Prämien nur für Prinzen
In seinen Töchtern und Enkelinnen sah Preußens Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I. so etwas wie Unkraut



Der Berliner Maler und Grafiker Daniel Chodowiecki lässt auf dem Kupferstich den todkranken Soldatenkönig sagen, in diesem Bett, das heißt in dem Sarg, werde er ruhig schlafen. Ein Diener wischt die Tränen aus den Augen. Das Buch mit neuen Erkenntnissen über den preußischen König Friedrich Wilhelm I. erschein2020 im Verlag Duncker & Humblot Berlin 2020, ISBN 978-3-428-15848-5, hat 398 Seiten, zahlreiche Abbildungen und kostet 89,90 Euro.





Die preußischen Könige Friedrich I. und sein Sohn Friedrich Wilhelm I. und ihre Gemahlinnen betrauerten den frühen Tod einiger ihrer Kinder und hatten Not, den Bestand der Hohenzollerndynastie aufrecht zu erhalten, da es einen Mangel an Prinzen gab, weil nur wenige das Kleinkindalter überstanden.



Kindersärge in der Hohenzollerngruft des Berliner Doms zeigen, dass auch in der Herscherfamilie frühe Sterbefälle nicht unbekannt waren. Wegen Umbau- und Sanierungsarbeiten ist das Gewölbe bis 2023 geschlossen.





Die Hochzeit Friedrichs I. mit der auch "mecklenburgische Venus" genannten Prinzessin Sophie Luise wurde 1708, wie damals üblich, mit einer Serie prächtiger Medaillen gefeiert, ebenso die Geburt des Prinzen Friedrich am 24. Januar 1712, der als Friedrich II., der Große, in die Geschichte einging und am 17. August 1786 mit 74 Jahren starb.



Friedrich II. war seit 1731 mit Elisabeth Christine von Braunschweig-Wolfenbüttel verheiratet. Die Ehe blieb kinderlos, ihr war kein Glück beschieden. Die Königin lebte fern von ihrem Gemahl im Schloss Schönhausen. In seinem im Testament stattete der König seine Witwe fürstlich aus.





Friedrich II., der Große, ließ seiner Schwester Wilhelmine zu Ehren unweit des Neuen Palais im Park von Sanssouci den Freundschaftstempel aus Marmor errichten. Die Sitzfigur, ein Werk der Brüder Räntz, lehnt sich an ein Porträt des Hofmalers Antoine Pesne an. Das Pendant für den Säulenbau ist der ein paar hundert Schritte weiter entfernte Antikentempel, in dem ursprünglich Stücke aus der vom Preußenkönig angekauften antiken Skulpturen aufgestellt und auch seine Münz- und Gemmensammlung verwahrt waren. (Fotos/Repros: Caspar)

Das Fehlen von männlichen Nachfolgern war in fürstlichen Dynastien ein großes Problem. Reichem Kindersegen stand eine hohe Kindersterblichkeit auch in diesen Familien mit gutem medizinischem Beistand gegenüber. Da mit Ausnahme der Verhältnisse im russischen Zarenreich nur Prinzen als legitime Thronerben infrage kamen, konnte es geschehen, dass Kriege ausbrachen, wenn nach dem Tod eines Kaisers, Königs oder Landesfürsten für diesen Zweck ein Prinz zur Verfügung stand oder die Männer an der Spitze eines Landes kinderlos starben. Wann immer ein Prinz geboren wurde, wurde das als großartiges Ereignis gefeiert, die Geburt von Prinzessinnen nahm man als zweitrangig hin. Aus sächsischen und brandenburgischen Nebenlinien ist bekannt, dass sie im 17. und 18. Jahrhundertmangels männlicher Erben ausstarben und die betreffenden Herzogtümer beziehungsweise Markgrafschaften an die wettinische beziehungsweise hohenzollernsche Hauptlinie zurück fielen.

Zwei große Kriege tobten zu Beginn des 18. Jahrhunderts in Europa - der Spanische Erbfolgekrieg (1701 bis 1714) und der Nordische Krieg (1700-1721). Im Spanischen Erbfolgekrieg ging es um die Frage, wer das Land mit seinen vielen Kolonien nach dem Tod des kinderlos verstorbenen Königs Karl II., des letzten Habsburgers auf dem Thron in Madrid, regieren soll. Der französische Sonnenkönig Ludwig XIV., der deutsche Länder und Städte mit Feuer und Schwert an sich gerissen hatte, versuchte, seinen Enkel Philipp von Anjou als Philipp V. zum König von Spanien zu machen und damit seine Position im europäischen Machtgefüge deutlich zu stärken. Die mit Verwandtschaften begründeten französischen Ansprüche auf das Nachbarland riefen erbitterten Widerstand in Wien hervor. Der römisch-deutsche Kaiser Leopold I. sah sich als Gemahl der jüngeren Schwester von Karl II. übergangen und befürchtete, von Frankreich eingekreist und dominiert zu werden. Eine vom österreichischen Feldherrn, dem Prinzen Eugen von Savoyen, geführte Allianz aus kaiserlichen, englischen, preußischen und weiteren Truppen versuchte in Italien und anderen Ländern, die Inthronisation Philipps V. rückgängig zu machen. So waren Oberitalien, Spanien und die Spanischen Niederlande sowie Teile des Römisch-deutschen Reichs Kriegsschauplätze.

