Zukunft braucht Herkunft
Beim 29. Mitteldeutschen Münzsammlertreffen in Herzberg an der Elster notiert



Herzberg an der Elster ist eine wunderbare Stadt mit einer herrlichen Kirche und alten Bürgerhäusern. Besonderer Anziehungspunkt sind die spätgotischen Ausmalungen an der Decke von St. Marien. Unweit der Kirche und des Rathauses erinnert eine Büste an der Fassade des Philipp-Melanchthon-Gymnasiums an den berühmten Mitstreiter von Martin Luther, der auch als Praeceptor Germaniae (Lehrer Deutschlands) und Schulreformer einen hervorragenden Ruf genoss.





Horst Gutsche (oben rechts) richtet mit Helfern den aus Brandenburg an der Havel für einen Tag nach Herzberg an der Elster entliehenen Frauenhorster Münzschatz ein. Darunter nehmen Helmut Herholz (2. von links) und weitere Gäste ihn unter die Lupe.





Die exzellente Erhaltung vieler Münzen legt laut Gutsche die Vermutung nahe, dass es sich bei dem Frauenhorster Fund um die Sammlung eines Unbekannten handeln könnte. Keineswegs stellt er, wie schon mal behauptet wurde, einen Kirchenschatz oder gar den Inhalt eines Klingelbeutels dar.



Der Not gehorchend, eröffnete Sachsen 1772 seine Geldscheingeschichte, Preußen und andere zogen alsbald nach.



Die Ausstellung "Kaspers Welten. Zur Geschichte der lustigen Figur im Puppenspiel" im Mitteldeutschen Marionettentheatermuseum Bad Liebenwerda ist zu jeder Jahreszeit eine Reise wert. Gezeigt werden außer Handpuppen und Marionetten aus Deutschland und der Welt auch überall in der Region entdeckte Münzfunde, die ab und zu gemeinsam mit Keramiktöpfen ans Tageslicht gelangen. Meistens werden Behälter durch Baggerschaufeln zerstört. (Fotos: Caspar)

Das 29. Mitteldeutsche Münzsammlertreffen fand vom 10. bis 12. Juni 2022 unter dem Motto "Sachsens Glanz und Preußens Gloria - Numismatik zwischen Elbe und Elster" in Herzberg an der Elster statt. Veranstaltet von den Herzberger Münzfreunden e. V. bot das Treffen im Bürgerzentrum eine gute Gelegenheit, neue Erkenntnisse über Münzen, Medaillen und Geldscheine sowie aus Münzfunden zu gewinnen, aber auch den Gedankenaustausch zwischen Münzfreunden aus acht Bundesländern zu pflegen sowie neue Kontakte zu knüpfen. Gekommen waren in die 1239 erstmals als "oppidum" erwähnte Stadt an der Kreuzung zweier Handelswege von Leipzig nach Frankfurt an der Oder beziehungsweise von Berlin nach Dresden etwa 90 Gäste.

Die Tagung begann mit einem Gang durch die Stadt und einem Besuch in der St. Marienkirche mit ihren wunderbar erhaltenen Deckenmalereien aus dem Mittelalter sowie der Begrüßung durch den Vereinsvorsitzenden Ulf Lehmann, der die Zusammenkunft auf mitreißend-humorvolle Weise moderierte. Er und weitere Redner beschrieben die engen, in früheren Zeiten durch Kriege und Konflikte getrübten Beziehungen zwischen Brandenburg und Sachsen und riefen dazu auf, den zu Unrecht in den deutschen Kulturlandschaften ziemlich weit hinten angesiedelten Kreis Elbe-Elster zu besuchen. Besonderer Dank galt Horst Gutsche für seinen fünfzigjährigen Einsatz an der Spitze der Herzberger Münzvereins und seine nimmermüde Arbeit bei der wissenschaftlichen Auswertung und Deutung von Münzfunden. Bürgermeister Karsten Eule-Prütz und Landrat Christian Heinrich-Jaschinski malten ein liebevolles Porträt der Stadt und des Landkreises und betonten den großen Wert der Münz- und Medaillenkunde für geschichtliche Erkenntnisse und Heimatverbundenheit. "Das alles kann Numismatik" war die einhellige Überzeugung der Vortragenden und der Gäste.

