Von Mainz in die Welt
Eckhart Pick würdigt Medailleure vor und nach 1800 und eine umstrittene Prägung auf Kaiser Napoleon III.



August Stieler hat den zu den Aufklären des 18. Jahrhunderts gerechneten Mainzer Kurfürsten Emmerich Joseph Freiherr von Breidbach zu Bürresheim auf einer Goldmedaille von 1767 mit dem Motto IUSTITIA ET CLEMENTIA (Gerechtigkeit und Milde) porträtiert.



Zur Bewältigung der Geldknappheit schnitt Johann Jakob Stieler die Stempel für die Kupfermünzen mit den Fasces im Eichenkranz zu ein, zwei und fünf Sols.





Der von Johann Lindenschmit gestaltete Konventionstaler von 1796 und der aus gespendetem Kirchensilber bestehende Kontributionstaler von 1794 kommen gelegentlich in den Angeboten des Münzhandels vor.



Die Stempel für die Taler von 1795 auf die Befreiung der von französischen Truppen belagerten Stadt Mainz wurden von Johann Jakob Stieler geschnitten. Von dem mit dem Namen des Oberbefehlshabers der österreichischen und Reichsarmee versehenen Taler existieren nur wenige Exemplare.



Ferdinand Korn hat Stempel auch für die in Wiesbaden geprägten Münzen der Herzöge zu Nassau geschnitten.



Auf spektakuläre Weise ging Ferdinands Korn durch eine undatierte, jedoch 1852 geprägte Medaille mit dem Kopf Napoleons III. im Gewicht und Aussehen der damaligen Doppeltaler in die Geschichte ein. Mit ihr bemühte sich der Stempelschneider vergeblich in Paris um einen Auftrag. (Fotos: Caspar)

Bei vielen Münzen und Medaillen sind die Urheber unbekannt, sie verzichten auf Signaturen der Stempelschneider und erwähnen bestenfalls in Abkürzungen oder Symbolen Münzbeamte und Prägestätten. Feststehende Buchstaben wie das Berliner A sind eine Errungenschaft des 18. Jahrhunderts. Zu klären, wer hinter den Signaturen steht und wie Gepräge auch ohne sie einem Künstler zugeordnet werden können, ist spannend und reizvoll. Der Mainzer Rechtsprofessor, Numismatiker und Sammler Eckhart Pick hat Münzen und Medaillen seiner Stadt unter die Lupe genommen und in Archiven Erstaunliches über Stempelschneider vor und nach 1800 ermittelt. Für sein Buch "Das Mainzer Medailleursquartett August und Jakob Stiehler, Johann Lindenschmit und Ferdinand Korn. Vom Ancien Régime zum Nationalstaat im Jahrhundert des Umbruchs 1765-1866" hat er nicht nur von diesen Künstlern geschaffene oder ihnen zugeordnete Prägungen untersucht, sondern auch ihr Leben und Werk erkundet. Das unterhaltsam zu lesende Buch erschien 2022 im Battenberg Gietl Verlag Regenstauf, hat 78 Seiten und zahlreiche farbige Abbildungen und kostet 24,90 Euro (ISBN 978-3-86646-218-2). Die genannten Künstler waren den Kurfürsten von Mainz sowie weiteren geistlichen und weltlichen Herrschern zu Diensten.

