Dreister Münzraub in Manching
Verbindung des Kelten-Römer-Museums zur Polizei absichtlich lahmgelegt





Unbekannte stahlen aus dem Kelten-Römer-Museum im oberbayerischen Manching einen einzigartigen, aus 483 keltischen Goldmünzen bestehenden Schatz, dessen Wert auf mehrere Millionen Euro geschätzt wird. (Fotos: Museum Manching)



Münzen der Kelten sind ein interessantes Forschungs- und Sammelgebiet. Den Stempelschneidern war es nicht gegeben, die Inschriften und Bildnisse adäquat nachzubilden. Das Berliner Münzkabinett stellt im Bode-Museum Belegstücke aus. (Foto: Caspar)

Aus dem Kelten-Römer-Museum im oberbayerischen Manching wurde am 22. November 2022 ein millionenschwerer Münzschatz gestohlen. Die 483 Goldmünzen im Gewicht rund vier Kilogramm waren das prunkvolle Aushängeschild des Museums. Der Goldschatz wurde im Sommer 1999 bei Grabungen auf dem Gebiet von Manching freigelegt und ab 2006 ausgestellt. Die Polizei geht davon aus, dass die Täter versuchen werden, den Goldschatz entweder illegal auf dem Kunstmarkt zu verkaufen, was aber schwer sein dürfte, oder im schlimmsten Fall einzuschmelzen.

Das Museum präsentiert einzigartige Funde aus über hundert Jahren archäologischer Ausgrabungen der weltweit am besten untersuchten Keltenstadt sowie des römischen Kastells in Manching und lässt den Alltag der dort lebenden Menschen greifbar erleben. Die Unbekannten waren in das Museum eingedrungen, hatten die Vitrine mit dem Goldschatz aus dem ersten vorchristlichen Jahrhundert aufgebrochen und die Münzen gestohlen. „Der Verlust des Kelten-Schatzes ist eine Katastrophe, die Goldmünzen sind als Zeugnisse unserer Geschichte unersetzlich. Wer auch immer diese Tat begangen hat, sie haben sich an unserer Geschichte vergangen und unfassbare kriminelle Energie dafür an den Tag gelegt“, sagte Bayerns Kunstminister Markus Blume. Es müsse alles dafür getan werden, die Hintergründe dieses Verbrechens aufzuklären und die Kriminellen zu fassen.

Dann kamen die Römer...

Der oder die Einbrecher hatten in einem Technikraum mehrere Glasfaserkabel durchtrennt. Dadurch fielen bei 13.000 Haushalts- und Firmenkunden der Telekom Internet und Telefon aus und damit wohl auch die Alarmverbindung des Museums zur Polizei. Denkbar ist, dass hinter beiden Einbrüchen dieselben Täter stecken. Das Bayerische Landeskriminalamt hält sich zu dieser Vermutung bedeckt. Wie sie die Alarmsysteme ausgeschaltet haben, wird ermittelt.

Der Schatz gilt nach Angaben des Kelten-Römer-Museums als größter keltischer Goldfund des 20. Jahrhunderts. In Manching existierte vor über 2000 Jahren eine der größten und bedeutendsten Keltenstädte Mitteleuropas. Etwa einhundert Jahre nach ihrem Niedergang ließen sich hier die Römer nieder und errichteten im heutigen Ortsteil Oberstimm ein Militärlager zur Sicherung ihrer Grenze. Das Oppidum Manching gilt als eine herausragende keltische Siedlung, in der bis heute Archäologen tätig sind. Das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege zählt die Siedlung zu den bedeutendsten Bodendenkmälern nördlich der Alpen. Unklar ist, ob es einen Zusammenhang zwischen dem Goldraub und einem fast zeitgleichen Anschlag&xnbsp;auf die Telekom in Manching gibt.

Erinnerungen an den Goldraub vom 27. April 2017 im Berliner Bode-Museum, bei dem die hundert Kilogramm schwere Goldmünze „Marple Leaf“ mit dem Kof von Queen Elizabeth II. und dem Ahornblatt aus Kanada gestohlen wurde, und an den Überfall vom 25. November 2019 auf das Grüne Gewölbe in Dresden, wo Vitrinen zerschlagen und Teile des Juwelenschmucks Augusts des Starken gestohlen wurden, werden wach. Zwar sind einige Täter dingfest gemacht und verurteilt worden, aber nach wie vor sind die gestohlenen Objekte verschwunden.

