Bettler wurden Millionäre
Druckereien und Prägeanstalten waren in der Inflationszeit vor einhundert Jahren stark gefordert



Die frühen Aluminiummünzen sehen zwar gut aus, aber kaufen konnte man mit ihnen kaum etwas.





Da die Geldfabriken mit der Herstellung von immer neuen Banknoten nicht hinterher kamen, hat man höhere Wertangaben einfach auf die Scheine gut sichtbar draufgedruckt. Manche Scheine sind wie diese Ausgabe aus Eisenach mit Martin Luther als Junker Jörg auf der Wartbug kleine Kunstwerke.



Der Gipfel der Geldscheinproduktion war die Ausgabe vom 15. Februar 1924 zu hundert Billionen Mark. Da allerdings war die Inflation schon ein paar Wochen überwunden.





Während der Inflation hat man Geldscheine in großen Körben transportiert, danach wurden Millionen-, Milliarden- und Billionenscheine dem Schredder überantwortet oder verbrannt.





Erst nach der Inflation konnten die sechs deutschen Münzstätten wieder wertbeständiges Geld prägen und drucken. Heute bezahlen Sammler für makellos erhaltene Kurs- und Gedenkmünzen zum Teil erhebliche Preise. (Fotos/Repros: Caspar)

In der Zeit der Inflation nach dem Ersten Weltkrieg (1914-1918) haben die Medien Tag für Tag registriert, welche neuen Geldscheine gedruckt werden und was man für sie bekommt, wenn man sie schnell wieder ausgibt. Numismatische Zeitschriften erweisen sich als interessante historische Quellen, weil sie sehr gut den Geist der Zeit und die Besorgnis der Bevölkerung über die unkontrollierte Ausgabe von Geldscheinen widerspiegeln. Im Februar 1923 ist in den "Blättern für Münzfreunde" (BfM) zu lesen: "Die Tagesproduktion, die in den letzten Tagen 35 Milliarden Papiermark betrug, ist auf 45 Milliarden gesteigert. Die Einführung des 50 000 Markttyps gestattet eine weitere Steigerung um 15 Milliarden im Tag, die in der nächsten Woche bereits bis auf 75 Milliarden Gesamtproduktion heraufgeführt werden soll.

Für die Herstellung von Zahlungsmitteln werden von der Reichsbank 33 Druckereien und 12 Papierfabriken in Anspruch genommen. Durch die demnächst erfolgende Herstellung von 20 000 Mark- bis 100 000 Markscheinen und vermehrte Herausgabe von 100 000 Marknoten kleineren Umfangs, die bereits zu Löhnungszwecken sehr begehrt sind, wird die tägliche Leistungsfähigkeit von Ende des Monats ab auf mindestens 125 Milliarden Tagesproduktion gebracht werden können. Der Monat März dürfte also mehr als 3 Billionen Mark neue Zahlungsmittel in den Verkehr bringen."

Hartgeld ohne Chance

Unter diesen Bedingungen hatte Hartgeld kaum eine Chance. Daher notieren die "Blätter für Münzfreunde" an gleicher Stelle, die geplanten Neuprägungen von 10, 100 und 500 Markstücken aus Aluminium seien "bei dem durch diese Papiergeldquantitäten verursachten weiteren Währungssturz undurchführbar". Münzen aus unedlem Metall hatten nur noch Schrottwert, und so erfahren die Leser, dass in Neuß bei einem Altwarenhändler 30 Kilogramm Nickelmünzen im Wert von 9000 Mark beschlagnahmt wurden. In der Zeitschrift findet sich diese Bemerkung: "Die wohltätige Kehrseite der Papiergeldinflation ist die von der Berliner Falschgeldabteilung der Kriminalpolizei festgestellte Abnahme der Papiergeldfälschungen, weil zu kostspielig." Ganz untätig allerdings waren Fälscher nicht, denn sie ahmten die farbigen Auf- und Überdrucke von Banknoten nach, die damit einen weitaus höheren Wert bekamen als ursprünglich auf ihnen vermerkt war.

Mit der Gründung der Deutschen Rentenbank am 16. Oktober 1923 und der Einführung der Rentenmark einen Monat später hatte die unselige Inflation, die Bettler weiterhin zu armen zu Millionären und Milliardären gemacht hatte, ein Ende. Für kurze Zeit hat man die höheren Milliarden- und Billionenscheine noch im Geldverkehr neben der neuen Rentenmark verwendet. Doch wurden sie, da sie praktisch wertlos waren, alsbald eingezogen und im Sommer 1925 für ungültig erklärt. In der Presse und in den neuartigen Wochenschauen im Kino sah man, wie Berge von Papiergeld zusammengekehrt und dem Feuer übergeben wurden. Angemerkt sei, dass viele Geldscheine der Inflationszeit und vor allem regionale Notgeldausgaben kleine Kunstwerke sind. Namhafte Designer traten als Gestalter von oft witzigen Scheinen im Stil der Neuen Sachlichkeit oder auch des Biedermeier auf. Anderen Noten sieht man an, dass sie billig und schnell fabriziert und in Umlauf gegeben wurden. Das erreichte man nur durch einfache Schriftlösungen und Verzicht auf anspruchsvolle Bilder und Porträts.