Unruhige Zeiten nach der Revolution in Frankreich

Das Buch macht mit den unruhigen Zeiten vor und nach der französischen Revolution von 1789 bekannt und schließt Ereignisse und Gestalten im Vorfeld der deutschen Reichseinigung von 1871 ein. Es holt vier Stempelschneider ans Tageslicht, die mit ihren Münzen und Medaillen aus Gold, Silber und Kupfer in manchen Sammlungen vertreten sind. Indem der Verfasser auch ihrer Biographie berichtet, macht er auch mit den Auftragebern und Arbeitsweisen bekannt. August Stieler hat als Mainzer Hofmedailleur sowohl die Stempel für Taler und Teilstücke als auch für einen Rheingolddukaten von 1772 und eine Reihe prächtiger Medaillen mit dem Bildnis des Kurfürsten Emmerich Joseph Freiherr von Breidbach zu Bürresheim geschaffen. Zugleich war er auch für Kurtrier tätig. Stieler signierte mit dem Kürzel S oder AS, schrieb aber seinen Namen auch aus. Da auch andere Stempelschneider den gleichen Buchstaben nutzten, empfiehlt Pick, bei Zuordnungen genau hinzuschauen und die betreffenden Arbeiten als Ganzes zu betrachten. Der Verfasser bescheinigt August Stieler, er habe den Übergang vom Rokoko zum Klassizismus souverän bewerkstelligt, sei als "Bindeglied zwischen Tradition und neuen Zeit" anzusehen und habe "überzeugende Maßstäbe für die nachfolgenden Generationen der Medailleure gesetzt."

August Stielers Sohn Johann Jakob Stieler hat zwischen 1794 und 1796 Stempel für Konventionstaler mit dem Bildnis und Wappen des Kurfürsten Friedrich Carl Joseph von Erthal geschnitten. Der aufgeklärte Geistliche konnte nicht verhindern, dass sein Kurstaat in den Strudel der Französischen Revolution gerissen und vom März bis Juli 1793 Sitz der Mainzer Republik wurde. Die Franzosen zogen am 22. Oktober 1792 dort ein, was die gegen die Revolution in Frankreich gerichtete, ganz auf Rache für den Tod König Ludwigs XVI. und seiner Gemahlin Marie Antoinette erpichte Fürstenkoalition auf den Plan rief. Diese wollte Mainz, das Zentrum des Kurstaates, wieder in ihre Hand zu bekommen und den nach Aschaffenburg geflohenen Kurfürsten in seine alten Rechte einsetzen.

Beschießung durch preußische Truppen

Bei der Belagerung und Beschießung durch preußische Truppen erlitten Mainz und seine Einwohner große Schäden und Verluste. Außerdem ging in der eingeschlossenen Stadt das Geld aus, weshalb man Ersatz schaffen musste. Als Material stand nur eine sehr spröde und schwer zu prägende Mischung aus Kupfer, Messing und Bronze zur Verfügung, die vor allem aus eingeschmolzenen Kirchenglocken bestand. Die in Mainz und an anderen Orten in ähnlicher Situation hergestellten Belagerungsmünzen und Ersatzgeldscheine werden gelegentlich vom Münzhandel angeboten. Zum Unterhalt und zur Bezahlung eingeschlossener Soldaten sowie zur Begleichung weiterer Kosten bestimmt, wirft solches Notgeld ein bemerkenswertes Schlaglicht auf die sozialen und ökonomischen Zustände in Festungen und Städten, die von der Außenwelt abgeschnitten waren, und sie zeigen, wie man die prekären Verhältnisse dort meisterte.

Nach dem Ende der Mainzer Republik war Stieler für den zurückgekehrten Kurfürsten Friedrich Carl Joseph tätig, aber auch für seinen Trierer Amtskollegen Clemens Wenzeslaus von Sachsen. Programmatische Bedeutung haben die Inschriften SALUS PUBLICA (Öffentliches Wohl) auf einem undatierten Dukaten und DEN ERRETTERN DES VATERLANDS auf Medaillen mit kurfürstlichem Bildnis sowie einer Stadtansicht, jedesmal kombiniert mit einer Ehrensäule. Das Besondere an einer dieser raren Medaillen ist, dass der Name des österreichischen Feldmarschalls François Sebastian Charles Joseph Graf von Clerfayt und nicht der des Kurfürsten genannt wird, was zu ihrer Einziehung und Vernichtung bis auf wenige Exemplare führte.