Verballhornte Bilder und Inschriften

Während im antiken Griechenland und in Rom die Münzkunst in schönster Blüte stand, prägten keltische Völkerschaften in Anlehnung an sie eigenes Geld. Da die Galater beziehungsweise Gallier, wie die Griechen und Römer diese im europäischen Norden, Westen und Osten ansässigen Völkerschaften nannten, keine schriftlichen Zeugnisse schufen, sind ihre materiellen Hinterlassenschaften etwa in Form von Münzen um so bedeutungsvoller. Die in zahlreichen Schmieden hergestellten Geldstücke ahmen etwas unbeholfen das Geld der Griechen und Römer nach. Reizvoll ist zu beobachten, wie edel gestaltete Porträts, Tiere, Pflanzen und andere Bilder verballhornt wurden, ja wie aus klaren Inschriften unlesbare Buchstaben- und Zahlenreihen entstanden. Informationen über die von Griechen und Römern als barbarisch, feindlich und bedrohlich empfundenen Kelten sind spärlich und ungenau.

Man nimmt an, dass sie ihre Münzen zur Anlage von Schätzen für Notzeiten, aber auch zur Bezahlung von Söldnern, für die Entrichtung von Tributen und als Opfergabe verwendet haben. Da viele antike Funde auch keltische Münzen enthalten, kann man von ausgedehnten Beziehungen zwischen den beteiligten Stämmen und Völkerschaften ausgehen, bei denen die wegen ihrer inneren Qualität mit „abstrakten“ Bildern und Scheininschriften bedeckten Geldstücke eine wichtige Rolle spielten.

Gold am Ende des Regenbogens

Um die ungewöhnlich, manchmal wie kleine Näpfe oder Schüsseln geformten Münzen der Kelten ranken sich manche Legenden. Eine behauptet, dass man sie am Ende eines Regenbogens finden kann, was ihnen den volkstümlichen Namen Regenbogenschüsselchen einbrachte. Mag sein, dass der Aberglaube einen rationellen Kern hatte, denn nach einem Regenguss kann es vorgekommen sein, dass auf einem Acker vom Sand befreite Münzen aufblitzten.

Die Polizei sieht Zusammenhänge zwischen dem Gold- und Juwelendiebstahl in Berlin und Dresden. Nachdem die Täter nach Mitternacht das Glasfaserkabel durchtrennt hatten, hebelten sie eine Tür auf und verschwanden gegen 1.20 mit der Beute, die von der Landesregierung als „Erbe Bayerns“ genannt wird und einen Materialwert von etwa 250 000 Euro hat. Videoaufnahmen von der Tat existieren nicht, die Polizei will nun Finger-, Fuß-, Werkzeug und andere Spuren auswerten und hofft auf Mithilfe aus der Bevölkerung. Der Diebstahl wurde erst um 9.45 Uhr bemerkt, also etwa acht Stunden nach dem Verbrechen. Zwar war die Polizei in der Nacht unterwegs und hat Ladengeschäfte überprüft. Aber auch im Museum mit der beschädigten Tür nachzuschauen ist wohl niemand auf die Idee gekommen. Im Übrigen wird bei der Bewertung des Goldklaus von Manching sarkastisch bemerkt, dass sich Vertreter der bayerischen Landesregierung nach den spektakulären Diebstählen in Berlin und Dresden in die Brust warfen und behaupteten, „so etwas“ könne in Bayern nicht passieren. Jetzt ist es auch dort geschehen

Angesichts des jüngsten Einbruchs in Manching und der Kunstdiebstähle zuvor, aber auch von Attacken der Umweltschützer-Gruppe „Letzte Generation“ auf Gemälde stellt sich die Frage, wie sicher unsere Museen und einzelne Ausstellungsstücke sind, wenn es Unbekannten gelingt, in der Nacht an allen Sicherheitssystemen und Kameras vorbei in die Museen einzudringen und was wird, wenn es einmal einen Blackout gibt, der natürlich auch anderswo Dieben Vorschub leisten würde. Die Aussicht darauf wird Museen und Sammlungen hoffentlich zu effektiven Gegenmaßnahmen und zur Erhöhung der Sicherheit unsere Kulturgüter führen. Dass dies Geld, sehr viel Geld kostet, ist klar, aber die Investitionen sind unumgänglich.

23. November 2022

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