Riesengarde und riesige Medaillen
Preußens Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I. pflegte seltsame Steckenpferde



Friedrich Wilhelm I. regierte von 1713 bis 1740. Die in Potsdam stationierte Riesengarde, um deren Wohl und Wehe er sich persönlich kümmerte, ist von manchen Legenden umwölkt. Des Soldatenkönigs Denkmäler stehen unweit des Böhmischen Dorfs in Berlin-Neukölln und nahe dem Rosa-Luxemburg-Platz im Bezirk Mitte.



Viel Geld und noch mehr Versprechungen für ein angeblich lustiges Soldatenleben waren bei der Anwerbung von Rekruten im Spiel. Für manche Männer war die Aussicht verlockend, in der militärischen Hierarchie aufzusteigen, die meisten aber waren nichts als Kanonenfutter und litten unter den Drangsalierungen ihrer Vorgesetzen. Viele mit Handgeldern in die Armee gelockte Soldaten gingen von der Fahne. Wer erwischt wurde, war des Todes oder musste das berüchtigte Spießrutenlaufen erdulden, was auf das Gleiche hinaus lief.



Keine Meisterleistungen barocker Stempelschneidekunst, aber hochselten und charakteristisch für die seltsame Kunstpflege unterm Soldatenkönig sind die Riesenmedaillen anlässlich von Feldlagern und Truppenschauen. Die von Peter Paul Werner geschaffene Ausgabe aus Gold im Besitz des Wiener Münzkabinetts von 1733 wiegt 348 Gramm und hat einen Durchmesser von 87 mm.



Man musste viele preußische, sächsische und andere Dukaten einschmelzen, um das Material für die goldenen Riesenmedaillen zu gewinnen. Die Aktion war für den Soldatenkönig ein Verlustgeschäft, von den Goldgiganten ist kaum etwas auf unsere Zeit gekommen.



Zar Peter der Große und Friedrich Wilhelm I. von Preußen haben 1716 in Havelberg (heute Sachsen-Anhalt) über einen Tausch Bernsteinzimmer gegen Soldaten verhandelt. Die Bronzefiguren erinnern an den Deal.



Mit kräftigem Schwung wurden auf Spindelpresse die preußischen Riesenmedaillen geprägt, dieses Gerät steht in den Arkaden des Güstrower Schlosses. In Berlin blieb kein Balancier oder Anwurf, wie man zu den Pressen sagte, erhalten.



Die Silbermedaille von Heinrich Paul Großkurth von 1728 auf den Besuch des Soldatenkönigs August dem Starken unterstreicht die Freundschaft zwischen Preußen und Sachsen und gehört mit einem Durchmesser von 68 mm zu den mittelgroßen Prägungen dieser Zeit. Das Grüne Gewölbe in Dresden soll für Friedrich Wilhelm I. der Anstoß gewesen sein, bei Augsburger und Berliner Silberschmieden schwergewichtiges Tafelgeschirr und Möbel aus Silber zu bestellen.



Dass Lange Kerls im Berliner Schloss vor dem greisen Kaiser Wilhelm I. und seinem Hof paradieren, wirkt wie aus der Zeit gefallen. (Fotos/Repros: Caspar)

Während andere Fürsten der Barockzeit Unsummen für Juwelen, Mätressen, Schlösser und Kunstsammlungen ausgaben, delektierte sich der preußische Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I. an seinen Langen Kerls. Er schuf ein ausgeklügeltes System, um überall in Europa besonders hoch gewachsene, kräftige, gesunde und schöne junge Männer in sein Potsdamer Königsregiment Nr. 6 zu holen, und ließ sich diese Marotte viel Geld kosten. Der Monarch konnte sich der Bewunderung seiner fürstlichen Kollegen sicher sein, die nach preußischem Vorbild ebenfalls Riesen-Regimenter aufstellten. Außerdem hatten große Grenadiere auch einen praktischen Zweck, denn sie kamen besser mit den damaligen Flinten klar als solche von durchschnittlicher Körperhöhe.

