Zwischen Geschichte und Zukunft
Die baltischen Staaten erlangten vor über 30 Jahren ihre Unabhängigkeit und konnten wieder eigene Münzen prägen





Auf der Vorderseite des lettischen Fünflatistücks von 1931 ist Milda als Personifikation des Landes, dargestellt. Das eindrucksvolle Brustbild wurde von Richard Zarins geschaffen, der viele lettische Münzen in der Zwischenkriegszeit geschaffen hat. Das Zweieurostück von 2014 zeigt Milda noch einmal, daneben der litauische Reiter auf der Münze von 2015.





Großfürst Witold und der erste Staatspräsident des Landes Anastas Smetona wurden 1926 und 1938 litauischen Silbermünzen zu zehn Litu geehrt. Diese und andere Münzen werden gelegentlich im Handel angeboten.



Die Münzen zu zehn Latu aus dem Jahr 1995 erinnert an das achthundertjährige Bestehen von Riga.



Ein Löwe und ein Greif schützen das lettische Staatwappen auf Münzen, die Touristen als Andenken mitgebracht wurden.



Die Zweieuromünzen von 2017 und 2018 zeigen historische Bauten in der litauisches Hauptstadt Vilnius sowie mit Symbolen eines Musik- und Tanzfestes in Litauen in hohen Auflagen geprägt und könnte sich auch in unseren Geldbörsen befinden.



Die Zweieuromünze von 2018 feiert die hundertjährige Unabhängigkeit von Estland, Lettland und Litauen mit einem gemeinsamen, durch Verflechtung der Wappen symbolisierenden Motiv, daneben ein weiterer Wert zur Hundertjahrfeier der Republik Estland. (Fotos: Caspar und Norbert Meise/Staatliche Münze Berlin)

Die drei baltischen Staaten Litauen, Lettland und Estland stellten vor über 30 Jahren ihre Unabhängigkeit wieder her und unternehmen heute alles, sie gegen russische Begehrlichkeiten im Schatten von Putins Krieg gegen die Ukraine zu wahren. Nach den Revolutionen in Russland von 1917 waren sie souverän geworden und konnten diesen Zustand bis 1939 bewahren. Im Hitler-Stalin-Pakt, der am Vorabend des Zweiten Weltkriegs im August 1939 unterzeichnet wurde, steckten das Deutsche Reich und die Sowjetunion ihre Interessensphären in Osteuropa ab. Der sowjetische Diktator Stalin erklärte die an der Ostsee gelegenen Länder zu seiner Einflusssphäre, ließ die Rote Armee einmarschieren und machte aus ihnen Sowjetrepubliken. Ein auf sowjetischen Druck in der litauischen Hauptstadt Vilnius (Wilna) installiertes Parlament und eine kommunistische Marionettenregierung "baten" Moskau um Aufnahme in die UdSSR. Ähnlich verfuhr Stalin mit den beiden anderen zu Sowjetrepubliken erklärten Länder Lettland und Estland. Um Widerstand im Keim zu ersticken, wurden die jeweiligen Eliten ermordet oder in das Innere der Sowjetunion deportieren, wo viele Gefangene Zwangsarbeit verrichten mussten und unter schrecklichen Bedingungen starben.

Großes Leid erlebten die Litauer, Letten und Esten nach dem Überfall der Wehrmacht 1941 auf die Sowjetunion durch die deutschen Besatzer, die zahllose Juden und Oppositionelle ermordeten. Da manche Bewohner mit Hitlers Truppen kollaboriert hatten, rächte sich Stalin nach 1945 blutig an ihnen. Er besetzte in den baltischen Sowjetrepubliken wichtige Posten mit "linientreuen" Russen und sorgte dafür, dass die jeweilige Landessprache in den Untergrund gedrängt wurde. Dergleichen hatte es bereits in der Zarenzeit gegeben, als die drei Länder, aber auch das zum russischen Großfürstentum erklärte Finnland rechtlose Provinzen waren und von Sankt Petersburg aus beherrscht wurden.

