Fürstliche Münzsammlerinnen der Barockzeit (2)
Auch die am Hof des französischen Sonnenkönigs lebende Liselotte von der Pfalz begeisterte sich für geprägtes Metall



Ludwig XIV. von Frankreich hat man als Sonnenkönig verherrlicht. An seinem Hof lebte seine hier als Reiterin dargestellte Schwägerin Liselotte von der Pfalz wenig glücklich getrennt von ihrer Heimat wie in einem goldenen König.





Zu sehen ist Liselotte auf der undatierten, wohl 1707 geprägten Medaille mit ihrem Sohn Philippe II. von Orleans. Dieser war nach dem Tod des Sonnenkönigs von 1715 bis 1723 Regent von Frankreich für den noch minderjährigen Ludwig XV. Die Medaillen von 1707 zeigt sie als wohlbeleibte Dame und unter einem Baldachin thronend. Zu ihren Füßen erinnern die pfälzischen Löwen an ihre deutsche Herkunft.



Der Kupferstich und das Gemälde von Hyacinthe Rigaut aus dem Jahr 1713 könnte wie andere Staatsporträts dieser Art geschmeichelt sein. In Versailles drehte sich alles um Ludwig XIV. Seine Schwägerin Liselotte von der Pfalz empfand ihn als goldenen Käfig und suchte und fand Freiräume, indem sie ihren Briefen alles anvertraute, was sie bewegt, wohl wissend, dass des Sonnenkönigs Spitzel mitlesen und alles „nach oben“ melden.halten pfälzische Löwen als Symbole ihrer deutschen Herkunft Wache.



Als Liselotte eine solche Auswurfmünze von 1619 aus Gold anlässlich der Krönung ihres Großvaters Kurfürst Friedrich V. von der Pfalz zum König in Böhmen geschenkt bekam, war sie hocherfreut. Da er nach wenigen Monaten seiner Herrschaft von kaiserlichen Truppen geschlagen wurde und ins Exil gehen musste, bekam er von seinen Gegnern den Spottnamen „Winterkönig“.



Der Pfaffenfeindtaler des „dollen“ Herzogs Christian von Braunschweig-Lüneburg aus dem Jahr 1622 und weitere Prägungen aus dem Dreißigjährigen Krieg hatten es ihr besonders angetan.



Welche Medaillen auf die Krönung Friedrichs I. 1701 zum König „in“ Preußen bekam, steht nicht fest, diese mit dem thronenden Monarchen könnte es gewesen sein.



Mit Blick auf Goldstücke aus der Zeit des römischen Kaisers Septimius Severus (193-211, links oben) schrieb Liselotte ihrer Halbschwester, der Rauhgräfin Luise, am 13. Februar 1721, sie habe jetzt die ganze Familie in Gold und Silber beisammen. „Bin Eüch doch sehr verobligirt [zu Dank verpflichtet, H. C.] vor Euern guten willen.“





Die Medaille feiert Elisabeth Charlotte, die herzoglichen Sammlerin, als Mutter des öffentlichen Glück mit einer stehenden Frau, zu deren Füßen ein Pfau zu erkennen ist. Die Erlangung der Erzschatzmeisterwürde durch Georg Ludwig von Hannover, den späteren König Georg I. von England, war 1707 die Prägung einer Medaille wert, die sich nachweislich in Liselottes Besitz befand. Die römisch-deutsche Kaiserkrone erscheint als Symbol für dieses mit viel Prestige verbundenen Ehrenamts. (Fotos/Repros: Caspar)

Besser als bei Christina von Schweden sind wir über Liselotte von der Pfalz (1652-1722), die Gemahlin des Herzogs Philipp von Orleans, als Münz- und Medaillensammlerin informiert. Die unermüdliche Briefschreiberin, ließ sich durch Schicksalsschläge, Missgunst und zeitweiligen Entzug der königlichen Huld nicht klein kriegen und hat sich bis ans Ende ihrer Tage (1722) ihren besonderen Humor bewahrt. „Man kann einem alles nehmen, ausgenommen ein fröhliches Herz“, schrieb sie 1689 in St. Cloud an ihre Tante, die Herzogin Sophie von Braunschweig-Lüneburg, an die sie die meisten ihre 3000, manche sagen 5000 Briefe richtete. Sich selber beschrieb Liselotte, alt geworden und kränkelnd, als fett, hässlich, runzlig, mit schwarzen Zähnen und einem „Bärenaffentatzengesicht“, als Pagode und Sancho Pansa, den dicken Begleiter des legendären Don Quichotte. Elisabeth Charlotte (Liselotte) von der Pfalz war mit dem Herzog Philippe I. von Orleans, einem Bruder Ludwigs XIV. verheiratet und führte den offiziellen Titel Madame, während ihr Mann Monsieur genannt wurde.

