„Mit Stalin siegen“
Die DDR wurde insgeheim an der Übernahme der verhassten Bundesrepublik Deutschland gearbeitet





Beim Militär fühlten sich Ulbricht und Honecker, wie alle Diktatoren, am wohlsten, von ihren Kampfgruppen, NVA-Soldaten und den Stasileuten mit und ohne Uniform versprachen sie sich Schutz und Sicherheit. Doch brach das mit riesigen Kosten aufgebaute, auf tönernen Füßen stehende System in der friedlichen Revolution 1989/90 ohne Blutvergießen in sich zusammen, und kaum jemand weinte ihm eine Träne nach. Die 1956 gegründete Nationale Volksarmee berief sich auf Traditionen der Befreiungskriege von 1813 bis 1815.



Auf der Fotomontage blicken NVA-Soldaten, auf dem Brandenburger Tor in Berlin stehend, „feindwärts West“, wie es im DDR-Jargon hieß. Wenn es nach den Geheimplänen gegangen wäre, wäre die Bundesrepublik irgendwann überrollt worden, was von der Propaganda als Friedenstat und Befreiung der angeblich unterdrückten und ausgebeuteten Westdeutschen verherrlicht worden wäre.



Wenn es gegen die USA, die Bundesrepublik Deutschland und all die anderen westlichen Länder ging, war die DDR-Propaganda sehr kreativ, aber ob ihre Hetze etwas gefruchtet hat, steht auf einem ganz anderen Blatt.



Die DDR-Propaganda wünschte sich westdeutsche Imperialisten und Militaristen hinter Gitter, das Datum 9. Juni 1953 deutet an, in welchem Zusammenhang die Karikatur entstand. Denn wenige Tage später brach der Volksaufstand vom 17. Juni 1953 aus, der nur mit Hilfe sowjetischer Panzer und militärischer Einheiten der Regierung niedergeschlagen wurde.



Der SED und ihren Helfern gelang es nicht, die Abneigung der jungen Generation, von Ausnahmen abgesehen, gegenüber allem, was irgendwie nach Militär und „Fahne“ roch, womit die NVA gemeint war, zu überwinden. Da mochten Werbesprüche und Hetze noch so sehr auf die DDR-Bewohner prasseln.



Die DDR-Propaganda unterließ nichts, um jungen Leuten den Dienst mit der Waffe schmackhaft zu machen. Sie hatte damit aber nicht den erhofften Erfolg, weshalb die SED-Führung zu Zwangsmaßnahmen griff. Harmlos klingt der Titel „Sport und Technik“ der von der GST herausgegebenen Zeitschrift, die auch Werbung für militärische Berufe betrieb. In der Gedenkstätte Peenemünde, in der an die V-2-Versuche der Nationalsozialisten im Zweiten Weltkrieg erinnert wird, wirbt die Bronzegruppe für den Dienst in der Volksmarine der DDR. (Fotos/Repros: Caspar)

Die DDR gab sich als friedliebender, antifaschistischer und zutiefst demokratischer Staat aus, der mit den schlimmen Traditionen der deutschen Geschichte gebrochen hat und das Beste, was diese je hervor gebracht hat, hoch in Ehren hält. Das hörte sich gut an und wurde vielfach auch geglaubt, doch schaut man genau hin, dann bröckelt dieser Gründungsmythos. Denn jenseits der Friedensschalmeien gab es gefährliche Pläne zur feindlichen Übernahme der verhassten Bundesrepublik Deutschland und von Westberlin. Was in geheimen Zirkeln im Zentralkomitee und Ministerien in Abstimmung mit dem „großen Bruder“, der allmächtigen Sowjetunion, ausgeheckt wurde, kam erst nach dem Ende des SED-Regimes 1989/90 ans Tageslicht, und viele Leute hüben und frühen rieben sich verwundert die Augen, denn Kriegs- und Eroberungspläne hätten sie nie für möglich gehalten. Dabei sind friedfertige Politikersprüche das eine, konkrete Aggressionspläne und Unterwanderung der anderen Seite aber etwas ganz anderes, wie wir gerade am Beispiel des Kriegs von Wladimir Putin gegen die Ukraine und der Annexion von Teilen dieses Landes ähnlich wie 2014 die Halbinsel Krim erleben müssen.

