Münzkunde als galante Wissenschaft
Schon im 18. Jahrhundert wurde vornehmen Reisenden geraten, das Gothaer Münzkabinett und andere Sammlungen zu besichtigen





Das Barockschloss Friedenstein in Gotha ist heute ein gut besuchtes Museum, die Prunkräume der Herzöge wie hier der Festsaal sind noch im Original erhalten.



Bis ins späte 19. Jahrhundert hat der Gothaer Medailleur Ferdinand Helfricht die gewaltige Spindelpresse, die jetzt unter den Schlossarkaden steht, benutzt. Bis 1981 stand das wertvolle Gerät auf der Wachsenburg bei Arnstadt.



Schwere Stempel samt Prägering aus der Barockzeit in einer Kunstkammerschatulle zeigen, womit Münzarbeiter bei der Herstellung von Münzen und Medailen zu tun hatten.



Frankreichs Sonnenkönig Ludwig XIV. schaut wohlwollend auf Juno Moneta und Saturn, im Hintergrund erkennt man eine Spindelpresse. Vornehme Herren verlustieren sich beim Anblick von Münzen, die sie extra gebauten Kabinettschränken entnehmen. Kupferstich aus dem frühen 18. Jahrhundert. Beim Anblick dieser Allegorie in einem "Neu eröffneten Münzcabinet" von 1761 schlägt Münz- und Bücherfreunden das Herz höher.



Münzsammler hat man, wie auf dem Kupferstich zu sehen, gelegentlich als Münz-Narren mit Schellenkappe verulkt, weil nicht zu verstehen war, dass sich vernünftige Menschen mit altem Geld befassen und dafür auch noch bezahlen. Rechts hat Johann David Köhler 1740 seine numismatischen Kenntnissen in einem Sammelband zusammengefasst.



Die Kupferstiche aus den "Historischen Münzbelustigungen" feiern Herzog Friedrich II. von Sachsen-Gotha als Münz- und Medaillensammler. Das von ihm 1712 gegründete und fürstlich eingerichtete Münzkabinett im Schloss Friedenstein ist fast unverändert erhalten und stellt damit ein Ausnahmefall in der deutschen Museumslandschaft dar.



Geprägte oder gegossene Medaillen aus unedlem oder edlem Metall dienten der fürstlichen Selbstdarstellung und erfüllten als Geschenke an befreundete Potentaten und ihre Höflinge wichtige Aufgaben. Kaiser Maximilians I., König Ferdinand I. von Ungarn und Böhmen und Martin Luther waren Zeitgenossen und sind im Gothaer Münzkabinett mit Medaillen vertreten. Darunter eine schwere Goldmedaille von 1739 mit den Bildnissen des brandenburgischen Kurfürsten Georg Wilhelm und seines Sohns Friedrich Wilhelm, genannt der Große Kurfürst.(Fotos/Repros: Caspar)

In der der Barockzeit entwickelte sich die Numismatik zu einer akademischen Disziplin. Obwohl es Hinweise gibt, dass man schon in der Antike Münzen gesammelt hat, weil man sie schön fand oder weil sich mit ihnen ein besonderes Ereignis, eine berühmte Person verband oder weil sie als selten galten oder man sie, wie man später in der Barockzeit sagte, irgendwie "kurios" fand - erst richtig kam das Münzensammeln erst in der Renaissance auf. In jener Zeit also, da sich Gelehrte und Künstler auf die Kultur und Kunst der alten Griechen und Römer besannen und nach Zeugnissen aus diesen Epochen suchten. Da nimmt es nicht Wunder, dass dabei auch das Geld dieser untergegangenen Völkerschaften ins Blickfeld gelangte.

Es ist überliefert, dass sich fürstliche Heerführer beim Anblick von Kaiserbildnissen auf Römermünzen zu Mut angestachelt gefühlt haben, und auch die Verarbeitung solcher Gepräge zu Hals-, Finger- oder Gefäßschmuck spricht für die besondere Wertschätzung alten Geldes. Von da ab war es nicht weit, dass Münzkabinette systematisch angelegt und die ersten Kataloge mit Münzabbildungen und -beschreibungen verfasst und veröffentlicht wurden. Die in der Barockzeit zu den "ritterlichen Tugenden" und "galanten Wissenschaften" gerechnete Freizeitbeschäftigung konnte sich nur solche Personen leisten, alte Silbertaler oder Golddukaten sowie ältere Prägestücke beiseite zu legen, um sich an ihrem Anblick zu erfreuen. Sie fanden nicht immer Beifall bei ihren Zeitgenossen, manche von ihnen hielten Münzsammler schlicht für verrückt. Natürlich hatten Münzen und Medaillen auch hohe politische Bedeutung, denn Fürsten konnten unter Vorweisen langer geprägter Ahnenreihen ihre vornehme Abkunft und die Legitimität ihrer Herrschaft unter Beweis stellen und diese, mit ein bisschen Schummelei, zu den alten Cäsaren zurückverfolgen.

