Durch Kampf zu Sieg und Einigung
Deutsche Silbermünzen von 1800 bis 1871 von Helmut Kahnt in neuem Katalog erfasst



Der neue Kahnt-Katalog hat 746 Seiten sowie zahlreiche schwarz-weiße Abbildungen und kostet 49,90 Euro (ISBN 978-3-866-46-217-5). Den Buchumschlag schmückt ein hochseltener Prämiendoppeltaler der Freiberger Bergakademie von 1841. Auf dem Bild rechts sind Konventionstaler des Fürstentum Reuß Jüngere Linie 1812 und des Bistums Münster 1801 sowie ein Kronentaler des Herzogtums Sachsen-Coburg und Gotha von 1827.





Mit dem Regierungsantritt König Ludwigs I. 1825 begann in Bayern auch die Periode der Geschichtstaler, die Ereignisse und Gestalten der Landegeschichte auf neuartige Weise würdigten und zum Vorbild ähnlicher Ausgaben in anderen Bundesstaaten wurden. Der Siegestaler von 1871 kombiniert den Kopf von König Karl von Württemberg mit einer Viktoria, die über Fahnen und Kanonen schwebt.





Die Wertangabe auf dem Berliner Reichstaler von 1810 ist fehlerhaft und wir besser bezahlt als einer mit der richtigen Angabe. Nachdem man in Mecklenburg-Schwerin Silber gesammelt hatte, konnte mit dem Vaterlandsgulden von 1813 die Ausrüstung von Freiweilligen im Krieg gegen das napoleonische Frankreich bezahlt werden.





Mit Gedenktalern erinnerte König Georg V. von Hannover 1865 an die Inbesitznahme Ostfriesland und die Schlacht von Waterloo 1815. Der erfolglos an der Seite von Österreich gegen Preußen kämpfende Monarch verlor ein Jahr später Krone und Land. (Fotos: Caspar)





Aus dem Deutschen Krieg von 1866 ging König Wilhelm I. von Preußen, ab 1871 deutscher Kaiser, als Sieger hervor, geschmückt ist er mit dem Siegeslorbeer. Diesen hätte Kaiser Franz Joseph als Verlierer eigentlich ablegen müssen, doch hat man ihn bis zu seinem Tod 1916 nur so verherrlicht.

Deutsche Münzen der Zeit von 1800 bis zur Reichseinigung 1871 sind gut erforscht und werden gern gesammelt. Sie entstanden in einer Zeit, als im Zusammenhang mit den Kriegen nach der Französischen Revolution von 1789 die deutsche und europäische Landkarte neu gezeichnet, alte Dynastien durch neue ersetzt und auch zahlreiche Münzstätten aufgehoben wurden beziehungsweise neu entstanden. Lange wurde nach "Schwalbach", dem Autor eines Standardwerks über Münzen dieser Herkunft und Zeit, gesammelt und zitiert. Doch inzwischen ist viel geschehen, und es haben andere Autoren die Bücher von Carl Schwalbach "Die neueren deutschen Thaler, Doppelthaler und Doppelgulden vor der Einführung der Reichswährung" sowie "Die neuesten deutschen Münzen unter Thalergröße vor Einführung des Reichsgeldes" ersetzt.

Diese Kataloge sind heute nur noch bedingt aussagefähig, denn viele Ausgaben wurden vor über hundert Jahren noch nicht berücksichtigt. Die Forschungsarbeit weiterführend, erfasst der unlängst in dritter und erweiterter Auflage im Battenberg Gietl Verlag Regenstauf erschienene Katalog von Helmut Kahnt "Deutsche Silbermünzen von 1800-1872 - Vom Halbtaler bis zum Doppeltaler".

Stempelvarianten und Zwitterprägungen

Gegenüber der Vorgängerin von 2008 enthält die nunmehr dritte Auflage nicht nur neue Erkenntnisse über das geldpolitisch hochinteressante Gebiet der Silbermünzen von Konventions-, Reichs- und Vereinstalern bis zu deren Teilstücken, sondern teilt auch mit, was herausragende Stücke in allerbester Erhaltung samt Abarten bei Auktionen in den vergangenen Jahren erzielt haben. Das Buch registriert Stempel- und Materialvarianten, Zwitterprägungen, Randschriften und -markierungen sowie andere Besonderheiten, so dass sich Sammler, Händler und Forscher hervorragend orientieren und nach "Kahnt" zitieren können. Die Bewertungen zeigen, dass in den vergangenen Jahren bei vielen Stücken die Preiskurve deutlich nach oben gegangen ist, eine Erscheinung, die sich nicht allein auf das behandelte Gebiet bezieht.