An anderer Stelle hält sie fest, sie wäre lieber ein Mann, denn dann hätte sie bessere Rechte und Entfaltungsmöglichkeiten als sie ihr als Frau gewährt werden. Liselotte war mit Herzog Philipp I. von Orleans verheiratet, einem Bruder des Sonnenkönigs, weshalb sie am Hof von Versailles ganz oben stand und den Titel „Madame“ führte. Protestantisch erzogen, aber zum Katholizismus konvertiert, machen sie die Affären und Kabalen, die Giftmorde und Skandale regelrecht rasant. Sie durchschaut die Lasterhaftigkeit und die Bigotterie des Königs und ihres Gatten, der mit „Monsieur“ angesprochen wurde. Mit den Mätressen des Königs führt sie eine heftige Fehde, und sie spart in ihren Briefen nicht an bösen Anwürfen und Beleidigungen, wohl wissend, dass die Postkontrolle funktioniert und die Schnüffler alles an die Marquisen de Montespan beziehungsweise de Maintenon und auch an ihren Gemahl und den König von den Schnüfflern weiter melden. Es verbittert sie und macht sie regelrecht „grittlig“, dass ihr Gemahl, der Bruder des Sonnenkönigs, ihr aufgrund eines für sie ungünstig abgefassten Heiratsvertrags das zustehende pfälzische Erbe vorenthält und es seinen Huren und „Buben“ in den Rachen wirft und sich nicht um sie kümmert, sondern beim König schlecht macht.

Lustbarkeiten, Luxus und Laster

Liselotte erlebte um sich herum höchst widerwillig nur Lustbarkeiten, Luxus und Laster, Verschwendung und Verkommenheit. In ihren Briefen beklagt sie sich über die unheilvolle Mätressenwirtschaft am königlichen Hof und die Dominanz von fragwürdigen „Damen“ im Bett ihres Schwagers Ludwig XIV. sowie als „Ohrenbläser“ und bei Festen und an der Tafel. Sie registriert Giftmorde, Betrug und Hochstapelei und empört sich über die Bigotterie, die sich bleischwer auf alles Leben legt. Immer wieder stellt sie fest, dass die wirtschaftlichen Folgen der Kriege gegen deutsche Länder und vor allem des Spanischen Erbfolgekriegs von 170 bis 1714 verheerend sind, in dem es um die Besetzung des Throns in Madrid mit einem Enkel Ludwigs XIV. ging. Kaum jemand will das inflationär gedruckte Papiergeld haben, solches aus Gold und Silber ist allemal besser, stellt sie in ihren Briefen mit.

Liselotte von der Pfalz kam aus einer hochadligen Familie, in der es zu Beginn des Dreißigjährigen Kriegs (1618 bis 1648) sogar einen König, den kurzzeitig in Böhmen herrschenden Winterkönig Friedrich von der Pfalz gab, die große Hoffnung der Protestanten im Lande und in Europa. Als ihr Vater Kurfürst Karl II. von der Pfalz 1685 starb, wurde dessen Erbe laut testamentarischer Verfügung geteilt. Die kostbare Bibliothek ging nach Hessen-Kassel, die Gemmensammlung an seine Schwester Elisabeth Charlotte (Liselotte) und die Münzen nach Berlin, wo der Große Kurfürst Friedrich Wilhelm von Brandenburg ein stattliches Münzkabinett besaß, die Keimzelle der heutigen Sammlung im Bode-Museum auf der Museumsinsel. So war Liselotte, wenn man so sagen will, numismatisch vorbelastet, als sie daran ging, in Frankreich eine eigene Münzsammlung aufzubauen. Dass die Münzen und Medaillen aus dem pfälzischen Erbe nach Kurbrandenburg gelangten, war ein Segen, denn ihnen blieben Raub und Zerstörung während des Pfälzischen Erbfolgekriegs von 1688 bis 1697 erspart, den der „Sonnenkönig“ Ludwig XIV. mit äußerster Brutalität gegen die Heimat seiner eigenen Schwägerin führte, angeblich, um deren Erbe zu sichern. Dass dabei Mannheim, Heidelberg und andere Städte samt ihren Schlössern und Kirchen geplündert und zerstört wurden, hat Liselotte schwer erschüttert.

