Zu Besuch in der Königlichen Münze
Was ein Reporter im Jahr 1915 in der Geldfabrik an der Berliner Unterwasserstraße beobachtet und übersehen hat



Zwischen 1861 und 1871 entstand an der Unterwasserstraße nach Plänen der Architekten Heinrich Bürde (Gebäude) und Friedrich August Stüler (Fassadengestaltung) an der Unterwasserstraße eine neue, großzügig angelegte Münzstätte. Die vom Vorgängerbau am Werderschen Markt übernommenen Reliefplatten wurden in die Fassade der im Stil der Neorenaissance erbauten Produktionsstätte eingefügt.



Mit der vergoldeten Plakette wurden langjährige Mitarbeiter der Preußischen Staatsmünze ausgezeichnet. Sie kombiniert das Münzgebäude mit einer Spindelpresse zwischen zwei Männern.



Die originalen, von Johann Gottfried Schadow geschaffenen Reliefplatten aus der Zeit um 1800 fristen im Unterbau des Kreuzbergdenkmals ein unwürdiges Dasein, sollen aber restauriert und neu aufgestellt werden.



Das Berliner Zwanzigmarkstück von 1915 mit Kaiser Wilhelm II. in Uniform wurde "kriegsbedingt" nicht mehr ausgeliefert, von der Mansfelder Dreimarkmünze von 1915 hat man wegen des Silbermangels statt der geplanten 700 000 nur magere 30 000 Stück geprägt.





Die schmutzigen und unansehnlichen Rohlinge oder Ronden müssen, bevor sie in die Präge kommen, noch gereinigt und gewässert werden. Automatisch bekommen die Ronden in einer Maschine ihre Rändelung, die als Schutz und Zierde diente und von Fälschern schlecht nachgeahmt werden konnte. Krönender Abschluss aller Aktivitäten ist das Prägen der Münzen auf Kniehebelpressen. Sie wurden schon im frühen 19. Jahrhundert in der Berliner Münze eingesetzt.



Für den königlichen Münzdirektor Paul Brinkmann, dargestellt auf einer von Paul Sturm geschaffenen Medaille aus dem Jahr 1913, fand der Berichterstatter Ernst Seiffert lobende Worte. (Fotos/Repros: Caspar)

Im Unterschied zu Einblicken in Wertpapier- und Geldscheindruckereien gibt es nicht wenige Reportagen und Informationen über das, was vor langer Zeit in Münzprägeanstalten geschah. Wir kennen Bilder und ausführliche Beschreibungen aus der Zeit vor und nach 1800 über die dort eingesetzten Geräte und Maschinen. Hinzu kommen Informationen über die Arbeits- und Lebensverhältnisse der in den Münzstätten beschäftigten Personen, und manchmal wird auch mitgeteilt, wie sie bezahlt wurden. Oft gab es nur jämmerliche Löhne, die aber etwas über denen Lagen, die man Arbeitern und Handwerkern zahlte. Vor und nach 1900 wurden "Innenansichten" von Prägeanstalten publiziert, das Interesse der Leser an Reportagen und Bildern muss groß geworden sein.

Der Zufall wollte es, dass mir die Reportage "Eine Wanderung durch die Königliche Münze in Berlin" in die Hände fiel. Verfasst von Ernst Seiffert erschien der Beitrag in der von dem Stuttgarter Verleger Hermann Schönlein gegründeten "Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens" (Jahrgang 1915, Bd. 2, Seite 165-177). Schönlein dürfte vor allem Lesern und Freunden der Romane von Karl May bekannt sein, denn er hatte zwischen 1876 und 1879 in seinen Zeitschriften dessen fantasievoll ausgeschmückte Beiträge über fremde Zeiten und Welten publiziert. Die zwischen 1876 und 1962 herausgegebene "Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens" kostete "pro elegant gebundenem Band" 75 Pfennige und fand nach einem zeitgenössischen Urteil "größten Beifall". Angesprochen wurden vor allem "mittlere und untere Bevölkerungsschichten". Die Sammlung orientierte sich an damals beliebten bürgerlichen Almanachen und Taschenbüchern. Vertrieben wurde die "Bibliothek" anfangs durch Kolporteure, also durch Personen, die mit ihren Büchern und Schriften von Haus zu Haus gingen und daher auch Hausierer genannt wurden. Doch konnten die 13 Bände pro Jahr auch in Buchhandlungen gekauft werden. Die in der Bevölkerung verbreiteten und beliebten so genannten Kolportageromane haben bis heute wegen seichter Inhalte keinen guten Ruf, sind aber als Zeitzeugnisse nicht uninteressant.