Repressionen in der Stalinzeit

Die Repressionen in der Stalinzeit führten zu großen innenpolitischen Spannungen, und so hatten der Geheimdienst KGB und die Justizorgane alle Hände voll zu tun, um die Opposition zu unterdrücken. Wer konnte, wanderte aus oder zog sich in die innere Emigration in der Hoffnung auf bessere Zeiten zurück. Diese brachen an, als der neue sowjetische Staats- und Parteiführer Michail Gorbatschow ab 1985 im Geiste von "Glasnost und Perestroika" die Zügel lockerte und damit ungewollt das Ende des Sowjetimperiums einläutete, das der heutige Diktator Wladimir Putin das schlimmste Ereignis des 20. Jahrhunderts nannte, als habe es nicht den Ersten und den Zweiten Weltkrieg und all die anderen Kriege gegeben. Ende der 1980er Jahre haben die selbstbewusst gewordenen Litauer, Letten und Esten immer lauter ihre Forderungen nach politischer, kultureller und wirtschaftlicher Autonomie artikuliert - und hatten Erfolg.

Litauen hatte sich schon am 11. März 1990 für unabhängig erklärt. Da nach damaliger Lesart kein Land ungestraft die Sowjetunion verlassen durfte, verhängte Gorbatschow, der 1990 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet worden war, über Litauen eine Blockade, die aber nur wenige Monate hielt. Um die Unabhängigkeit des Landes rückgängig zu machen, gingen die berüchtigten sowjetische "Spezialeinheiten" am 13. Januar 1991 mit Kampfpanzern und Fallschirmjäger gegen das Fernsehzentrum in Vilnius vor. Sie walzten Barrikaden nieder und überrollten die Menschen. Über die Hauptstadt wurde eine Ausgangssperre verhängt.

Lockerungen unter Gorbatschow

Michael Gorbatschow, dem die Deutschen maßgeblich den Fall der Berliner Mauer und das Ende des SED-Regimes verdanken, versuchte, mit Wirtschaftsblockaden, Geheimdienstaktivitäten und Waffengewalt Litauens Unabhängigkeitserklärung rückgängig zu machen. Moskautreue Anhänger bildeten eine Regierung, um in Vilnius die Macht zu übernehmen. Der Staats- und Parteichef forderte von Litauen ultimativ, auf die Unabhängigkeit zu verzichten und die sowjetische Verfassung wieder anzuerkennen. Da die Litauer in Moskau Boris Jelzin und Genossen als Verbündete hatte, gab der bereits in seiner Machtfülle beeinträchtigte Gorbatschow nach. So sprach sich am 9. Februar 1991 die überwältigende Mehrheit der Litauer in einem Referendum für die Unabhängigkeit aus, die im September des gleichen Jahres von Moskau anerkannt wurde. Wirklich frei konnte sich Litauen erst 1993 nach dem Abzug der letzten sowjetischen Truppen im fühlen. Kurz vor dem Beitritt in die EU 2004 wurde das Land gegen den Widerstand der Russischen Föderation Mitglied der NATO und genießt damit auch den Schutz des Militärbündnisses. Ähnlich erging es den anderen Nachbarstaaten.

Souveränität erlangt, eigene Münzen geprägt

Nach der Herstellung seiner staatlichen Souveränität 1918 begann Litauen mit der Prägung eigener Münzen, die jedoch nach der Okkupation durch die UdSSR beendet wurde. Nach der Wiedererlangung der Eigenstaatlichkeit 1990 nahm das Land die Produktion von Münzen (1 Litas = 100 Centu) und Geldscheinen wieder auf. In verschiedenen Versionen erscheint auf ihnen wie schon vor Jahrhunderten das Landeswappen mit dem Reiter, der das mit einem Doppelkreuz geschmückte Schutzschild vor der Brust und das Schwert in der hoch erhobenen Hand hält. Beliebte Münzthemen waren und sind staatliche Jubiläen, aber auch landestypische Flora und Fauna sowie Ereignisse und Gestalten der Geschichte und historische Bauwerke. So brachte die Münze in Vilnius in den vergangenen Jahren eine Serie von silbernen 50-Litu-Stücken mit Bildnissen litauischer Herrscher und eine weitere mit Bau- und Kunstdenkmalen heraus. Weitere Ausgaben sind bis heute nationalen und internationalen Sportereignissen gewidmet. Nach dem Beitritt von Lettland zur Eurozone im Januar 2014 kamen neben den Werten zwischen einem Cent und zwei Euro auch Gedenkmünzen zu fünf, 20 und 50 Euro heraus, die das Repertoire mit interessanten Themen und Motiven bereichern.

