Aktivistenabzeichen vom Trödelmarkt
Wenn auch Vieles fehlte - in der DDR herrschte an Orden und Auszeichnungen kein Mangel



Walter Ulbricht, ein glasharter Stalinist und Machtmench aus Sachsen, gab sich gelegentlich jovial und ließ sich als Landesvater feiern, der alles kann, alles weiß und alles schafft. Er feierte Aktivisten als Helden der Arbeit und rühmte den Bergmann Adolf Hennecke als leuchtendes Vorbild. Die Frau auf dem Plakat trägt stolz das Abzeichen mit der 5, dem Symbol des Fünfjahrplans, von dem sich die SED- und Staatsführung Wunder bei der Bewältigung der prekären Wirtschaftslage erhoffte.



Versehen mit der rückseitigen Inschrift "Für Frieden und Wohlstand aus eigener Kraft" bekamen Aktivisten in den frühen fünfziger Jahren aus bronziertem Aluminium bestehende Abzeichen.



Kollektive und Aktivisten der sozialistischen Arbeit sowie Mitarbeiter der Zivilverteidigung wurden mit speziellen Auszeichnungen bedacht.



Die Erfüllung des Siebenjahresplans wurde mit einer speziellen Medaille bedacht.



Die Staatsjugendorganisation Freie Deutsche Jugend (FDJ) schmückte vorbildliche Mitglieder mit Leistungsabzeichen. Die Beispiele von 1951 und 1955 sind mit dem Bildnis von Ernst Thälmann und einer Familie geschmückt, die die deutsch-sowjetische Freundschaft pflegt.



Der Karl-Marx-Orden, der Vaterländische Verdienstorden und der brillantbesetzte Stern für Helden der DDR kommen ab und zu im Handel vor. Je nach Art, Material und Seltenheit erzielen sie dort stattliche Preise.



Bei der Gestaltung des in drei Klasen an Künstler und Wissenschaftler vergebenen Nationalpreises mit Goethe-Kopf sowie der Lessing-Medaille für hervorragende Leistungen in der Schule und der Medaille zum Titel "Meister des Sports" hat man sich in der DDR viel Mühe gegeben. Beteiligt waren Künstler, die auch Kurs- und Gedenkmünzen entworfen haben.



Die silberne Gedenkmünze von 2015 zu 25 Euro feiert den Fall der Berliner Mauer und der innerdeutschen Grenze mit jubelnden Menschen vor dem Brandenburger Tor in Berlin, das von 1961 bis 1989 Symbol der deutschen Teilung war. (Fotos/Repros: Caspar)

Die 1990 untergegangene DDR war ein Land, in dem Mangelwirtschaft herrschte. Es fehlte an Vielem, nur nicht an Orden und Auszeichnungen für linientreue Funktionäre und fleißige, zu Aktivisten gemachte Arbeiter, Bauern und Angestellten. Für Lehrer, Ärzte, Genossenschaftsbauern und Bauarbeiter, Sportler, Angehörige der "bewaffneten Organe", antifaschistische Widerstandskämpfer und viele andere Gruppen gab es spezielle Ehrentage, an denen an bunten Bändern hängende Medaillen für Verdienste um das Land der Arbeiter und Bauern, wie sich der zweite deutsche Staat gern nannte, verliehen wurden.

Während am 1. Mai, zu DDR-Geburtstagen am 7. Oktober und bei anderen Gelegenheiten der Karl-Marx-Orden, der Orden Banner der Arbeit, der Nationalpreis, der Stern der Völkerfreundschaft und andere hohe Auszeichnungen verliehen wurden, bekam das "Fußvolk", das ja die eigentlichen Werte schuf, billige Anstecker und vielleicht auch eine Geldprämie. Vieles von dem, das sich Männer und Frauen an die Brust hefteten, kann man auf Münzenmessen, im Münz- und Ordenshandel und manchmal auf Trödelmärkten oft preiswert erwerben, von den teuren Objekten aus Gold und Silber abgesehen. Kenner wissen, dass da und dort auch Fälschungen und Kopien im Angebot sind, weshalb eine genaue Prüfung notwendig ist.

