Staatsbibliothek blieb stehen
Florian Mausbach erinnert sich an Bauten des Bundes und seine Arbeit als Chef der obersten Baubehörde





Die Kriegsruine des Neuen Museums auf der Berliner Museumsinsel, hier mit der James-Simon-Galerie an der Seite, blieb stehen und wurde mit neuester Museumstechnik unter Wahrung der historischen Substanz nach Plänen von David Chipperfield wieder aufgebaut.



Die 1914 eröffnete, im Zweiten Weltkrieg teilweise zerstörte und danach notdürftig wiederhergestellte Staatsbibliothek Unter den Linden in Berlin ist eine großartige "Schatzkammer des Wissens" und erstrahlt außen in alter Schönheit und wird innen den Bedürfnissen einer Bibliothek des 21. Jahrhunderts gerecht.



Für Florian Mausbach wäre das ehemalige Staatsratsgebäude neben dem Humboldt-Forum als DDR-Museum gut geeignet.





Markante Zeugnisse der Architektur aus der Zeit des Nationalsozialismus sind der frühere Zentralflughafen Berlin-Tempelhof und die Anlagen der Naziorganisation "Kraft durch Freude" in Prora auf der Insel Rügen werden in Mausbachs Buch ausführlich erläutert.


Der spektakuläre Neubau neben dem Zeughaus Unter den Linden, der seit 1998 nach Plänen des amerikanischen Architekten chinesischer Abstammung Ieoh Ming Pei errichtet wurde, hat 54 Millionen Euro und damit etwas weniger als geplant gekostet.





Zum Einheits- und Freiheitsdenkmal (oben Modell bei Nacht) und zum Denkmal für die von den Nazis ermordeten Polen im Umfeld des ehemaligen Anhalter Bahnhofs schreibt Wolfgang Thierse im Geleitwort zu Mausbachs Buch "Die Fertigstellung und Errichtung bei der Denkmäler im Herzen der deutschen Hauptstadt wollen wir noch gemeinsam erleben." (Fotos/Repro: Caspar)

Bis ein Bauvorhaben von der Planung bis zur Schlüsselübergabe fertig ist, können viele Jahre vergehen. Der Weg zum Ziel ist steinig und oft mit Streit, Frustration und Rückschlägen verbunden. Niemand weiß das besser als Florian Mausbach, der von 1995 bis 2009 Präsident des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung war und in seinem Buch "Bauten die Staat machen - Erinnerungen und Geschichten von den Baustellen der Berliner Republik" Höhen und Tiefen auf diesem Gebiet schildert (Verlag Berlin Story 2022, 247 Seiten und zahlreiche Abbildungen, 19,95 Euro, ISBN 978-3-95723-188-8). Der Verfasser berichtet von Erfolgen und von guter Zusammenarbeit mit bedeutenden Architekten, aber auch von Intrigen, Eifersüchteleien und falschen Anschuldigungen seine Person und das Amt betreffend. Wer das Buch liest, erfährt von Pannen, Bausünden und nicht verwirklichten Projekten, aber auch davon, dass manche Bau- und Kunstdenkmale durch beherztes Eingreifen von Politikern und anderen Personen einschließlich Florian Mausbachs vor dem Abriss gerettet wurden.

Informativ und humorvoll geschrieben

Im Geleitwort betont der frühere Bundestagspräsident Wolfgang Thierse, der sich als Vorsitzender der Baukommission unserer obersten Volksvertretung die Demokratie mit "ironischem Vergnügen" an temperamentvolle oder auch kühl-mühevolle Jurysitzungen erinnert, die Demokratie sei ein schwieriger, ein etwas schwergängiger Bauherr. "Und trotzdem sind in der 70-jährigen Geschichte der Bundesrepublik Deutschland nicht wenige gute und sehr gute und überzeugende Bauten entstanden!" Zahlreiche Bauten im In- und Ausland, die das Bundesamt und sein Chef Florian Mausbach von der Planung bis zur Ausführung zu verantworten hatten, kommen in dem ebenso informativen wie humorvoll geschriebenen Buch vor. Da wären die Rettung des aus dem 19. Jahrhundert stammenden Bethanien-Krankenhauses in Berlin-Kreuzberg zu nennen und das Bundespresseamt in Berlin zu nennen, das seine hinter Kratzputz aus DDR-Zeiten verborgene Fassade zurück erhielt und dazu ein neues Innenleben. Mausbach geht auch auf den in ein Dokumentationszentrum verwandelten Regierungsbunker im Ahrtal und die zu neuem Leben erweckte monumentale KdF-Anlage aus der Nazizeit in Prora auf der Insel Rügen. Der aus der gleichen Periode stammende, 2008 geschlossene Flughafen Tempelhof wäre ein idealer Standort für ein Luft- und Raumfahrtmuseum, ist es aber wegen zögerlicher Haltung des überforderten Berliner Senats noch nicht.

