Biographien der Frauen und Männer, an die die Stolpersteine Unter den Linden 8 erinnern (nach Angaben der Staatsbibliothek)

GERHARD ALEXANDER, geb. 10. Februar 1903 in Berlin, evangelisch, studierte Germanistik, Nordistik und Indogermanistik in Hamburg und promovierte in Berlin. In der Universitätsbibliothek Münster von 1931 bis 1932 tätig, hat arbeitete er vom Herbst 1932 bis Dezember 1933 am Gesamtkatalog der Preußischen Staatsbibliothek. Nach der Entlassung schlug sich mit Gelegenheitsarbeiten durch. 1944 wurde er in das KZ Theresienstadt eingeliefert, in dem er bis 1945 bleiben musste und befreit wurde. Im September 1945 wurde er bei der Staats-und Universitätsbibliothek Hamburg eingestellt und war dort bis 1968 zuletzt als Oberbibliotheksrat tätig. Er verstarb am 7. September 1988.

EMMY FRIEDLAENDER, geb. 1. November 1880 im Berlin, Absolventin der Bibliothekarinnenschule im Berliner Abgeordnetenhaus, 1914 die Diplomprüfung für den mittleren Bibliotheksdienst in Preußen. Sie arbeitete in Buchhandlungen und Antiquariaten, ordnete und katalogisierte Privatbibliotheken, war von 1912 bis 1923 in städtischen und wissenschaftlichen Bibliotheken tätig und richtete die Bibliothek des Jüdischen Mädchenheims in der Rosenthaler Straße ein. Zur Preußischen Staatsbibliothek kam sie 1929, wo sie zunächst in der Einbandstelle, später in der Benutzungsabteilung arbeitete. Zum 31. Oktober 1933 wurde sie entlassen. Über ihren weiteren Lebensweg ist nichts bekannt. Am 28. Oktober 1944 deportiert, wurde Emmy Friedlaender noch im selben Jahr in Auschwitz ermordet.

ERNST DANIEL GOLDSCHMIDT wurde am 9. Dezember 1895 im oberschlesischen Königshütte (heute: Chorzów) als Sohn eines Rabbiners geboren. An seine Teilnahme im Ersten Weltkrieg schloss er ein Studium der Klassischen und der Semitischen Philologie in Breslau und Berlin an, das er 1925 mit Staatsexamen und einer Promotion abschloss. An der Preußischen Staatsbibliothek absolvierte er die Ausbildung für den wissenschaftlichen Bibliotheksdienst. Seit 1928 arbeitete er am Gesamtkatalog der Wiegendrucke einschließlich der hebräischen Inkunabeln. Aufgrund der „Nürnberger Gesetze“ wurde er Jahresende 1935 vom Dienst suspendiert und zwangspensioniert. Er emigrierte er mit seiner Familie nach Palästina, wo er bis zur Pensionierung im Jahr 1962 an der Nationalbibliothek in Jerusalem arbeitete. Im selben Jahr kam der ausgewiesene Experte erneut mit dem Gesamtkatalog der Wiegendrucke der Deutschen Staatsbibliothek – nun Berlin/Ost – in Kontakt und erklärte seine Bereitschaft, wieder beratend mitzuwirken. Er starb 1972 in Jerusalem.

WALTER GOTTSCHALK wurde am 29. Januar 1891 in Aachen geboren, studierte in Würzburg und Berlin Orientalistik, Philosophie, Geschichte und Kunstgeschichte und wurde 1914 in Berlin promoviert. Nach seiner Kriegsteilnahme in der Türkei, in Syrien und Palästina war er fast ununterbrochen für die Preußische Staatsbibliothek tätig. 1929 veröffentlichte er dort den umfangreichen Katalog der Handbibliothek der Orientalischen Abteilung. 1935 wurde er aufgrund der „Nürnberger Gesetze“entlassen. Seine Ehefrau Wanda wandte sich 1938 hilfesuchend an Albert Einstein mit der Bitte, ihrem Mann zu einer Anstellung an einer Universitätsbibliothek in den USA oder in Palästina zu verhelfen. Die Eheleute emigrierten im Februar 1939 zunächst in die Niederlande und nach Belgien und 1941 in die Türkei, wo Walter Gottschalk an der Universität Istanbul mit dem Aufbau der Universitätsbibliotheken beauftragt wurde und 1949 eine Professur für Bibliothekswissenschaft erhielt. Er starb 1974 in Frankfurt am Main. Zwei seiner Geschwister wurden Opfer des Holocaust.

