"Freche Zeichner an den Galgen!"
Frankreichs Kaiser Napoleon I. sah sich als Halbgott und reagierte heftig auf Satire und Spottbilder



Fürsten verprassen das Geld ihrer Untertanen und glauben, sie habe ihr Amt von Gott erhalten. Auf dem Bild von Vilhelm Pedersen zum Märchen vom Kaiser ohne Kleider zeigt das Kind die Wahrheit.



In Deutschland war es ein Wagnis, sich gegen den Kaiser der Franzosen in Bild und Schrift aufzulehnen, denn viele Fürsten waren ihm durch viele Vergünstigungen und Landgewinn verpflichtet. Wer Napoleon "zum Fressen gern" hatte und seine Abscheu aussprach, musste mit empfindlichen Strafen rechnen. Nach den Befreiungskriegen von 1813 bis 1815 bestand in dieser Hinsicht keine Gefahr mehr.





Die besonders drastischen Karikaturen von James Gillray und Isaak Cruikshank zeigen, wie "Little Boney" mit den Briten die Welt aufteilt und der Kaiser der Franzosen nicht über den Ärmelkanal kommt.



Als Erster Consul schickt Napoleon Bonaparte um 1800 die Ideale Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit aus der Zeit der Französischen Revolution von 1789 zum Teufel.





Wie Phoenix aus der Asche kommt Bonaparte unterm Galgen mit Hilfe des Papstes und anderer williger Helfer ganz nach oben. Dort angelangt bäckt er sich "seine" Fürsten im Pfefferkuchenofen und lässt aus den Rückständen untergegangener Dynastien neue entstehen.





Johann Gottfried Schadow macht sich über den wie der Herrscher der Welt posierenden Kaiser der Franzosen lustig und zeigt, wie er die europäische Landkarte, von seinen Hofschranzen mit Beifall bedacht, mit Füßen tritt.



Drastisch wird Frankreichs Kaiser Napoleon III. als Igel mit Bajonetten auf dem Rücken verspottet. (Repros: Caspar)

Diktatoren und Machthaber aller Couleur mögen es nicht, wenn man sie kritisiert, wenn Satiriker und Karikaturisten ihre Schwächen offenlegen und zeigen, dass sie wie in dem vom dänischen Dichter Hans Christian Andersen 1837 veröffentlichten Märchen vom "Kaiser ohne Kleider" ihrer Masken entledigt werden und vor ihren Untertanen nackt und bloß dastehen. Der erstaunte Ausruf eines Kindes macht die Erbärmlichkeit des Herrschers herumstehenden Hofschranzen, Speichelleckern und Schmarotzern und allgemein dem Volk klar. Seine Armseligkeit wird in dem populären Märchen deutlich, in dem der Dichter zeigt, dass das wenig schmeichelhafte Gesicht des Kaisers und seinesgleichen unter der Verkleidung hervor schaut.

In der rauen Wirklichkeit jenseits der Märchenwelt riskierten Schreiber und Zeichner, die gekrönte Häupter satirisch aufs Korn nahmen, wegen Majestätsbeleidigung Kopf und Kragen. Das ist heute nicht viel anders, wo sich Diktatoren und andere Machtaber durch Zensurgesetze und polizeiliche Repression vor Satire und Kritik zu schützen versuchen, es aber nicht immer schaffen. Manchmal kam und kommt Kritik verschlüsselt vor, etwa wenn die auf eine bestimmte Person oder ein menschenunwürdiges System zielenden Pfeile in die Vergangenheit und in ein anderes Land verlegt werden.

Brutale Faust der Staatsgewalt

Der französische Kaiser Napoleon I. war Ziel bitterer Satire, allerdings nicht der im eigenen Land und den von seinen Truppen besetzten Staaten. Er soll sich grün und blau über ätzende Karikaturen vor allem aus England geärgert haben, seinem Hauptfeind, die Hohn und Spott über ihn gossen. Man müsste die Urheber wie gemeine Diebe und Mörder aufhängen, forderte der zeitweilig mächtigste Mann in Europa, dem Kaiser, Könige und Fürsten zu Füßen lagen, solange er das Sagen hatte. Versuche der französischen Staatspropaganda, den gezeichneten oder geschriebenen Pamphleten etwas Adäquates entgegenzusetzen und die andere Seite madig zu machen, scheiterten, weil das liberale Klima dafür fehlte. Viel lieber befasste sich die offizielle Staatskunst unter Napoleon mit der Verherrlichung des aus Korsika stammenden Emporkömmlings und unbesiegbarer Kriegsheld und in die Zukunft blickender Staatenlenker, der sich halb Europa untertan gemacht hatte und dabei war, die andere Hälfte einschließlich des Englands zu erobern.