Putin beschwört Einheit von Russland und Ukraine

Der „lupenreine Demokrat“, wie der frühere Bundeskanzler Gerhard Schröder seinen besten Freund und Arbeitgeber (!) Putin einmal nannte und damit bei manchen Zeitgenossen durchaus auf Sympathie stieß, will seine Herrschaft durch diesen Krieg festigen und als Erneuerer sowjetischer Macht und Größe in die Geschichte eingehen. Er behauptet, Russen und Ukrainer seien ein Volk, ein Ganzes, nichts könne sie trennen. „Ich möchte gleich betonen, dass ich die Mauer, die in den letzten Jahren zwischen Russland und der Ukraine entstanden ist, zwischen Teilen des im Wesentlichen gleichen historischen und spirituellen Raums, als ein großes gemeinsames Unglück, als Tragödie empfinde. Dies sind vor allem die Folgen unserer eigenen Fehler, die wir in verschiedenen Perioden gemacht haben. Aber auch das Ergebnis der zielgerichteten Arbeit jener Kräfte, die immer versucht haben, unsere Einheit zu untergraben. Die Formel, die verwendet wird, ist seit Jahrhunderten bekannt: Teile und herrsche“, erklärte Putin am 12. Juli 2022 in einer Rede, die auf die Gräueltaten seiner Armee nicht eingeht und statt dessen die Geschichte und historische Persönlichkeiten beschwört, die seine Aggressionspläne stützen.

Den am 24. Februar 2022 vom Zaun gebrochenen Krieg gegen die Ukraine anders und leichter vorgestellt. Der Widerstand der Ukrainer machte die Rechnung „Erst das Land sturmreif schießen und überrennen und dann eine moskauhörige Marionettenregierung installieren“ zu Makulatur. Indem wir hoffen, dass der Krieg bald ein Ende hat und beide Länder zu einem friedlichen Nebeneinander zurück finden, müssen w i r ohne Murren viele Einschränkungen hinnehmen und uns auf harte Zeiten einstellen, denn die Nachwirkungen dieses Krieges sind erheblich, schmerzhaft und lang anhaltend.

Wenn Stalin durch den Schwarzwald wandert

Schauen wir in die frühen 1950er Jahre der DDR, so sehen wir, dass führende SED-Genossen und Militärs davon träumten, blitzartig erst die „Frontstadt“ Westberlin einzunehmen und daraufhin das als marode und zum Absterben verurteilte „imperialistische Bonner System“ zu stürzen. Die Propaganda versuchte den DDR-Bewohnern weiszumachen, dass das schnell und ohne Verluste vonstatten geht, weil „Bonn“, der Inbegriff alles Bösen, vollkommen marode und zum Untergang verurteilt ist. Nur ein Stoß zu seinem Sturz sei nötig, um es in den Orkus der Geschichte zu befördern. Dann würde die Sonne des Sozialismus „schön wie nie“, wie es in der DDR-Hymne hieß, über ganz Deutschland aufgeht. Dass diesem hochgefährlichen Wunschdenken außerhalb jeder Realität die tiefe Abneigung der Westdeutschen gegenüber den „Segnungen“ des Sozialismus und Kommunismus Stalinscher und Ulbrichtscher Prägung und vor allem die geballte Kraft des westlichen Bündnisses der von den USA angeführten NATO mit ihren Atomwaffen gegenüber steht, wurde bei den militaristischen Träumereien als eine zu vernachlässigenden Größe ausgeblendet. Einzelheiten sind in Büchern zur DDR-Geschichte und Militärpolitik nachzulesen, aber auch in der Stasi-Gedenkstätte an der Ruschestraße in Berlin-Lichtenberg dokumentiert, dem früheren Hauptquartier des Ministers Erich Mielke. DDR-Kulturminister und Dichter Johannes R. Becher malte in einer Stalin-Hymne von 1953 aus, wie es sich der „Führer des Weltproletariats“ im Westen gemütlich macht. „Allüberall, wo wir zu denken lernen, / Und wo man einen Lehrsatz streng beweist. / Vergleichen wir die Genien mit den Sternen, / So glänzt als hellster der, der Stalin heißt… / Dort wirst du, Stalin, stehn, in voller Blüte, / Der Apfelbäume an dem Bodensee, / Und durch den Schwarzwald wandert seine Güte, / Und winkt zu sich heran ein scheues Reh“, heißt es in der schmalzig klingenden Hymne, an die sich Becher und Genossen schon bald nicht gern erinnern lassen wollten.