Arbeit mit modernster Technik

Seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurden in der Königlichen Münze an der Unterwasserstraße in Berlin unzählige Geldstücke aus Gold, Silber, Kupfer, Nickel und Aluminium sowie Medaillen mit damals modernster Technik geprägt. Nach dem Bau der Reichsmünze am Molkenmarkt in den 1930er Jahren hat man die Produktion dorthin verlagert. In den Neubau der damaligen Reichsmünze wurde eine Kopie des Schadowschen Münzfrieses eingelassen. Nach dem Zweiten Weltkrieg war in dem riesigen Komplex der VEB Münze der DDR und von 1990 bis 2006 die Staatliche Münze Berlin untergebracht, die heute im Bezirk Reinickendorf tätig ist.

Ursprünglich hatte der Fries das klassizistische Münzgebäude am Werderschen Markt geschmückt, das 1886 einem Kaufhauskomplex weichen musste. Untergebracht in den Katakomben des Berliner Kreuzbergdenkmals, fristen die originalen Reliefs ein erbärmliches Leben. Nun aber besteht Hoffnung, dass sich die Staatlichen Museen zu Berlin Preußischer Kulturbesitz auf Initiative der Schadow Gesellschaft Berlin e. V. ihrer annehmen, sie restaurieren und an einem noch nicht bekannten Ort würdig und ihrem hohen kunsthistorischen Wert entsprechend aufstellen.

Was das Menschengetriebe antreibt

Nach einer Definition, wonach Geld das Ausdrucksmittel aller realen Werte ist und er die Kraft ist, "die unser ganzes Menschengetriebe treibt" und daher eine machtvolle Materie ist, der wir mehr dienen als dass sie uns dient, nimmt Ernst Seiffert seine Leserinnen und Leser in die Geldfabrik mit. "Die Männer, die hier in der Münze das große Vertrauen eines Amtes genießen, sehen unbeteiligt auf die Häuflein Gold, auf die Berge Silber, Nickel und Kupfer - für sie ist das Geld, das da vor ihnen liegt, nicht etwa Begehrenserweckendes, für sie ist es einfach Arbeitsmaterial. Kühl gleiten ihre Augen über die blinkende runde Kraft, genau so kühl, wie der Blick der Kassierer an den großen Banken, denen das Metall auch nur gleich einem Strom durch die Hände holt, unaufhörlich und restlos."

Ernst Seifferts Münzbesuch wurde 1915, im zweiten Jahr des Ersten Weltkriegs, veröffentlicht. Da hatte die Reichsregierung die Produktion von Gold- und Silbermünzen stark zurück geschraubt und statt ihrer große Mengen an Papiergeld in Umlauf gesetzt. Unter dem Motto "Gold gab ich für Eisen" begann eine landesweite, von patriotischen Aufrufen begleitete Sammelaktion, um die immensen Kriegskosten finanzieren zu können. Das letzte in der Königlichen Münze zu Berlin geprägte und am Buchstaben A kenntliche Fünfmarkstück mit dem Kopf von Kaiser Wilhelm II. stammt aus dem Jahr 1914, die letzten Dreimarkstücke zur Hundertjahrfeier der Zugehörigkeit der Grafschaft Mansfeld zu Preußen beziehungsweise zur Erhebung des Herzogtums Mecklenburg-Schwerin zum Großherzogtum tragen die Jahreszahlen 1915, ergänzt durch ein Fünfmarkstück zum gleichen Jubiläum, das nur noch eine Auflage von 10 000 Exemplaren erlebte. Auch bei den preußischen Goldmünzen sah es zu diesem Zeitpunkt nicht gut aus, denn das Zwanzigmarkstück von 1915 mit dem Porträt von Kaiser Wilhelm II. kam nicht mehr auf den Markt. Die Ausgabe zu zehn Mark war zwar geplant, aber nicht realisiert. Ähnlich sah die Lage bei den Münzen der anderen deutschen Bundesfürsten aus. Auf diese geldpolitisch wichtige Entwicklung geht der Reporter nicht näher ein. Stattdessen beschreibt er den Betrieb im Haus an der Unterwasserstraße als "eine zur Selbstverständlichkeit gewordene Routine". Hier seien ernste, eifrig arbeitende, meist schon im Dienst ergraute Männer am Werke.

