Im Sauseschritt durch Europa
Mario Kamphoff brachte seinen Katalog der Zwei-Euro-Münzen in erweiterter Auflage heraus





Die Bildervielfalt auf den Euromünzen ist breit angelegt und regt zum systematischen Sammeln an. Pars pro toto werden hier Beispiele aus Lettland, Italien und Griechenland.



Mario Kamphoff macht in seinem Buch auf den Unterschied bei der Europakarte auf der Wertseite aufmerksam und regt damit an, die aus Ring und Pille bestehenden Ausgaben genau unter der Lupe zu nehmen.



Zahlreiche Sehenswürdigkeiten wie der Bremer Roland oder der Regierungspalast sind auf Münzen der Bundesrepublik Deutschland und aus San Marino von 2010 und 2011 abgebildet.



Mit einem mittelalterlichen Siegel und dem Malteserkreuz sind die Ausgaben von Portugal und Malta von 2002 und 2008 geschmückt.



Bedeutende Wertsteigerungen sind bei der deutschen und österreichischen Ausgabe von 2018 und 2002 mit dem früheren Bundeskanzler Helmut Schmidt beziehungsweise der Friedensnobelpreisträgerin Bertha von Suttner nicht zu erwarten, denn sie sind in einer Auflage von vielen Millionen geprägt worden und in ganz Europa verbreitet.



Ein französisches Veto verhinderte 2015 die Ausgabe der bereits fertig geprägten belgischen Waterloo-Münze, deren Auflage vernichtet wurde. Am Beginn des Katalogs werden einige Sammlerstücke wie diese mit der Ansicht der Münzstätte in Pessac bei Paris und einer alten Spindelpresse vorgestellt.



Die in Berlin geprägten Münzen von 2002 mit den "drehenden Sternen" wurden bis auf einen kleinen Rest vernichtet. Ab und zu kommen Stücke im Handel vor und erzielen beachtliche Preise (Fotos: Caspar)

Die höchste Kursmünze, die seit 20 Jahren in unseren Geldbörsen klappert, ist das Zwei-Euro-Stück. Alle darüber liegenden Werte aus abweichenden Größen und Metallen sind Sonderwerte, mit denen kaum jemand bezahlt und die außer Sammlern auch wenig bekannt sind. Ab und zu finden wir in unseren Portemonnaies ausländische Euro- und Centmünzen, die von Touristen mitgebracht wurden und nach und nach in den Umlauf gelangten. Wer sich allerdings auf solche Funde verlässt, braucht für den Aufbau einer Spezialsammlung viel Zeit und Geduld. Hier helfen Münzhändler, und auch auf Sammlerbörsen wird man fündig.

Die ab 2002 ausgegebenen Euromünzen haben sich zu einem beliebten Sammelthema entwickelt, für die der Münzhandel zahlreiche Belegstücke zu meist moderaten Preisen bereit stellt und die auch auf Münzbörsen zu haben sind. Es gibt viele Raritäten, für die mehrstellige Summen verlangt werden. Sie in den Ausgabeländern zu bekommen dürfte selbst für hartgesottene Eurosammler nicht einfach sein. Bei vielen Ausgaben fragt man sich, woher sie kommen und was die Bilder und Inschriften bedeuten. Hilfreich sind zur Orientierung Münzkataloge wie das von Mario Kamphoff verfasste Nachschlagewerk "Die 2-Euro-Münzen - Katalog der 2.Euro-Umlauf und -Gedenkmünzen aller Euro-Staaten". Das Buch mit 894 Seiten und zahlreichen Abbildungen erschien in 13. Auflage im Battenberg Gietl Verlag Regenstauf und kostet29,90 Euro (ISBN 978-3-86646-214-4).

Europakarte in zwei Versionen

Bei der Durchsicht des Katalogs begegnen wir gekrönten Häuptern ebenso wie Politikern, Künstlern, Gelehrten und anderen Persönlichkeiten, aber auch markanten Bauten sowie landestypischer Flora und Fauna. Weitere Themen sind Staats- und Stadtjubiläen sowie Gedenktage und kulturelle und sportliche Großereignisse. Berücksichtigt werden wichtige Konferenzen auf europäischer Ebene und sogar archäologische Grabungsstätten. Wer die Münzen unter der Lupe genau betrachtet und frühe Ausgaben mit späteren vergleicht, wird auf der von Luc Luycx gestalteten Wertseite mit der großen Ziffer 2 einen bemerkenswerten Unterschied feststellen können. Sind anfangs auf der schemenhaft wiedergegebenen Europakarte nur die ersten 15 am Euroverbund beteiligten Staaten zu erkennen, ging man schon bald zur kompletten Europakarte über, denn inzwischen gibt es 27 Euroländer.