In dem Buch von Jörg Nimmergut, Klaus Feder und Heiko von der Heyde "Deutsche Orden und Ehrenzeichen. Drittes Reich, DDR und Bundesrepublik. Mit den Orden der deutschen Bundesländer nach 1945" (7. aktualisierte Auflage, Battenberg Gietl Verlag Regenstauf 2008, 448 Seiten, zahlreiche farbige Abbildungen, 19,90 Euro, ISBN 978-3- 86646-032-4) sind die faleristischen Objekte beschrieben und abgebildet sowie mit Schätzpreisen versehen. Der Handel bietet da und dort Ordensnachlässe hoher, in der Regel nicht namentlich erwähnter Funktionäre an, mit denen sich ihre Nachkommen ein schönes Zubrot verdienen.

Leistungen im sozialistischen Wettbewerb

Aktivisten waren im Verständnis der DDR-Propaganda Menschen, die "hervorragende Leistungen im sozialistischen Wettbewerb zur allseitigen Erfüllung und zielgerichteten Übererfüllung des Planes für die weitere Gestaltung der entwickelten sozialistischen Gesellschaft vollbringen" und dafür mit dem staatlichen Ehrentitel ausgezeichnet werden, so die Definition im "Wörterbuch zur sozialistischen Jugendpolitik" (Berlin 1975). Die von großem politischem Brimborium begleitete Aktivistenbewegung stand als "schöpferische Massenbewegung für hohe Arbeitsproduktivität, gerichtet auf Senkung der Selbstkosten und höhere Qualität der Erzeugnisse in der Einheit mit der ständigen Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen" sowie als "Ausdruck aktiver Teilnahme der Werktätigen an Planung und Leitung der Volkswirtschaft" hoch im Kurs.

Um sich als Aktivist oder Aktivistin auszuweisen, steckte man sich unterschiedlich gestaltete Medaillen an. Auf frühen Stücken aus bronziertem Aluminium ist in roter Farbe die Zahl 5 als Hinweis zu erkennen, dass sich jemand um die Erfüllung des Fünfjahrplans verdient gemacht hat. Als um 1960 aus dem Fünf- ein Siebenjahresplan wurde, gab es neue Abzeichen mit der Zahl 7 und der Parole "Auf sozialistische Art zu leben heißt auf sozialistische Art zu arbeiten."

Mein Freund der Plan

Planvorgaben über fünf oder sieben Jahre wurden nach sowjetischem Vorbild regelmäßig aufgestellt und selten erfüllt, denn die sozialistische Planwirtschaft gab dies bei bestem Willen aber nicht her. "Mein Freund, der Plan" war in der frühen DDR ein geflügeltes Wort, das auf einen etwas unvorsichtigen Ausspruch des SED-Chefs und stellvertretenden Ministerpräsidenten Walter Ulbricht zurückgeht und manches Gelächter hervor rief. Der allmächtige, um die "Liebe" seiner Untertanen bemühte Sachse reimte im Februar 1953 nach der Verkündung des Vorhabens, in der DDR den Sozialismus aufzubauen und wenige Monate vor dem Volksaufstand vom 17. Juni 1953: "Wenn ich durch die Straßen gehe und etwas Schönes sehe, weis' ich stolz darauf, das hat mein Freund getan, mein Freund der Plan!". Von der SED-Führung beschlossen, vom Zentralkomitee und der Volkskammer und Regierung den Werktätigen zur praktischen Ausführung übergeben, war der Plan ein unumstößliches Gesetz. Niemand wagte an ihm zu deuteln. Wer das versuchte, setzte sich dem Vorwurf aus, ein Partei- und Staatsfeind zu sein, und wurde hart bestraft.