Der Präsident der Sächsischen Numismatischen Gesellschaft, Dr. Rudolf Reimann, dankte der Stadtverwaltung für die Hilfe bei der Ausrichtung der Tagung, die coronabedingt von 2021 auf dieses Jahr verschoben werden musste. "Das häufig gebrauchte Schlagwort ,Zukunft braucht Herkunft' bezieht sich in besonderem Maße auch auf die Numismatik. Dass die Beschäftigung mit Münzen, Medaillen und Geldscheinen eine die Menschen verbindende Kraft besitzt und den Blick zurück und nach vorn weitet, erleben wir besonders in Zeiten von Unsicherheit, Gefahr und Bedrohung. Schauen wir auf die von Putins Armeen angegriffene Ukraine und ihre Münzgeschichte, so begann sie bereits vor tausend Jahren und damit wesentlich früher als die des Russischen Reichs, das heute unter Putin die Ukraine am liebsten schlucken möchte, wie es die Zaren und Stalin beim Ausbau ihres Imperiums taten."

Region "EE" braucht mehr Aufmerksamkeit

Die Redner sprachen begeistert über die lange zu Sachsen und erst 1815 an Preußen gelangte Stadt Herzberg und die Region, die viele von uns bestenfalls durch das Autokennzeichen "EE" kennen und wenig darüber wissen, dass dieses uralte Siedlungsgebiet an Geschichte, Kunst und Kultur sehr viel zu bieten haben. So erfuhren die Tagungsteilnehmer nach einem furiosen Klavierspiel des Pianisten Christopher Lichtenstein über das Thema "Taler Taler du musst wandern" von Ralf Uschner, dem Leiter des Mitteldeutschen Marionettenmuseums Bad Liebenwerda, erstaunliche Daten und Fakten über die mit bedeutenden Sakral- und Profanbauten besetzte Kulturlandschaft Elbe-Elster. Sie brachte bedeutende Wissenschaftler und Künstler hervor, hat viele landschaftliche Schönheiten vorzuweisen und besaß vor langer Zeit drei Münzstätten in Liebenwerda, Herzberg und Mühlberg.

Im 16. Jahrhundert war die Region Schauplatz heftiger Auseinandersetzungen zwischen Anhängern des Luthertums und solchen der katholischen Kirche. In der Schlacht bei Mühlberg 1547 siegte das Heer Kaiser Karls V. über die Truppen des Schmalkaldischen Bundes mit der Folge, dass der albertinische Zweig des Hauses Wettin die Kurwürde erhielt und sich die unterlegenen Ernestiner nach Thüringen zurückziehen mussten. Dass Philipp Melanchthon in Herzberg Regeln für die Reformierung des Schulwesen ausgearbeitet und ein anderer Gelehrter, der hier geborene Pädagoge Johannes Clajus, eine Grammatik für die deutsche Sprache verfasst hat, verdient festgehalten zu werden, ebenso dass das riesige Skelett des Brachiosaurus im Berliner Naturkundemuseum von dem aus Herzberg stammenden Paläontologen Werner Janensch im heutigen Tansania freigelegt wurde, um einige prominente Beispiele zu nennen.