Man muss nicht weit in die Vergangenheit gehen um zu sehen, dass auch in der Gegenwart Kritik am Herrscher, ob er Lenin, Stalin, Hitler, Mao, Ulbricht, Honecker oder - ganz aktuell - Putin heißt, in ihren Ländern verboten war und ist und mit schweren Strafen belegt wurde und wird. Wer etwa in der Zeit des Nationalsozialismus den "Führer" und sein blutiges Regime satirisch in Bild und Schrift attackierte, bekam brutal die Faust der Staatsgewalt zu spüren, wurde ins Gefängnis oder Konzentrationslager geworfen oder verlor nach Verschärfung der Strafgesetze seinen Kopf. Trotz alledem wurden so genannte Flüsterwitze im Reich des Adolf Hitler weitergegeben, doch musste man sich dabei sehr vorsehen, denn überall lauerten Spitzel der Gestapo, und das Schafott war nicht weit.

Antifranzösische Animositäten

Blicken wir zurück in das frühe 19. Jahrhundert. Wenn es nach den Briten gegangen wäre, dann hätten sie den Kaiser der Franzosen, der auch König von Italien war, gevierteilt oder auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Den Kopf von "Little Boney", wie man den mächtig aufplusternden Napoleon Bonaparte nannte, auf einem Spieß durch London zu tragen, wäre ein wahres Volksfest gewesen. Die grell kolorierten Zeichnungen von James Gillray, Isaak Cruikshank und anderen machten schon mal vor, wie die Abrechnung mit dem als Ungeheuer und Blutsäufer charakterisierten Imperator aussehen könnte. Vor allem die britischen Blätter stehen in scharfem Kontrast zu den von eifrigen Hofkünstlern geschaffenen Bilder des zum allgewaltigen Schlachten- und Staatenlenker stilisierten Empereurs zu tun. Hier die glatten Staatsporträt auf Leinwand, dort Büsten und Statuen aus Marmor und Bronze, nicht zu vergessen die vielen Medaillen, die ihm zu Ehren geprägt un d seinen Ruhm bis in alle Ewigkeit verkünden sollten. Nirgendwo ist die Fratze des skrupellosen Machtmenschen zu erkennen, der über Berge von Leichen geht, alles ist monumental, heldenhaft und keinen Widerspruch duldend aufgefasst.

Schadows nimmt die Besatzer aufs Korn

Da England keine Pressezensur kannte und auch mit den eigenen, in Luxus prassenden Eliten nicht zimperlich umging, verwundert es nicht, dass Zeichner pausenlos auf den Kaiser als Inbegriff des Bösen eindroschen und damit auch seit Jahrhunderten bestehende antifranzösische Animositäten bedienten. Dargestellt wird, wie Napoleon mit dubiosen Mitteln an die Macht gelangt ist und seinen Clan mit großen und kleinen Fürstentümern ausstattet und damit an sich bindet. Andere Blätter zeigen, dass es mit seinen Feldherrnkünsten nicht weit her ist und er sich mit seinen Eroberungskriegen im wahrsten Sinne aufs Glatteis begibt und auf die Nase fällt. Die Karikaturen machen sich darüber lustig, wie es dem angeblich mächtigsten Mann in Europa unmöglich ist, den Ärmelkanal zu überqueren und in England einzufallen. Dass er die Quadriga vom Brandenburger Tor abbauen und mit weiteren Beutestücken nach Paris entführen lässt, war weitere Karikaturen wert.