Auch Estland hat viele Herren gesehen und großes Leid erfahren. Im Mittelalter herrschte in dem kleinen Land an der Ostsee der Deutsche Orden, der von den Dänen und Schweden abgelöst wurde. Im Ergebnis des Nordischen Krieges zu Beginn des 18. Jahrhundert zwischen Russland und Schweden wurde das Land dem Russischen Reich zugeschlagen. Bis zum Ende der Zarenzeit 1917 herrschten russische Statthalter in Reval. Eine eigenständige Entwicklung der Esten war unter diesen Umständen nicht möglich. Ihnen wurde nicht einmal gestattet, die Landessprache zu sprechen. Als am 24. Februar 1918 die Republik ausgerufen wurde, schien ihr eine positive nationale Entwicklung vorgezeichnet.

Die Regierung bemühte sich um gute Beziehungen zum sowjetischen Nachbarn. Doch war das Glück nur von kurzer Dauer, denn mit dem schon erwähnten Hitler-Stalin-Pakt vom August 1939 wurde auch das Schicksal von Estland besiegelt. Erst wüteten hier die Rote Armee und der Geheimdienst, dann kam es zu schrecklichen Massakern und antijüdischen Massenmorden durch die Deutschen. Als diese 1944 abgezogen waren, stellte Moskau die "Ordnung" wieder her. Mit dem Zerfall der Sowjetunion erlangte auch Estland 1991 gegen den Willen der Regierung in Moskau seine Selbstständigkeit.

Mark und Penni statt Rubel und Kopeken

Schon bald nach der Erlangung der staatlichen Unabhängigkeit im Jahr 1918 brachte Estland sein eigenes Geld heraus. Liefen hier bisher russische Rubel und Kopeken um, so bezahlte man jetzt die in 100 Penni geteilte Mark (Plural: Marka). Durch die Namenswahl wollte sich der Staat deutlich von seinen Bindungen zum Russischen Reich abheben. Neben Kursmünzen kamen auch Gedenkmünzen heraus, geschmückt mit Segelschiffen als Hinweis auf die lange Tradition des Landes als Seefahrernation, mit historischen Gebäuden und weiteren Motiven. Bei einigen Stücken ist Vorsicht geboten, denn es kommen auch Fälschungen sowie private Ausgaben ohne offiziellen Charakter vor. Bekannte Bauwerke sowie Szenen aus dem Leben und der Geschichte der Esten schmücken die Banknoten.

Seit Ausrufung der zweiten Republik 1991 befriedigt Estland den großen Bedarf an Kleingeld mit Münzen aus Aluminium-Bronze zu 5, 10, 20 und 50 Senti sowie aus einer Kupfer-Nickel-Legierung zu 1 Kroon. Zu diesen schmucklosen Geprägen stets mit den drei Wappenlöwen kommen auch Sondermünzen aus Silber zu 10 und 100 Krooni. Mit ihnen macht Estland auf seine kulturellen Schätze, seine Flora und Fauna und seine landschaftlichen Reize aufmerksam. Da die Esten eine sportbegeisterte Nation sind, haben sie Sondermünzen zu Olympischen Spielen herausgebracht. Eines dieser Silberstücke von 1996 zeigt, wie die griechische Göttin Nike einem antiken Ringer hilfreich zur Seite steht. Eine Sonderprägung kam 2002 zum 370jährigen Gründungsjubiläum der Universität Dorpat (Tartu) heraus. Vergleicht man dieses Silberstück mit einer Münze von 1932 zur Dreihundertjahrfeier der berühmten Bildungs- und Forschungsstätte, wird man Ähnlichkeiten feststellen können.

Mildamünzen damals und heute

Seit einigen Jahren befasst sich das nationale Emissionsprogramm mehr und mehr mit der lettischen Landesgeschichte. In einer Serie zu 1 Lats werden die Provinzen vorgestellt - Kurland, Livland, Letgallen und Semgallen. Die 2003 geprägte Kurland-Ausgabe beispielsweise erinnert daran, dass die Bewohner dieses früheren Herzogtums erfahrene Seefahrer, Schiffbauer und Handelsleute waren, dargestellt an einer mittelalterlichen Kogge beziehungsweise an Männern, die vor einem Schmelzofen einen Hanfballen an einer Stange tragen. Estland, das Land der 1500 Seen, unternimmt große Anstrengungen, seine landschaftlichen Reize und sein architektonisches Erbe im Ausland bekannt zu machen. Die Vorderseiten der lettischen Euro-Münzen haben ein Vorbild aus dem Jahr 1931. Dort hat der Gestalter ein Milda genanntes Trachtenmädchen abgebildet und dieses Bild mit dem lettischen Staatswappen verbunden. In den Katalogen liest man, dass damals Zelma Bauerle als Modell zur Verfügung gestanden hat. Die Münzen sind einem silbernen Fünflatistück aus der Zwischenkriegszeit nachempfunden. Die originalen Milda-Münzen wurden in Zeiten der Okkupation nach 1940 und in Sowjetzeiten wie Heiligtümer in der Hoffnung auf bessere Zeiten aufbewahrt und werden bis heute in Ehren gehalten.

