"Brüder in eins nun die Hände"
Uraltes Freundschaftssymbol diente unterschiedlichsten Zwecken und wurde von der SED missbraucht



Der Weimarer Taler von 1650 beschwört den Frieden am Ende des Dreißigjährigen Krieg und erinnert zugleich an den Verlust der sachsen-ernestinischen Kurwürde 1547, gut ein Jahrhundert zuvor.



Die Gedenkprägung von 1648 mit der Ansicht der von Bastionen umgebenen Stadt Münster drückt die Hoffnung auf ewigen Frieden durch einen kräftigen Händedruck der gekrönten Häupter aus.



"Was du und ich miteinander geredet haben - vergiss deines Freundes nicht" rät die schlesische Freundschaftsmedaille aus der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts.



Am Handwerkervereinshaus in der Berliner Sophienstraße prangen die Hände als Zeichen der Arbeiterverbrüderung.



In der Kaiserzeit verband die Metallarbeiter-Genossenschaft das Symbol mit dem Aufruf "Proletarier aller Länder vereinigt euch" aus dem Kommunistischen Manifest von Marx und Engels aus dem Jahr 1848.



Das SED-Abzeichen mit den beiden Händen vor der roten Fahne war nach dem schmählichen Ende der Staatspartei Ende 1989 keinen Pfifferling mehr wert. Einen Händedruck der anderen Art sieht man am ehemaligen Grenzübergang Marienborn zwischen Sachsen-Anhalt und Niedersachsen, der in eine Gedenkstätte umgewandelt ist und an die Opfer des Mauerbaus von 1961 bis 1989 erinnert. (Fotos: Caspar)

Die Erfinder einer "Roten-Hände-Kampagne" haben sich keinen Gefallen getan, als sie im Vorfeld der Bundestagswahl vom 27. September 1998 dem politischen Gegner das uralte Freundschaftssymbol unter die Nase hielten und ein Gleichheitszeichen zwischen SPD und PDS zogen, der Nachfolgeorganisation der alten SED. Die Aktion ging nach hinten los, da andere Ursachen zur Niederlage der bis dahin regierenden CDU/CSU- und FDP-Koalition führten. Auf Bildern, Skulpturen, Grabsteinen und auch auf Münzen und Medaillen ist das uralte Freundschaftssymbol zu finden. Allerdings muss man der numismatischen Literatur suchen, um Beispiele aufzuspüren. Die freundschaftlich verschlungenen Hände erscheinen auf niederländischen Medaillen des 17. Jahrhunderts, aber auch auf ganzen und halben Talern sowie kleineren Nominalen des Weimar Herzogs Wilhelm von 1650, verbunden mit der Inschrift "Tandem sat est" (Endlich ist es genug). Unter der göttlichen Sonne greifen zwei beziehungsweise drei Hände ineinander. Die Jahreszahlen 1547 und 1648 erinnern an den Verlust der Kurwürde, den die Ernestiner erleiden mussten, und an den Friedensschluss von Münster und Osnabrück, durch den der Dreißigjährige Krieg beendet wurde.

In Ernst Wilhelm Tentzels "Saxonia numismatica" finden sich Beschreibungen und Abbildungen dieser symbolbeladenen Geschichtsmünzen aus Sachsen-Weimar. "Möge der Krieg dem Frieden weichen und in der ganzen Welt blühen", lautet die Übersetzung des lateinisch abgefassten Friedenswunsches, in dessen Buchstaben zudem noch ein Chronogramm versteckt ist. Die etwas größer geschriebenen Buchstaben ergeben die Jahreszahl 1650.