Geräuschlos, zuverlässig, sicher

An anderer Stelle spricht Seiffert von imponierendem Gleichmaß und höchst denkbarer Zuverlässigkeit und Emsigkeit. "Das geräuschlose Funktionieren dieses großen Apparates ist wahrhaft mustergültig und streng und ernst." Der Berichterstatter kommt aus dem Staunen und Schwärmen nicht heraus, etwa wenn er im Tresorraum 30 Millionen Mark in Gold liegen sieht. "Das heißt es sichern, vielfach und raffiniert - unbezwinglich sichern, damit nicht verbrecherische Hände zu dieser Schatzkammer gelangen können. Die eiserne Kunst muss das rote Gold schützen, und sie tut das so gediegen und tüchtig, dass man behaupten kann, in der Königlichen Münze befände sich ganz nebenbei ein angewandtes kleines Museum der Schlosserkunst." Also seien die vielen feinen Gold- und Silberbarren bestens besorgt und aufgehoben. Ob Seiffert bei seiner Beschreibung an einen frechen Diebstahl 1906 im Bayerischen Hauptmünzamt zu München gedacht hat, als frisch geprägte Zehnmarkmünzen aus Gold im Wert von 130 000 Mark aus einem Holzschrank (!) gestohlen wurde und die Diebe durch eine schlecht gesicherte Hintertür kamen und gegangen waren? Der Coup erregte einen Riesenwirbel und mag auch in Berlin dazu geführt haben, geprägtes und ungeprägtes Metall sicher zu deponieren.

In ihren Regalen liegen die Barren schräg hin gelehnt, und behaglich schimmernd, als sei ihnen hier ewige Ruhe beschieden, berichtet Seiffert und betont, bald schon werden sie in den Schmelzofen geworfen, "in dessen konzentriertem Feuer sie sich auflösen aus starrer Form, um eine willig sich wich formende, brodelnde Masse zu werden. Nun ist wirklich ein kleiner ,Goldstrom' entstanden und gießt sich in die Formen länglicher Streifen. Die werden dann - auch Silber wird so bearbeitet - gestreckt und gedehnt in der Maschine, und derbe Walzen machen aus den langgezogenen Streifen noch längere Bänder in der bestimmten Stärke des herzustellende Geldes."

Glühen, stanzen, prägen

Die Leser lernen weitere Produktionsprozesse kennen und erfahren, dass die Bänder geglüht werden müssen, wobei sie sich "spiralig ringeln, als sei mit ihnen eine überharte Prozedur geschehen. Schnell wird die rote Glut durch Wasserstrahlen erkaltet; die einstmals gewichtigen, man möchte fast sagen poetischen Goldbarren liegen nun da, wie etwa ein Häuflein geringelten, besseren Blechbandes." Diese in der Fachsprache Zaine genannten Schienen werden in längliche Bahnen geschnitten, worauf das Ausstanzen der Münzblättchen erfolgt, die man heute Ronden nennt. "Das geht wie ein Kinderspiel mit automatischer, fast atemloser Geschwindigkeit schafft eine ganze Reihe modernster Stanzmaschinen Tag für Tag stundenlang in unablässiger, emsiger Arbeit. Aus dieser Formstanze gekommen, erwartet nun einmal ein heißes Bad, eine leichte Säure, eine Beize in der Siede die runden Dingerchen, die in solcher Fülle und ohne Prägung noch ganz nichtig wirken. Jedenfalls kann man vor ihnen nicht den Respekt haben, der einem von Anbeginn vor der geprägten Münze anerzogen wurde." Nach dem alle diese "Formalitäten" erledigt sind, wie Seiffert schreibt, geht es zur Prägemaschine, wo die Stücke fertig gemacht werden, wie Seiffert schreibt. "Fein säuberlich bekommt ein jedes auf der Rückseite seinen Adler, auf der Stirnseite den Regentenkopf. Die Fertigstellung wirkt überraschend, denn man nimmt als Laie unwillkürlich an, irgendetwas müsse doch noch mit der Münze geschehen; allein wie man es näher betrachtet, sieht man, dass es ,Geld' geworden ist."

Guter Klang und richtiges Gewicht

Noch kann es nicht verpackt und an die Reichbank abgeliefert werden, denn im Justierraum müssen sie noch geprüft werden. "Da drinnen im Justierraum geht es lustig zu. Da klingt es von Gold und Silber, da springt und rollt das Gold und Silber; aber alles nicht etwa aus Freude am Geldklang, sondern nur um zu prüfen, ob es einen ,guten Klang' gibt." Schon bald werde der Bankbeamte, werde das Fräulein an der Warenhauskasse, werde der "Elegant" am Spieltisch dieses Goldstück ebenso lustig hochspringen und erklingen lassen, und jedesmal werde sie einen kleinen Tanz aufführen müssen als Beweis ihrer Echtheit "Auch in Bezug auf die Schwere wird noch einmal jede einzelne Stück geprüft, dann kommen sie alle in das Zählkontor, in dem die Beamten sagen, dass sie manchen Tag für vier Millionen Mark Gold zählen. Wie muss diesen Männern ihr Monatsgehalt vorkommen?"