Sie schrieb am liebsten in deutscher Sprache

Weitläufig mit dem schwedischen, preußischen und englischen Königshaus verwandt, unterhielt die Pfälzerin, die sie immer blieb, auch dorthin briefliche Kontakte und war bestens über Vorgänge an den Höfen in Stockholm, Berlin und London informiert. Mit Absicht schrieb sie in deutscher Sprache, um diese nicht zu verlernen, und als fromme Christin las sie die deutsche, das heißt Luthersche Bibel, obwohl das im katholischen Frankreich ungern gesehen wurde, wo Lutheraner und Reformierte, auch Hugenotten genannt, schrecklicher Drangsalierungen ausgesetzt waren und in großen Zahlen das Land verließen. Angesichts ihrer weitläufigen Verwandtschaft nimmt es nicht Wunder, dass sich Liselotte um Medaillen von dort aus Gold und Silber bemühte. Was Liselottes Münz- und Medaillensammlung enthielt, wird in den Briefen in der Regel nur angedeutet, die sie in großen Mengen mit schwungvoller Schrift und zumeist in deutscher Sprache an Verwandte und Freunde schrieb und die sie als scharf beobachtende Chronistin des Lebens am Hof von Versailles vor und nach 1700 berühmt machten. In ihren Briefen erwähnt sie Prägestücke auf die Krönung des brandenburgischen Kurfürsten 1701 in Königsberg zum König „in“ Preußen, die sie über Mittelsmänner bekam, aber auch solche aus dem Kurfürstentum Hannover, dessen Herrscher 1714 zum englischen König Georg I. aufstieg.

Liselotte hat ihre Medaillen und Münzen nur pauschal erwähnt und auch nicht gewertet und analysiert. Doch ist es Karl Kollnig, dem Verfasser des Buches über „Liselotte von der Pfalz Herzogin von Orléans. Eine fürstliche Münzsammlerin“ gelungen, das eine oder andere Stück zu identifizieren. Das Buch erschien 1987 im Verlag Gutenberg Melsungen, hat 94 Seiten und zahlreiche Abbildungen (ISBN 3-87280-043-4). Die vom Verfasser zitierten Auszüge sind im Unterschied zu anderen Briefausgaben in der originalen, heute schwer verständlichen Sprache und Orthographie wiedergegeben. Da und dort sind französische Zitate mit deutscher Übersetzung eingestreut. Liselotte erteilt brieflich Aufträge, die eine oder andere „Medaille“ oder gleich eine ganze Kollektion für sie zu kaufen, und sie bedankt sich mit warmen Worten, wenn sie solche Neuerwerbung in ihr Kabinett einfügen kann. Ihrer Tante, der Kurfürstin Sophie von Hannover, schreibt sie am 10. Januar 1707 aus Versailles: „Freylich habe ich ursach, vor die schönenn medaillen zu danken, den E L [Euer Liebden, Anrede in fürstlichen Kreisen, H. C.] können sich nichtt Einbilden, welch Ein groß amussement Es vor mich ist, bringe gantze tage mitt zu, wie ich auch meinen antiquen medaillen.“

Vom Schatzmeister bestohlen

Wenn Liselotte von Medaille schreibt, dann meint sie auch Münzen, denn aus der Antike sind keine Medaillen, sondern nur Münzen überliefert. Erwähnt werden als Neuerwerbungen Medaillen anlässlich des Besuchs von Zar Peter I. 1717 in Paris und solche der Päpste und mit dem Bildnis von Martin Luther und anderen prominenten Personen. Immer wieder zählt Liselotte auf, wie viele Medaillen (beziehungsweise Münzen) sie bereits besitzt. Wenn sie nicht von ihrem Schatzmeister d’Avous so abscheulich bestohlen worden wäre und 50 000 Taler verloren hätte, „könnte ich medaillen genung von gold bekommen, nun aber kann ich nur fünf oder sechs auf einmal haben, kann doch alle monat mein cabinet so vermehren. Erstlich hatte ich nur 160, nun habe ich 511, hoffe also mit der zeit doch ein schön cabinet mit raren medailen zu haben“, schreibt sie am 27. April 1710 ihrer Brieffreundin Kurfürstin Sophie nach Hannover. Neun Jahre später notiert sie, dass sie 930 goldene Medaillen beisammen hat, leider ohne genauere Angaben über diesen Schatz zu machen. Erwähnt werden pauschal schwedische Medaillen, auf Seeschlachten und aus dem Dreißigjährigen Krieg. Über antike Goldmünzen etwa aus der Zeit des römischen Kaisers Septimius Severus freut sie sich besonders.

