Triumphale Heimkehr von der Insel Elba
Kaiser Napoleon I. verließ 1814 sein Exil im Mittelmeer und forderte vergeblich das Kriegsglück heraus



Nach dem verheerenden Brand von Moskau und des Kreml verließ Napoleon I. das winterliche Russland fluchtartig. Die Medaille von 1812 führt die Niederlage auf das Wüten feindlicher Winde und schlechter Wetterverhältnisse zurück.



Der Rückzug seiner Armee aus dem eisigen Russland war 1812/13 das Fanal zum Kampf gegen die Fremdherrschaft.



Am liebsten hätten die Deutschen den Kaiser der Franzosen zermalmt und zerstampft.





Der Ex-Kaiser wusste in Portoferraio auf der Insel Elba gut zu leben. Aber das ihm von den Siegern zugewiesene Fürstentum reichte ihm nicht aus, weshalb er zielgerichtet seine Rückkehr nach Frankreich betrieb.



Der Sieg der Verbündeten am 18. Oktober 1813 bei Leipzig und die Fortsetzung der Befreiungskriege bis zum Sommer 1815 wurden auf zahlreiche Medaillen gefeiert, hier eine Ausgabe mit den zum Wiener Kongress geladenen Monarchen.



Niemand konnte sich 1814 vorstellen, dass der ebenso bewunderte wie gehasste Ex-Kaiser irgendwann aus der Versenkung auftaucht. Die Medaille von 1814 feiert seinen "Adlerflug" nach Frankreich und wie sich Soldaten begeistert unter den Befehl ihres Kaisers stellen. (Fotos/Repos: Caspar)

Der Krieg gegen Russland brachte 1812 dem französischen Kaiser Napoleon I. kein Glück. Nach dem Brand von Moskau verließen Napoleon I. und sein Heer fluchtartig Russland, von Truppen des Zaren Alexander I. verfolgt und in weitere Schlachten und Gefechte verwickelt. Da seine Große Armee auf einen Winterfeldzug nicht eingerichtet war und auch die Versorgung mit warmer Kleidung und mit Nahrung nicht klappte, blieben hohe Verluste nicht aus. Während sich der Kaiser mit dem Pferdeschlitten in Richtung Frankreich aus dem Staub machte, kämpften sich seine Soldaten durch den eisigen Winter. Ein Bulletin räumte ein, dass der Feldzug "nicht gelungen" sei, und daran sei das schlechte Wetter Schuld. Schockierend für alle, die ihre Angehörigen in Russland unter schrecklichen Bedingungen verloren hatten oder von dort als Invaliden zurück kamen, muss die Erklärung gewirkt haben, die Gesundheit des nach Paris zurück gekehrten Kaisers sei niemals besser als jetzt.

Die bereits stark reduzierte Große Armee erlitt am 26. November 1812 bei der Überquerung des Flusses Beresina große Verluste, denn von 70 000 Soldaten erreichten nur 40 000 das andere Ufer. Insgesamt kamen von den ursprünglich über 600 000 in Russland eingefallenen Soldaten nur zwischen 20 000 und 80 000 krank und erschöpft zurück. Die Hofnachrichten verloren kein Wort über die ungeheuren Opfer des Feldzugs, von dem man sagt, er sei der Anfang vom Ende des Kaisers der Franzosen gewesen.