Da auch das Zählen des Kupfergeldes zu beschwerlich und zu zeitraubend wäre, behilft man sich mit einer Zählmaschine. Ist alles geschafft, wird das Geld wird schließlich in kleine Beutel verpackt und kommt dann, nachdem es im Kassenraum noch einmal nachgeprüft wurde, an die Reichsbank geliefert. Ernst Seiffert hat nicht genau hingesehen, denn die "Berichtigung" der zu schweren beziehungsweise zu leichten Geldstücke aus Gold und Silber geschieht halbautomatisch mit Hilfe von Schabemaschinen und einem System von Waagen, die in übertragenem Sinne Spreu vom Weizen trennen. Auch ist ihm entgangen, dass die Münzen zwischendurch gerändelt und bei besseren Sorten mit dem Motto GOTT MIT UNS versehen werden.

Nach einem Dank an den Münzdirektor Paul Brinkmann, dem der reibungslose Ablauf der Münzfertigung vom Schmelzen, Gießen, Walzen und Scheiden des Metalls bis zum fertigen Geldstück zu danken ist, tritt der Verfasser hinaus auf die Straße und wird ein wenig poetisch. "Der Besucher der königlichen Münze muss sich erst wieder zurechtfinden im Alltagsgetriebe, muss erst wieder sich begreiflich machen, dass viele dieser Menschen hier draußen auf der Straße hasten und eilen, nur um ein Fünfmarkstück zu verdienen, dass sie einen ganzen Tag ihres Lebens hingeben, nur um eines dieser blanken runden Stücke zu erhaschen. Was da drinnen in der Münze lagert, würde genügen, um jedem, der heute Mittag hier atemlos vorüberstürmt, für lange Zeit ein geruhiges Leben zu schaffen. Doch die Menschen achten des ernsten Baus der Königlichen Münze kaum, jagen nach dem Nächstliegendem, denn zu fernen Träumen lässt ihnen der scharfe Pulsschlag des Großstadtlebens kaum Zeit noch Kraft. Dem Wissenden aber will es scheinen als sei dieses Münzgebäude eine gewaltige Großmacht, eine Quelle von Menschenglück und Menschenleid, ein Glücksherd und eine Unheilsschmiede."

"Die Goldspforten sind verrammelt"

Wenn sich der Besucher noch einmal zurück wendet, dass hohe, schwere, schweigende Eingangstor zur Münze betrachtet und dann wieder auf den Straßen das ringende, pochende, atmende Leben sieht, da klingen, ihm gleich einer scherzhaften Glosse, die Worte des Staatsministers in der Kaiserpfalz aus Goethes Faust in den Ohren: ,Die Goldespforten sind verrammelt, / Ein jeder kratzt und scharrt und sammelt, / Und unsere Kassen bleiben leer'- Wie in der Münze walzt Verfasser an seinem Schreibtisch die Sätze zu langen Bändern, glüht und reinigt sie, prägt Worte, zählt und wiegt sie ab - "alles, um etwas von dem großen klingenden Strom auf sich abzuleiten. Ach, wir Armen!"

Ernst Seiffert hat für die "Bibliothek in der Unterhaltung und des Wissens" keinen mit technischen Details gespickten Fachtext über die genauen Abläufe in einer Münzfabrik verfasst und sich auch nicht über das Aussehen der dort geprägten Münzen ausgelassen. Er hat auch nicht die Arbeitsbedingungen kommentiert, sondern seine subjektiven Eindrücke geschildert, und das ist ihm gut gelungen. Wie es in einem solchen Betrieb zuging, ist in der Fabrikordnung der Hamburger Münze von 1875 überliefert (siehe MünzenRevue Heft 2/2022, S. 140-142). Sie legte unter anderem fest, dass jeder Münzarbeiter den vorgesetzten Beamten Gehorsam schuldig ist und sich eines bescheidenen und angemessenen Benehmens befleißigen muss. Gearbeitet wurde einschließlich der Pausen von morgens sechs bis abends sechs Uhr. Weitere Bestimmungen regelten den Lohnentzug, wenn jemand zu spät zur Arbeit erschien, enthielten das Verbot, vorzeitig den Arbeitsplatz zu verlassen, und verlangten eine schnelle Information darüber, wenn jemand erkrankt war. Selbstverständlich waren alkoholische Getränken beziehungsweise das Tabakrauchen in den Werkstätten mit Ausnahme der Schmelze verboten. Verstöße gegen die Fabrikordnung wurden entweder mit Entlassung oder mit Geldstrafe geahndet.

10. Juni 2022

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