Spanischer Erbfolgekrieg dauerte 14 Jahre

Als nach vierzehnjährigem, überaus verlustreichem und kostspieligem Kampf Philipp V. als König von Spanien in Madrid das Zepter fest im Griff hatte, saß Karl von Habsburg als Nachfolger seines 1711 früh verstorbenen Bruders Joseph I. als Karl VI. in Wien den Kaiserthron. Das Haus Habsburg tröstete sich aufgrund des im März 1714 geschlossenen Friedensschlusses von Rastatt mit den spanischen Nebenländern Niederlande, Mailand und Neapel trösten, während das in jenem Krieg gegen Frankreich kämpfende England in den südamerikanischen Provinzen Spaniens Sklavenhandel betreiben durfte und damit eine weitere wichtige Basis für seinen Rang als Weltmacht erhielt. Frankreich musste seine rechtsrheinischen Eroberungen mit Ausnahme der pfälzischen Stadt und Festung Landau räumen.

Gewaltsame Auseinandersetzungen und politische Grabenkämpfe infolge von Thronfolgestreitigkeiten vor Augen, waren die Kurfürsten von Brandenburg und Könige in Preußen darauf erpicht, möglichst viele Söhne zu haben, denn auch hier erlebten nicht wenige Prinzen und Prinzessinnen das erste Lebensjahr nicht. Wer die Hohenzollerngruft im Berliner Dom besucht, sieht Kindersärge mit und ohne Namensschilder als Zeugnisse für Tragödien im Herrscherhaus. Dort gab es einen weiblichen "Überschuss", der sich nicht nach dem damals geltenden zur Thronfolge eignete, aber standesgemäß versorgt werden musste. So wurden Prinzessinnen an befreundete Fürstenhäuser verheiratet. Wenn das nicht möglich war, dann führten sie ein vergleichsweise bescheidenes Mauerblümchendasein oder gingen in ein adliges Damenstift. Von den Schwestern Friedrichs II., des Großen, bestieg Luise Ulrike als Königin den schwedischen Thron, Wilhelmine war unglücklich mit dem Markgrafen Friedrich von Ansbach-Bayreuth verheiratet, und Amalie ging unverheiratet als Äbtissin nach Quedlinburg. Weitere Schwestern wurden mit Angehörigen der weit verzweigten Hohenzollerndynastie beziehungsweise mit einem braunschweigischen Herzog vermählt.

Energisch, gottesfürchtig, sparsam, praktisch denkend

Der Vater des Soldatenkönigs, Friedrich I., hatte drei Kinder, zwei Söhne und eine Tochter, von denen nur Friedrich Wilhelm I. das Erwachsenenalter erreichte. Nachdem Königin Sophie Charlotte, die Namensgeberin von Schloss und Stadt Charlottenburg, seit 1920 zu Groß-Berlin gehörig, starb, wurde befürchtet, auch dieser zur Thronfolge bestimmte Prinz könnte vorzeitig sterben. Deshalb ging Friedrich I. in der Hoffnung auf einen weiteren Sohn eine neue Ehe mit der mecklenburgischen Prinzessin Sophie Luise ein. Doch blieb diese Verbindung kinderlos. So richteten sich alle Erwartungen auf Friedrich Wilhelm I., der 1713 den preußischen Thron bestieg und 1740 schwerkrank mit nur 52 Jahren starb. Dieser als energisch, gottesfürchtig, sparsam, praktisch denkend geschilderte und den Wissenschaften und Künsten wenig aufgeschlossene Monarch hatte von seinen eigenen Töchtern nur geringe Meinung.

Wie aus einem Aufsatz von Sören Schlueter in dem von Frank Göse und Jürgen Kloosterhuis herausgegebenen Buch "Mehr als nur Soldatenkönig. Neue Schlaglichter auf Lebenswelt und Regierungswerk Friedrich Wilhelms I." hervor geht, teilte Friedrich Wilhelm I. seine Kinder mal in Kadetten und in Nonnen ein. Er sah in seinen Söhnen einen Thronfolger und tüchtige Militärs, während er seine Töchter als "Unkraut" abwertete, nicht geeignet, den Fortbestand der Dynastie zu sichern, und bestimmt, eines Tages ihre Rollen als Ehefrauen kleiner Fürstlichkeiten oder als Äbtissin in einem evangelischen Frauenkloster zu spielen.