Militarisierung und Kampf gegen die Opposition

Einer der Einpeitscher dieses Konfrontationskurses ganz im Stil des Kalten Kriegs war SED-Chef Walter Ulbricht. Mit großem Wortgetöse machte er sich und den Seinen unter dem Motto „Mit Stalin siegen“ und „Von der Sowjetunion lernen heißt siegen lernen“ Mut und rief dazu auf, Adenauer und seinem „System“ den Garaus zu machen und die Westdeutschen vom Kapitalismus und Imperialismus zu befreien. In einem Beschluss der SED-Parteikonferenz von 1952 wurde die DDR-Bevölkerung, die gerade scharenweise das Land in Richtung Westen verließ, zum Sturz der Bonner Regierung aufgerufen und dies als Voraussetzung für die deutsche Einheit erklärt. Um den Aufbau des Sozialismus zum Erfolg zu bringen, müsse der Widerstand des Klassenfeindes gebrochen und dessen Agenten unschädlich gemacht werden, forderten Ulbricht und Genossen. Die Heimat und der Aufbau des Sozialismus müsse durch bewaffnete Streitkräfte gewährleistet und gestärkt werden. Mit anderen Worten wurde die Militarisierung der DDR und damit die Niederhaltung jeglicher Opposition mit der als geschichtliche Aufgabe deklarierten Liquidierung des westdeutschen Staates und seiner Vertreter begründet.

Indem Ulbricht seine Untertanen auf einen möglichen Krieg gegen die verhasste Bundesrepublik Deutschland und das US- und kapitalistenhörige Adenauer-System einstellte, wie es in der kommunistischen Propaganda hieß, versuchte er seine eigene Position zu stärken. Dass sie alles andere als gefestigt war, zeigte sich ein Jahr später beim Volksaufstand vom 17. Juni 1953, als sich Ulbricht, wenige Wochen nach dem Tod seines großen Vorbilds und Schutzherrn Josef Stalin, unter den Schutz der sowjetischen Besatzer begab und um seinen Thron bangen musste. Die zu Ulbrichts 70. Geburtstag am 30. Juni 1953 geplanten Feierlichkeiten wurden auf Weisung der Sowjet abgesagt. Ein Schmeichelfilm, der den Sachsen als großartigen Landesvater und weitsichtigen Politiker feiern sollte, verschwand im Giftschrank und wurde erst nach Ende der DDR ans Tageslicht geholt.

Aufbau des Sozialismus verkündet

Obwohl jeder in der DDR sah, wie schlecht es der Wirtschaft und Versorgung ging, behauptete Ulbricht, jetzt komme die Zeit der Erfolge und die Zeit sei gekommen, den Sozialismus in der DDR aufzubauen. „In Übereinstimmung mit den Vorschlägen aus der Arbeiterklasse, aus der werktätigen Bauernschaft und aus anderen Kreisen der Werktätigen hat das Zentralkomitee des Sozialist der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands beschlossen, der 2. Parteikonferenz vorzuschlagen, dass in der DDR der Sozialismus planmäßig aufgebaut wird.“ Diese Ankündigung hatte fatale Folgen, denn die Bevölkerung antwortete ihr durch Abstimmung mit den Füßen. Zwischen 1949 und 1955 flohen 1,4 Millionen Menschen in die Bundesrepublik. Da nutzte es nicht, dass diese als Hort des Faschismus und Militarismus verteufelt und alles unternommen wurde, um sie als Inbegriff von Menschenfeindlichkeit und Armut darzustellen.

Um ihre Ziele zu verwirklichen und die Macht der SED-Führung zu festigen, wurde die DDR auf schleichendem Wege in einen Militärstaat verwandelt. Es begann mit der Werbung für die Kasernierte Volkspolizei und ab 1956 für die Nationale Volksarmee. Daneben gab es paramilitärische Organisationen wie die von der SED befehligten „Kampfgruppen der Arbeiterklasse“ sowie die schwer bewaffneten Einheiten des Ministeriums für Staatssicherheit und des Ministeriums des Innern. Im Geheimen operierten Diversanten im Westen, um Unruhe zu verbreiten und die Bundesrepublik „reif“ für die Übernahme durch die DDR zu machen, aber auch ihr Image aufzupolieren. Was auf diesem Gebiet geschah und wie das gelang, wurde erst nach 1989/90 bekannt.

