"Dem Sieger gehört die Kunst"
Chef des Louvre plünderte 1806 für Frankreichs Kaiser Napoleon I. Berliner und Potsdamer Schlösser und entführte Schadows Quadriga



Die Berliner waren über die Entführung der Quadriga vom Brandenburger Tor als Schmach und wünschten dem "Pferdedieb Napoleon" alles erdenklich Böse an den Hals. Wie das Tor aussah, zeigt die um 1900 gezeichnete Szene mit Landsturmmännern, die sich 1813 auf den zum Kampf gegen die Besatzer vorbereiten.



Die Medaille auf den Einzug Napoleons I. am 27. Oktober 1806 durch das Brandenburger Tor wurde durch eine Medaille gefeiert, für die Dominique Denon als Chef der Pariser Medaillenmünze und der Stempelschneider Louis Jaley verantwortlich zeichneten. Zahlreiche Medaillen mit dem Kopf des Kaisers der Franzosen sind mit dem Namen DENON signiert.



Die Berliner waren über die Entführung der Quadriga vom Brandenburger Tor als Schmach und wünschten dem "Pferdedieb Napoleon" alles erdenklich Böse an den Hals.



Das 1806 seines Schmucks entkleidete Tor war eine ständige Erinnerung an die preußische Niederlage und wirkte bei den Berlinern wie ein Pfahl im Fleisch. Als die Figurengruppe zurück kam, jubelten die Berliner.



Die Rückführung der Figurengruppe 1814 nach der Entmachtung des Kaisers geriet zum Triumphzug. Das Relief auf dem von Christian Daniel Rauch geschaffenen Blücherdenkmal im Prinzessinnengarten an der Straße Unter den Linden schildert die Rückkehr der Figurengruppe.



Als am 3. August 1958 die nach der Kriegszerstörung neu modellierte Quadriga im Hof des Marstalls auf ihre Fahrt zum Brandenburger Tor vorbereitet wurde, befanden sich das Eiserne Kreuz und der auffliegende Adler noch am rechten Ort



Auf Kurs- und Gedenkmünzen beider deutscher Staaten ist das Brandenburger Tor sehr gut.





Das Modell des nach Plänen von Karl Friedrich Schinkel erbauten und 1830 eröffneten Alten Museums am Berliner Lustgarten wird im Schinkel-Pavillon im Schlosspark Charlottenburg ausgestellt.



Die Italien geraubten Kunstwerke wie die aus dem Vatikan in Rom stammende Laokoongruppe und die Venus Medici, die man in den Uffizien zu Florenz bewundern konnte, und der Apollo Belvedere, der ebenfalls aus dem Vatikan nach Paris entführt wurde, waren Napoleon I. so wichtig, dass er Medaillen mit Innenansichten des Louvre und der Venus, kombiniert mit dem Motto AUX ARTS LA VICTOIRE (Den Künsten der Sieg) prägen ließ. (Fotos/Repros: Caspar)

Der Raub von Gemälden, Plastiken, Büchern und Juwelen ist keine "Erfindung" des 20. Jahrhunderts, auch in früheren Zeiten wurden Kunstwerke, Dokumente und andere Preziosen gestohlen. Nach der Schlacht von Jena und Auerstedt im Oktober 1806, als Preußen von den Truppen Napoleon I. vernichtend geschlagen wurde, schwärmten in Berlin, Potsdam und anderen besetzten Städten der preußischen Monarchie französische Kunsträuber aus. Mit gemischten Gefühlen hatten die Berliner den feierlichen Einzug des bleichen, düster dreinblickenden Triumphators am 27. Oktober 1806 durch das Brandenburger Tor beobachtet. König Friedrich Wilhelm III. von Preußen hatte mit seiner Familie und einem großen Teil seines Hofes bereits die Haupt- und Residenzstadt in Richtung Ostpreußen verlassen, wo er sich auf die Hilfe von Zar Alexander I. stützte und den noch ein paar Monate den Krieg gegen die Franzosen fortsetzte. "Unser Dämel sitzt in Memel" lachten die Berliner, doch blieb ihnen der Spott bald im Halse stecken, denn die Besatzer pressten ihnen Geld, Lebensmittel und andere wichtige Güter ab. Preußens Niederlage hatte auch ihr Gutes, denn endlich wurden Reformen eingeleitet, zu denen sich die Erben Friedrichs des Großen nicht so leicht bequemt hätten.