Dass es der begeisterten Sammlerin nicht nur um Goldmedaillen, was immer sie darunter verstand, ging, sondern auch um Silbermünzen mit besonderem historischem Hintergrund, ist in mehreren Briefen vermerkt. So erwähnt sie mehrfach den Erwerb von so genannten Schraubtalern, die man kunstreich der Länge nach aufgesägt und ausgehöhlt hat, um in diese Hülle runde Bildchen einzulegen. Konkreter wird Liselotte, wenn sie am 27. August 1715 den Erwerb „deß könig Georgen medaille, wie I. M. [Ihro Majestät, H. C.] ertzschatzmeister worden, habe ich schön in silber undt daß ist schon genung“ erwähnt. Dann freut sie sich über einen so genannten Pfaffenfeindtaler des „dollen“ Herzogs Christian von Braunschweig-Lüneburg und beschreibt ihn am 17. März 1718 im Brief an ihre Halbschwester, die Rauhgräfin Luise. Am 1. März 1721 schreibt Liselotte ihr, sie habe noch einen „thaller von dießer müntz, welche ich gar woll verwahre alß en rar stück.“

Geringes Interesse an kostbarem Erbe

Nach dem Erhalt eines goldenes „auswurffgeldtes“, also Auswurfmünze, des so genannten Winterkönigs Friedrich V. von der Pfalz, bedankt sich Liselotte bei der Rauhgräfin Luise am 1721 mit diesen Worten: „Daß bohmische goltstück, so Ihr mir verehrt, ist viel rarer, alß wens eine medaille. [...] Es hatt schon seinen platz unter meinen golten stückern, undt habe es bey deß konigs in Böhmen medaille. Diß stück kompt Eüch auffs wenig auf 3 dukaten.“ So weit ersichtlich ist dies die einzige Stelle, wo Liselotte eine Preisangabe macht. So geht es in den Briefauszügen munter weiter. Die Sammlerin überlegt, ob denn alle Stücke, die ihr angeboten oder geschenkt werden, echt und alt sind, und sie informiert darüber, dass sie Medaillen auch nach dem Gewicht kauft, also nach dem Materialwert, wie wir heute sagen würden. Gern nimmt sie Medaillen an, wenn sie nichts kosten, was nicht anderes bedeutet, dass auch sie als Dame von ihrem Rang und Stand auf ihr Geld achten muss.

Natürlich macht sich Liselotte Gedanken, was aus ihrer Sammlung werden soll, wenn sie eines Tages stirbt. Mit ihrem Philipp II. von Orleans, der 1715 nach dem Tod Ludwigs XIV. bis 1723 die Regentschaft für dessen fünf Jahre alten Urenkel ausübte und nach dem ein Kunststil, die Régence als Übergang vom Barock zum Rokoko, benannt ist, hatte Liselotte ihre Not. Er verschleudert das Geld anderer Leute, statt sich um die Sanierung der am Boden liegenden Finanzen des Landes und Konsolidierung der Staatsfinanzen zu kümmern. In den Augen der Mutter kommt der Sohn gegenüber den Unholden, Betrügern und Schmarotzer am Hof von Versailles besser weg. „Er liebt den Krieg und versteht die Sach, er liebt weder Jagen, Schießen und Spielen, aber er liebt alle freien Künste und über alles die Malerei und Gemälde, worauf er sich, wie die Maler sagen, sehr wohl verstehet; [...] er liebt die Musik und liebt die Weiber; ich wollte, dass dies ein wenig weniger wäre, denn er ruiniert sich und seine Kinder mit, und es bringt ihn oft in gar zu liederliche Gesellschaft , die ihn von allem Guten abhält, schreibt sie in einem ihrer Briefe.

Offensichtlich hatte Philipp II. von Orleans, wenig Interesse an der so liebevoll gepflegte Münz- und Medaillensammlung seiner Mutter. Nach ihrem Tod im Jahr 1722 ging sie, weil sich kein Käufer fand oder der Erbe seinen Plan geändert hat, in kirchlichen Besitz über, wie Karl Kollnig schreibt. Von dort gelangte sie im Laufe des 19. Jahrhunderts in das Cabinet des Médailles & Antiques der Bibliothèque Nationale in Paris. Dort befindliche Objekte kann man nicht mehr der Sammlung der Liselotte von der Pfalz zuordnen, und so sind es ihre Briefe, die Auskunft über die Leidenschaft einer hochadligen Vertreterin des Barock geben, sich mit alten und neuen Münzen und Medaillen zu beschäftigen und Leute ihres Vertrauens mit deren Beschaffung zu befassen.

25. November 2022

Zurück zur Themenübersicht "Münzen und Medaillen"