Kunsthandel unterm Hakenkreuz
Zwei Berliner Ausstellungen erinnerten an den Raubzug der Nationalsozialisten gegen Juden und wer die Profiteure waren





Die Ausstellung "Geraubte Mitte" im Berliner Ephraimpalais lud 2013/14 zu einem Gang durch die Berliner Altstadt ein und schilderte das Schicksal verfolgter und ermordeter Juden und zeigte, was aus ihrem Besitz wurde.



In der Außenausstellung und in der ständigen Ausstellung der Topographie des Terrors in Berlin wird ausführlich dokumentiert, woher der Rassenhass der Nazis auf die jüdische Bevölkerung kam, wie der Holocaust organisiert wurde und wer seine Opfer waren.





Wie das Hitlerregime mit Berliner Kunsthändlern umgesprungen ist, die nicht in ihr politisches und rassistisches Konzept passten, und wer die Profiteure des NS-Kunstbetriebs waren, schilderte 2011 eine ergreifende Ausstellung in der Neuen Synagoge Centrum Judaicum der Oranienburger Straße in Berlin-Mitte. (Fotos: Caspar)

Der von den Nationalsozialisten angeordnete Raub jüdischen Eigentums in Gestalt von Betrieben, Läden und anderen Einrichtungen sowie von Kunstwerken und ganzen Sammlungen im Deutschen Reich und den von der Wehrmacht besetzten Ländern hat als so genannte Arisierung großes menschliches Leid verursacht. Eine Ausstellung der Stiftung Stadtmuseum Berlin im Ephraimpalais dokumentierte im Gedenkjahr 2013/14 unter dem Titel "Geraubte Mitte - Die ,Arisierung' des jüdischen Grundeigentums im Berliner Stadtkern 1933-1945" an die Verfolgung, Enterechtung, Enteignung und Ermordung Berliner Juden während der Zeit des Nationalsozialismus und blickte auch in das von Pogromen und Ausweisungen geprägte Mittelalter zurück. Im Unterschied zu anderen Berliner Bezirken eigneten sich die Reichsregierung beziehungsweise der Magistrat im Zentrum der Hauptstadt die meisten in jüdischem Besitz befindliche Grundstücke an. Viele Häuser wurden abgerissen, um auf den leer geräumten Flächen Neubauten im typischen NS-Stil zu errichten.

So gelang es, auf billige Weise an Flächen in allerbester Lage zu gelangen, um die Visionen von Hitler und seines Stararchitekten Speer für die Umgestaltung Berlins in die "Welthauptstadt Germania" zu verwirklichen. Von 1500 Grundstücken wurden 225 in jüdischem Besitz befindliche Liegenschaften enteignet beziehungsweise zwangsweise unter ihrem wahren Wert aufgekauft. Weitere Häuser wurden "entjudet" und samt Inventar an Familien übergeben, deren Häuser durch alliierte Bomben zerstört worden oder wegen Neubaumaßahmen abgerissen wurden. Von 1500 Grundstücken wurden 225 in jüdischem Besitz befindliche Liegenschaften in der Mitte der Stadt enteignet oder zwangsweise unter Wert aufgekauft

Alles nach Recht und Gesetz?

Wer durch die Ausstellung im Ephraimpalais ging, glaubte, wie in den 1930-er Jahren durch die Berliner Altstadt zu laufen. In den Räumen standen weiß angestrichne Schreibtische mit Büroutensilien darauf. Sie symbolisierten das verhängnisvolle Wirken von regimehörigen Schreibtischtätern, die nach dem Ende der NS-Diktatur behaupteten, bei den Enteignungen und Raubzügen sei alles nach Recht und Gesetz gegangen. Den wenigsten Funktionären und ihren Helfern ist je etwas geschehen, die Überlebenden des Holocaust und ihre Nachkommen hingegen kämpften oft vergeblich um ihr Eigentum und mussten von seelen- und gefühllosen Beamten noch unverschämt eingeforderte Nachweise über die Rechtmäßigkeit ihrer Ansprüche gefallen lassen. Da Berlin-Mitte im Ostteil der Viersektorenstadt liegt, sahen die dort herrschenden Kommunisten keine Notwendigkeit, die unter menschenunwürdigen Umständen enteigneten Naziopfer und ihre Nachkommen zu entschädigen. Ähnlich ungerecht verliefen die Verfahren in der DDR, aber auch im Westteil der Stadt und in der Bundesrepublik Deutschland.

Obwohl die Kunst der Moderne in der Zeit des Nationalsozialismus als "entartet" auf dem Index stand und ihre Vertreter mit Berufsverbot belegt und verfolgt wurden, ließ sich mit derart verunglimpften Bildern, Skulpturen und anderen Kunstwerken wunderbar verdienen. Die 2011 in der Berliner Neuen Synagoge Centrum Judaicum vom Aktiven Museum Faschismus und Widerstand e. V. gezeigte Ausstellung "Gute Geschäfte" dokumentiert die Schattenseiten des Kulturbetriebs und Kunsthandels unterm Hakenkreuz. Vor Hitlers "Machtergreifung" gab es in Berlin eine florierende Kunsthandelsszene, ja die Reichshauptstadt war, was zeitgenössische Kunst betraf, eine internationale Drehscheibe. Die Ausstellung zeigt am Beispiel von ausgewählten Kunsthandlungen, wie die NS-Führung nach 1933 auf diese Branche durch Ge- und Verbote Einfluss nahm und deren von den Rassegesetzen betroffene jüdische Vertreter zur Aufgabe ihrer Galerien zwang. Wer Glück hatte, ging unter Zurücklassung seiner Bestände ins Ausland. Andere nahmen sich, die Deportation in die Vernichtungslager vor Augen, das Leben oder wurden dort ermordet.

Kunsthändler mit zwei Gesichtern und ohne Gewissen

Auf der anderen Seite gab es gewissenlose Kunsthändler, die vom Schicksal ihrer verfemten Kollegen und ganz allgemein von der Judenverfolgung profitierten und dabei prächtig verdienten. Zu ihnen gehörten die Kunsthändler Bernhard A. Böhmer und Karl Haberstock, die zu den Hauptlieferanten für die Sammlungen führender Nazis gehörten und in der Ausstellung als Männer mit zwei Gesichtern und Hang zum Luxus erscheinen, wie weitere Vertreter der Branche auch. Einer anderer auf diesem Gebiet ganz Unentwegter war Leo Spik, dessen Umsätze durch Versteigerung von kompletten Villen- und Wohnungseinrichtungen, Kunstsammlungen und Nachlässen in die Hunderttausende gingen. Als ob nichts gewesen ist, machte er nach dem Krieg im damaligen Westberlin weiter. Bis heute befindet sich das am Kurfürstendamm angesiedelte Unternehmen in Familienbesitz.

Siehe Eintrag "Die Wahrheit muss ans Licht" auf dieser Internetseite (Münzen und Medaillen) vom 25. Februar 2022

25. Februar 2022

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