Kunst- und Münzschätze auf dem Friedenstein

Fürstliche Münzkabinette wurden in allen großen Residenzen angelegt. In Berlin ist beispielsweise das Münzkabinett im Bodemuseum auf der Museumsinsel die älteste Sammlung der Staatlichen Museen Preußischer Kulturbesitz mit einer ins 16. Jahrhundert zurück gehenden Geschichte. Große Sammlungen dieser Art wurden auch in Dresden, Gotha, London, Paris, Sankt Petersburg, Wien und anderen Haupt- und Residenzstädten als Archiv der eigenen Münz- und Medaillengeschichte sowie numismatischer Zeugnisse aus anderen Ländern und Epochen angelegt. In barocken Reiseführern hat man vornehmen Personen ans Herz gelegt, Bibliotheken, so genannte Kuriositätenkammern und Münzkabinette zu besuchen, um dort ihre Bildung zu vervollkommnen. Zu den Sammlungen, die man auf seinem Weg durch Europa nicht außer Acht lasen sollte, gehörte auch das im Schloss Friedenstein zu Gotha untergebrachte, mit kostbaren Schränken ausgestattete Münzkabinett der Herzöge von Sachsen-Gotha.

Neben den fürstlichen Sammlungen gab und gibt es unzählige private Münzsammlungen, die man nach dem Tod ihrer Besitzer vielfach großen öffentlichen Kabinetten einverleibte. Als Orientierungshilfe für Sammler und Händler standen gedruckte Kataloge und seit dem frühen 18. Jahrhundert die ersten Münzzeitschriften zur Verfügung. Berühmt wurden die in Nürnberg zwischen 1729 bis 1750 von Johann David Köhler veröffentlichten "Wöchentlichen Historischen Münzbelustigungen" und weitere Journale dieser Art, in denen Münzen und Medaillen barock-umständlich und jedes Mal mit einem Titelkupferstich vorgestellt wurden.

Mutmacher und Schmuckstücke

Obwohl es Hinweise gibt, dass man schon in der Antike Münzen gesammelt hat, weil sie ein besonderes Ereignis feiern oder eine berühmte Person abbilden, weil sie selten waren oder man einfach nur schön fand. Erst richtig nahm die Numismatik in der Renaissance an Fahrt auf, in jener Zeit also, da sich Gelehrte und Künstler auf die Kultur und Kunst der alten Griechen und Römer besannen und nach Zeugnissen aus diesen Zeiten suchten. Da nimmt es nicht Wunder, dass dabei auch das Geld dieser untergegangenen Völkerschaften ins Blickfeld rückte. Fürstliche Heerführer sollen sich beim Anblick von Kaiserbildnissen auf Römermünzen zu Mut angestachelt gefühlt haben, und auch die Verarbeitung solcher Gepräge zu Hals-, Finger- oder Gefäßschmuck spricht für die besondere Wertschätzung alten Geldes. Von da ab war es nicht weit, dass Münzkabinette systematisch angelegt und die ersten Kataloge veröffentlicht wurden.

Waren zunächst antike Münzen bei Sammlern beliebt und wurden sie, wenn man keine Originale bei der Hand hatte, auch nachgeahmt oder frei erfunden, so wandte man sich im Laufe des 17. und 18. Jahrhunderts neueren Münzen zu - erst denen aus dem Mittelalter und dann dem zeitgenössischen Objekten. So kamen Taler-, Dukaten- und Groschenkabinette in Form dicker Kataloge mit ausführlichen Beschreibungen in Mode. Die Numismatik etablierte sich nach 1700 als akademische Disziplin. So starteten 1738 an der Universität in Halle an der Saale die ersten Vorlesungen über antike Münzen. In ihnen erfuhren Studenten von Professor Johann Heinrich Schultze, warum Gepräge aus grauer Vorzeit als Geschichtsquellen bedeutsam sind und wie man ihnen Informationen über das Leben und Denken untergegangener Völker entlocken kann. Natürlich hatte die Beschäftigung mit Münzen und Medaillen auch große politische Bedeutung, denn Fürsten konnten unter Verweis auf lange Ahnenreihen vornehme Abkunft und Legitimität ihrer Herrschaft nachweisen.