Schule der Soldaten von morgen

Auf junge Männer wurde massiver Druck ausgeübt, um sie für die „bewaffneten Organe“, also Armee, Polizei und Staatssicherheit, zu gewinnen. Wer studieren wollte, musste sich für drei Jahre Wehrdienst verpflichten. Mit dem Wehrkundeunterricht wurde in den 1970er Jahren mit der Parole „Der Friede muss bewaffnet sein“ Stimmung für den Militärdienst gemacht. Wer sich ihm verweigerte, musste Benachteiligungen aller Art in Kauf nehmen und/oder seinen Wehrdienst bei den Bausoldaten ohne Waffe verrichten und geriet ins Blickfeld der Stasi. Neben Zwangsmaßnahmen und Lockangeboten nach dem altrömischen Motto „Brot und Spiele“ gab es subtilere, schon im Kindergarten und der Schule angewandte Methoden zur ideologischen Einflussnahme und praktischen Vorbereitung auf den Dienst mit der Waffe. Dazu wurde 1952 die Gesellschaft für Sport und Technik (GST) gegründet. Die paramilitärische Vereinigung sollte Jugendliche für Schießen, Motorsport, Funken, Segelfliegen, Tauchen und andere Sportarten mit einem abwechslungsreichen Freizeitangebot interessieren. Die GST erfreute sich großzügiger Förderung durch die Staatspartei und die Regierung, die mediale Aufmerksamkeit für ihre Aktivitäten war beträchtlich, und die Mitgliedsbeiträge waren gering. Indem die von ausgemusterten Generalen und Admiralen geführte GST militärische Wettkämpfe ausrichtete, ihren Mitgliedern Schieß- und Übungsplätze, technisches Gerät und Fahrzeuge zur Verfügung stellte und außerdem politische Unterweisungen im Geiste des proletarischen Internationalismus veranstaltete, wie es damals hieß, trug sie erheblich zur Militarisierung der DDR-Gesellschaft und zur Disziplinierung der Jugendlichen bei. Hilfreich war die GST bei der vormilitärischen Ausbildung, die die Nationale Volksarmee in Betrieben sowie an Schulen und Universitäten durchführte. Die GST gab ein buntes Magazin heraus und war bei Jugendfestivals sowie bei Aufmärschen stets dabei.

Als „Schule der Soldaten von morgen“ arbeitete die dem Ministerium für Nationale Verteidigung unterstehende GST als „Massenorganisation der Werktätigen unter Führung der SED“, wie es im Statut heißt, mit allen in der Nationalen Front vereinigten Parteien und Massenorganisationen zusammen. Beteiligt an der paramilitärischen Ausbildung waren in speziellen Lagern sowohl Jungen als auch Mädchen, denn auch diese sollten eines Tages wichtige Aufgaben bei der Landesverteidigung und im Zivilschutz übernehmen. Da das Wehrdienstgesetz der DDR die Teilnahme an der vormilitärischen Ausbildung verbindlich festlegte, kamen fast alle jungen Männer und Frauen irgendwann mehr oder weniger freiwillig mit der GST in Kontakt. Wer sich verweigerte, hatte Probleme bei der Berufsausbildung und der Suche nach einem Studienplatz. Wegen ihrer engen Bindung an den Partei- und Staatsapparat und ihrer militärischen und politischen Zielsetzung diskreditiert, hatte die GST im Wendeherbst 1989, als überall nach der Entmilitarisierung der DDR-Gesellschaft, nach „Frieden schaffen ohne Waffen“ und der Abschaffung des Primats der SED gerufen wurde, ihre Protektion und Basis verloren und wurde folgerichtig im Frühjahr 1990 aufgelöst.

Siehe Eintrag zum DDR-Militärgeld und Marschall der DDR auf dieser Internetseite von 3. Oktober 2022

3. Otober 2022, Tag der deutschen Einheit

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