Schauprägen auf der Spindelpresse

Das Tagungsprogramm war vollgepackt mit Fachvorträgen, aber auch mit der Besichtigung des 1996 in Frauenhorst bei Herzberg gehobenen Münzschatzes, der extra für einen Tag aus dem Archäologischen Museum in Brandenburg an der Havel ins Bürgerzentrum gebracht wurde. Es gab ein Schauprägen auf einer Spindelpresse, auf der man eine extra zu diesem Anlass ausgegebene Zinnmedaille mit kräftigem Schwung herstellen konnte. Angeboten wurde eine interessante Stadtführung, eine Weinverkostung sowie Darbietungen des Chores "Pro Musica" und des Pianisten Sebastian Pöschl. Mehrere Sammler hatten sich an einer Ausstellung mit Themen wie "Die Gesichter Friedrichs II. von Preußen" sowie Duplikate des Frauenhorster Münzschatzes, Münzen der Weimarer Republik, Doppelporträts auf Prägungen der Kaiserzeit sowie Olympische Reiterspiele beteiligt. Überdies gab es eine musikalisch und literarisch begleitete Versteigerung von Medaillen und anderen Objekten zugunsten des Herzberger Münzvereins, die etwa 1000 Euro einbrachte. Die Zusammenkunft war ein willkommener Anlass für Dr. Rudolf Reimann, den Freiberger Münzforscher Helmut Herholz mit dem Ehrenkreuz der Sächsischen Numismatischen Gesellschaft auszuzeichnen und dabei seine Leistungen und die des örtlichen Münzvereins in Bezug auf Münzforschung und numismatischer Öffentlichkeitsarbeit zu würdigen.

Lutz Fahron (Numismatische Gesellschaft zu Berlin und Arbeitskreis brandenburgisch-preußische Numismatik) würdigte den Potsdamer Veterinärmediziner, Münzforscher und Sammler Dr. Dieter Dannenberg, der sich durch intensive Untersuchungen über mittelalterliche Denare in der Mark Brandenburg und darüber hinaus einen Namen gemacht hat. Ein zu seinem 90. Geburtstag in Potsdam geplantes Ehrenkolloquium, an dessen Vorbereitung der Forscher noch lebhaft Anteil genommen hatte, konnte 2020 "coronabedingt" nicht abgehalten werden. Er starb am 12. Oktober 2020. Seine bahnbrechenden Erkenntnisse und seine vielen Publikationen verschafften ihm ehrendes Gedenken und einen geachteten Platz am "Himmel der Numismatik", wie einer der Zuhörer sagte. Das Beispiel lehre, wie sehr Sammler und Laienforscher gemeinsam mit den Berufsnumismatikern und oft auch ohne sie helfen, unser Bild vom Geld in alten und neuen Zeiten sowie über Medaillen und Geldscheine zu bereichern und Fehlstellen zu füllen.

Unbekannter Klappmützentaler im Münzschatz

Den Blick der Anwesenden auf die Geschichte und Typologie der sächsischen Klappmützentaler und zeitgleicher Prägungen richtete Udo Becker aus Freiberg. Er stellte die unterschiedlichen Typen anhand der Schriften, Wappen, Münzmeisterzeichen und der Reihenfolge der fürstlichen Namen vor und erwähnte, dass vermeintlich reiche Fürsten wie Kaiser Maximilian I. oder auch Friedrich der Weise von Sachsen im Grunde genommen recht arme Schlucker waren, die sich bei den Fuggern und Welsern hoch verschuldet hatten und alles Silber, das ihre Gruben hergaben, nicht ihnen, sondern auf Jahre hinaus diesen Geldverleihern gehörte. In einem weiteren Vortrag befasste sich Dr. Frank Metasch (Institut für sächsische Geschichte und Volkskunde) mit Papiergeld und Banknoten in Sachsen zwischen 1772 und 1936. Erst nach und nach gelang es den in Geldnöten befindlichen Regierungen, das Misstrauen der Bevölkerung gegenüber Papiergeld abzubauen. Der Redner ging unter anderem auf die Rolle von Leipzig als Bankenplatz und auf die von hier ausgehenden geldpolitischen Impulse ein. Nach der Okkupation sächsischer Landesteile 1815 durch Preußen wurden sächsische Geldscheine mit Hilfe von Blindstempeln zu preußischen gemacht, um die anteiligen Staatsschulden zu übernehmen. Erstaunlich ist, dass trotz bedeutender Auflagen, die manche Banknoten erlebten, nur ganz wenige oder überhaupt keine Stücke erhalten sind.

