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Als Hindenburg an Hitler die Macht übergab
Bei den Gedenkmünzen zum „Tag von Potsdam“ am 21. März 1933 und anderen Prägungen der Zeit des Nationalsozialismus sind noch viele Details ungeklärt --Unterüberschrift-->

In der nationalsozialistischen Propaganda spielte der „Tag von Potsdam“ eine große Rolle. Am 21. März 1933 übergab Reichspräsident Paul von Hindenburg anlässlich der Eröffnung des am 5. März 1933 gewählten Reichstags symbolisch die Macht an Hitler, den am 30. Januar 1933 zum Reichskanzler ernannten Führer der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP). Triumphierend notierte Joseph Goebbels, der spätere Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda, in seinem Tagebuch: „Es ist so weit. Wir sitzen in der Wilhelmstraße. Hitler ist Reichskanzler. Wie im Märchen. Gestern mittag Kaiserhof: wir warten alle. Endlich kommt er. Ergebnis: Er Reichskanzler. Der Alte [gemeint ist Reichspräsident Hindenburg, H. C.] hat nachgegeben. Er war zum Schluß ganz gerührt. So ist’s recht. Jetzt müssen wir ihn ganz gewinnen. Uns allen stehen die Tränen in den Augen. Wir drücken Hitler die Hand. Er hat’s verdient. Großer Jubel. Unten randaliert das Volk. Gleich an die Arbeit. Reichstag wird aufgelöst.“

Schlag für Schlag demontierten die Nationalsozialisten die ihnen so verhasste Weimarer Republik, hebelten die in der Verfassung festgelegten demokratischen Rechte aus und begannen nach dem selbst gelegten Reichstagsbrand in der Nacht vom 27. auf den 28. Februar 1933 mit der brutalen Verfolgung und Ermordung von Oppositionellen und der systematischen Ausgrenzung der Juden, denen das Regime erst die Existenzgrundlagen nahm und schon bald Freiheit und Leben. Die Konzentrationslager begannen sich zu füllen, in den Folterhöllen der SA-Schläger spielten sich furchtbare Szenen ab, über die schon bald die ausländische Presse und das „Braunbuch über Reichstagsbrand und Hitlerterror“ berichteten.

Auf dem Weg in den Abgrund

Zu dem ganz auf Beruhigung der Lage und Beschwichtigung der Öffentlichkeit organisierten Staatsakt unter der Parole „Einheit von alter Kraft und neuer Größe“ in der barocken Garnisonkirche an der Breiten Straße in Potsdam waren Minister und Abgeordnete, aber auch Hohenzollernprinzen, hochrangige Militärs und andere Vertreter des altpreußischen Staates erschienen. Deren Beteiligung an dem Spektakel, bei dem die ersten Schritte in den Abgrund unternommen wurden, kam den Nationalsozialisten gelegen, denn sie konnten damit demonstrieren, dass die neue Regierung auf preußischen Traditionen wie Gottvertrauen, Nähe zum Volk und Treue zum Staat, aber auch Verlässlichkeit, Ordnung und Pünktlichkeit beruht und sich damit fundamental von der Weimarer Republik unterscheidet, die von den Nationalsozialisten und der extremen Rechten als chaotisch sowie jüdisch-bolschewistisch verseucht verteufelt wurde. Der 21. März wurde mit Bedacht als Datum für den „Tag von Potsdam“ gewählt, denn er war nicht nur der mit vielen Erwartungen verbundene Frühlingsanfang, sondern war auch derjenige Tag, an dem Kaiser Wilhelm I. 1871 Otto von Bismarck zum Reichskanzler ernannt hatte.

Glockenspiel im Reichsrundfunk

Die um 1735 erbaute Garnisonkirche mit den Gräbern der Preußenkönige Friedrich Wilhelm I. (gest. 1740) und Friedrich II. (gest. 1786) war bis zu ihrer Zerstörung beim britischen Bombenangriff am 14. April 1945 eine viel besuchte Gedenk- und Pilgerstätte. Sie war für die von Hitler geführte „Regierung der nationalen Revolution“ so wichtig, dass sie 1934, zum ersten Jahrestag des „Tags von Potsdam“, silberne Zwei- und Fünf-Reichsmark-Münzen (RM) mit der Gebäudeansicht von vorn prägen ließ. Die „Bekanntmachung über die Ausprägung von Reichssilbermünzen im Nennbetrage von 2 und 5 Reichsmark“ vom 16. März 1934 gibt außer Angaben über die Gestaltung und die technischen Parameter nichts über die Absichten her, die mit dieser Ausgabe verbunden war. Auf dem Rand ist die aus dem Programm der NSDAP von 1920 entnommene Inschrift „Gemeinnutz geht vor Eigennutz“ zu lesen. Mit dem Schlagwort sollte die so genannte Volksgemeinschaft nach dem Motto „Ein Volk, ein Reich, ein Führer“ geschmiedet werden. Dass im Reichsrundfunk als Pausenzeichen das Glockenspiel der Garnisonkirche mit der von Wolfgang Amadeus Mozart komponierten Melodie zum Choral „Üb immer Treu und Redlichkeit“ erklang, unterstreicht die besondere Wertschätzung der Garnisonkirche in der von Joseph Goebbels kommandierten Nazi-Propaganda.