Dominique Vivant Denon, das Auge des Kaisers

Die Plünderung Berliner und Potsdamer Schlösser nach dem Motto "Dem Sieger gehört die Kunst" wurde von einem Vertrauten des Kaisers organisiert, dem auf vielen französischen Medaillen genannten Chef der Monnaie des Médailles und Generaldirektor des Musée Napoléon in Paris, Dominique Vivant Denon (1747 bis 1825). Der weltgewandte Lebemann und Frauenheld, den man auch Auge des Kaisers nannte, war ein bedeutender Kenner der antiken Kunstgeschichte und betätigte sich auch als Grafiker. 1798/9 begleitete er als Sachverständiger General Napoleon Bonaparte beim Feldzug in Ägypten und betätigte sich einige Jahre später im Auftrag seines inzwischen 1804 zum Kaiser der Franzosen aufgestiegenen Herrn als Kunsträuber. Sein Feldzug beschränkte sich nicht nur auf Berlin und Potsdam, sondern schloss auch Sammlungen in Braunschweig, Salzdahlum, Kassel und Wilhelmshöhe sowie Schwerin ein. Von schamlosen Plünderungen waren auch italienische Museen betroffen.

In seinem Rückblick auf den Kunstraub schrieb 1814 der mit dessen Aufarbeitung befasste Martin Friedrich Raabe, seines Zeichens Bauinspektor am Berliner Hofbauamt und Professor an der Bauakademie, mit Blick auf die Geschichte solcher Plünderungen, im Altertum und auch noch in unseren kultivierten Zeiten habe sich dieser Brauch erhalten. "Aber keine der neueren Nationen übt ihn jetzt mehr aus, als die Französische, obgleich sie so gern für die gebildetste gehalten zu werden wünscht." Denon habe sich anfangs bescheiden verhalten und steigerte nach und nach seine Forderungen zur Herausgabe der Kunstwerke gesteigert, "was er dann neueren Befehlen, oder auch wohl andern Männern zuschrieb, die dem Kaiser von unsern Kunstwerken und Alterthümern gegeben haben sollten." (1) Der Autor irrte, nebenbei gesagt, als er behauptete, Friedrich der Große habe im Siebenjährigen Krieg die Kunstschätze in Dresden "unberührt, obgleich nicht unbesucht" gelassen, denn preußische Truppen raubten unter anderem die Meißner Porzellanmanufaktur aus und schlugen in Schlössern des dem König von Preußen besonders verhassten sächsischen Ministers Graf Heinrich von Brühl alles kurz und klein.

Dieb im Gefolge der Großen Armee

Baron Denon ließ in Berlin die Quadriga auf dem Brandenburger Tor abbauen, um sie nach Paris zu schicken, wo sie ein Tor schmücken sollte. Ohnmächtig beobachteten die Berliner die Demontage der von Johann Gottfried Schadow geschaffenen Friedensgöttin samt Pferdegespann. Der Hinweis des Bildhauers auf mögliche Schäden, die beim Abbau und dem Transport an dem dünnen Kupferblech eintreten könnten, haben die Besatzer vom Tisch gewischt. In seiner Autobiographie "Kunstwerke und Kunstansichten" von 1849 erwähnte der Künstler den unerhörten Vorgang nur kurz und vermutlich angewidert mit diesen Worten: "Denon, der sich durch seine Beschreibung von Ägypten einen guten Namen gestiftet hat, den jedoch die französischen Generale ,nôtre voleur à la Suite de la Grande Armée nannten [unserer Dieb im Gefolge der Großen Armee, H. C. ], kam, um die Abnahme der Quadriga vom Brandenburger Tore anzuordnen, wozu denn der Kupferschmied Jury von Potsdam herbeigerufen wurde. Zugleich mußte der Baurat Becherer die Rechnungen für die Kosten dieser Gruppe aus den Akten herbeischaffen. Im Schlosse wurden mit gleichem Fortschritt in bald Kisten Gemälde und antike Marmors verpackt." (2) Schadow fügte hinzu, per Dekret seien alle Abbildungen zu Friedrich den Großen eingesammelt worden, und auch seine, Schadows, Figur aus Marmor dieses Königs für Stettin sollte in die französische Hauptstadt gebracht werden. "Man sagte Herrn Denon, diese sei nicht auf Königs Kosten angefertigt, was zur Folge hatte, daß sie stehenblieb." In einem Kommentar wies Götz Eckardt, der Herausgeber des erwähnten Erinnerungsbandes, darauf hin, dass Denon die Einwände des Bildhauers hinsichtlich der Zerbrechlichkeit des dünnen Kupferblechs nicht akzeptierte. Selbst wenn der Kaiser verzichten würde, sei die Abnahme erfolgt, schreibt Schadow, angeblich weil es die Armee verlangte. (3)