Einer der Höhepunkte der Tagung war der Vortrag von Horst Gutsche über den 1996 gehobenen Münzfund von Frauenhorst, der schon ein Jahr später im Herzberger Rathaus ausgestellt wurde, jedoch bei einer Landesausstellung 2014 im Schloss Doberlug über "Preußen und Sachsen - Szenen einer Nachbarschaft" durch Nichtbeachtung eine geradezu schäbige Behandlung erfuhr. Der fünf Kilogramm schwere Silberschatz im Wert von etwa 218 Talern, der ausführlich und mit vielen Bildern in einer von Gutsche verfassten Broschüre vorgestellt wird, enthält manche Überraschungen wie fünf unedierte Stücke, Außerdem sind 44 Prozent der Fundmasse im berühmten Katalog der Sachsensammlung von Otto Merseburger aus dem Jahr 1894 nicht vermerkt.

Silberfunde im Marionettenmuseum

Unbekannt ist, wie die aus 269 Prägungen bestehende Sammlung in Werten zwischen einem braunschweigischen Fünffachtaler und einem doppelten Schreckenberger Groschen mitten im Siebenjährigen Krieg (1756-1763) in den Boden gelangte und wer der Besitzer war. Obwohl Christian A. Kohl und Udo Becker, die Verfasser eines neuen Buches über die sächsische Klappmützentaler, alles über dieses zwischen 1500 und 1525 geprägte Nominal wissen, entdeckten sie im Frauenhorster Fund eine unedierte Variante und fertigten einen Nachtrag an. "So kann Numismatik gehen, alles ist im Fluss", hieß es dazu auf der Tagung.

In einem weiteren Vortrag stellte Antje Bräuer die fast 300 jährige Geschichte des Lauchhammerwerks vor. Hier hatte die innovative und tatkräftige Benedicta Margareta Freifrau von Löwendal und ihre Erben, die Grafen von Einsiedel, den vor Ort abgebauten Raseneisenstein so aufbereitet und aus ihm mit Hilfe des Holzes ihrer Wälder Eisen gewonnen. In dem Vortrag wurden zahlreiche Skulpturen aus Eisen, die in Lauchhammer im Hohlgussverfahren hergestellt wurden, gezeigt. Darunter befindet sich das berühmte Luthermonument in Worms von 1868 und das Berliner Thälmanndenkmal von 1986. Aus der Gießerei gingen unzählige Objekte von den sogenannten Schinkelmöbeln über Glocken bis zu Konstruktionselementen von Bahnhöfen und Hallen hervor.

Schließlich stellte Maximilian Kuche im Gespräch mit Ulf Lehmann die im Mitteldeutschen Marionettenmuseum Bad Liebenwerda verwahrten Münzfunde von der Antike bis zur Neuzeit vor. Diese konnte die Tagungsteilnehmer am Abschlusstag vor Ort in voller Schönheit betrachten. Das Museum ist nicht nur wegen dieser Schätze sehenswert, sondern auch weil es "Kaspers Welten" vorstellt und anhand zahlreicher aus Deutschland, Europa und Asien stammender Handpuppen und Marionetten die Geschichte der lustigen, oftmals die Gebrechen ihre Zeit spöttisch aufs Korn nehmenden Figur und ihre Wirkung auf die Menschen damals und heute schildert. 2021 wurde das "Kaspertheater als Spielprinzip" in das bundesweite Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes eingetragen. Die Besichtigung der exzellent arrangierten Ausstellung und weiterer Sehenswürdigkeiten in Bad Liebenwerda, Herzberg, Lauchhammer und anderswo wäre ein guter Grund, später in den Landkreis Elbe-Elster zu kommen und damit eine zu Unrecht übersehende Region besser als bisher kennenzulernen. Dr. Rudolf Reimann rief das 30. Mitteldeutsche Münzsammlertreffen im Juni 2023 nach Dresden ein.

Siehe auch Einträge auf dieser Internetseite über Lauchhammer (9. 4. 2022/Museen), Fund von Frauenhorst (24. 1. 2021), Klappmützentaler (13. 2. 2021) und Sächsische Numismatische Gesellschaft (11. 10. 21, alles Rubrik Münzen und Medaillen)

14. Juni 2022

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