Hexensabbat der fantastischen Irrsinnszahlen

Nach dem Ende der Inflation begann eine kurze Periode wirtschaftlicher Erholung. Zur Schaffung einer neuen, stabilen Währung wurden Industriebetriebe und der landwirtschaftliche Grundbesitz mit Rentenbankbriefen belastet. Dadurch erhielt die neue Rentenbank ein Kapital von 32 Milliarden Rentenmark, von denen nur 24 Milliarden Rentenmark in Form eiligst gedruckter Noten gegen das alte Inflationsgeld umgetauscht wurden. Eine Rentenmark entsprach einer Billion Papiermark. Der Schriftsteller Stefan Zweig nannte in seinem Buch "Die Welt von gestern" die Inflation einen "Hexensabbat der fantastischen Irrsinnszahlen" und stellte fest, nichts habe das deutsche Volk "so erbittert, so hasswütig, so hitlerreif gemacht wie die Inflation". In der Tat hat die mit der Inflation verbundene Verelendung der Bevölkerung und die Unfähigkeit des Staates, mit den enormen wirtschaftlichen Folgen des verlorenen Ersten Weltkriegs fertig zu werden, im Deutschen Reich die Radikalisierung vorangetrieben. Zehn Jahre später war Hitler an der Macht.

Ruhmloses Ende im Schredder

In der Weimarer Republik galten die aus Kaisers Zeiten überkommenen Goldmünzen zu 10 und 20 Mark, ferner die Ein-, Zwei- und Drei-Mark-Stücke aus Silber mit dem kronengeschmückten Adler sowie die kupfernen Ein- und Zweipfennigstücke weiter. Da neue Münzen nicht schnell genug bereitgestellt werden konnten, war es gestattet, weiterhin mit Hartgeld zu bezahlen, auf denen Fürstenbildnisse und der kaiserliche Adler abgebildet sind. Hingegen wurden zum Teil noch aus der Zeit der Monarchie stammende Kleinmünzen aus Nickel, Aluminium, Eisen und Zink außer Kurs gesetzt. Das verwendete Material endete ruhmlos in den Schmelztiegeln der metallverarbeitenden Industrie. Einer Information in den Blättern für Münzfreunde zufolge nahm der Reichstag am 13. März 1924 einen Gesetzentwurf über die Prägung neuer Silbermünzen zu einer bis drei Mark an, "jedoch nicht des alten Fußes, sondern nach der englischen Legierung von 1920 halbfein. Man erwägt, mit Gründung der Goldnotenbank das englische Goldpfund einzuführen", was dann über gewisse Planungsstadien, in denen auch Münzentwürfe eine Rolle spielte, nicht hinauskam.

In dem vom Reichstag angenommenen Münzgesetz wurde festgelegt, dass die neuen Münzen nur in dem Maße in den Verkehr gegeben werden sollen, "in welchem andere Zahlungsmittel dauernd aus dem Verkehr zurückgezogen werden". Hinsichtlich der Menge der zu prägenden Münzen legte das Gesetz fest, dass der Gesamtbetrag der neuen Reichssilbermünzen bis auf weiteres fünf Mark "für den Kopf" der Bevölkerung des Reiches nicht übersteigen soll. "Er kann mit Zustimmung des Reichsrats bis auf 10 Mark erhöht werden". Niemand sei verpflichtet, neue Reichssilbermünzen im Gesamtbetrage von mehr als 20 Goldmark in Zahlung zu nehmen. Von den Reichs- und Landeskassen werden sie in jedem Betrage in Zahlung genommen.

Prägung auf uralten Kniehebelpressen

Während bisher noch von "Mark" die Rede war, wurden durch das Münzgesetz vom 30. August 1924 die Begriffe "Reichsmark" und "Reichspfennig" geschaffen worden. Sie traten an die Stelle der in der Kaiserzeit gebräuchlichen Begriffe Mark und Pfennig beziehungsweise nach dem Ersten Weltkrieg verwendeten Goldmark und Rentenmark und wurden "für Rechnung des Reiches in den Münzstätten derjenigen Länder, welche sich dafür bereit erklären" ausgeprägt. Vorangegangen waren die Verordnung des Reichspräsidenten über die Ausprägung von Münzen zu 1, 2, 5, 10 und 50 Rentenpfennigen und eine weitere Verordnung, die die neuen Ein- und Zweipfennigstücke denen des Kaiserreichs mit ihren monarchischen Symbolen gleichstellte.

In welchen Dimensionen die Münzstätten nach dem Ende der Inflationszeit mit der Herstellung neuer Geldstücke befasst waren, geht aus einer Notiz in den "Blättern für Münzfreunde" vom Februar 1925 hervor. Danach wurden in der Berliner Münze "täglich an 3 Mill. Stück Münzen mit einer Belegschaft von 570 Mann" geschlagen. Dies geschah auf Kniehebelpressen, die schon im 19. Jahrhundert angeschafft und bis fast in unsere Gegenwart benutzt wurden.

Im Januar 1925 wurden in allen sechs deutschen Münzstätten wurden folgende - hier gerundete - Summen erzeugt: für 15,8 Millionen Reichsmark (RM) Einmarkstücke, für 2,9 Millionen RM Dreimarkstücke, für 401 000 RM Einpfennigstücke, für 305 000 RM Zweipfennigstücke, für 1,6 Millionen RM Zehnpfennigstücke und für 55 000 RM Fünfzigpfennigstücke. Obwohl solch enorme Stückzahlen hergestellt wurden, ist die Zahl der erhalten gebliebenen Münzen aus dieser Zeit relativ gering. Wenn makellose Exemplare im Handel angeboten werden, erzielen sie gute, ja zum Teil erhebliche Preise.

7. Januar 2022

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