In Kisten per Schiff nach Paris

Die in Einzelteile zerlegte Quadriga wurde, in zwölf Kisten verpackt, auf dem Wasserweg über Hamburg nach Paris gebracht. Der Plan des Kaisers, sie auf einen Triumphbogen zu stellen, blieb unausgeführt. Stattdessen hat man sie im Erdgeschosssaal des Musée Napoléon aufgestellt, nachdem die nicht unerheblichen Schäden behoben worden waren, wie Eckardt schreibt (3). Die triumphale Rückführung der Quadriga im Sommer 1814 nach dem Sieg der Verbündeten über Frankreich nach Berlin und auf das Brandenburger Tor war dem mit Äußerungen über eigene Befindlichkeiten sparsamen Schadow nur diese Bemerkung wert: "Am 30sten [Juni 1814, H. C.] war auf demselben Tore, durch den Mechaniker Hummel aufgestellt, wieder zu sehen die Quadriga" (4). Das von König Friedrich Wilhelm III. 1813 gestiftete und von Karl Friedrich Schinkel als Kriegs- und Zivilauszeichnung gestaltete Eiserne Kreuz wurde in den Eichenkranz an der Stange eingefügt, womit die Friedensgöttin Eirene in die Siegesgöttin Viktoria verwandelt wurde. Bei der Neuaufstellung der wiederhergestellten Quadriga haben die DDR-Behörden 1958 das ihnen verhasste Eiserne Kreuz samt aufliegenden Preußenadler entfernen lassen, weshalb der Kranz bis nach dem Fall der Berliner Mauer und der Öffnung des Brandenburger Tors leer blieb. Erst im Zusammenhang mit der Restaurierung der in der Neujahrsnacht vom 31. Dezember 1989 zum 1. Januar 1990 von feiernden Berlinern demolierten Figurengruppe konnte der historische Zustand wiederhergestellt werden.

Die preußische Regierung hatte 1806 mit einer Niederlage nicht gerechnet und auch keine Vorkehrungen getroffen, den königlichen Kunstbesitz vor Verlust und Beschädigung zu bewahren. Dass das Reich des als unbesiegbar verherrlichten Friedrich II., des Großen, je besetzt werden könnte, stand außerhalb jeder Vorstellung. Als Napoleon I. dann doch nahte, wurde das königliche Silber hastig auf die Festung Spandau gebracht, die bald den Franzosen in die Hände fiel. Die brillantbesetzten Tabatièren Friedrichs des Großen und Staatspapiere blieben dem Feind verborgen. Beamte machten die im Berliner Schloss befindlichen Bilder, Skulpturen, Antiken und Bilder "transportable". Zusammen mit königlicher Wäsche gelangten sie per Schiff nach Küstrin, wo sie alsbald von den Franzosen requiriert und nach Berlin mit dem Ziel zurückgeschafft wurden, sie nach Paris zu schicken.

Antike Skulpturen und altdeutsche Meister

Baron Denon ließ in Berlin und Potsdam nicht antike Skulpturen sowie Gemälde der damals "modischen" Franzosen, Italiener und Holländer einpacken, sondern auch Werke der in ihrem Wert noch nicht entdeckten altdeutschen Meister. Französische Rokokokünstler, die Friedrich der Große so liebte, dass er deren Werke überall in seinen Privatgemächern, etwa in der Kleinen Galerie des Schlosses Sanssouci und in seinen Privatgemächern im Neuen Palais, aufhängen ließ, interessierten den Emissär aus Paris nicht, da sein Heimatland damit reich gesegnet war. Wohl aber nahm Denon Bilder mit, die Napoleon I. wegen ihres geschichtlichen Inhalts schätzte. Es handelte sich um Episoden aus dem Leben Friedrichs des Großen, die ihm weniger wegen ihrer künstlerischen Qualität, sondern weil er den Preußenkönig als großen Feldherrn schätzte. Nicht umsonst hatte der Kaiser ihm Ende 1806 beim Besuch der Gruft in der Potsdamer Garnisonskirche seinen ausdrücklichen Respekt gezollt.

Schleppende, unwillige Rückgabe

Dessen ungeachtet wurden 204 große und kleine Figuren und Büsten, Reliefs aus Marmor und Bronze, über 500 Gemmen, 7000 römische Bronzemünzen und mittelalterliche Silbermünzen sowie zahlreiche Gemälde aus dem Berliner Schloss beziehungsweise aus den Sammlungen in Sanssouci verschleppt. Im Oktober 1807, ein Jahr nach Jena und Auerstedt, wurden die Kunstwerke im Louvre ausgestellt. Napoleons lorbeerbekränzte Bronzebüste wurde dabei zwischen zwei Victorien aus dem Park von Sanssouci aufgestellt. Frankreichs Kaiser wollte das im Aufbau befindliche Musée Napoléon im Pariser Louvre mit seinen Kriegstrophäen auf bequeme und billige Weise ausstatten. Betroffen waren neben den preußischen Kunstschätzen auch die aus Rom verschleppte Laokoongruppe, die in Florenz befindliche Venus Medici, ferner die Pferde vom Markusdom und der Löwe vom Markusplatz in Venedig sowie Aachener Marmorsäulen und der Sarkophag Kaiser Karls des Großen, als dessen Nachfolger und Vollender sich Napoleon I. betrachtete. (5)