Ewiger Friede hielt nicht lange

Zeitgleich mit diesen Münzen kamen in Münster talerförmige Medaillen heraus, auf denen ebenfalls das Freundschaftssymbol erscheint. "Der goldene Frieden hat die rechten Hände des Kaisers und der Könige vereinigt" heißt es auf einer solchen Prägung anläßlich des Westfälischen Friedens, mit dem 1648 der Dreißigjährige Krieg beendet wurde. Dass der immer wieder beschworene "Ewige Friede" ziemlich brüchig war und sich die Freunde auf Zeit schon bald wieder in den Haaren lagen, ist bekannt. Dass im ausgehenden 18. Jahrhundert im revolutionären Frankreich unter Moto "Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit" tausende Schuldige und Unschuldige hingerichtet wurden, gehört zu den schlimmen Kapiteln der neueren Geschichte.

Seit der Revolution von 1848 waren die Bruderhände ein beliebtes Symbol der Arbeiterbewegung. In dem Arbeiterlied "Brüder zur Sonne, zur Freiheit" heißt es denn auch: "Brüder, in eins nun die Hände, / Brüder, das Sterben verlacht! / Ewig, der Sklav'rei ein Ende, / heilig die letzte Schlacht!" Spezialsammler kennen die Marken aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, die das Motiv als Zeichen der Arbeitereinheit verwenden. Manche Prägestücke besitzen einen Henkel, um sie an einem Band am Rockaufschlag zu tragen. Zu nennen sind eine undatierte Medaille mit den "Einheitshänden", auf deren Rückseite in einem Eichenkranz Platz für eine Gravur frei gelassen ist, ferner eine Medaille der Schlossergewerkschaft und eine Medaille zur Feier des 1. Mai 1890. Bestimmt wird man nach weiterem Suchen manch andere Beispiele finden. Ferdinand Lassalles Allgemeiner Deutscher Arbeiterverein führte die Fahne mit den verschlungenen Händen im Eichenkranz mit sich, und als Sozialdemokraten und Gewerkschafter im kaiserlichen Deutschland zur Feier des 1. Mai aufriefen, tat man dies auch im Zeichen der verschlungenen Hände, die auf Plakaten und Solidaritätsmarken sowie auf Vereinsfahnen und sogar auf Grabsteinen erscheinen.

Gemeinsames Streben für bessere Welt

Nach dem Ersten Weltkrieg geriet das Symbol in Vergessenheit, denn von Arbeitereinheit konnte nicht mehr die Rede sein. Die Zeiten hatten sich verändert, die Gegensätze spitzten sich weiter zu. Die KPD-Genossen reckten jetzt die Faust in die Höhe und grüßten im Zeichen von Hammer und Sichel, das sie von Sowjetrussland übernommen hatten, mit "Rot Front". Die Nazis machten die altgermanische Swastika, das Hakenkreuz, zu ihrem Symbol, rissen die rechte Hand in die Höhe und riefen "Heil Hitler". Dass die 1946 in der Sowjetischen Besatzungszone aus KPD und SPD zwangsvereinigte Sozialistische Einheitspartei Deutschlands auf Betreiben von Otto Grotewohl, des späteren DDR-Ministerpräsidenten, die Hände zum Parteiemblem erhob, war ein klar überlegter Schachzug.

Nach zwölf Jahren brauner Schreckensherrschaft und dem bis dahin schlimmsten aller Kriege sollte die Rückbesinnung der SED auf die in Freundschaft verbundenen Hände der Masse der Genossen in der damaligen Sowjetischen Besatzungszone friedliche Einigung und gemeinsames Streben für eine bessere Welt suggerieren. Viele Leute mögen daran geglaubt haben, andere litten unter den Repressalien und beklagten, dass sie bei der von oben angeordneten, mit der sowjetischen Besatzungsmacht abgestimmten "Verbrüderung" nicht gefragt und das alte Freundschaftssymbol missbraucht wurde. Auch die Einheitsgewerkschaft in der SBZ beziehungsweise der DDR, der Freie Deutsche Gewerkschaftsbund, führte die Hände als Emblem und unterstrich schon damit, wer dort das Sagen hat - die SED, die im Herbst 1989 abgewirtschaftet hat und im Orkus der Geschichte verschwand.

2. August 2022

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