Fürstliche Sammlerinnen der Barockzeit (1)
Christina von Schweden begeisterte sich, ungewöhnlich für eine Dame ihres Standes, für Münzen und Medaillen



König Gustav II. Adolf von Schweden und seine Tochter Christina hinterließen ein reiches numismati­sches Erbe. Die Tochter des 1632 bei Lützen gefallenen und auf Kupferstich aufgebahrten Heerführers besaß, ungewöhnlich für Damen ihres Standes, eine respektable Münz- und Medaillensammlung, die nach ihrem Tod in alle Welt verstreut wurde.





Der Wolgaster Sterbetaler von 1634 zeigt den in Lützen gefallenen Gustav II. Adolf in ei­nem von zwei Pegasus-Pferden gezogenen Streitwagen und begleitet von Engeln auf dem Totenbett.



Der Wolgaster Sterbetaler von 1634 zeigt den in Lützen gefallenen Gustav II. Adolf in ei­nem von zwei Pegasus-Pferden gezogenen Streitwagen und begleitet von Engeln auf dem Totenbett.



Auf ihren Talern und Dukaten ist Christina von Schweden in kostbarer Hofrobe stets mit einem Krönchen dargestellt. Ihr abenteuerliches Leben war Gegenstand von Romanen und Spielfilmen.



Die Medaille feiert Christina als Vollenderin des Werks ihres Vaters. Der schwedische Löwe bekommt göttlichen Beistand im Kampf für die protestantische Sache.



Das von einem Berg zum anderen springende Dichterross Pegasus auf der undatierten Medaille von A. Karlsteen schildert, dass nach ihrer Abdankung im Zusammenhang mit dem Übertritt zur katholischen Kirche für Christina ein neues Leben begonnen hat.



Barocken Allegorienprunk entfaltet die undatierte Medaille von G. B. Guglielmada auf den Besuch der zum katholischen Glauben konvertierten Ex-Monarchin in Rom.



In der Peterskirche in Rom, erinnert ein aufwändig gestaltetes Epitaph mit Bildnis und Krone an Christina, deren Konversion von den Katholiken als Sieg über die verhassten Lutheraner ausgeschlachtet wurde. in Schweden aber überhaupt nicht gut ankam. (Fotos/Repros: Caspar)

Münzen und Medaillen sammeln und über sie zu forschen, ist Männersache, sagt man. Zu den Liebhabern geprägten Metalls kamen in der Barockzeit auch einige fürstliche Damen, die sich für geprägtes Metall begeisterten. Die bekanntesten sind Königin Christina von Schweden und die mit dem Bruder des französischen Sonnenkönigs Ludwig XIV. vermählte Herzogin Elisabeth Charlotte von Orleans, besser bekannt als durch ihre hochinteressanten Briefe über das Leben am Hof von Versailles bekannt gewordene Liselotte von der Pfalz. Ihre mit großer Liebe aufgebauten Sammlungen hatte mit vielen andern ihrer Art das gleiche Schicksal – sie wurden anderen Kabinetten zugeschlagen oder aufgelöst und in alle Winde verstreut.

Als der schwedische König Gustav II. Adolf am 6. November (nach julianischem Kalender/am 16. November 1632 nach gregorianischem Kalender) 1632 in der Schlacht von Lützen bei Leipzig fiel, folgte ihm seine erst sechsjährige Tochter Christina auf den Thron. Bis zur Volljährigkeit regierte ein Reichsrat für sie. In ihrem Namen unterzeichneten schwedische Unterhändler 1648 den Westfälischen Frieden, mit dem der Dreißigjährige Krieg (1618 bis 1648) beendet wurde. In diesem Vertrag wurden dem skandinavischen Land weitreichende Territorien im Nordsee- und Ostseeraum zugesprochen, und so erhielten die Königin von Schweden und ihre Nachfolger als deutsche Reichsfürsten auch Sitz und Stimme im Reichstag zu Regensburg.

Spektakulärer Glaubenswechsel

Die junge Monarchin, die auf ihren Münzen und Medaillen oft mit einem Krönchen im Haar dargestellt wurde, herrschte nicht lange über ihr Reich. Unter dem Einfluss von Jesuiten stehend, konvertierte das einzige Kind des berühmten „Verteidigers des Protestantismus“, als der ihr Vater Gustav II. Adolf gefeiert wurde, 1654 zur katholischen Kirche. Da sie unter diesen Umständen die schwedische Krone aber nicht mehr tragen konnte, musste sie abdanken. Vor ihrem Rückzug ins Privatleben sorgte Christina dafür, dass ihr deutscher Vetter Karl Gustav von Pfalz-Zweibrücken gegen den Widerstand des polnischen Königs Johann Casimir ihr Nachfolger wurde. Der spektakuläre Glaubenswechsel wurde von der Gegenreformation als Sieg über die verhassten Anhänger des Protestantismus gefeiert und brachte der als energisch, klug, belesen und extravagant geschilderten Königin die Sympathie von Päpsten und Kardinälen ein. Christina ging nach Rom und lebte dort bis zu ihrem Tod am 9. April 1689. Wie schon in Schweden, so scharte Christina auch in Italien Künstler, Gelehrte und Diplomaten um sich. Im Petersdom erinnert ein prächtiges Epitaph mit ihrem Bildnis daran, dass sie in der Hauptkirche der katholischen Welt ihre letzte Ruhe fand.