Der Verlag bezeichnet die Angaben über Varianten, Proben und Abschläge in unterschiedlichen Metallen als Alleinstellungsmerkmal, denn andere und vor allem ältere Nachschlagewerke gehen nicht so in die Tiefe und Breite wie dieser Katalog. Da er die Länder des alten Römisch-deutschen Reiches und des Deutschen Bundes umfasst, findet man in ihm auch einige Ausgaben der unter dänischer Herrschaft stehenden Herzogtümer Schleswig-Holstein sowie die bis 1866 geprägten österreichischen Münzen mit Ausnahme der für Ungarn und die italienischen Besitzungen der Habsburgermonarchie geprägten Geldstücke. Bei der Lektüre wird deutlich, dass im frühen 19. Jahrhundert die Prägung von Sonder- und Gedenkmünzen, ausgehend von den berühmten Geschichtstalern König Ludwigs I. von Bayern, langsam Fahrt aufnahm. Endpunkt dieser Entwicklung waren 1871 etliche Siegestaler mit patriotischen Bildern und Sprüchen wie MIT GOTT DURCH KAMPF ZU SIEG UND EINIGUNG (Württemberg) oder DURCH KAMPF UND SIEG ZUM FRIEDEN (Bayern) als Erinnerung an den Krieg von 1870/71 gegen Frankreich und die Herstellung der Reichseinheit mit dem preußischen König und deutschen Kaiser Wilhelm I. an der Spitze.

Prägezahlen sind wichtig, sagen aber nicht alles

Da jeder Münztyp im Foto vorgestellt wird, verzichtet der Katalog auf nähere Beschreibungen, zumal die Hinweise auf die numismatische Literatur bei der Identifizierung helfen. So weit bekannt, nennt der Katalog die jeweiligen Prägezahlen. Dabei ist wichtig zu wissen, dass man von ihnen nur bedingt auf ihr heutiges Vorkommen schließen kann. Denn gerade im Zusammenhang mit der Einführung der Einheitswährung Mark und Pfennig nach der Reichsgründung von 1871 wurden bedeutende Mengen von den vor und nach 1800 geprägten Geldstücken eingezogen und eingeschmolzen, um aus dem Metall neue Münzen herzustellen. Mit anderen Worten ist es nicht immer leicht, auf die Seltenheit von Münzen nur aufgrund der Prägezahlen zu schließen. "Durch die akribische Vorstellung weitgehend aller Varianten und Proben liefert der Katalog eine Fülle von Informationen, die in dieser Dichte in anderen Katalogen in der Regel nicht erreicht wird", heißt es im Vorwort.

Dass es unter den mit ihren Talern, Doppeltalern, Gulden, Halbtalern und anderen Münzen glänzenden Fürsten manche aufgeklärte, um ihre Untertanen besorgte und neuen demokratischen Strömungen aufgeschlossene Königen, Großherzögen, Herzögen und Fürsten manche finsteren Despoten gab, die Angst und Schrecken verbreiteten und in der Revolution von 1848/49 um ihren Kopf und Thron bangten, sollte beim Betrachten ihrer Prägungen nicht außer Acht gelassen werden. Das gilt auch für politische und ökonomische Entwicklungen im 19. Jahrhundert, in dem es eine industrielle Revolution mit erheblichen gesellschaftlichen und sozialen Verwerfungen gab. Auch ist zu bedenken, dass das Papiergeld mehr und mehr mit dem in dem Katalog erfassten Münzen konkurrierte.

Der numismatischen Literatur und nun auch dem Katalog von Helmut Kahnt können wir entnehmen, dass es vor und nach 1800 in der Berliner Münze große Anstrengungen gab, das Bild der preußischen Geldstücke der Zeit anzupassen und neue Designs zu entwickeln. Offensichtlich ging man da nicht immer umsichtig vor, denn es kommen von den Reichstalern mit dem Bildnis König Friedrich Wilhelms III. und dem preußischen Adlerwappen geschmückten Reichstalern nicht wenige Ausgaben mit Mängeln vor. Fehlerhafte Inschriften und Wertangaben sind bei Sammlern beliebt und werden in der Regel besser bezahlt als normale Ausgaben. Der Katalog weist ausdrücklich darauf hin, dass es mit Blick auf eine gewisse Wertsteigerung immer wieder Versuche gegeben hat, nachträglich aus einer korrekten Inschrift eine fehlerhafte zu produzieren. Wer sich also auf diese Spezies kapriziert, sollte genau hinschauen, ob der Fehler echt und alt ist oder nachträglich erzeugt wurde.