Wolkenkratzer, Paulskirche, Konstabler Wache

Wir erfahren einiges auch aus Mausbachs Zeit als Baudezernent in Frankfurt am Main, als es neben dem Für und Wider von Wolkenkratzern auch heftige Debatten um die als Denkmal der deutschen Verfassungsgeschichte berühmt gewordene Paulskirche und eine Gedenkstätte für den Frankfurter Wachensturm vom 3. April 1833 ging, bei dem Aufständische erfolglos das Fanal für eine allgemeine Revolution in Deutschland zu geben versuchten. Der mutige Sturm auf die Frankfurter Wache zählt neben dem Wartburgfest von 1817 und dem Hambacher Fest von 1832 zu den spektakulärsten politischen Aktionen im deutschen Vormärz, mit denen die Märzrevolution von 1848 vorbereitet wurde. Mausbachs Entwurf für eine Erinnerungsstätte unter Verwendung alter Bauteile blieb liegen, "und so herrscht noch heute vor der Konstabler Wache erinnerungslose Leere", stellt der Verfasser fest.

Wenn es nach dem Bundesrechnungshof gegangen wäre, stünde das Neue Museum auf der Berliner Museumsinsel heute wohl nicht mehr, in dem vor 1989/90 bereits die DDR-Denkmalpflege tätig war, was in Mausbachs Buch hätte erwähnt werden müssen. Nach dem Motto "Kein Bauten, kein Geld, kein Problem" sollte die letzte große Kriegsruine auf der Museumsinsel im Herzen der Hauptstadt beseitigt werden. Zum Glück kam es anders, und so wurde in David Chipperfield ein kreativer und geschichtsbewusster Architekt gefunden, der dem Kunsttempel aus dem 19. Jahrhundert im Sinne der kritischen Rekonstruktion neues Leben einhauchte. Das Museum behielt seine vom Krieg verschonten historischen Räume, die durch neue, dem preußischen Baudenkmal angepasste Säle und ein Treppenhaus analog zu dem alten ergänzt wurden. Auch beim Wiederaufbau der Staatbibliothek Unter den Linden in Berlin stellte der Bundesrechnungshof die Existenz dieses "Schatzhauses des Wissens", wie Mausbach schreibt, infrage, was auf helles Entsetzen stieß und nicht weiter in Erwägung gezogen wurde. So konnte der kaiserzeitliche Prunkbau, der im Zweiten Weltkrieg stark beschädigt und danach notdürftig repariert wurde, außen historisch und innen neu zurückgewonnen werden, und alle sind glücklich.

Sanierung der "Bösen Bauten"

Das Buch enthält wichtige Informationen über die von Mausbach und seiner Behörde verantworteten Baumaßnahmen in Berlin, Bonn, Paris, Peking und anderswo und gewährt interessante Einblicke in die Arbeit der Behörde. Bei der Charakterisierung der jeweiligen Bauminister nimmt der Verfasser kein Blatt vor den Mund. Einem sagt er Profilneurose und Ignoranz nach, einem anderen, nämlich Klaus Töpfer, bescheinigt er Weitsicht, weil er die "Bösen Bauten", also historisch belastete Orte der NS-Diktatur, nicht abreißen sondern rekonstruieren, sanieren und modernisieren ließ. In dem Buch kommen nicht nur seriöse Leute zu Wort, sondern auch Profilneurotiker und Hochstapler vor, aber davon könnten auch andere Behördenleiter erzählen, wenn sie ihre Memoiren schreiben sollten. Nur angerissen wird das leidige Thema der Kostenerhöhung im Laufe von Baumaßnahmen und deren unendliche Verlängerung etwa beim BER Flughafen Berlin, der Berliner Staatsoper oder dem Bau der James- Simon-Galerie auf der Museumsinsel, ob diese Projekte von Mausbach und seiner Behörde verantwortet wurden oder nicht. Hier hätte man sich mehr Information und Selbstkritik gewünscht, denn dieses Thema regt die Öffentlichkeit regelmäßig auf und ist regelmäßig Gegenstand von Untersuchungsausschüssen. Da geht unter, wenn die Kosten wie im Falle des Pei-Baus neben dem Deutschen Historischen Museum unterschritten werden.

Einheits- und Freiheitsdenkmal und Luftfahrtmuseum

Florian Mausbach berichtet in seinem ebenso informativen die unterhaltsam und mit viel Witz verfassten Buch, dass der Thyssen-Krupp-Konzern einen Glasklotz vor das Berliner Staatsratsgebäude als Firmenrepräsentanz errichten wollte. Erst seine Intervention bei Berthold Beitz, dem Generalbevollmächtigten des Krupp-Konzerns, brachte den Plan zur Fall. Die heute als Flughafen nicht mehr genutzte "NS-Machtarchitektur" in Tempelhof, wie Mausbach schreibt, würde sich als Luft- und Raumfahrtmuseum gut eignen. Für das ehemalige Flugfeld kann sich der Architekt eine gut gestaltete Randbebauung vorstellen. Am Ende des Buches erfahren wir, wie es zur Planung und dem Bau des umstrittenen Einheits- und Freiheitsdenkmals auf der Berliner Schlossfreiheit kam, welche Entwürfe zur Diskussion standen und welche Hürden zu nehmen waren, bis die "Einheitswippe" als Denkmal der Schande und der Freude Gestalt annehmen kann. Florian Mausbach schließt sein Buch mit dem Aufruf ab, am ehemaligen Anhalter Bahnhof ein Denkmal zur Erinnerung die Opfer zu errichten, die die von den Deutschen 1939 überfallenen Polen bringen musste.

7. Juli 2022

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