Französische Histoire métallique

In Frankreich ließ der Sonnenkönig Ludwig XIV. nicht nur eine aus zahlreichen Ausgaben bestehende Medaillenserie zu seiner eigenen Verherrlichung prägen. Überdies wurde diese "Histoire métallique" auch noch in einem mehrbändigen, aufwändig illustrierten Katalog publiziert. Mit seinen Sammlungen versetzte der Sonnenkönig die Mit- und Nachwelt in Erstaunen, und sich da große und kleine Fürsten den Hof von Versailles zum Vorbild nahmen, legten auch sie ihre Ehre darein, mit kostbaren Münzen und Medaillen und auch einschlägigen Kabinetten zu glänzen, die sie vornehmen Besuchern öffneten.

Das Gothaer Schloß Friedenstein hat Kunst- und Münzfreunden viel zu bieten. Hier ist eines der ältesten deutschen Münzkabinette untergebracht, und hier kann man sich in den original erhaltenen barocken Prunkräumen in aller Ruhe mit den von Gothaer Herzögen angehäuften Schätzen vertiefen. Auf dem Weg dorthin kommt man unter den Schlossarkaden an einer wohl aus der Mitte des 18. Jahrhunderts stammenden Spindelpresse mit mächtigen Gewichten an den Schwungarmen vorbei, die bei der Herstellung vor allem von Medaillen gute Dienste tat und bis 1892 von dem Gothaer Medailleur Ferdinand Helfricht benutzt wurde. Ein Nachbau dieses Geräts steht im Museum Alte Münze zu Stolberg im Harz und wird dort zur Prägung von Erinnerungsmedaillen eingesetzt.

Bunte und geheimnisvolle Welt der Taler

In verschiedenen Prunkräumen wird eine repräsentative Auswahl des Gothaer Münzkabinetts gezeigt, von dem noch ein aus der Barockzeit stammender, mit originalen Schränken ausgestatteter erhalten ist, wie man ihn auch auf Kupferstichen des frühen 18. Jahrhunderts sieht. Unter den Schaustücken ragen Medaillen mit Porträts von Martin Luther und Zeitgenossen sowie solche, die anlässlich von Kriegen und Religionskämpfen des 16. und 17. Jahrhunderts wurden. Vertreten sind namhafte Künstler wie Hans Reinhardt der Ältere, Friedrich Hagenauer und Christoph Weidanz. Ein paar Schritte weiter kann man exzellent erhaltene Brakteaten des Hochmittelalters aus Thüringen und angrenzenden Regionen betrachten. Sie wurden bereits vor über 300 Jahren gesammelt, als man anderswo noch als "wertloses Blech" verschmähte und einschmolz. In einem weiteren Saal taucht man in die bunte und geheimnisvolle Welt der Taler ein.

Im Museum Schloss Friedenstein fallen große Raritäten wie frühe brandenburgischen Taler und schwere Löser der braunschweigischen Herzogtümer ins Auge. Etliche Gepräge sind gehenkelt oder zeigen Spuren alter Vergoldung, was auf ihre Verwendung als Schmuck deutet. Einige Stücke stammen aus der Sammlung des Gothaer Barockmedailleurs Christian Wermuth, der für den eigenen Hof, aber auch für andere Fürstlichkeiten tätig war. Es folgen Goldmedaillen und schwere Dukaten, um die sich die Gothaer Herzöge im 18. Jahrhundert bemüht haben. Ausgestellt sind Kunstwerke und Kuriositäten aus Bernstein, Elfenbein, Perlmutt, Kristall, Halbedelsteinen und anderen exotischen Materialien, die man in Raritätenkabinette zu versammeln pflegte.

Dem ersten Inventar von 1656 bis 1659 der auf dem Friedenstein aufbewahrten Kunstwerke kann man entnehmen, dass dort Gemälde, Figuren, Kunstgegenstände aus Elfenbein, Holz und Bernstein, aber auch Trink- und Tafelgeschirr, Uhrwerke und wissenschaftliche Geräte sowie Rüstungen und Kleider, ferner Bücher und Skelette sowie "Mineralia, Vegetabilia und Animalia" aufbewahrt wurden. Natürlich fehlten auch "alte und neue Münzen und allerhand Antiquitäten fremder Nationen" nicht, und daher nimmt es auch nicht wunder, dass auch sie in der nachgestalteten Raritäten- und Wunderkammer ausgelegt sind.