Silberspenden landeten im Schmelztiegel

Nach einem Exkurs zu Christian August Stieler und Johann Friedrich Stieler, die sächsischen Kurfürsten zu Diensten waren, befasst sich das Buch mit Johann Lindenschmit, dem Dritten aus dem Mainzer Medailleursquartett. Auf ihn geht unter anderem der Kontributionstaler von 1794 zurück, der laut Inschrift aus Mainzer Kirchensilber besteht. Dazu schreibt Pick, dass die Geistlichkeit nur zögerlich auf die Aufforderung reagierte, ihr Silber abzuliefern. Die Taler hätten nicht als Abgabe an die Franzosen gedient, sondern eher als Rechtfertigung für die zwangsweise Beteiligung der Kirchen und Klöster an den Kriegskosten. An dieser Stelle wäre ein Blick auf ähnliche Ausgaben in anderen geistlichen Fürstentümern und der Freien Stadt Frankfurt am Main angebracht gewesen, die ebenfalls aus Kirchensilber und weiteren Edelmetallspenden bestehen und mit patriotischen Inschriften versehen sind. Lindenschmidt schuf nach dem Ende des letzten Mainzer Kurstaates (1802) Münz- und Medaillenstempel für Hessen-Darmstadt, Nassau und Waldeck, aber auch Petschafte, die nach Picks Worten exemplarisch seine technischen Fähigkeiten unterstreichen. Die Münzporträts des Graveurs "können als Paradebeispiele der klassischen Münzprägung gelten."

Bliebe noch ein Blick auf Ferdinand Korn, der als Medailleur für die nassauischen Fürstentümer tätig und von 1855 bis 1859 Direktor der Eidgenössischen Münze in Bern war. Münzen der Schweiz zu einem und zwei Francs von 1857 sind mit KORN signiert. Da aber sein Zeitgenosse Antoine Bovy der eigentliche Schöpfer der sitzenden Helvetia vor einer bergigen Kulisse war, bekam Korn Ärger. Die in kleiner Auflage geprägten Korn-Münzen gehören zu den großen Seltenheiten der Eidgenossenschaft und werden teuer bezahlt. Nach seiner Zeit in Bern war Ferdinand Korn an der nassauischen Münze in Wiesbaden tätig, die nach der Okkupation des Herzogtums im Ergebnis des Deutschen Kriegs von 1866 geschlossen wurde. Korn ging in Pension und bekam mit 900 Gulden die Hälfte seiner bisherigen Bezüge und starb 1891.

Legenden um kaiserliche Medaille

Eckhart Pick nutzt die Gelegenheit, um mit Legenden rund um eine Medaille mit dem Kopf des 1852 französischen Kaisers Napoleon III. und der Widmung im Eichenkranz GOTT SCHÜTZE KAISER UND REICH aufzuräumen. Die mit F. KORN beziehungsweise IN MAINZ signierte Medaille trug ihrem Schöpfer den Verdacht ein, ein Vaterlandsverräter und Franzosenfreund zu sein. Über sie heißt es in dem bekannten Katalog von Paul Joseph und Eduard Fellner von 1896 über die Münzen und Medaillen von Frankfurt am Main, sie sei in der Freien Stadt im Auftrag des Mainzer Stempelschneiders Korn geprägt worden. Eckhart Pick kann nach einem Blick ins Frankfurter Stadtarchiv nun sagen sagen, dass die Medaille 1852 geprägt wurde, schon bald nach der Ausrufung Napoleons III. zum Kaiser. Sie dienten dem Hersteller als Referenz für seinen Versuch, vom französischen Hof mit einem Arbeitsauftrag bedacht zu werden. Dieser erfolgte nicht, wenigstens aber wurde Korns Mühe mit 300 Francs honoriert.

Heute zirkulieren teure Abschläge der auch Rheinbund-Doppeltaler genannten Prägung aus edlem und unedlem Metall. Man sollte also Vorsicht bei Angeboten walten lassen. Zu Unrecht wurde Ferdinand Korn mit einer FINIS-GERMANIAE-Medaille von 1870 in Zusammenhang gebracht. Als Teil numismatischer Propaganda im Vorfeld des Deutsch-französischen Kriegs von 1870/71 ist ihre Herkunft nicht geklärt, und was hätte den Mainzer Medailleur getrieben, mit diesem Machwerk das Ende des eigenen Landes zu beschwören? Vieles hat Eckart Pick in seinem Buch klären können, vielleicht regt es weitere Forscher an, bei Kollegen des Mainzer Medailleursquartetts auf Spurensuche zu gehen.

1. März 2022

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