Freundschaft für immer und ewig

Unter der Leitung der allmächtigen SED stehende Plan- und Wirtschaftskommissionen entwickelten strategische Zielvorgaben, die oft mit den realen Möglichkeiten der sozialistischen Planwirtschaft kollidierten. Wie oft reisten Partei- und Regierungsdelegationen als Bittsteller nach Moskau, wenn wieder einmal die Lieferungen in die DDR ausblieben beziehungsweise wenn diese die Knebelverträge mit der Sowjetunion nicht erfüllen konnte. Selbstverständlich drang von den Querelen nichts an die Öffentlichkeit. Im Gegenteil wurden die erniedrigenden Bittgänge von der Propaganda in "überzeugende Kundgebungen deutsch-sowjetischer Freundschaft" umgedeutet, die für immer und ewig hält.

Die mit immer neuen Parolen wie "Modernisieren, mechanisieren, automatisieren", "Arbeite mit, plane mit, regiere mit" oder "Meine Hand für mein Produkt" verkündeten Fünfjahrespläne orientierten sich an der Theorie und waren Ausdruck eines trotz der traurigen Verhältnisse in der Praxis nicht getrübten, lediglich von Prognosen aus der Feder von Marx, Engels, Lenin und Stalin unterfütterten Fortschrittglaubens. So wurde ein Plan nach dem anderen aufgestellt und nach so genannten Volksaussprachen und durch gefälschte Zustimmungserklärungen zur "Sache des Volkes" gemacht. Obwohl mit allen Mitteln und einer riesigen Propagandamaschinerie versucht wurde, nicht nur die verhasste imperialistische Bundesrepublik einzuholen und sogar zu überholen, stolperte die DDR von einer Wirtschafts- und damit Gesellschaftskrise in die andere.

Aktivisten der ersten Stunde wurden Männer und Frauen genannt, die in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg mit dem Aufbau eines, wie es hieß, demokratischen Deutschland begannen und halfen, die materielle und geistige Not zu überwinden, die Nazidiktatur und Krieg hinterlassen hatten. Manche Personen gelangten wie Wilhelm Pieck und Walter Ulbricht in führende Partei- und Staatsfunktionen. Doch wenn welche der von Moskau vorgegebenen "Linie" nicht folgten, wurden sie gnadenlos ihrer Posten enthoben, ins Zuchthaus geworfen oder in die Sowjetunion verschleppt. Manche zu Unpersonen erklärten Dissidenten wurden zum Tod verurteilt oder verloren unter mysteriösen Umständen ihr Leben. Leuchtendes Vorbild der Aktivistenbewegung war der Bergmann Adolf Hennecke. Um die Arbeitsproduktivität in der Sowjetischen Besatzungszone zu steigern und den Werktätigen nach dem Beispiel der sowjetischen Stachanow-Bewegung ein Ziel zu geben, ließ die Partei Hennecke nach entsprechender Vorbereitung am 13. Oktober 1948 sage und schreibe 387 Prozent der üblichen Tagesnorm bewältigen. Der fleißige SED-Genosse war bis zu seinem Tod im Jahre 1975 und darüber hinaus eine Kultfigur.

Geschönte Statistiken, blumige Versprechungen

Nicht alle Menschen in der DDR waren den geschönten Statistiken und blumigen Versprechungen erlegen, denn es gibt auch geheime Analysen und Dokumente von führenden Wirtschaftsfunktionären, die den Niedergang vorausgesehen haben und die verhängnisvollen Auswirkungen der Verschuldung gegenüber dem Westen beschrieben. Mit ihren erst nach 1989/90 bekannt gewordenen Warnungen kamen sie gegen den wider alle Vernunft mithilfe selbst fabrizierter falscher Statistiken von der "Kraft und Gesundheit" der DDR-Wirtschaft überzeugten SED- und Staatschef Erich Honecker nicht an. So blieben die dringend notwendigen Reformanstrengungen, die den DDR-Bewohnern viel abverlangt hätten, liegen. In den späten 1980-er Jahren zehrte das Land noch ein wenig von der Substanz, doch war der Kollaps unvermeidlich. Das Ende des zweiten deutschen Staates nach dem Mauerfall am 9. November 1989 ist bekannt, die Folgen der Misswirtschaft sind im deutschen Osten da und dort auch heute noch zu spüren.

19. Mai 2022

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