Schmerzliche Verluste nach dem Zweiten Weltkrieg

Das Gothaer Münzkabinett entstand unter der Regentschaft von Herzog Friedrich II., der von 1691 bis 1732 regierte. Die vorbildlich geordnete Sammlung gehörte schon im 18. Jahrhundert zu den führenden Kollektionen dieser Art in Europa. Der kunstbegeisterte Landesherr hatte 1712 von seinem Nachbarn, dem Fürsten Anton Günther II. von Schwarzburg- Arnstadt, für die enorme Summe von 100 000 Talern eine mit vielen Seltenheiten bestückte Münzsammlung gekauft und damit den Grundstock für eine eigene, von ihm und seinen Nachfolgern weiter ausgebaute numismatische Kollektion gelegt.

Unter nicht geklärten Umständen büßte die berühmte Gothaer Münzsammlung in den Wirren nach dem Zweiten Weltkrieg bedeutende Bestände an. Vor allem antikes Geld und Goldmünzen wurden von einem Mitglied des vormals regierenden Herzogshauses vor der nach Thüringen vordringenden Sowjetarmee "in Sicherheit" gebracht. Später tauchte die eine oder andere Rarität in Auktionen auf, und vermutlich gibt es Stücke aus dem Gothaer Kabinett auch in privaten Sammlungen. Die Rückführung des auf 60 000 Münzen und Medaillen geschätzten Bestandes auf den Gothaer Friedenstein ist komplett nicht mehr möglich. Daher ist es immer ein Glücksfall, wenn Einzelstücke nach langer Irrfahrt wieder den Weg an den Ursprungsort antreten können. Das war durch ein vertrauensvolles Zusammenspiel von Museen, Kultureinrichtungen und Münzhandel möglich.

Durch Vermittlung der Münzhandlung Fritz Rudolf Künker in Osnabrück kehrten sechs herausragende Goldmünzen nach Gotha zurück. Beteiligt an der spektakulären Aktion, über die eine Publikation der Kulturstiftung der Länder in der Bundesrepublik Deutschland berichtet (Schriftenreihe Patrimonia 207, hrsg. vom Schlossmuseum Gotha, 76 S., ISSN 0941-7036), waren der Freistaat Thüringen, die Kulturstiftung der Länder, die Ernst-von-Siemens-Stiftung und das Kunsthaus Lempertz. Fritz Rudolf Künker nahm die Raritäten aus seiner 63. Auktion am 14. März 2001 "Geprägtes Gold aus Mittelalter und Neuzeit" und machte so den Weg frei, sie nach Gotha zurückzuführen.

Gold und immer wieder Gold

Bei den "Heimkehrern" handelt es sich um wahre Glanz- und Leitstücke, wie Wolfgang Steguweit, der frühere Direktor des Gothaer Kabinetts, in der genannten Publikation schreibt. Unter den Goldmünzen, die jetzt wieder in Gotha gezeigt werden, befindet sich ein Goldabschlag vom Talerstempel zu zehn Dukaten auf den Antritt der Teilregierung durch Herzog Friedrich I. 1673 im Fürstentum Altenburg. Das Stück, auf dem der Herzog unter dem - übersetzten - Motto "Führe mich, ich werde folgen" von göttlicher Hand in einen paradiesischen Garten geleitet wird, ist seit 1674 im Gothaer Inventar aufgeführt. Als der sogenannte Reisetaler aus Gold 1981 in einer Auktion in der Schweiz angeboten wurde, war es der damaligen DDR nicht möglich, ihn zu erwerben oder Rechtsansprüche durchzusetzen. Und so blieb Steguweit nur die Erwähnung in seinem Buch über die Münzstätte Gotha.

Von ähnlicher Qualität und Seltenheit sind weitere Raritäten, so ein Goldabschlag vom Stempel eines undatierten Reichstalers des Herzogs Franz II. von Sachsen-Lauenburg, einen siebenfachen Dukaten des Bistums Breslau von 1714, einen doppelten Georgsdukaten des Kurfürsten Johann Georg I. von Sachsen von 1622, einen sechsfachen Dukaten aus Salzburg von 1628 und einen Weimarer Doppeldukaten von 1661. Die Goldmünzen (und noch viel mehr) sind akkurat in vier Abbildungsbänden verzeichnet, die zwischen 1700 und 1710 angelegt wurden. Die lavierten Federzeichnungen sind einzigartige Quellen zur Provenienzbestimmung. Die Bücher bergen laut Steguweit "unglaubliche numismatische Seltenheiten", was den Schluss nahe legt, Graf Anthon Günther II. von Arnstadt habe ein besonderes Faible gerade für solche Goldabschläge gehabt.

1. Februar 2022

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