Aus dem Erdreich ans Tageslicht
Horst Gutsche hat den Münzfund von Frauenhorst bei Cottbus umfassend bestimmt und fragt nach Ritzungen auf alten Talern



Der Gesamtwert der im Frauenhorster Schatz enthaltenen Münzen beträgt 187 Taler und acht Groschen. Prachtvolle Lösertaler aus Braunschweig und andere Silberstücke sind gehenkelt und wurden als Schmuck getragen. Reichlich sind in dem Fund kursächsische Münzen, aber auch aus dem böhmischen Sankt Joachimsthal stammende Joachimsthaler vertreten.



In erstaunlicher Frische sind mittelalterliche Deckenmalereien in der Herzberger Marienkirche erhalten. Sie zeigen Engel und Heilige, aber auch arme Seelen, die wegen ihrer Sünden im ewigen Höllenfeuer schmoren müssen.



Wer das H auf die Vorderseite des kursächsischen Talers von 1531 geritzt hat und wann das geschah, ist rätselhaft. Horst Gutsche möchte gern mehr über diesen Brauch erfahren.





Auch die sächsischen Taler von 1615 und 1721 weisen Einritzungen auf. Es könnte sich um Besitzerzeichen handeln. (Fotos: Caspar und D. Sommer vom Brandenburgischen Landesmuseum für Ur- und Frühgeschichte)

Das 29. Mitteldeutsche Münzsammlertreffen wird vom 10. bis 12. Juni in der brandenburgischen Stadt Herzberg (Elster) stattfinden, und alle hoffen, dass nichts dazwischen kommt. Denn die Zusammenkunft von Berufs- und Laienforschern sowie Sammlern musste im vergangenen Jahr sehr zu ihrem Kummer wegen der Corona-Pandemie abgesagt werden. Niemand freut sich mehr auf das Treffen als Horst Gutsche, ein Gründungsmitglied der Fachgruppe Numismatik des Kreises Herzberg im Kulturbund der DDR. Er war maßgeblich daran beteiligt, während der Wendezeit die Fachgruppe in den Verein Herzberger Münzfreunde e.V. zu verwandeln (siehe Internetseite www.herzberger-muenzfreunde.de). Ihm ist auch zu verdanken, dass das Leben und Werk des in Herzberg geborenen Arztes und Spezialisten für sächsische Münzgeschichte und vor allem der Kipper und Wipperzeit Eugen Rahnenführer näher erforscht wurde und das Geburtshaus eine Gedenktafel bekam.

Horst Gutsche war immer zur Stelle, wenn in der Region gefundene Münzen zu bestimmen waren. Das betraf unter anderem den Inhalt des bei Renovierungsarbeiten 1988 geborgenen Turmknaufs der mit mittelalterlichen Deckenmalereien reich ausgestatteten St.-Marien-Kirche zu Herzberg und den Münzfund von Frauenhorst, den er neben gedruckter Form auch in Fachvorträgen einer breiten Öffentlichkeit bekannt machte.

Im Land Brandenburg wurden und werden bei archäologischen Ausgrabungen in den Altstädten, aber auch beim Bau von Straßen und Versorgungsleitungen große und kleine Münzfunde entdeckt. Die interessantesten und aussagekräftigsten Objekte werden im Paulikloster gezeigt. Da man vor einigen hundert Jahren noch keine Sparkassen kannte, hat man seine Geldvorräte in Beuteln, Kästen oder Krügen gehortet und in unsicheren Zeiten aus Furcht vor Räubern und Soldaten, die oft beides in einer Person waren, vergraben oder eingemauert. Unter den im Paulikloster zu Brandenburg an der Havel gezeigten Schätzen befindet sich der 1996 in Frauenhorst, einem Ortsteil der brandenburgischen Kreisstadt Herzberg (Landkreis Elbe-Elster), bei der Ausbesserung einer Dorfstraße entdeckte Münzfund. Über ihn berichtet Horst Gutsche in einer neuen, reich illustrierten Broschüre (86 Seiten, ISBN 978-3-00-066826-5, Bestellung: Herzberger Münzfreunde e. V., Torgauer Straße 21, 04916 Herzberg).

Neue Erkenntnisse über einen Schatz

Horst Gutsche will das Treffen nutzen, um neue Erkenntnisse über den aus 267 Silbermünzen vom braunschweigischen Fünffachtaler aus dem Jahr 1666 bis hinab zu einem sächsischen Dritteltaler von 1754, der zugleich die Schlussmünze ist, sowie zwei Medaillen bestehenden Schatz darzulegen. In ihm wurden 104 sächsische, 69 brandenburgisch-preußische, 19 habsburgische, 22 französische und weitere Münzen identifiziert. Die Teilnehmer der Tagung können den eigens aus dem Archäologischen Landesmuseum im Paulikloster zu Brandenburg an der Havel herbei geholten Schatz betrachten. Die Zeitspanne reicht vom frühen 16. Jahrhundert, als in Kursachsen in großen Mengen die ersten Klappmützentaler und in der böhmischen Bergstadt Sankt Joachimsthal die Joachimsthaler geprägt wurden, die als Namensgeber des Talers und des Dollars in die Geschichte eingingen, bis 1754. Von dort dauerte es noch drei Jahre bis zum Siebenjährigen Krieg, aus dem Preußen als Sieger hervor ging und sich des Besitzes der bis dato zum Habsburgerreich gehörenden schlesischen Herzogtümer sicher war.