Mario Kamphofs Katalog und weitere Publikationen dieser Art einschließlich der Ankündigungen in der numismatischen Fachpresse machen Lust, sich auf die Euromünzen zu spezialisieren, und wenn man sich dazu entschlossen hat, gibt es sehr viel zu tun. Denn manche Ausgaben zu bekommen, ist schwer, denn man kann sich nicht darauf verlassen, die eine oder andere im täglichen Geldverkehr oder an der Ladenkasse zu ergattern. Wo Lust ist, da ist auch Frust nicht weit. Denn langsam wird das Thema unübersichtlich, weil die Euroländer ohne Unterlass prägen und prägen. Wenn sich der Trend fortsetzt, dann sind in zehn Jahren unzählige Neulinge hinzu gekommen, die in einem noch dickeren Buch erfasst werden müssen.

Ob sich Voraussage der beteiligten Staaten und des Münzhandels bewahrheiten, dass es enorme Wertsteigerungen geben wird, kann niemand sagen. Die Auflagen der meisten Münzen gehen in die Millionen. Nur wenn sie sehr klein sind und bei Polierten Platten kann man mit Gewinnen rechnen, wenn es denn überhaupt zu einem Verkauf kommen sollte, denn die Lager des Münzhandels sind gut gefüllt. Nicht unerwähnt sei, dass Mittel, die in das Sammelgebiet Euro fließen, der traditionellen Numismatik fehlen. Aber das ist für die ausgebenden Länder kein Thema. Auf der anderen Seite wird es Sammler geben, die vom Euro ausgehend zu antiken, mittelalterlichen und neuzeitlichen Objekten gelangen, womit ein gewisser Ausgleich erreicht wäre.

Was winzige Zeichen bedeuten

Die Chance zur numismatischen Selbstdarstellung und Eigenwerbung haben 2002 und danach viele Länder des Euroverbundes genutzt. Die Idee dabei war, mithilfe von Kurs- und Sondermünzen über Geschichte, Kultur und Sehenswürdigkeiten der Mitgliedstaaten zu informieren. Mit wachsender Geschwindigkeit kamen immer neue Kurs- und Gedenkmünzen heraus. Manchen sieht man an, dass sie nicht für den Umlauf, sondern für gut betuchte Sammler und zum Besten der Staatskasse hergestellt wurden. Das Buch nennt die an der Euromünzung beteiligten Künstler und Prägeanstalten und gibt an, was die winzigen Zeichen auf den Geldstücken zu bedeuten haben. Im "Sauseschritt" durchmisst es, um mit Wilhelm Busch zu sprechen, über zweitausend Jahre europäischer und Weltgeschichte. Wir lernen wichtige Ereignisse und Gestalten kennen und werden vielleicht angeregt, in die betreffenden Länder zu reisen und auf Spurensuche zu gehen. Schauen wir auf die Münzbilder, dann sehen wir, dass Frauen unterrepräsentiert sind. Ihre Porträts kann man an wenigen Händen abzählen, obwohl sie Außerordentliches für die Entwicklung der Länder und unseres Kontinents geleistet haben. Dieses Missverhältnis ist in der gesamten Münzgeschichte zu sehen und auch bei höherwertigen Euro-Sondermünzen zu beobachten.

Wo etwas exklusiv und selten ist, da sind Spekulanten und Geschäftemacher nicht weit. Einige Länder wie der Vatikan oder Monaco gestatten ihren Münzen nur winzige Stückzahlen und heizen damit die Spekulation an. Dem ursprünglichen Gedanken der europäischen Einigung ist damit kaum gedient. Der eine oder andere Interessent wird angesichts dieser Tendenzen irgendwann die Lust an diesen Geldstücken verlieren und sich anderen Gebieten zuwenden oder ganz die Numismatik verlassen. Denn je mehr man in das Gebiet einsteigt, um so teurer wird es. Immerhin schwanken die von Mario Kamphoff mitgeteilten Preise zwischen wenigen Euro und drei- bis vierstelligen Summen. Wo keine Angaben möglich sind, kann man Liebhaberpreise vermuten, bei denen es noch höher geht.

