"Nahrhaftestes Öl für den Lebensdocht"
Johann Wolfgang von Goethe hatte ein Faible für Münzen und Medaillen und bezog aus ihnen Freude und Anregung



Goethes Wohnhaus am Frauenplan in Weimar ist ein viel besuchtes, höchst lebendiges Museum, in dem auch viel von der Sammelleidenschaft des Dichters und Ministers und seine wissenschaftlichen Ambitionen erzählt wird.



Johann Wolfgang von Goethe, hier abgebildet auf einer 1816 von Johann Gottfried Schadow geschaffenen Medaille, wurde durch Münzen und Medaillen zu belehrenden Betrachtungen angeregt.



Die Weimarer Republik ehrte 1932 den Dichter zu seinem einhundertsten Todestag mit Gedenkmünzen zu drei und fünf Mark.



Goethe konnte sich bei seinem Besuch in Italien an antiken Münzen, die er "Frühling von Blüten und Früchten der Kunst" nannte, nicht satt sehen, und befand bei ihrem Anblick "Sizilien und Neugriechenland lässt mich nun wieder ein frisches Leben hoffen." Hier eine Tetradrachme aus Leontinoi mit Pferdegespann und Löwenkopf.



Brakteaten wie die Herzog Heinrichs des Löwen und aus dem Bistum Hildesheim liegen in der Goetheschen Sammlung ebenso wie Renaissance-Medaillen.





Die Medaillen der Päpste hatten es Goethe besonders angetan, dank seiner internationalen Beziehungen gelang es ihm eine stattliche Kollektion zusammen zu bekommen.



Frankfurt am Main widmete 1899 seinem großen Sohn eine prächtige Johann Wolfgang von Goethe eine Medaille, die sein Porträt mit der Allegorie von Dichtung und Wahrheit verbindet. (Fotos/Repros: Caspar)

Im Laufe seines langen Lebens hat Johann Wolfgang von Goethe mehr als 26 000 Kunstgegenstände wie Grafiken, Skulpturen und Majoliken sowie 24 000 naturkundlich interessante Objekte zusammengetragen. Hinzu kommen rund 2000 Münzen und ebenso viele Medaillen. Dieser großartige, mit hohem finanziellem Einsatz geschaffene Besitz blieb im Wesentlichen erhalten und wird in einer Auswahl im Wohnhaus des Dichters am Frauenplan in Weimar gezeigt. Dieses Museum wurde am 8. August 1885 als Stiftung aufgrund einer testamentarischen Verfügung des Dichterenkels Walther von Goethe gegründet, der die Liegenschaften und Sammlungen seines berühmten Großvaters dem Großherzoglichen Haus übereignet hat. Seither ist Goethes Wohnhaus am Frauenplan samt Hausgarten ein Mekka aller, die Goethe nahe sein wollen und sich an seiner Gedanken- und Kunstwelt und seinen Sammlungen erfreuen wollen.

Stiftung Weimarer Klassik

Nach der Abdankung des letzten Großherzogs Wilhelm Ernst von Sachsen, Weimar und Eisenach im Ergebnis der Novemberrevolution 1918 ging das Goethe-Nationalmuseum mit weiteren Sammlungen und Zeugnissen der Weimarer Klassik in das Eigentum des Landes Thürigen über. Aus ihnen gingen 1953 die Nationalen Forschungs- und Gedenkstätten der klassischen deutschen Literatur in Weimar hervor. Das Goethe-Nationalmuseum kam 1991 zur Stiftung Weimarer Klassik, die neben dem Stammhaus am Frauenplan und dem Gartenhaus 21 Museen und Liegenschaften in Weimar und darüber hinaus verwaltet. Einige Sammlungen wie Goethes Zeichnungen sowie seine Gemmen und Kameen und die Münzen und Medaillen sind in umfangreichen Katalogen publiziert, weitere werden folgen. Der Münzhandel bietet immer wieder numismatische Zeugnisse mit Bezug auf Goethe und seine Zeit an, und so ist es möglich, von vielfach preisweiten Belegen ausgehend, eine ansehnliche Kollektion aufzubauen.

