur letzten Ruhe gebettet ist. Die hier beschriebene Anordnung aus der Zeit vor der Rekonstruktion der Gruft wird bei der Neuaufstellung der Särge verändert, ist aus der Domverwaltung zu hören.

Lobgesang auf ein Enfant terrible

Im frühen 19. Jahrhundert ging man zu edel geformten Holzsärgen über, von denen manche mit dunklem Samt und eingestickten Adlern und Kronen bezogen wurden. Am Sarg des Prinzen Louis Ferdinand von Preußen liegen Kränze. Das Enfant terrible der vornehmen Hohenzollernfamilie fiel im Herbst 1806 am Vorabend der Schicksalsschlacht von Jena und Auerstedt gegen französische Truppen. Theodor Fontane schrieb über ihn: "Sechs Fuß hoch aufgeschossen, / Ein Kriegsgott anzuschaun, / Der Liebling der Genossen, / Der Abgott schöner Fraun, / Blauäugig, blond, verwegen / Und in der jungen Hand / den alten Preußendegen - Prinz Louis Ferdinand". Der Lobgesang auf den "preußischen Apoll" endet mit dem künftige Katastrophen andeutenden Reim "Vorauf den andern allen / Er stolz zusammenbrach; / Prinz Louis war gefallen / Und Preußen fiel - ihm nach."

Auf einer Tagung vor ein paar Jahren über den Zustand der Hohenzollernsärge im Berliner Dom Särge und aktuelle Restaurierungsmaßnahmen setzte sich der damalige Landeskonservator Jörg Haspel für den behutsamen, respektvollen Umgang mit den Sarkophagen aus Metall, Holz und Stein ein. Er plädierte dafür, Ausbesserungen und Ergänzungen, die Rückformung zerbeulter Deckel und Tafeln und andere Maßnahmen überaus vorsichtig vorzunehmen, um den geschichtlichen Zeugnischarakter der Sarkophage nicht zu verdecken und ihr Schicksal nachvollziehbar zu machen. Die recht unbekümmerten, ja geradezu üppigen Ergänzungen an lädierten Sarkophagen in der Kaiserzeit hätten als denkmalpflegerische Strategie schon längst ausgedient, betonte Haspel. Es sei geboten, Erfahrungen, die heutige Metall-, Holz- und Textilrestauratoren in der Hohenzollerngruft sammeln, auch anderenorts, etwa bei der Betreuung der Sarkophage in der Parochialkirche und anderen Gotteshäusern in Berlin und außerhalb zu nutzen.

Dass sich die Familiengruft des Hauses Hohenzollern nicht immer allerhöchster Wertschätzung erfreute, berichtete der Kunsthistoriker Andreas Cante bei seiner Würdigung der kulturhistorischen Bedeutung dieses "Archivs in Gestalt einer Gruft". Danach sei der wegen seiner immensen Kriegsausgaben in Geldnot geratene Friedrich II., der Große, nur deshalb von der Einschmelzung der Metallsärge seiner Ahnen zum Zwecke der Materialgewinnung für neue Münzen abgehalten worden, weil man ihm nachweisen konnte, dass der geringe Anteil von Edelmetall den Aufwand nicht lohnt. Der "Alte Fritz" befahl aber, eigenes Tafelsilber und silbernes Mobiliar einzuschmelzen und fügte damit dem preußischen Kulturbesitz großen Schaden zu.

10. Januar 2022

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