Im Strudel des Dreißigjährigen Kriegs

Horst Gutsche stellt in einer Broschüre Überlegungen an, wie es zur Ansammlung der Silberstücke kam und wie sie ins Erdreich gelangten. Er berichtet auch, wie das damals sächsische Herzberg in den Strudel dieses bis dahin schlimmsten aller Kriege gerissen wurde und stellt Vermutungen darüber an, was den unbekannten Besitzer dazu gebracht haben könnte, ihn angesichts herannahender preußischer Truppen zu verbergen. Aus der Tatsache, dass die Münzen und die beiden Medaillen aus dem 17. Jahrhundert nicht wie üblich in einem Tontopf lagen, sondern sorgfältig aufgeschichtet in einem - längst vergangenen - Beutel oder ein Tuch gewickelt waren, schließt Gutsche, dass der unbekannte Besitzer das nicht unbeträchtliche Vermögen bald wieder bergen wollte. Warum er es nicht tat, bleibt sein Geheimnis. Dass der Besitzer jemand aus dem Dorf Frauenhorst war, ist ausgeschlossen, denn dort dürfte kaum jemand ein solches Vermögen besessen haben.

Horst Gutsche will die Gelegenheit nutzen, um auf Einritzungen aufmerksam zu machen, die die ursprünglichen Besitzer auf mindestens drei Talern aus den Jahren 1531, 1615 und 1721 vorgenommen haben. Die Frage sei, wann diese Unart "modisch" wurde und wer auf anderen Münzen ähnliches beobachtet hat. "Vielleicht könnten weitere Nachforschungen dazu uns auch auf eine mögliche Spur bringen zur Frage, wie der Schatz einst entstand, bevor er verborgen wurde. Hinweise aus öffentlichen und privaten Sammlungen auf solche Besitzerzeichen sind willkommen. Möglich wäre es, das Teilnehmer unseres Sammlertreffens in Herzberg schon etwas dazu sagen", sagt Horst Gutsche.

Silberschmuck für Adlige und Offiziere

Etliche mit einem Henkel versehene große und schwere Münzen befinden sich in dem Silberschatz, was als Indiz für ihre Verwendung als Schmuck für Adlige und/oder Offiziere gewertet wird, die sie wie Orden an Halsketten getragen haben. Interessant ist auch das Vorkommen französischer Silbermünzen aus der Zeit Ludwigs XIV. in dem Schatz. Sie liefen in großen Mengen auch im Römisch-deutschen Reich um und waren unter dem Namen "Franzgeld" als Zahlungsmittel beliebt. Aus der preußischen Münzgeschichte ist bekannt, dass die hochwertigen Sechslivresstücke mit dem Bildnis des Sonnenkönigs und seinem Lilienwappen vielfach als Zweitwährung kursierten. Finanzbeamte baten daher den preußischen Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I., die eigene Münzproduktion anzukurbeln, um die Geldstücke des wegen seiner Kriege und Raubzüge gefürchteten Ludwig XIV. aus dem Land zu drängen. Erst Friedrich II., der Große, kam dieser Bitte nach und brachte nach der Münzreform von 1750 den Reichstaler und weitere Novitäten heraus. Dass von beiden Königen in dem Fund keine beziehungsweise nur zwei Halbtaler von 1750 vertreten sind, ist rätselhaft und müsste noch mit der Zusammensetzung zeitgleicher Funde abgeglichen werden.

Aus der Fundmasse stechen zwei braunschweigische Löser im Wert von fünf und zwei Talern hervor. Sie sind sehensweite Belege für die üppige Münzprägung, die sich die Welfen dank der Erträge ihrer Silbergruben im Harz gestatteten und mit denen den Ruhm der eigenen Dynastie betrieben. Merkwürdigerweise sind in dem Fund nur die bekannten Wildemann-Taler und solche mit dem springenden Welfenross vertreten, dabei ließen die Herzöge von Braunschweig-Lüneburg und Braunschweig-Wolfenbüttel darüber hinaus zahlreiche mit allegorischen Bildern und sinnreichen Sprüchen versehene Gedenkmünzen prägen. Dass sie in dem Fund fehlen, kann zu Überlegungen über ihre Seltenheit schon zur Entstehungszeit führen und müsste auch mit anderen Funden verglichen werden. Besonderheiten im Frauenhorster Münzschatz sind neben den Lösertalern auch drei unedierte Stücke von 1643, 1734 und 1746, die braunschweigischen und sächsischen Münz-Corpora eingefügt werden müssten. Denn es kommt immer wieder vor, dass sich in größeren Fundmassen Stücke anfinden, die sich von bereits publizierten Exemplaren unterscheiden und daher zu den numismatischen Raritäten zu zählen sind. Wie sie in gewöhnliche Fundmassen gelangten, wird sich wohl nie aufklären lassen.

21. März 2022

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