Aufruf "An Mein Volk" war das Fanal

Das Desaster war so groß, dass sich bisher von Frankreich abhängige Völker und Regierungen entschlossen, sich der Fremdherrschaft mit Waffengewalt zu entledigen. Gegen den Willen seines Königs Friedrich Wilhelm III. schlossen am 30. Dezember 1812 der preußische General Johann David von Yorck und sein russischer Kollege Hans Karl von Diebitsch die Konvention von Tauroggen ab. Mit dem Waffenstillstand schied das bisher an der Seite der Franzosen kämpfende preußische Kontingent aus dem Krieg aus. Friedrich Wilhelm III. war über die Eigenmächtigkeit seines Generals entsetzt, stellte sich aber, von klugen Beratern des Reformflügels mehr gedrängt als dem eigenen Antrieb folgend, am 18. März 1813 mit seinem "Aufruf an mein Volk" an die Spitze der Befreiungsbewegung und fand ein begeistertes Echo. "Brandenburger, Preußen, Schlesier, Pommern, Litthauer! Ihr wisst, was Ihr seit fast sieben Jahren erduldet habt; Ihr wisst, was euer trauriges Los ist, wenn wir den beginnenden Kampf nicht ehrenvoll enden. [...] Große Opfer werden von allen Ständen gefordert werden; denn unser Beginnen ist groß, und nicht geringe die Zahl und die Mittel unserer Feinde. [...] Aber, welche Opfer auch von Einzelnen gefordert werden mögen, sie wiegen die heiligen Güter nicht auf, für die wir sie hingeben, für die wir streiten und siegen müssen, wenn wir nicht aufhören wollen, Preußen und Deutsche zu sein."

Auf dieses Fanal reagierte Napoleon I. mit einem Krieg gegen Preußen und weitere Länder, die der französischen Dominanz überdrüssig waren. Bis zur Völkerschlacht, die vom 16. bis 18. Oktober 1813 in der Nähe von Leipzig tobte, fanden mehrere blutige Auseinandersetzungen mit unterschiedlichem Ausgang statt. In der Schlacht von Großbeeren südlich von Berlin gelang es am 23. August 1813 preußischen Soldaten und Landwehrmännern, Berlin vor drohender französischer Besetzung zu bewahren. Weitere Waffengänge machten den Franzosen schwer zu schaffen.

In der Völkerschlacht bei Leipzig standen 190 000 Franzosen mit ihren Hilfsvölkern einer Übermacht von mehr als 300 000 Österreichern, Russen, Preußen und Schweden gegenüber. Die Alliierten griffen die Franzosen an, die sich in Dörfern und Gehöften in der Umgebung verschanzt hatten. Die Entscheidung im blutigen Häuserkampf und auf offenem Feld fiel am 18. Oktober 1813. Nach neunstündigem Kampf sah der Kaiser ein, dass er das Kriegsglück nicht mehr wenden kann, und befahl die Einstellung der Kampfhandlungen. Unter Zurücklassung von 30 000 Mann, die in Leipzig die Stellung halten sollten, zog er sich seinen noch verbliebenen Truppen in Richtung Westen zurück. Am Tag darauf nahmen die verbündeten Monarchen auf dem Leipziger Marktplatz ihre Siegesparade ab.

Nsch Abdankung Exil auf Insel im Mittelmeer

Die Drei-Tage-Schlacht kostete nahezu jeden fünften Soldaten das Leben. 22 000 Russen, 16 000 Preußen, 12 000 Österreicher und 300 Schweden waren gefallen, während auf der französischen Seite 90 000 tote Soldaten gezählt wurden. Sachsens König Friedrich August I., der als treuer Vasall bis zum Schluss zu Napoleon gehalten und ihm auch zahlreiche Soldaten zur Verfügung gestellt hatte, geriet in preußische Gefangenschaft und wurde nach Berlin gebracht. Auf dem Wiener Kongress (1814/5) musste er die Abtretung großer Territorien an Preußen hinnehmen. Zahlreiche Mitglieder dieses Fürstenbundes liefen zur antinapoleonischen Koalition über, in der sich Russland, Österreich, Preußen, England, Schweden und andere Monarchien zusammengeschlossen hatten.