Christina von Schweden unterhielt enge und freundschaftliche Verbindungen zu zahlreichen Potentaten ihrer Zeit, doch hatte sie keinen entscheidenden Einfluss mehr auf die Geschicke ihrer Zeit. Man empfing die reiselustige Ex-Königin an vielen europäischen Höfen. Bei solchen Besuchen sollen sich die feinen Damen und Herren über ihr betont männliches Auftreten mokiert haben, und in der Tat soll sie wenig Weibliches an sich gehabt haben, folgt man zeitgenössischen Berichten. Sie hatte eine tiefe Stimme, ging meistens einfach und als Mann in Hosen und Stiefel gekleidet und ließ sich ihre Haare wie ein Mann schneiden und stieß in ihrem Auftreten gegen Tradition und Konvention. Man tuschelte darüber, dass sie sich mehr zu Frauen als zu Männern hingezogen haben soll.

Kostbare Kunstwerke geraubt

Wie dem auch sei, die Königin bleibt als Kunstsammlerin in guter Erinnerung. In ihrem Bestreben, kostbare Gemälde, Skulpturen und andere Kunstwerke in ihren Besitz zu bringe, scheute sie nicht vor Kunstraub zurück, damals und später ein übliches Mittel, sich mit militärischen Mitteln fremdes Eigentum anzueignen. So veranlasste sie am Ende des Dreißigjährigen Kriegs die „Reservation“, genauer gesagt den Raub von großen Teilen der in Prag befindlichen Kunstsammlung Kaiser Rudolfs&xnbsp;II. Gegen den Protest kaiserlicher Diplomaten bei den Friedensverhandlungen in Münster und Osnabrück wurden über 760 Gemälde, 270 Skulpturen sowie 30.000 Münzen und Medaillen, 300 wissenschaftliche Instrumente und andere Objekte von der Prager Burg auf dem Land- und Seeweg nach Schweden gebracht und dort auf verschiedene Königsschlösser verteilt und nie wieder zurückgegeben.

Der Raub der Münzen und Medaillen machte Christina mit einem Schlag zu einer frühen Münzensammlerin von Rang. Um die Kollektion weiter auszubauen, bemühte sie fürstliche Verwandte, Diplomaten und „Agenten“, ihr weitere Stücke zu beschaffen. Einen regulären Münzhandel, wie wir ihn heute kennen, gab es damals noch nicht. Man musste persönliche Verbindungen nutzten, um begehrte Stücke in seinen Besitz zu bringen. Wie das ging und wer alles bemüht wurde, lässt sich unter anderem am Zustandekommen der bis heute in Weimar aufbewahrte Münz- und Medaillensammlung von Johann Wolfgang von Goethe gut erklären. Was Christinas Sammlung konkret enthielt, lässt sich nur schwer sagen. Dort dürften, dem Trend der Zeit folgend, vor allem Münzen der römischen Kaiser gelegen haben, von denen nicht wenige als große Helden an­gesehen wurden und denen sich damalige Potentaten seelenverwandt fühlten.

Histoire métallique

Christina mag sich auch an geprägtem Metall ihrer Zeit erfreut haben, vor allem an Medaillen mit Bildnissen berühmter Persönlichkeiten und zur Erinnerung an wichtige Ereignisse ihrer Zeit, als überall nach französischem Vorbild die „Histoire métalique“ hoch im Kurs stand, durch die viele Ereignisse von Bedeutung auf Medaillen und Gedenkmünzen dokumentiert wurden. Ob sie sol­che Belegstücke ihrer eigenen Münz- und Medaillenemission und die ihrer Vorgänger auf dem schwedischen Thron systematisch zusammentrug, könnten nur Recherchen in Archiven ergeben. Christina kaufte nicht nur Münzen und Medaillen, sondern auch antike Büsten, Reliefs und Statu­en. Sie folgte damit anderen aristokratischen Sammlern, die sich am Anblick von Monumenten aus der Antike erfreuten, aber auch Gefallen an den numismatischen Hinterlassenschaften längst untergegangener Völker fanden und mit ihnen zu glänzen versuchten. Nachdem die Ex-Königin am 19. April 1689 in Rom gestorben war, wurden Teile ihres Besitzes an kostbaren Büchern, Briefen, Dokumente sowie Münzen und Medaillen von den Päpsten erworben, die große Masse aber wurde zur Deckung von Schulden der früheren Königin von Schweden über ganz Europa verkauft und damit in alle Winde verstreut.

23. November 2022

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