Auch Gipsfiguren brauchen Pflege
Schadow Gesellschaft lud zum Besuch der Schauwerkstatt im Berliner Mauer-Mahnmal ein



Die originalen Mauersegmente im Marie-Elisabeth-Lüders-Haus zählen die Toten, die das DDR-Grenzregimes zwischen 1961 und 1989 forderte, in einem in der Gedenkstätte ausgelegten Buch wird an die Opfer erinnert.





Andreas Kaernbach erläutert, was auf dem Relief unterhalb der Quadriga auf dem 151 mal 763 Zentimeter großen Relief zu sehen ist und welche Rolle die Friedensgöttin spielt, deren Wagen von Putten gezogen wird.



Hinter den Mauersegmenten sind in Regalen Einzelteile der Gipskopien von 1957/8 aufgestellt.




Am Beispiel des Gipsabgusses von der Wagenlenkerin und weiteren Relikten erläutert Sandro di Michele in der Schauwerkstat der Gipsformerei, wie im Mauer-Mahnmal die historischen Gipsmodelle von 1957 gesichert und rekonstruiert werden.


Die Berliner verspotteten Napoleon I. als Pferdedieb. Während der Befreiungskriege gelangte die in Einzelteilen zerlegte Figurengruppe 1814 nach Berlin zurück und wurde nach Behebung von Transportschäden wieder auf das Brandenburger Tor gestellt.


Der Kaiser der Franzosen wollte die Berliner Quadriga auf einen ihm und seiner Gemahlin Marie Louise gewidmeten Triumphtor in Paris stellen, doch wurde aus dem Plan nichts.


Auf der "Steinernen Chronik" am Roten Rathaus in Berlin schildert eine Reliefplatte, wie die Figurengruppe in die preußische Hauptstadt zurück gebracht wird. (Fotos/Repros: Caspar)
Am 6. September 2022 lud die Schadow Gesellschaft zum Besuch des Marie-Luise-Lüders-Hauses des Deutschen Bundestags ein, in dessen Mauer-Mahnmal eine Werkstatt eingerichtet ist. Mitarbeiter der Gipsformerei der Staatlichen Museen zu Berlin Preußischer Kulturbesitz sind in Abstimmung mit dem Landesdenkmalamt dabei, die 1957 angefertigten Abformungen der Quadriga vom Brandenburger Tor zu sichern, zu restaurieren und zusammenzusetzen. Dabei erläuterte Vereinsmitglied Dr. Andreas Kaernbach, der Kurator der Kunstsammlung des Deutschen Bundestags, die Geschichte des Brandenburger Tors, das 1788 bis 1791 unterm preußischen König Friedrich Wilhelm II. als Friedenstor, als Porta Pacis, nach Plänen von Carl Gotthard Langhans errichtet und gestaltet wurde. Die Zeiten gingen mit der von Johann Gottfried Schadow gestalteten und von Ernst Jury in Potsdam in Kupfertreibarbeit gefertigten Pferdegespann und der geflügelten Friedensgöttin wenig freundlich um. Frankreichs Kaiser Napoleon I., der Sieger der Schlacht von Jena und Auerstedt und Triumphator über Preußen, ließ 1806 das empfindliche Bildwerk vom Brandenburger Tor nehmen, um es in Paris auf einem ihm und seiner Gemahlin Marie Louise gewidmeten Triumphbogen zu stellen, wozu es aber nicht kam.

Beschädigt, restauriert, gerettet

Während der Novemberevolution 1918 wurde das Berliner Wahrzeichen durch Beschuss beschädigt und danach restauriert. In einer Nacht-und-Nebel-Aktion wurden von ihm 1942 Gipsformen in der Voraussicht abgenommen, sie könnte bei Luftangriffen auf Berlin Schaden nehmen, ein Vorgang, der noch der Aufklärung durch Einsicht in Unterlagen von damals bedarf. Die in ein Depot verbrachten Abformungen dienten 1957 der Westberliner Bildgießerei Noack als Vorlagen für eine neue Kupfertreibarbeit, die ein Jahr später auf das Brandenburger Tor gestellt wurde. Die Ostberliner Behörden ließen dabei den preußischen Adler und das Eiserne Kreuz auf der Spitze der Stange beseitigen, die die Göttin in Händen hält. Als die in der Neujahrsnacht 1989/90 von feiernden Berlinern beschädige Quadriga restauriert wurde, hat man die von den Kommunisten als militaristisch bezeichneten Zeichen wieder eingefügt.

Die Mitarbeiter der Gipsformerei der Staatlichen Museen zu Berlin Preußischer Kulturbesitz, Sandro di Michele und Farhad Burg, zeigten den Gästen, wie eines der 1,5 Tonnen schweren Pferde aus statischen Gründen gestützt wird und wie sie störende Schellackschichten entfernen, Fehlstellen ergänzen und die Einzelteile zusammenfügen. Erläutert wurde auch, wie 1957/8, mitten im Kalten Krieg, Ost und West bei der Wiederherstellung der Quadriga zusammengearbeitet haben und was aus den damals bei der Kopie übrig gebliebenen Gipsvorlagen wurde.

Gedenkstätte erinnert an Mauertote

Andreas Kaernbach fände es gut, wenn die eines Tages gereinigten und restaurierten Gipse in einer pädagogisch ansprechenden Weise der Öffentlichkeit präsentiert würden. Der Zusammenhang von Reichstagsgebäude auf der anderen Seite der Spree, Mauer-Mahnmal und Bildhauerkunst und preußischen Reformanstrengungen Ende des 18. Jahrhunderts böte eine gute Gelegenheit, das Auf und Ab deutscher Geschichte begreiflich zu machen. Im Mauer-Mahnmal erinnern Segmente der Berliner Mauer und ein Totenbuch an die Opfer der am 13. August 1961 errichteten und danach immer weiter aufgerüsteten Grenzanlagen, die während der friedlichen Revolution in der DDR am 9. November 1989 geöffnet wurden. Das auf einem Großfoto in der Werkstatt und in einer Publikation des Deutschen Bundestags gezeigte Relief "Einzug der Friedensgöttin im Triumphwagen" auf der Attika des Säulenbaus feiert unterhalb der Quadriga mit allegorischen Figuren den königlichen Bauherrn als Friedensfürsten. Es schildert auf der rechten Seite die Schrecken des Krieges und auf der linken Seiten die Segnungen des Friedens und das Aufblühen der Künste unter Friedrich Wilhelm II. mit Symbolen der Architektur, Bildhauerei und Malerei sowie der Musik und Dichtkunst.

8. September 2022

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