Für Hitler hatte das Gotteshaus lediglich Bedeutung als Kulisse für seine Mühen in der Zeit, als er seine Diktatur etablierte und deutsch-nationale, monarchistische und preußenfreundliche und judenfeindliche Kreise auf seine Seite zu ziehen, was ihm bekanntlich zu großen Teilen gelang. Durch Aufzeichnungen von Hitlers Tischgesprächen während des Zweiten Weltkriegs ist seine Verachtung für das „Prinzengeschmeiß“ überliefert, das er 1933 noch für sein Spektakel in der Garnisonkirche brauchte, im Krieg aber nicht für würdig hielt, in der Wehrmacht zu dienen.

Vorhang zu und alle Fragen offen

Die näheren Umstände für die von dem Bildhauer und Medailleur Alfred Vocke (Vorderseite) und dem Stempelschneider der Berliner Münzstätte Reinhard Kullrich (Rückseite) gestalteten Geldstücke mit der Garnisonskirche sind bislang nicht erforscht. Vocke muss einen guten Stand bei der Reichsregierung und Parteiführung gehabt haben, denn er war auch Gestalter der von 1936 bis 1939 ausgegebenen Kursmünzen zu fünf und zwei RM aus Silber mit dem Kopf des 1934 verstorbenen Reichspräsidenten Paul von Hindenburg. Es ist davon auszugehen, dass die Münzen im Zusammenspiel von Reichskanzlei, Propagandaministerium, Finanzministerium und NSDAP entstanden sind. Auf diese und noch manch andere Fragen in der Numismatik und Geldgeschichte trifft zu, was Bertolt Brecht kurz und und bündig in seinem Stück „Der gute Mensch von Sezuan“ so formuliert hat: „Wir stehen selbst enttäuscht und sehn betroffen den Vorhang zu und alle Fragen offen.“

Die Münzen mit der Garnisonkirche zu 5 RM wurden 75 Millionen mal in 900er Silber, die zu 2 Reichsmark 5 Millionen mal in 625er Silber geprägt. Die Verbesserung der Legierung vom 500er Silber auf 900er beziehungsweise 625er Silber war schon während der Weimarer Republik geplant,um, wie von vielen Menschen gewünscht, Durchmesser und Gewicht der als unhandlich und viel zu groß empfundenen Geldstücke zu verringern. Die Münzen waren ein weit verbreitetes Zahlungsmittel und klapperten viel häufiger in den Geldbörsen als die Gedenkausgaben von 1933 zum 450. Geburtstag von Martin Luther (5 RM, Auflage 1 Million) und die von 1934 zum 175. Geburtstag von Friedrich Schiller (2 und 5 RM, 1934, Gesamtauflage 400.000). Eine wohl noch in der Weimarer Republik für 1933 geplante Gedenkmünze zum 50. Todestag des Komponisten Richard Wagner kam aus bislang nicht bekannten nicht zustande. Das gilt auch für Sondermünzen zu 5 RM, die 1935 zur „Heimkehr der Saar“ herauskommen sollte. Von ihr existieren nur wenige Probeabschläge. Eine für die Zeit nach dem „Endsieg“ geplante Münze zu 5 RM mit dem Kopf von Hitler und eine „Siegesmünze“ von 1940 zu 10 RM blieben auf der Strecke. Bei der Klärung dieser und weiterer Fragen ist das Studium der Akten von Regierungsstellen sowie Gremien der NSDAP im Bundesarchiv und an anderen Orten nötig.