Politik der geringen Auflagen

Die Gefahr besteht, dass die gute Absicht irgendwann todgeritten wird und sich das Interesse an den Euromünzen verlangsamt oder ganz schwindet. Hier sei erwähnt, dass es vor 30 Jahren eine riesige "Blase" mit teuren Telefonkarten gab, für die man heute nichts mehr bekommt. Mario Kamphof spricht die Hoffnung aus, dass es bei der Preisbildung eines Tages kein böses Erwachen gibt. Die Entwicklung des letzten Jahres habe sicher auch viele Spekulanten in das Sammelgebiet gelockt. Zum Nachteil junger und vor allem neuer Sammler würden Münzausgabestellen weiterhin die "Politik der geringen Auflagen" fortführen und Zwei-Euro-Münzen zum Teil nur noch für den Sammlermarkt produzieren. "Diese Münzausgaben werden nie ihrer eigentlichen Bestimmung zugeführt. Schade eigentlich", schreibt Kamphoff.

Manches, was da auf Münzen erscheint, wirkt wie an den Haaren gezogen, manche Gestaltung ist kindlich und verunglückt. Musste Frankreich 2019 den 60 Jahre alten Comic mit Asterix dem Gallier oder 2018 in Italien den 60. Geburtstag seines Gesundheitsministeriums feiern? Warum war es dem Vatikan 2019 so wichtig, dass er an den 90. Jahrestag der mit Mussolini abgeschlossenen Lateranverträge mit einer Zwei-Euro-Münze erinnerte, durch den Papst Pius XI. Rom als Sitz der italienischen Regierung anerkannte und der italienische Staat die Souveränität des Vatikans als Stadtstaat garantierte. Dass Lettland seine Störche schützt und seine Milchwirtschaft pflegt, ist lobenswert, das tun andere Länder auch. Aber warum dies 2015 und 2016 durch spezielle Münzen gewürdigt werden mussten, wird man erst erfahren, wenn man sich vor Ort in die Ausgabepolitik des baltischen Landes vertieft. Viele Motive mögen den Bewohnern der Ausgabeländer bekannt sein, bei uns muss man erst einmal recherchieren, wer und was dargstellt ist, oder man findet im Eurokatalog alle notwendigen Angaben.

Frankreichs Veto gegen Waterloo-Ausgabe

Der Verfasser erwähnt manche Stempelverwechselungen und andere Kuriositäten, aber auch eine zwar geprägte, aber nicht ausgegebene Münze, mit der Belgien 2015 den zweihundertsten Jahrestag der Schlacht von Waterloo, bei uns auch als Belle Alliance bekannt, würdigen wollte. Da sich aber Frankreich in seiner Ehre gekränkt sah, weil das Idol der Grande Nation, Kaiser Napoleon I., bei dieser letzten Schlacht der Befreiungskriege im Sommer 1815 vernichtend geschlagen und per Schiff nach Sankt Helena deportiert wurde, hat man die gesamte Auflage vernichtet. Mario Kamphoff bildet ein Stück ab, das auf geheimnisvollem Weg dem Tod im Tiegel entging. Wo es sich jetzt befindet, kann er nicht sagen. Es wäre aber nicht das erste Mal, dass eine numismatische Rarität dieser Art irgendwann wieder auftaucht.

Ab und zu werden marktschreierisch in den sozialen Medien so genannte Seltenheiten mit hohen Verkaufserlösen angepriesen. Wer diesen Verheißungen glaubt, ist zumeist auf dem Holzweg und kann sich mit einem Blick in die Münzliteratur davon überzeugen, dass das alles nur Fakes sind. Bei der Durchsicht des Katalogs sehen wir, dass viele Münzen in Plastikschatullen, den so genannten Blistern, aber auch in Klappkarten mit bunten Bildern, aber auch in teuren Holzkästchen angeboten wurden und werden. Zum Verschenken machen sich diese Verpackungen zwar gut, aber sie rauben viel Platz, eignen sich nicht für Tabletts und Münzalben und kosten nur Geld.

22. April 2022

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