ERNST REINHARD WOLFGANG HONIGMANN wurde&xnbsp;&xnbsp;am 8. August 1892 in Breslau geboren. Dort und Freiburg studierte er von 1911 bis 1917 Geschichte, Geographie und orientalische Sprachen; von 1914 bis 1916 nahm er am Ersten Weltkrieg teil und unterrichtete seit Oktober 1917 an einem Gymnasien in Breslau, 1920 promovierte er ebendort. Im gleichen Jahr absolvierte er eine Ausbildung zum wissenschaftlichen Bibliothekar und verbrachte an der Universitätsbibliothek Breslau das erste Jahrzehnt seiner beruflichen Laufbahn. 1931 wechselte er an die Staatsbibliothek nach Berlin. 1933 entlassen, emigrierte er nach Belgien, wo er eine Anstellung am Institut für slawische und orientalische Philologie und Geschichte der Universität Brüssel erhielt. Nach dem deutschen Überfall auf Belgien wurde er am 10. Mai 1940 verhaftet und nach Südfrankreich deportiert. Ihm gelang die Emigration in die USA. Er kehrte nach dem Krieg an die Universität Brüssel, wurde 1953 zum Professor ernannt und starb ein Jahr später.

ROBERT LACHMANN&xnbsp;wurde am 28. November 1892 in Berlin geboren und studierte Lachmann in Berlin und London Englisch, Französisch und Arabisch. Während des Ersten Weltkriegs war er Dolmetscher im Kriegsgefangenenlager Wünsdorf in Brandenburg. Er schrieb die dort gesungenen Lieder auf studierte nach dem Krieg Vergleichende Musikwissenschaft. 1922 wurde er mit einer Arbeit über die Musik in den tunesischen Städten promoviert. Nach Forschungsreisen veröffentlichte er 1929 das Überblickswerk „Musik des Orients“. Von 1927 bis 1933 arbeitete Lachmann als Musikbibliothekar an der Staatsbibliothek. Obwohl Robert Lachmann 1929 seinen Austritt aus der jüdischen Gemeinde erklärt hatte, wurde er als sogenannter ,Beamter nicht arischer Abstammung‘ zum 1. Januar 1934 entlassen. Er emigrierte im April 1935 nach Palästina und baute an der Universität in Jerusalem ein Archiv für Orientalische Musik auf. Der Begründer der modernen Musikethnologie in Israel starb am 8. Mai 1939 in Jerusalem.

ANNELISE MODRZE&xnbsp;wurde am 2. Dezember 1901 in Kattowitz geboren. Ihre Eltern waren noch vor ihrer Geburt zum evangelischen Bekenntnis konvertiert. Nach dem Abitur studierte sie ab 1921 zunächst in Heidelberg und dann in Breslau Philosophie, Germanistik, Geschichte, Klassische Philologie und Archäologie. 1930 zum Dr. phil. Promoviert, war sie in Breslau als Oberstufen-Lehrerin tätig und unterrichtete Psychologie und Pädagogik. Im November 1931 begann sie eine Ausbildung zur wissenschaftlichen Bibliothekarin in Breslau sowie an der Staatsbibliothek in Berlin. Hier war sie in der Handschriftenabteilung so erfolgreich wissenschaftlich tätig, dass sich ihr gute Chancen auf eine Anschlussbeschäftigung in der Staatsbibliothek eröffneten. Im September 1933 konnte sie noch eine Prüfung als Anwärterin für den höheren Bibliotheksdienst mit Auszeichnung ablegen, bevor sie nach Oxford emigrierte, jedoch im März 1935 nach Deutschland zurück kehrte. Sie starb am 14. August 1938 mit nur 36 Jahren in Berlin vermutlich an Tuberkulose. Ihrem Bruder Hans Joachim Modrze gelang 1933 die Emigration nach London, ihre Eltern wurden deportiert. Ihre Mutter starb im Januar 1943 in Theresienstadt; ihr Vater überlebte die Inhaftierung und starb 1951 in Karlsruhe.