In Briefen, Tagebucheintragungen, Abhandlungen und literarischen Texten hat sich Goethe über seine Liebe für Münzen und Medaillen geäußert. Bereits 1770 schrieb der Einundzwanzigjährige, zu jeder Liebe gehöre eine Sammlung. Da er als Weimarer Minister und durch Tantiemen für seine Bücher und Theaterstücke gut verdiente, konnte er nicht nur eine, sondern mehrere Kunst- und naturwissenschaftliche Sammlungen im Haus am Frauenplan anlegen. Künstlerkollegen wie Friedrich Schiller oder Heinrich von Kleist, die in weniger glänzenden Verhältnissen lebten, konnten sich den Luxus solcher Kollektionen nicht leisten. Zur allseitigen Freude und Belehrung zeigte Goethe seine Schätze Freunden und Fremden, und er pflegte über sie lebhafte Korrespondenzen, die interessante Einblicke über sein Fühlen und Denken jenseits seines dichterischen und politischen Schaffens vermitteln.

Zu jeder Liebe gehört eine Sammlung

Ein erstes Inventar der Bestände wurde wenige Jahre nach Goethes Tod im Jahr 1832 verfasst. Dabei hat man den numismatischen Teil wenig beachtet. Das ist nicht zu verstehen, verbrachte er mit alten und neuen Münzen und Medaillen einen nicht unbeträchtlichen Teil seines Alltags. Er ließ sie vorsichtig zwischen den Fingern hin und her gehen, sondern sah in ihnen ein Medium, das ihn nach eigenen Worten in ferne Zeiten und Gegenden zu entführen vermag. Der numismatische Nachlass wurde erst im März 1914 von P. Schmidt-Neuhaus in den "Berliner Münzblättern" und 1920 von Behrendt Pick im Jahrbuch der Goethe-Gesellschaft ans Tageslicht gebracht. Von da ab rückte auch dieser bemerkenswerte Teil von Goethes Umgang mit der Geschichte und Kunst in den Blick der Fach- und Sammlerwelt.

Interesse verdient, dass der Dichter und Sammler seine numismatischen Schätze, zu denen auch Hinterlassenschaften jener "Kaiser und Kaiserlinge", aber auch mittelalterliche Brakteaten und neuzeitliche Taler gehörten, mit anderen Kunstwerken verglich und sie über diese stellte. "Eine Medaille hat, durch ihre Verbreitung, durch ihre Dauer, durch Überlieferung der Persönlichkeit in einem kleinen Raum, durch Dokumentierung allgemein anerkannter Verdienste, durch Kunst- und Metallwert, so viel Vorzügliches, dass man, besonders in unseren Zeiten, Ursache hat, sie allen anderen Monumenten vorzuziehen." Maler und Grafiker, Bildhauer und Architekten hatten und haben guten Grund, dieses pauschale Urteil kritisch zu bewerten, denn natürlich ist nicht alles gut und gelungen, was aus einer Münzschmiede oder eine Prägeanstalt stammt, so wie nicht alles, was gemalt, gezeichnet, gemeißelt oder gebaut wurde und wird, höchsten Ansprüchen genügt.

Der Rost macht erst die Münze wert

Aus Italien zurück gekehrt bemühte sich Goethe, eine Münzen- und bald schon eine Medaillensammlung aufzubauen. Dank guter finanziellen Möglichkeiten, aber auch der vielfältigen Verbindungen bis nach Italien, Frankreich und in andere Länder war er dabei sehr erfolgreich. Schriftlichen Hinterlassenschaften und Äußerungen von Freunden und Besuchern ist zu entnehmen, dass Unterhaltungen über Münzen und Medaillen zu Goethes Tagesablauf gehörten, und es war eine besondere Auszeichnung, wenn der Hausherr Besuchern seine Schätze zeigte. Dabei dürfte er ihnen auch erklärt haben, wie wichtig Patina bei alten Münzen ist. Im zweiten Teil des "Faust" lässt der Dichter den Philosophen Thales sagen "Das ist es ja, was man begehrt, / der Rost macht erst die Münze wert", worauf Proteus bemerkt: So etwas freut mich alten Fabler! / Je wunderlicher, desto respektabler."