Antifaschistische Parolen

Die Jahrgänge von 1934 und 1935 mit der Garnisonkirche kommen auf der Vorderseite auch ohne das Datum vor. Regimegegner benutzten die freie Fläche, um Parolen wie „Hitler verrecke“ oder „Brandstifter Nazis und Mörder“ zu gravieren. Vor allem im Stuttgarter Raum wurden derartige Münzen von der Reichsbank und Gestapo sichergestellt. Aktenstudien vor Ort könnten ergeben, ob die in tiefer Illegalität tätigen Hersteller und Verbreiter festgenommen und wegen Hetze gegen die „nationalsozialistische Volksgemeinschaft“ und ihren Führer, wie es damals hieß, verhaftet und verurteilt wurden. In der Presse von damals wird man kein Wort darüber finden. Solche Veränderungen durch Gravur oder Auflöten von Hüten sind aus dem 19. und frühen 20. Jahrhundert bekannt. Ab und zu kommen so umgewandelte und daher ungültig gemachte Silbermünzen mit dem Kopf des 1918 ins Exil gegangenen Kaisers Wilhelm II. vor. Sammler legen diese Stücke in das Fach Spottmünzen oder „Wilhelm mit Zylinder“ ab.

Das Bild der Garnisonkirche wurde 1936 durch die Darstellung des 1934 verstorbenen Reichspräsidenten Paul von Hindenburg auf den 5 und 2 RM Münzen abgelöst. Von 1936 bis 1939 wurde von ihnen über 250 Millionen Exemplare (zu 2 bzw. 5 RM, Reichsadler mit oder ohne Hakenkreuz) geprägt. Laut Artikel III im Gesetz 53 der Alliierten Militärregierung wurden die 5-RM-Münzen am 18. September 1944 außer Kurs gesetzt. Dieses Gesetz galt für das gesamte von den Alliierten besetzte deutsche Gebiet und verlangte die Ablieferung der Münzen. Diesem Gebot kamen allerdings nur wenige Menschen nach, so dass sich heute noch sehr viele Stücke in Privatbesitz befinden, während ein Großteil eingeschmolzen wurde. Der Münzhandel bietet heute größere Mengen an. Wenn die Geldstücke von herausragender Erhaltung sind, werden recht hohe Preise bezahlt. Die genauen Angaben darüber, in welchen Prägeanstalten wann und wie viele Münzen hergestellt wurden, finden sich im Katalog von Kurt Jaeger „Die deutschen Münzen seit 1871“ (Gietl Verlag Regenstauf, 26. Auflage 2019) und in anderen Publikationen

„Nimmer wird das Reich zerstöret...“

In der NS-Zeit wurden auch Medaillen zum „Tag von Potsdam“ hergestellt. Eine von Karl Goetz gestaltete Gussmedaille feiert ihn mit einer Darstellung des Handschlags von Hindenburg und Hitler sowie einem über der Potsdamer Garnisonkirche kreisenden Adler, der das Hakenkreuz in den Klauen hält. Diese Medaille gibt es in Bronze (110 mm) und in Silber (36 mm, 19,57 g). Letztere wurde vom Bayrischen Hauptmünzamt in München vertrieben. Die Königlichen Porzellanmanufaktur Berlin würdigte den „Tag von Potsdam“ mit einer Porzellanmedaille, die die Garnisonkirche von der Seite darstellt. Mit der einem Gedicht von Max von Schenkendorf übernommenen Parole auf der Rückseite „Nimmer wird das Reich zerstöret, wenn ihr einig seid und treu“ hatten die Nationalsozialisten zur Reichstagswahl 1933 um Stimmen für Hitler geworben.

Sieben Jahrzehnte später bot die Berliner Porzellanmanufaktur Weihnachtkugeln an, deren Erlös dem Wiederaufbau der 1945 zerbombten und 1968 abgerissenen Kirche zugute kommen sollte. Zum selben Zweck stellte die Staatliche Münze Berlin 2005 eine Medaille mit der Ansicht der Garnisonkirche und des barocken Schmucks auf ihrer Turmspitze her (30 mm, 500er Silber, Auflage: 50.000, Gestalter: Othmar Kukula). Bereits 1979 hatte der Berolina Medaillenvertrieb eine Medaille mit der der Garnisonkirche und dem Sinnspruch PRO GLORIA ET PATRIA hergestellt (40 mm, 23 g). 1991 kam eine vergoldete Medaille mit dem von der rechtsgerichteten „Traditionsgemeinschaft Potsdamer Glockenspiel“ gestifteten Nachbau des Glockenspiels auf der Plantage hinter der Garnisonkirche, verbunden mit der Choralzeile „Üb immer treu und Redlichkeit“ auf den Markt. Ein zweites Motiv zeigt das alte Glockenspiel der Kirche, deren Turm zur Freud der Potsdamer und der Besucher der brandenburgischen Landeshauptstadt unübersehbar an der Breiten Straße in die Höhe wächst.

28. Dezember 2023

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