Wer mindestens 1,88 Meter groß war, die brachialen Methoden der Werber überstand und ihren Versprechungen glaubte, kombiniert mit stattlichen Handgeldern, und sich einstellen ließ, geriet allerdings vom Regen in die Traufe und dürfte seine Unvorsichtigkeit bald bereut haben. Die an ihren hohen Mützen erkennbare Riesengarde gab jungen Adligen, Bauern und Handwerkern, ja auch Kleinkriminellen und allerlei zwielichtigen Gestalten gewisse Sicherheiten und Perspektiven, zumal sie von ihrem im Grunde seines Herzens friedfertigen Chef nie richtig Pulverdampf und Kugelhagel ausgesetzt waren, denn er vermied militärische Konflikte. Er zog sogar ausgefertigte Einsatzbefehle auch für seine "blauen Kinder" zurück, als er in brenzliger Situation einsah, dass ein Feldzug nicht zu gewinnen sind.

"Sie fochten, bis sie den Geist aufgaben"

Des Soldatenkönigs Nachfolger Friedrich II., der Große, konnte mit dem seltsamen Steckenpferd seines Vaters nicht viel anfangen. Nach seiner Thronbesteigung im Jahr 1740 löste er das Regiment auf und überstellte es seiner regulären Armee. Der letzte offizielle Einsatz der Langen Kerls erfolgte beim Leichenbegängnis des Königs in Potsdam. Auf den Schlachtfeldern der Schlesischen Kriege wurden die Rekruten - hoher Körperwuchs hin, schönes Gesicht her - erbarmungslos verheizt. "Sie fochten, bis sie den Geist aufgaben; sodann deckten sie mit ihren schönen Leibern, in Reihen und Gliedern gestreckt, ihren blutigen Schlachtplatz", beschrieb ein Zeitgenosse das klägliche Ende der Elitetruppe. Den Soldaten war bei der Anwerbung das Blaue vom Himmel versprochen worden, doch sah die Realität auf dem Exerzierplatz und im Umgang mit den Vorgesetzten meist ganz anders aus. Ein preußischer Soldat sollte seinen Korporal mehr fürchten als den Feind, hieß es. Viele hielten den Druck nicht aus und versuchten zu entkommen. Wurden die Deserteure geschnappt, hat man sie zu Tode geprügelt oder zur allgemeinen Abschreckung hingerichtet.

Für seine Riesengarde war dem sonst in Bezug auf die Pflege von Kunst, Kultur und Wissenschaft knauserigen, bei der Erhebung von Steuern aber sehr kreativen Soldatenkönigs nichts zuviel. Um sie unter seine Fahne zu bekommen, war ihm jedes Mittel der Täuschung und des Betrugs recht. Er wandte er tausende Taler auf, ein Vielfaches dessen, was er hohen Offiziere und Staatsbeamte im Jahr zahlte. Wenn ihm einer seiner Lieblinge besonders stattlich erschien, ließ er ihn malen oder tat dies selbst mit ungelenker Hand. Als gruslige Kuriosität sind bis heute Skelette mit einer Körperhöhe von 2,12 und 2,23 Metern erhalten. Man sieht den Knochenmännern an den verkrümmten Gliedmaßen an, dass sie im wahren Leben unter ihrer Größe furchtbar gelitten haben.

Wenig Interesse an Kunst und Wissenschaft

Wer im Potsdamer Königsregiment Nr. 6 stand, hatte es besser als die Mannschaften in anderen Regimentern. Persönlich und mit großem Eifer kümmerte sich der Soldatenkönig um seine Riesengarde, denn er fühlte sich als ihr Obrist und Vater. Offiziere und Gemeine wurden bei Wohlverhalten mit Gunsterweisungen, finanziellen Zuschüssen, Land und Baumaterialien beschenkt. Auch sorgte sich der König, dass weit weg wohnende Frauen und Kinder mit Hilfe von Reisekostenzuschüssen nach Königs Wusterhausen oder Potsdam übersiedeln konnten, wo sich der König lieber aufhielt als in seiner Haupt- und Residenzstadt Berlin.