Einige deutsche Blätter sind mit "Gilrai" signiert. Hinter diesem an den Namen des englischen Karikaturisten James Gillray angelehnten Pseudonym stand der Berliner Bildhauer und Zeichner Johann Gottfried Schadow. Seine Radierungen zeigen die auf einem Wildschwein verkehrt sitzende Siegesgöttin und prangern die Aufteilung der Welt durch den von aufgeblasenen Militärs beklatschten Franzosenkaiser sowie den Kampf der Berliner gegen die Besatzer. Schadow macht sich unter dem über bornierte Offiziere der französischen Armee lustig, die nicht sehen wollen, welche Gefahr ihnen von den zum Befreiungskampf aufgerufenen Deutschen droht. Eine andere Karikatur schildert, wie die Verbündeten Kaiser zwingen, nach ihrer Pfeife zu tanzen. Im Unterschied zu den deftigen Karikaturen aus England, die die Dinge mit Hilfe auch von Sprachblasen unmissverständlich auf den Punkt brachten, befleißigen sich die Schadow'schen Blätter einer feinsinnigen Bildersprache, die sich erst erschließt, wenn man sich genau mit den Details befasst.

Friedrich der Große mit der Kaffeemühle

Auf Karikaturen anderer Künstler verbrennt sich der Kaiser am selbst entfachten Feuer die Finger, beißt sich an der "Leipziger Nuss", mit der die Völkerschlacht vom 16. bis 18. Oktober 1813 gemeint ist, die Zähne aus, und wird nach der Niederlage 1812 in Russland von einem Kosaken attackiert. Ein anderer Soldat trägt aufgespießte Franzosen laut lachend durch die Gegend. Little Boney, dem die Mächtigen dieser Erde in besseren Tagen die Stiefel küssten, wird vom Teufel geholt, und aus seinen ängstlich aufgerissenen Augen kullern dicke Tränen nicht der Reue und Trauer über die vielen Toten, die seinen Weg ganz nach oben säumen, sondern der Angst vor dem Gericht der Völker. Ein Gerichtsverfahren gegen den seiner Würden verlustig gegangenen Kaiser gab es bekanntlich nicht. Die Sieger der Befreiungskriege schoben ihn erst auf die kleine Mittelmeerinsel Elba ab, von wo er nach wenigen Monaten Aufenthalt nach Frankreich zurück kehrte, um mit treuen Truppen seine Macht zurück zu gewinnen. Nachdem dieses Ziel nicht erreicht wurde, haben die Sieger der letzten und entscheidenden Schlacht bei Waterloo am 18. Juni 1815 ihn auf die Insel Sankt Helena im Südatlantik deportiert, wo er 1821 einsam und verbittert mit nur 52 Jahren an Magenkrebs starb. Die Heimführung seiner sterblichen Überreste 1814 nach Paris wurde von König Louis Philipp als Triumphzug zelebriert.

Witze über die Großen und Mächtigen dieser Welt zu machen, sie mal feinsinnig oder mal grobschlächtig mit Hohn und Spott zu überziehen und satirische Bilder von Hand zu Hand zu geben und sich über ihre körperlichen und geistigen Schwächen lustig zu machen, hatte schon immer etwas Befreiendes an sich. Allerdings vertrugen die Betroffenen wenig Spaß. Angeblich soll Preußens König Friedrich II., der Große, 1781 in Berlin zu Pferde unterwegs gewesen sein in einer Zeit, da überall seine Schnüffler unterwegs waren um festzustellen, ob jemand unverzollten Kaffee trinkt. Die von ihm erlassene Kaffeesteuer war empfindlich, und wer konnte, umging sie, was den König in Rage brachte. Bei seinem Ritt durch die Stadt sah er einen Auflauf, er kam näher und sah sich auf Spottbild, wie er auf einem Schemel sitzt und eine Kaffeemühle zwischen den Beinen emsig mit der einen Hand mahlt, während er mit der anderen herunter gefallene Bohnen aufliest. "Sobald Friedrich den Gegenstand erkannt hatte, winkte er mit der Hand und rief: ,Hängt es doch niedriger, dass die Leute sich nicht den Hals ausrecken müssen.' Kaum war dies ausgesprochen, als ein allgemeiner Jubel ausbrach. Man riss das Bild in tausend Stücke, die Jungen warfen die Mützen, und ein allgemeiner Jubelruf: ,Vivat der Alte Fritz!' scholl dem langsam fortreitenden König nach", berichtet Friedrich Nicolai, ein Zeitgenosse des Monarchen, in einer Anekdotensammlung. Die Szene wurde später in Büchern über den König von Preußen wiederholt und ausgemalt, und auch der Maler und Grafiker Adolph Menzel schuf einen Holzstich zu diesem Thema für die 1840, zur Hundertjahrfeier der Thronbesteigung Friedrichs II., veröffentlichte Biographie von Franz Kugler.