Neben den normalen Kursmünzen wurden in den frühen 1990-er Jahren die ersten Gedenk- und Sonderprägungen herausgegeben, so zur 75-Jahrfeier der Staatlichen Unabhängigkeit (1993), zu den XXVI. Olympischen Sommerspielen in Atlanta (1996) oder zur Entwicklung der Seefahrt, an der Letten bedeutenden Anteil hatten (ab 1997). Es kamen auch Münzen mit landestypischen Tieren und Pflanzen sowie anlässlich von kulturellen Ereignissen heraus. Mit einer attraktiven Serie hat das Land auch die Geschichte und Sehenswürdigkeiten der Hauptstadt Riga gewürdigt. Sie trat 1282 in die Hanse ein und spielte als Haupt-, Hafen- und Hansestadt im Ostseeraum eine hervorragende Rolle. Das kann man auch heute sehr gut an den historischen Bürgerhäusern und Kirchen erkennen.

Löwe und Greif bewacht das Wappen

Bis Lettland seine staatliche Unabhängigkeit erlangte, wurde mit russischen und anderem ausländischem Geldscheinen und Münzen bezahlt. Eine eigene Banknoten- und Münzprägung begann in den frühen 1920er Jahren. Auf den Bronze-, Nickel- und Silbermünzen erschien das aus der aufgehenden Sonne sowie einem Löwen und einem Greifen bestehende Staatswappen, über dem drei Sterne angeordnet sind. Die nicht sehr umfangreiche lettische Münzprägung aus den Zwischenkriegsjahren wurde nach Errichtung der Sowjetherrschaft eingestellt und erst 1990 wieder aufgenommen. Im Rahmen einer Währungsreform wurde 1993 bestimmt, dass 200 lettische Rubel den Wert von 1 Lats zu 100 Santimu (Centimes oder Cent) haben sollen. Neben den normalen Kursmünzen hat das Land in den frühen 1990er Jahren die ersten Gedenk- und Sonderprägungen herausgegeben, so zur 75-Jahrfeier der Staatlichen Unabhängigkeit (1993), zu den XXVI. Olympischen Sommerspielen in Atlanta (1996) oder zur Entwicklung der Seefahrt, an der Letten bedeutenden Anteil hatten (ab 1997). Mit einer attraktiven Münzserie wird auch der Geschichte der Hauptstadt Riga gedacht. Sie trat 1282 in die Hanse ein und spielte als Haupt-, Hafen- und Hansestadt im Ostseeraum eine hervorragende Rolle. Das kann man auch heute sehr gut an den historischen Bürgerhäusern und den mittelalterlichen Kirchen erkennen.

Die 2003 geprägte Kurland-Ausgabe erinnert daran, dass die Bewohner dieses früheren Herzogtums erfahrene Seefahrer, Schiffbauer und Handelsleute waren, dargestellt an einer mittelalterlichen Kogge beziehungsweise an Männern, die vor einem Eisenschmelzofen einen Hanfballen an einer Stange tragen. Der Export dieser Faser legte neben anderen Erzeugnissen den Grund für den Wohlstand der Region. Wer sich mit dem Thema "Literatur auf Münzen und Medaillen" interessiert, stößt auf eine silberne Münze zu 100 Santimu mit Motiven aus den Erzählungen des "Lügenbarons" Karl Friedrich Hieronymus von Münchhausen, dem die Bundesrepublik Deutschland 2020 eine Sondermünze zu 20 Euro widmete. Der Bezug zu Lettland ist nicht aus der Luft gegriffen, denn Münchhausen diente als junger Offizier der Zarin Anna Iwanowna und war in Riga stationiert. Der Baron hatte 1744 Jacobine von Dunten geheiratet, mit der hier bis 1750 lebte. Im 2005 eröffneten Museum wird an den berühmten Erzähler erinnert. Einige seiner abenteuerlichen Geschichten sind hier entstanden.

29. April 2022

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