Preußen schluckte Hannover

Die Könige von Hannover waren prägefreudige Herren, ihnen verdanken wir einige interessante Geschichtstaler wie den so genannten Waterlootaler, den Georg V. 1865 anlässlich des 50. Jahrestags der Schlacht von Waterloo in einer Auflage von 15 000 Exemplaren mit der Aufschrift DEN SIEGERN BEI WATERLOO GEWIDMET DEN 18 JUNI 1865 prägen ließ. In der Schlacht kämpften auf der einen Seite Truppen des aus dem Exil auf der Mittelmeerinsel Elba zurückgekehrten französischen Kaisers Napoleon I. und auf der anderen preußischen und englischen Soldaten sowie solchen aus Hannover, das zur britischen Krone gehörte, und aus weiteren deutschen Staaten. Hannover war auf seine Beteiligung am Entscheidungskampf über Napoleon I. so stolz, dass von 1825 bis 1832 mitten in der Haupt- und Residenzstadt eine knapp 47 Meter hohe, inwendig begehbare Säule errichtete und dies auch auf einer Medaille feierte.

Die Verbündeten standen in der Schlacht von Waterloo unter dem Befehl des englischen Herzogs von Wellington. Sie befanden sich in höchster Gefahr, als ihnen der preußische Generalfeldmarschall Gebhard Leberecht von Blücher mit seinen Truppen zu Hilfe kam. In brenzliger Situation soll Wellington "Ich wollte es wäre Nacht oder die Preußen kämen" gerufen haben. Beides hätte eine Entlastung gebracht, denn beim Einbruch der Dunkelheit wurden Kampfhandlungen unterbrochen, zum anderen war das preußische Heer für die Briten eine große Hilfe. Unter hohen Verlusten gelang es der vereinigten Armee, die Franzosen in die Flucht zu schlagen. Die Verbündeten drangen nach Frankreich vor und nahmen Paris erneut ein, denn sie hatten die Hauptstadt bereits 1814 besetzt. Nachdem Napoleon I. in Belgien sein sprichwörtliches Waterloo erlebt hatte, musste er noch endgültig auf den Thron verzichten und wurde er auf die ferne Insel Sankt Helena deportiert, wo er 1821 starb.

Dass Hannover 1865 die fünfzigjährige Zugehörigkeit des ehemaligen Fürstentums Ostfriesland feiern konnte, hatte mit der 1815 unterzeichneten Schlussakte des Wiener Kongresses zu tun. Danach musste Preußen, unter dessen Herrschaft Ostfriesland seit Friedrich dem Großen stand, an Hannover abtreten. König Georg III. von England, der zugleich König von Hannover war, wollte so verhindern, dass sich Preußen an der Nordseeküste festsetzt. Nach der Annexion des Königreichs Hannover 1866 im Ergebnis des Deutschen Kriegs gegen Österreich machte sich Preußen an der Nordseeküste breit. Die Eingliederung Ostfrieslands in die neue preußische Provinz Hannover verschaffte der vernachlässigten Küstenregion wirtschaftlichen Auftrieb. Benannt ist der Upstalboomtaler von 1865 mit dem Motto EALA FRYSIA FRESENIA (etwa "Auf, ihr freien Friesen") nach einer mittelalterlichen Thingstätte bei Rahe südwestlich von Aurich. Umstritten ist, worum es sich beim Upstalboom gehandelt hat. Der "Boom" lässt einen großen Baum auf einem Versammlungsplatz vermuten. Sprachforscher und Historiker meinen, dass es sich um einen Grenzbaum, eine Sperre oder einen Pfahl gehandelt haben könnte. Archäologen haben den auch als Grabstätte genutzten Hügel untersucht und Urnen aus der Bronze- und Eisenzeit gefunden. Eine 1833 auf dem Upstalboom-Hügel errichtete Steinpyramide erinnert an die Ostfriesen, die 1815 in den Schlachten von Ligny und Waterloo fielen. Die Prägung beider Gedenktaler nutzte dem blinden König Georg V. wenig, denn er verlor im Ergebnis des Deutschen Kriegs von 1866 an der Seite Österreichs zwar nicht seinen Kopf, wohl aber Krone und Thron, musste ins Exil gehen und starb 1878 in Paris.

18. Juni 2022

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