Deutscher Michel als Ziel des Spottes

Ob die Eposode historischer Nachprüfung standhält, ist unklar. Zumindest hat der König von der "Kaffeeriecherei" nicht abgelassen und auch sonst seine Untertanen mit unbeliebten Verordnungen und Steuern traktiert. Geblieben ist bis heute der Ratschlag, eine Sache niedriger zu hängen und ihr damit ihnen die Schärfe zu nehmen, geblieben. Etwas "niedriger hängen" bedeutet auch, sich nicht wichtig zu nehmen sowie Souveränität und sogar Humor an den Tag bei der Bewältigung von Problemen aller Art zu legen. Wer das kann, ist gut dran. Friedrich der Große hatte mit dem Thema seine Schwierigkeiten, denn wenn es darauf ankam, reagierte er glashart und brutal auf Angriffe auf seine Person und seine absolutistische Politik.

Lange konnte die Zensur freiheitliche Gedanken und freche Karikaturen unterdrücken, doch brachen sie sich immer wieder Bahn und rissen den sprichwörtlichen Deutschen Michel aus seiner Lethargie, was selbstverständlich auch ein beliebtes Thema von Satiren und Karikaturen war, die allerdings den Großen und Mächtigen nicht weh taten. Übrigens bot sich Frankreichs Kaiser Napoleon III., ein Neffe des ersten Napoleon, gerade zu an, dass man ihn durch den Kakao zog. Bei der Verehrung, die Napoleon I. angesichts der Restaurierungspolitik der wieder an die Macht gelangten Bourbonenkönige Ludwig XVIII. und Charles X., entgegen gebracht wurde, verwundert es nicht, dass sich Angehörige der Familie Bonaparte bereit hielten, bei günstiger Gelegenheit wieder die Macht zu ergreifen. Das gelang dem Prinzen Charles Louis Napoléon Bonaparte, ein Sohn von Louis Napoleon, den sein Bruder Napoleon I. auf den holländischen Thron gesetzt hatte, damit er französische Interessen vertritt. 1832 wurde Charles Louis Napoleon von seinen Anhängern zum Oberhaupt der Familie und zum Erbe des ersten Kaisers erklärt. Als Kronprätendent fühlte sich der umtriebige Prinz verpflichtet, das 1814/15 untergegangene Kaiserreich zu restaurieren und zu neuem Glanz zu führen, was ihm nur zum Teil gelang.

Der große und der kleine Kaiser

Nach dem Sturz des letzten Bourbonenkönigs Louis Philippe in der Februarrevolution 1848 versuchte der aus England heimgekehrte Abenteurer zunächst, auf parlamentarischem Wege an die Macht zu kommen. Im Dezember 1848 wählten die Franzosen ihn mit deutlicher Mehrheit zum Präsidenten der Zweiten Republik. Da seine Amtszeit auf vier Jahre begrenzt war und laut Verfassung eine Wiederwahl nicht möglich war, führte er am 2. Dezember 1851 einen Staatsstreich durch und ließ sich diktatorische Vollmachten übertragen. Durch ein Plebiszit vom 21. November 1852 wurde die Zweite Republik in das Zweite Kaiserreich umgewandelt, und so rief sich der Präsident am 2. Dezember 1852 als Napoleon III. zum erblichen Kaiser der Franzosen aus. Der Tag war sorgsam ausgewählt, denn am 2. Dezember 1804 hatte sich Napoleon Bonaparte in der Pariser Kathedrale Notre Dame in Anwesenheit von Papst Pius VII. zum Kaiser der Franzosen gekrönt.

Im Ergebnis des Deutsch-Französischen Krieges 1870 war es mit der Kaiserherrlichkeit Napoleons III. vorbei. Nach der Niederlage in der Schlacht bei Sedan am 2. September geriet Napoleon III. in preußische Gefangenschaft. Zwei Tage später wurde in Frankreich die Republik ausgerufen. Der Ex-Monarch starb am 9. Januar 1873 im englischen Exil und ist in Farnborough, einer Stadt in der Grafschaft Hampshire, bestattet. Er ging sowohl als Modernisierer seines Landes, als machtgieriger, aber glückloser Kriegsherr und nicht zuletzt als eine Art Operettenkaiser in die Geschichte ein und kam, obwohl er Frankreich länger beherrschte als sein berühmter Onkel gleichen Namens, nicht an dessen Geltung in positivem wie auch in negativem Sinne heran.

18. März 2022

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