Von Töchtern Schwangerschaften verlangt

Die Einordnung von Mädchen als "Unkraut" stammt aus dem Briefswechsel des Monarchen mit dem ihm freundschaftlich verbundenen und in seiner Armee als Feldmarschall dienenden Fürsten Leopold von Anhalt-Dessau und deckt sich, heute unvorstellbar, mit der "prinzipiell geringen Wertschätzung des weiblichen Geschlechts innerhalb des europäischen Adels der Frühen Neuzeit", wie Schlueter schreibt. Friedrich Wilhelms I. Freude über seine 1720 geborene Tochter Luise Ulrike, der späteren Königin von Schweden, hielt sich in Grenzen. Eigentlich müsste man sie "versauffen", also ersäufen, wie der Soldatenkönig an seinen Freund Leopold schrieb, "oder Nonnen daraus machen menner kriegen sie nit alle." Als zwei Jahre später Prinz August Wilhelm geboren wurde, berichtete der inzwischen siebenfache Vater nach Dessau: "hier ist nichts Neues als das ein kadet auf die weldt gekomen ist Gott gehbe das es ein guther kerrel aus Ihm wirdt." Dieser August Wilhelm wurde tatsächlich ein guter Soldat und sicherte als Vater des späteren Königs Friedrich Wilhelm II. den Fortbestand der Dynastie. Mädchen waren in den Augen des Soldatenkönigs nicht wert, dass man der Mutter eine Geldprämie auszahlte. Hingegen war er bei der Geburt eines Erbprinzen alles andere als knauserig. Im Übrigen setzte er seine nach Bayreuth, Braunschweig und Schwedt verheirateten Töchter unter Druck. So hielt er der schon zwei Jahre mit dem Markgrafen Alexander von Ansbach, einem notorischen Fremdgänger, verheirateten Friederike vor, ihre in Bayreuth lebende Schwester Wilhelmine sei schwanger. "Schämet Euch und machet, daß Ihr gar bald schwanger seyd. Habet Gott vor augen, alsdann seyd meiner Vaterlibe versichert."

"Mein und Dein Wohl sind innig verwoben; in Deiner Gesundheit sehe ich meine Stärke, in Deinem Wohlergehen meine Befriedigung; selbst Deine Freundschaft wiederholt mir das, was mein Herz mir für Dich sagt. Ich entsinne mich, im letzten Herbst gehört zu haben, Du möchtest Zedernholz haben, um ein Kabinett der Eremitage auszustatten. Ich habe solches Holz gefunden und erlaube mir, Dir davon anzubieten. Jedenfalls stammt es vom Libanon, und weiland König Hiram hat kein besseres besessen", schrieb Friedrich II. 1751 an Wilhelmine, die das Zedernholz für die Ausstattung des Neuen Schlosses in Bayreuth verwandte. Die beiden hatten ein inniges Verhältnis, und als Wilhelmine 1758 starb, war der gerade im Krieg um Schlesien gegen Österreich befindliche Bruder untröstlich. "Das ist der entsetzlichste Schlag, der mich treffen konnte. Musste ich diese teure, so zärtlich geliebte Schwester mitten in all meinem Unglück verlieren? Sie allein half mir es tragen, sie tröstete mich, sie feuerte mich an" beklagte Friedrich II. den Tod der "edlen, bewundernswürdigen Schwester" Wilhelmine am 14. Oktober 1758. "Du, Wilhelmine, gehörst nicht zu diesem Geschlecht. / Die erlauchte Elisabeth [seine Gemahlin, H. C.] hat nur ihre Reize. / Der Himmel, der Dich Deinem Lande bescherte, / hat Dich uns allen als Muster hingestellt. / Und Europa zählt Dich zu den größten Männern", heißt es in einem Gedicht. Die Markgräfin von Bayreuth hatte sich über ein Buch empört, in dem Frauen jegliche Intelligenz abgesprochen wird und sie mit Schafen vergleicht.

Da Friedrich von Frauen wenig hielt, konnte er sich diese Herabwürdigung nicht ganz verschließen, machte aber Ausnahmen. Indem er seiner eigenen Frau Elisabeth Christine wie auch immer geartete Reize bescheinigte, stellte er Wilhelmine über andere Frauen und setzte sie Männern gleich. Zu solchen Worten hätte sich ihr Vater, Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I., niemals hinreißen lassen.

5. Februar 2022

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