Offenbar verstanden es die Verbündeten nicht, die in Richtung Frankreich abziehenden Heere des Kaisers konsequent zu verfolgen und zu vernichten. Ihm gelang es, sich hinter den Rhein zurückzuziehen und Truppen für die Revanche neu aufzustellen. Es bedurfte mehrerer Schlachten mit wechselndem Ausgang, bis die am 31. März 1814 in Paris eingezogenen Verbündeten den Kaiser am 11. April 1814 in Fontainebleau zur Abdankung bewegten. Nach Napoleons ruhmlosem Abgang besetzte Ludwig XVIII., ein Bruder des 1793 hingerichteten Ludwig XVI., als König von Frankreich den Thron und beeilte sich, Errungenschaften aus der napoleonischen Ära rückgängig zu machen und Anhänger des nach Elba ins Exil geschickten Kaisers aus ihren Ämtern zu drängen und zu bestrafen.

Im Vertrag von Fontainebleau zwischen dem Ex-Kaiser auf der einen sowie Österreich, Russland und Preußen auf der anderen Seite verzichtete er für sich und seine Erben auf den französischen und den italienischen Thron. Im Gegenzug bekam er die Insel Elba als souveränes Fürstentum auf Lebenszeit sowie eine Apanage von jährlich zwei Millionen Francs vom französischen Staat, eintausend französische Soldaten als Garde und die das Schiff, das ihn und seine Getreuen nach Elba brachten. Kaiserin Marie-Louise, seine aus Östereich stammende Frau, erhielt die italienischen Herzogtümer Parma, Piacenza und Guastalla, der gemeinsame Napoleon Franz Bonaparte erhielt den Titel eines Prinzen von Parma. Gut versorgt wurden auch Napoleons Mutter und seine Geschwister, die eine von Frankreich zu zahlende Rente von 250.000 Francs erhielten.

Komfortables Leben in Villa mit Meerblick

Die siegreichen Verbündeten verzichteten auf ein Strafgericht über Napoleon I. und seine Generäle, das möglicherweise peinliche Tatsachen über die Kollaboration deutscher und europäischer Herrscher mit dem Kaiser der Franzosen ans Tageslicht gebracht hätten. Außerdem war es damals nicht die Zeit, dass gekrönte Häupter untereinander Rache übten, denn sie galten als gottgewollte Amtsträger, die über den Gesetzen stehen. Es war noch nicht lange her, dass man einander umschmeichelte und sich vom Kaiser mit Titeln, Orden und Ländern hatte beschenken lassen.

So wurde Napoleon I. nicht vor ein Kriegsgericht gestellt, sondern ehrenvoll ins komfortable Exil auf die Mittelmeerinsel Elba geschickt, die kurzzeitig zu Frankreich gehörte und nach 1815 an das Großherzogtum Toskana gelangte. Die Palazzina dei Mulini, ein Bau aus der Zeit von Großherzog Gian Gastone de Medici aus dem Jahr 1724, wurde den Ansprüchen des Ex-Kaisers angepasst und bekam eine neue Etage mit Festsaal. Es gibt hier ferner einen Salon, eine Bibliothek mit Büchern aus Fontainebleau und aus dem Besitz von Napoleons Onkel Kardinal Joseph Fesch, sowie ein Schlafgemach und ein Arbeitszimmer. Die originalen Möbel, die der Ex-Kaiser aus der Residenz seiner Schwester Elisa Baciocchi in Piombino hatte kommen lassen, existieren nicht mehr. Heute schmücken Möbel und Kunstwerke aus der Emiprezeit das Museum, so man sich gut in die Zeit versetzen kann, als Frankreichs ehemals erster Mann Pläne zur Rückkehr in die Heimat schmiedete.

Von seinen neuen Untertanen freundlich empfangen, wie es in Chroniken heißt, ging der Ex-Kaiser sogleich daran, das kleine Fürstentum in einen Musterstaat mit moderner Infrastruktur zu verwandeln. Die Villa mit Meerblick ist ein viel besuchter Touristenmagnet, in dem man Interessantes über die Geschichte der Insel und ihren berühmten Gast erfährt.

