Polyglotte Geldscheine und Münzen
Rainer Geike nahm mehrsprachige Objekte unter die Lupe und schildert in neuem Buch, was er dabei entdeckt hat





Auf Münzen des preußischen Königs Friedrich II. finden sich lateinische und deutsche Aufschriften, solche des englischen Königs Georg II. kombinieren den lateinischen Herrschertitel mit dem französischen Motto HONI SOIT QUI MAL Y PENSE des Hosenbandordens und dem Bekenntnis DIEU ET MON DROIT (Gott und mein Recht).





Deutschlands Kaiser Wilhelm II., genannt "der Letzte" erscheint auf dem Zwei-Rupien-Stück von 1893 mit lateinischem Titel. Das Großherzogtum Luxemburg präsentiert sich auf seinen Münzen mal als Luxembourg oder LETZEBUERG.



Da es zu jeder Regel auch eine Ausnahme gibt, hat das Zarenreich im 19. Jahrhundert den von ihm beherrschten Polen erlaubt, Münzen mit Inschriften in der Landessprache zu prägen.



Die bis 1918 bestehende österreichisch-ungarische Monarchie war ein Vielvölkerstaat, weshalb auch ihre Geldscheine mit Inschriften und Warnhinweisen in bis zu acht Sprachen versehen sind.



Der 1914 in Shanghai ausgegeben Geldschein der Deutsch-Asiatischen Bank gibt den Wert 200 Dollar in deutscher Sprache und der Landessprache an.





Dreisprachig ist der Liraschein der Bank of Israel aus dem Jahr 1958, auf der englisch und in Hindi abgefassten Note von Indien zu einer Rupie von 1957 wird der Wert in weiteren sieben Sprachen angegeben. Rainer Geike betont, dass die dort abgebildete Münze zu einer Rupie mit der Jahreszahl 1957 nicht existiert.



Unsere Euromünzen lassen sich anhand der Ränder gut von einander unterscheiden und sind daher auch freundlich gegenüber Blinden und Sehschwachen. (Fotos: Caspar und aus dem besprochenen Buch)

Wer sich mit Münzen, Medaillen, Geldscheinen, Briefmarken, Handschriften und Urkunden beschäftigt, ist es gewohnt, sie unter der Lupe ganz genau zu betrachten. Unter dem Vergrößerungsglas entdeckt man Details, die viel über Zeiten, Kulturen, gesellschaftliche und Machtverhältnisse und natürlich Sprachen erzählen. Rainer Geike, dem wir lesenswerte Publikationen über Geld und Preise in der DDR, über Kleingedrucktes auf Geldscheinen sowie Geldscheine und Wappen in Transkaukasien als Zeitdokumente verdanken, hat polyglotte, also mehrsprachige Geldscheine aus Europa und der Welt genau betrachtet und bei ihnen unterschiedliche Sprachen gefunden. Wie die Angaben zum Wert solcher Noten, über das jeweilige Land und die herausgebende Bank, aber auch politische Botschaften und Strafhinweise gegen Geldfälschungen lauten, hat Geike in seinem neuen Buch "Mehrsprachige Geldscheine - Geldscheine als Zeitdokumente" zusammengefasst (BoD Norderstedt 2022, 137 Seiten, zahlreiche farbige Abb., 32,50 Euro, ISBN 9783756216826). Indem der Verfasser das Thema anhand von Bild- und Textbeispielen aus dem 19. und 20. Jahrhundert erläutert und Texte übersetzt, regt er zu einer Reise durch die bunte Welt der Geldscheine an und muntert uns auf genau hinschauen, was ihre Bilder und Botschaften bedeuten.

Fridericus Rex und Guilelmus Imperator

Auch Münzen und Medaillen kommen zwei- und mehrsprachig vor. Die Kombination von lateinischen Inschriften mit solchen in der Landessprache sollte denjenigen helfen, die "nur" diese verstehen, nicht aber die über Jahrhunderte in Kirchen-, Gelehrten- und Diplomatenkreisen gepflegte lateinische Sprache. Münzen des preußischen Königs Friedrichs II., des Großen, kombinieren dessen Titel FRIDERICUS BORUSSORUM REX mit den Wertangaben 8 GUTE GROSCHEN beziehungsweise EIN REICHSTHALER. Im Laufe des 19. Jahrhunderts ist man in Deutschland und anderen Ländern zu Aufschriften nur noch in der Landessprache übergegangen. Ein treffliches Beispiel dafür, dass unter Kaiser Wilhelm II. die lateinische mit der deutschen Sprache kombiniert wurde, sind die Silbermünzen, die für die Kolonie Deutsch-Ostafrika mit dem behelmten Brustbild von GUILELMUS II IMPERATOR mit der deutschen Angabe über die Deutsch-Ostafrikanische Gesellschaft als Herausgeberin und der Wertangabe ZWEI RUPIEN geprägt wurden. Wer sucht, der findet weitere Beispiele für die Verquickung von Amts- und Zweitsprachen auf geprägtem Metall. Der Münzhandel hält zahlreiche Beispiele bereit, man muss sie nur noch finden. Wie wäre es, wenn Rainer Geike seinem Geldscheinbuch ein weiteres folgen lässt, das diesen Aspekt der Gewährung und des Verbots von Landessprachen auf Münzen und Medaillen näher beleuchtet?