Im Gegensatz zu seinem Vater und Sohn, dem ersten Preußenkönig Friedrich I. und Friedrich II., soll der Soldatenkönig wenig Interesse an bildender Kunst sowie an Architektur und Musik, wohl aber an Medaillen gehabt haben. Diese Meinung stimmt nur insofern, dass der Herrscher nicht so ausgeprägt den Musen zugewandt war wie andere gekrönte Häupter, etwa August der Starke, König von Polen und Kurfürst von Sachsen. Fest steht nur, dass Friedrich Wilhelm I. gleich nach seiner Thronbesteigung 1713 Maler, Bildhauer und Architekten, die seinem Vater zu Diensten waren, entließ und den Etat für Künstler und Gelehrte sowie die Berliner Akademien der Künste und Wissenschaften kürzte. Auf der anderen Seite beschäftigte er in begrenztem Umfang Maler und Musiker, Bildhauer und Baumeister sowie Stempelschneider und Medailleure, wenn sie seinen Vorstellungen von sich als Landesvater und seinem bieder-bürgerlichen Kunstgeschmack entsprachen und er sich von ihren Werken Prestigegewinn in der Riege der europäischen Fürsten versprach. So wurde das Berliner Schloss aufgeputzt, als sich August der Starke 1728 zu einem Staatsbesuch ansagte. Außerdem gab der Soldatenkönig viel Geld aus, als es darum ging, einen tonnenschweren Staatsschatz in Gestalt von silbernen Möbeln und Gefäßen anzuschaffen und sich auf riesigen Medaillen zu präsentieren.

Militärische Spektakel in Gold und Silber

Friedrich Wilhelm I. fand nicht nur an seiner Riesengarde Gefallen, sondern auch an riesigen Silbermedaillen, die anlässlich von Truppenschauen und Feldlagern geprägt wurden. Die von den Stempelschneidern Friedrich Marl und Peter Paul Werner geschaffenen Stücke im Besitz des Münzkabinetts der Staatlichen Museen zu Berlin Preußischer Kulturbesitz und in andern Sammlungen haben einen Durchmessern bis 132 Millimeter und wiegen mehrere hundert Gramm. So groß sie auch sind, zu den Meisterwerken barocker Medaillenkunst zählen sie allerdings nicht. Sie zeigen aber sehr gut, worauf es dem König von Preußen bei diesen militärischen Spektakeln ankam - die Präsentation sauber ausgerichteter Regimenter und die Zurschaustellung von Größe und Macht. Dargestellt ist auf der Vorderseite der Herrscher mit Zopf und angetan mit einem Eisenharnisch, Hermelinmantel oder ohne diesen und dem Band des Schwarzen Adlerordens über der Brust. Auf der Rückseite erkennt man unter der Devise PRO DEO ET MILITE (Für Gott und das Heer) die exakt angetretenen Grenadiere.

Die ungewöhnliche Größe der Medaillen und also auch der Stempel hatte bedeutende technische Probleme zur Folge, weshalb nur wenige Stücke dieser zu den großen Seltenheiten der brandenburgisch-preußischen Medaillengeschichte zählenden Prägungen ausgeführt wurden. Dazu standen in der Berliner Münze große und schwere Spindelpressen zur Verfügung. Da sich das Relief dieser Riesen nicht bei einem Prägevorgang herstellen ließ, mussten die Schwungarme der Balanciers mehrfach angeworfen werden. Sicher wurden die Ronden zwischendurch geglüht, weil das Metall zwischendurch beim Pressen wieder hart geworden war.

Weder Kosten noch Mühen gescheut

Von Julius Menadier, dem früheren Direktor des Berliner Münzkabinetts und Autor des 1901 erschienenen Werks über die "Schaumünzen der Hohenzollern" wissen wir, dass Friedrich Wilhelm I. bei den Riesenmedaillen keine Kosten und Mühen scheute. Auf Kunstfertigkeit und allegorische Ausmalung seines Wahlspruchs kam es ihm offenbar nicht an. "Die Arbeiten der beiden Berliner Meister sind von einer Rohheit, welche alle Unvollkommenheit ihrer früheren Erzeugnisse weit hinter sich läßt", schreibt Menadier in einer Betrachtung der Medaillen des Hauses Hohenzollern im Hohenzollern-Jahrbuch von 1901. Das mag auch von dem übergroßen Umfang dieser Gepräge abhängen, die mit Durchmessern von 87 bis 132 mm die größten Stücke seien, die jemals geprägt wurden.