Die von preußischen Beamten sorgfältig geführten Verlustlisten taten Jahre später nützliche Dienste. Die nach der Entmachtung Napoleons wieder auf den Thron gelangten Bourbonen zögerten die Herausgabe der Kunstbeute heraus, obwohl es Absprachen zu diesem Punkt zwischen Friedrich Wilhelm III. und dem französischen König Ludwig XVIII. gab. Denon behauptete unter Hinweis auf den Friedensvertrag zu Tilsit von 1807, das Raubgut sei französisches Eigentum und Teil der Louvresammlungen. Wenn etwas zurückkehre, dann sei es ein "Geschenk" an Friedrich Wilhelm III. Des Königs Drohung, man werde ihn, Denon, auf die Festung Graudenz bringen, wenn er kein Entgegenkommen zeige, zeigte Wirkung. Preußen bekam viele geraubte Kunstwerke zurück, aber nicht alle zurück. Johann Gottfried Schadow fand die sich wegen der Rücksichtnahme auf französische Befindlichkeiten hinschleppenden Rückgabeverhandlungen überhaupt nicht gut. Seinem Freund, dem Archäologen und Professor an der Berliner Bauakademie Carl Bötticher, schrieb er: "Wir andern sind mit dieser Milde der hohen Verbündeten unzufrieden, doch was wissen wir!"

Geburt der Berliner Museumsinsel

Raub und Heimkehr der Kunstwerke aus dem Besitz der preußischen Könige und aus anderen Quellen hatten weitreichende Folgen. Die Präsentation der Gemälde, Skulpturen, Antiken und anderen Kunstwerke im Akademiegebäude Unter den Linden war ein willkommener Anlass, König Friedrich Wilhelm III. an ältere Pläne zu erinnern, endlich auch in Berlin ein öffentliches Museum zu gründen. Die noch aus der Zeit Friedrichs des Großen stammende Akademie mit ihren engen Räumen erwies sich als ungeeignet für diesen Zweck, deshalb wurde der Ruf nach einem Neubau immer lauter. Die in königlichem Besitz befindlichen Kunstgegenstände sollten nicht mehr in den Schlössern und Gärten in Berlin und Potsdam "vereinzelt" werden, wie man sagte, sondern sollten jedermann zugänglich sein. Nach langem Zögern entschloss sich Friedrich Wilhelm III., durch weitsichtige Ratgeber wie Wilhelm von Humboldt und Alois Hirt ermuntert, nach Plänen von Karl Friedrich Schinkel am Lustgarten ein Museum zu bauen. Das 1830 eröffnete Alte Museum wurde so zur Keimzelle der Königlichen, ab 1918 Staatlichen Museen zu Berlin. Durch großzügige Ankäufe und Finanzierung von Ausgrabungen und Expeditionen, aber auch durch Stiftungen privater Kunstsammler und andere glückliche Umstände gelang es im Laufe der Zeit, die Berliner Museen zu einer weltweit beachteten und geachteten Institution zu entwickeln, in dem auch Werke von Johann Gottfried Schadow einen würdigen Platz finden.

Anmerkungen:

1) Götz Eckardt: Der napoleonische Kunstraub in den königlichen Schlössern von Berlin und Potsdam. In: Studien zur Berliner Kunstgeschichte, hrsg. von Karl-Heinz Klingenburg, VEB E. A. Seemann Verlag Leipzig 1986, S. 124

2) Johann Gottfried Schadow: Kunstwerke und Kunstansichten, hrsg. von Götz Eckardt, Henschelverlag Kunst und Gesellschaft Berlin 1987, Bd. 1, S.74

3) ebenda Bd. 1, S. 104

4) siehe dazu Bénédicte Savoy: Kunstraub. Napoleons Konfiszierungen in Deutschland und die europäischen Folgen. Mit einem Katalog der Kunstwerke aus deutschen Sammlungen im Musée Napoléon, Böhlau Verlag Wien 2010 sowie zu den Medaillen Lisa Zeitz und Joachim Zeitz: Napoleons Medaillen, Michael Imhof Verlag Petersberg, 2003, S. 83-91

23. Februar 2022

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