Eine numismatische Kollektion aufzubauen, war zu Goethes Zeiten nicht einfach, denn der Kunst- und Münzhandel steckte in der Postkutschenzeit noch in den Kinderschuhen. Es bedurfte vielfältiger Korrespondenzen und langen Wartens, um bestimmte Stücke zu finden und zukaufen. Die Preise waren moderater als heute, und manchmal kostete ein alter Taler oder eine schöne Medaille nur wenig mehr als der Metallpreis. Dass Goethe viel Geduld aufbrachte, um bestimmte Belegstücke zu bekommen, lässt sich bei den Medaillen des berühmten italienischen Goldschmieds, Stempelschneiders, Münztechnikers und Abenteurers Benvenuto Cellini (1500-1571) nachweisen, dessen Autobiographie der Dichter in die deutsche Sprache übertrug und publizierte. Es dauerte sehr lange, bis er Arbeiten dieses Künstlers erhielt, und als er sie bekam, war er des Lobes voll. In einem Brief an Karoline von Humboldt betonte Goethe 1804 mit Blick auf die "Bearbeitung Cellinis", dass er sich durch Originalmedaillen der Bildhauerkunst angenähert hat. Über die Aussagekraft dieser Arbeiten notierte er im gleichen Jahr in einem Brief an Ferdinand von Lamezan: "Eine Medaille hat, durch ihre mögliche Verbreitung, durch ihre Dauer, durch Überlieferung der Persönlichkeit in einem kleinen Raum, durch Dokumentierung allgemein anerkannter Verdienste, durch Kunst- und Metallwert, so viel Vorzügliches, dass man, besonders in unseren Zeiten, Ursache hat, sie allen anderen Monumenten vorzuziehen."

Hier Originale, dort Kopien

Ein Blick in die Sammlung und in Goethes Schriften zeigt, dass ein Mann wie er nicht immer Originale bekam. Das scheint ihn nicht sonderlich gestört zu haben, denn er begnügte auch mit Nachgüssen und Abformungen. Für ihn standen die künstlerische Aussagekraft und die Bildkomposition sowie die Möglichkeit im Vordergrund, die Stücke mit anderen Kunstwerken vergleichen zu können. Deshalb bemühte er sich auch um die so genannten Mionnetschen Schwefelpasten. Diese Abdrücke waren ihm für seine Studien über antike Münzen ebenso wichtig wie die damals noch schwer erhältlichen Originale. Das gleiche gilt für Medaillenabgüsse in Bronze oder Messing und für die so genannten Paduaner, also jene vorzüglich geprägten Nachbildungen alter Römermünzen, die der in Padua tätige italienische Renaissance-Medailleur Antonio Cavino schuf. Auch für sie fand Goethe lobende Worte. Münzen und Medaillen waren für Goethe nicht alles.

Hinzu kam das Studium der Fachliteratur wie die Zeitschrift "Historische Münzbelustigungen", die 1729 bis 1750 von dem Altdorfer Professor Johann David Köhler herausgegeben wurde, oder des achtbändigen Werks "Doctrina numorum veterum", in dem ein Zeitgenosse, der österreichsche Münzforscher Joseph Hilarius Eckhel, ein bis heute gültiges geografisches Ordnungsprinzip für antike Münzen einführte. Da bekannt ist, welche Münzliteratur Goethe besaß beziehungsweise was er Bibliotheken entlieh, kann man gute Rückschlüsse auf seine speziellen Interessen ziehen.

12. August 2022

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