Der König ließ diese "Riesen" vorzugsweise in Gold mit einem Gewicht bis zu 500 Dukaten prägen lassen. Von einer solchen Medaille von 1723 wurden drei goldene und 20 silberne Exemplare hergestellt. Zwei weitere Medaille von 1727 wurde mit Gewichten zu 500 Dukaten, drei zu 400 Dukaten, vier zu 300 Dukaten, sechs zu 200 Dukaten und acht zu 150 Dukaten geprägt, summa summarum 23 Medaillen im Gesamtgewicht von 5800 Dukaten, das wären etwa 20 Kilogramm Gold gewesen, wenn man einen Dukaten mit etwa 3,5 Gramm berechnet. Für das Jahr 1728 notiert Menadier aufgrund der Akten die Herstellung von 27 großen Goldmedaillen im Gewicht von 6426 3/8 Dukaten. Die Herstellung der Medaillen kostete fast 18 400 Taler. Für die Anfertigung von zwei großen Silbermedaillen im Gewicht von über acht Mark (1 Mark berechnet zu 234 Gramm, also über 1,8 Kilogramm) wurden 127 Taler und 29 Groschen aufgewandt. Als 1733 in Berlin die Hochzeit des Kronprinzen Friedrich, des späteren Königs Friedrich II., mit Elisabeth Christine von Braunschweig gefeiert wurde, fand ein großes Feldlager statt, was wiederum die Prägung einer riesigen Medaille wert war. Der König befahl noch im gleichen Jahr die Prägung von zwei goldenen Medaillen zu 500 Dukaten und vier zu 150 Dukaten. Zwei Jahre später bestellte er 72 goldene Medaillen zu 100, 50 und 30 Dukaten. Die Hochzeit und weitere Vermählungen in der königlichen Familie wurden durch eine Serie von 67 mm großen Medaillen mit dem Bildnis von Friedrich Wilhelm I. gefeiert, das den aufliegenden Preußenadler beziehungsweise einem brennenden Opferaltar gefeiert. Alle diese Prägestücke gehören zu den großen Raritäten der preußischen Münz- und Medaillengeschichte.

Erst geprägt, dann wieder eingeschmolzen

Da die schwergewichtigen Goldmedaillen totes Kapital waren und sich wohl auch nicht genug zahlungskräftige Abnehmer oder Sammler fanden, welche die aufgewandten Summen hätten kompensieren können, wurde die Generaldomänenkasse angewiesen, Restbestände der königlichen Münze zum Einschmelzen zu übergeben, was mit nicht unbeträchtlichen Einbußen verbunden war. Julius Menadier notiert, der König habe die großen Goldmedaillen der erwähnten Kasse als eisernen Bestand zuführen lassen. "Dass 7sie daselbst nicht lange verblieben, beweist der Umstand, dass nicht eine einzige bei der von seinem Sohn und Nachfolger [Friedrich II., H. C.] angeordneten Inventarisation sich vorgefunden hat. Zur Zeit ist nur ein einziges Exemplar im Gewichte von 348,80 gr im Wiener Münzkabinett bekannt, was bei dem Missverhältnisse zwischen Metall- und Kunstwert schwerlich befremden kann." Zu sehen war das Stück 2010 in der Ausstellung "Goldgiganten" des Berliner und des Wiener Münzkabinetts im Bodemuseum auf der Museumsinsel.

INFO: Die Geschichte der Langen Kerls wurde 2003 vom damaligen Direktor des Geheimen Staatsarchivs, Jürgen Kloosterhuis, umfassend anhand der Akten aufgearbeitet und publiziert. Darüber hinaus wurde eine Ausstellung im Schloss Königs Wusterhausen über die Langen Kerls im Besuchermagazin PORTICUS der Preußischen Schlösserstiftung Heft 2/2005 vorgestellt.

30. Juni 2022

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