HERMANN PICK, geboren am 15. Januar 1879 in Schildberg (heute: Ostrzeszów), studierte in Halberstadt und Berlin orientalische Sprachen, alte Geschichte und jüdische Theologie und promovierte 1904. Nach seiner Ausbildung zum wissenschaftlichen Bibliothekar war er in der Staatsbibliothek zunächst als Hilfsbibliothekar, seit 1914 als Bibliothekar tätig und widmete sich vorwiegend den Rabbinica. Seit Mai 1915 leistete er Kriegsdienst. Im Juli 1919 wurde ihm das Prädikat Professor verliehen. Im Oktober 1923 wurde Pick auf eigenen Wunsch aus dem Staatsdienst entlassen, um sich in Jerusalem als Leiter des Einwanderungsdepartements der Zionistischen Exekutive zu betätigen. Im März 1928 ging er nach Berlin zur Staatsbibliothek und wurde zum 1. Februar 1934 aus deren Dienst entlassen. Er emigrierte mit Frau und Sohn nach Palästina und fand eine Anstellung in der Nationalbibliothek Jerusalem. Hier verstarb er im Jahr 1952.

ARTHUR SPANIER, geboren am 17. November 1889 in Magdeburg, studierte in Berlin Klassische Philologie und Hebräisch. Von 1915 bis 1918 nahm er am Ersten Weltkrieg teil, war als Lehramtsanwärter an einem Gymnasium in Königsberg (Neumark, heute Chojna) und für die Akademie für die Wissenschaft des Judentums tätig. In Freiburg wurde er 1921 promoviert und begann an der Preußischen Staatsbibliothek in Berlin eine Ausbildung zum wissenschaftlichen Bibliothekar. Als Fachreferent in der Orientalischen Abteilung widmete er sich der Beschreibung der hebräischen und der armenischen Handschriften. Im Zuge der „Nürnberger Gesetze“ wurde er 1935 erst beurlaubt und dann zwangspensioniert. Nach den Novemberpogromen 1938 haben die Nationalsozialisten ihn er kurzzeitig ins Konzentrationslager Sachsenhausen eingeliefert. Zwar erhielt er im Januar 1939 einen Ruf an das Hebrew Union College in Cincinnati, doch erkannte das amerikanische Konsulat Spanier nicht als Professor an und verweigerte ihm das Einreisevisum. Im Juni 1939 emigrierte er nach Amsterdam und wurde nach dem deutschen Einmarsch zunächst nach Westerbork, später nach Bergen-Belsen deportiert, wo er am 30. März 1945 starb.

KURT WIERUSZOWSKI wurde am 11. Juli 1877 in Görlitz geboren und evangelisch getauft. Ein neuphilologisches Studium, vorwiegend der Germanistik und Romanistik in Lausanne, Lyon, Leipzig und Bonn beendete er 1904 mit der Promotion sowie 1905 mit dem Staatsexamen. In Halle und Göttingen absolvierte er die Ausbildung als wissenschaftlicher Bibliothekar. Seit 1909 war er an der Berliner Universitätsbibliothek tätig. Er eignete sich die Kenntnis des Russischen und anderer slawischer Sprachen an und wurde mit der Erwerbung und Katalogisierung der Slawica betraut. Im Ersten Weltkrieg war er mit Postzensur befasst, doch arbeitete er auch als Dolmetscher sowie als Leiter einer Divisionspresseabteilung. 1921 wechselte er an die Preußische Staatsbibliothek, wo er sich einen Namen als Fachmann für slawische Inkunabeln im Gesamtkatalog der Wiegendrucke machte, aber auch in der Sachkatalogauskunft sowie als Referent für neuere deutsche Literatur sowie Literatur in rumänischer und in slawischen Sprachen tätig war. Zum Jahresende 1935 wurde er auf der Grundlage der „Nürnberger Gesetze“ zwangspensioniert, wurde er im Oktober 1942 nach Riga verschleppt, wo sich seine Spur verliert.

12. Oktober 2022

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