Adlerflug von Kirchturm zu Kirchturm

Die Landung des Ex-Kaisers am 1. März 1815 mit tausend Getreuen bei Antibes an der südfranzösischen Küste schreckte den in Wien tagenden Fürstenkongress auf und traf ihn wie ein Blitz aus heitrem Himmel. Die dort über das künftige Europa berieten und die Landkarte neu zeichneten, konnten sich nicht vorstellen, dass Napoleon I. auf seinem Zug nach Paris einen bemerkenswerten Zulauf erhielt. Der siebentägige Gewaltmarsch auf der 335 Kilometer langen "Route Napoléon" war ein einziger Triumphzug des Rückkehrers, der überzeugt war: "Der Nationaladler wird von Kirchturm zu Kirchturm fliegen bis zu den Türmen von Notre-Dame." Der Kaiser begann die "Herrschaft der Hundert Tage", denn das Kriegsglück war ihm nicht hold. Dabei verlief sein "Adlerflug" in den damaligen Medien mit diesen Schlagzeilen: "Der Menschenfresser ist aus seinem Versteck gekommen. (28. Februar), Der Tiger kam bis nach Gap (9. März), Das Monster hat in Grenoble geschlafen (11. März), Der Tyrann durchquerte Lyon (16. März), Bonaparte macht große Fortschritte, aber er wird niemals nach Paris kommen (18. März), Der Kaiser kam in Fontainebleau an (20. März) und .Seine Kaiserliche Majestät traf gestern im Château des Tuileries inmitten seiner treuen Untertanen ein (21. März)."

Mit vereinter Kraft setzten die Verbündeten alles daran, um das "Problem Napoleon" mit Waffengewalt ein für allemal aus der Welt zu schaffen. Als Napoleon I. in der berühmten Schlacht von Waterloo am 18. Juni 1815 endgültig verspielt hatte, begab er sich in britische Gefangenschaft in der Hoffnung, man werde ihm eine respektvolle Behandlung als Kaiser der Franzosen zukommen lassen, und sein Exil werde nicht lange dauern. Doch die Sieger wollten diesmal sichergehen und deportierten den aus dem Himmel der Macht in den Abgrund der Machtlosigkeit gefallenen, aber immerhin am Leben gelassenen Herrscher mit dem Schiff HMS Northumberland auf die Insel Sankt Helena, wo ihm das Longwood House als Wohnsitz zugewiesen wurde. Hier gelang dem Ex-Kaiser so etwa wie einen kleinen Hofstaat zu halten.

Freudloses Leben am Ende der Welt

Auf dem Eiland am Ende der Welt diktierte der zum Nichststun verurteilte, misstrauisch von britischen Soldaten und dem Inselgouverneur Hudson Lowe behandelten Gefangene seine Memoiren. Lowe hatte panische Angst, sein Gast könnte sich wie 1814 heimlich davon machen, was angesichts seines angegriffenen Gesundheitszustandes und der Abgeschiedenheit aber ein Ding der Unmöglichkeit gewesen war. Napoleons Unterkunft war alles andere als kaiserlich. Das einfache Landhaus war nass und von Schimmel befallen, außerdem soll es voller Ratten gewesen sein. Auf einer Anhöhe gebaut, waren das Gebäude und seine wenigen Bewohner ungeschützt den Unbilden der Witterung im Südatlantik ausgesetzt.

Mit Lowe kam der Ex-Kaiser nicht gut aus, er ging ihm aus dem Weg und machte sich über dessen Ängste vor einer möglichen Flucht lustig. Wenn es möglich war, kümmerte sich der Gefangene um seinen Garten, litt in seinem freudlosen Exil an zunehmender Krankheit und Depression und starb verbittert am 5. Mai 1821. Vor einigen Jahren wurden in Paris seine Aufzeichnungen aus der Zeit seiner Verbannung versteigert. Darin bekundet er seinen Wunsch, in der Heimat bestattet zu werden, was knapp 30 Jahre später erfolgte. Dass der Ex-Kaiser vergiftet wurde, ist ein langlebiges Märchen, denn tatsächlich starb er an Magenkrebs. Angesichts des todbringenden Tumors hätte er nicht mehr die Möglichkeit gehabt, erneut entscheidend in das Rad der Geschichte einzugreifen.

16. März 2022

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