Dass unterschiedliche Sprachen und Schriftzeichen auf Geldscheinen verwendet werden, ist nur verständlich. Unterschiedliche Völkerschaften und solche, die in abgelegenen Gegenden oder in Kolonien leben, sollten die Angaben über das jeweilige Land und den Wert der Banknote lesen und verstehen können. Zudem sollten sie erkennen, wer im Land das Sagen hat, wer der Herausgeber der Noten ist und wie Geldfälschung geahndet wird. Kleinen, von Diskriminierung und Ausgrenzung betroffenen Völkern wurde der Gebrauch der Muttersprache bei Androhung von Strafen untersagt, weshalb es nicht verwunderlich ist, dass diese auf Geldscheinen, Münzen und anderen Zeitzeugnissen nicht vorkommen.

Verständlichkeit und Akzeptanz

Rainer Geike stellt in seinem Buch Geldscheine in deutscher, englischer, spanischer, französischer, russischer, bulgarischer, türkischer, arabischer, chinesischer, koreanischer, japanischer und anderer Sprache vor, die diese mit weiteren Sprachen kombinieren. Er unterstreicht, dass die Vielsprachigkeit die Akzeptanz der Scheine in Vielvölkerstaaten gewährleisten sollte und soll. Hinzu kommt, dass in einigen Ländern mehrere Sprachen gleichberechtigt gesprochen werden, was zur Folge hat, dass sie auf Münzen, Geldscheinen und in unzähligen Dokumenten verwendet werden.

Der Verfasser betont, die Aufschriften auf Geldscheinen und Münzen seien Ausdruck eines Herrschaftsanspruchs Die Verwendung der Sprachen kleiner Nationalitäten sei sicher Ausdruck einer gewissen Autonomie, aber kein Beweis für eine völlige Gleichberechtigung. Dies sei weder in Österreich, was die Tschechen, Kroaten und Slowenen betraf der Fall noch in der Sowjetunion, was Länder an ihrem Rand betraf. Umgekehrt sei aber das Fehlen der Zweitsprache auf den ungarischen Seiten der österreichisch-ungarischen Geldscheine ein deutlicher Hinweis auf die noch schlechtere Stellung der beherrschten Völker im österreichischen Landesteil.

Hilfe für Blinde und Sehschwache

Man sieht es dem Buch an, dass der Autor an dem Thema großen Spaß hatte, die Beschaffung der Informationen und Bildvorlagen dürfte nicht einfach gewesen sein. Ihm zur Seite standen Sprachexperten, die ihm bei der Übersetzung und Einordnung der Scheine halfen. Von Land zu Land, Kontinent zu Kontinent gehend führt Geike auf, was Banknoten in welchen Sprachen vermerken, wie sich die Länder darstellen und wie sie ihr Geld auch zur Propagandazwecken gebrauchen. Beim Studium des Buches sehen wir, dass eine große Zahl von Geldscheinen landesübliche Schriften auch solche nach dem lateinischen Alphabet enthält. In Ländern mit anderen Buchstabenfolgen und Schriftzeichen gibt es weitere Beschriftungen in Fremdsprachen, gut zu sehen auf Ausgaben der Volksrepublik China, Vietnam, Korea und anderen asiatischen Staaten.

Nach einer Betrachtung der vor 20 Jahren ausgegebenen Euro-Geldscheine und in welchen Sprachen deren Wert vermerkt wird, stellt Rainer Geike am Schluss seines anregenden und lesenswerten Buches mehrsprachige Geldscheine und Münzen vor, die auch von Blinden und Sehbehinderten mit Hilfe spezieller Zeichen und Reliefs erkannt werden können, vergleichbar mit unseren Euromünzen, deren unterschiedlich gestaltete Ränder es ermöglichen, die Geldstücke durch Tasten und Fühlen voneinander zu unterscheiden. Hingewiesen sei auf den umfangreichen Anmerkungsapparat, der beim Auffinden weiterführender von Literatur hilfreich ist, womit Anliegen des Autors erfüllt wäre.

8. September 2022

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