Wer den Schaden hat...
Nach der Niederlage von 1870 in der Schlacht von Sedan ergossen sich Spott und Hohn auf Frankreichs Kaiser Napoleon III. von Frankreich





Bei Auseinandersetzungen über religiöse Fragen ging es vor und nach der Lutherschen Reformation von 1517 immer auch um Machtfragen und den Erwerb oder Verlust von Land und Menschen. Um Erfolge zu erzielen und Nachteile zu verhindern, war jedes Mittel recht, so auch die Gleichsetzung der katholischen Kirche auf der gegossenen Silbermedaille in Gestalt des Papstes mit der Kirche oder auf dem Magdeburger Interimstaler aus dem 16. Jahrhundert, der mit dem Bild eines gegen die Hydra vorgehenden Christen Front gegen die Verleumdung der Reformation macht.



Die Hinrichtung des württembergischen Hoffaktors Süß Oppenheimer, genannt Jud Süß, nach einem von Hass und Missgunst geprägten Prozess hat 1738 eine Medaille thematisiert, auf der der Hingerichtete in einem Eisenkäfig öffentlich zur Schau gestellt wird.



Auf drastisch-volkstümliche Weise nimmt die niederländische Medaille von 1744 Vorgänge am Wiener Hof („Die entblößte Königin von Ungarn“ mit der Maria Theresia gemeint war) aufs Korn.



Frankreichs Kaiser Napoleon III. begibt sich nach Schlacht bei Sedan am 2. September 1870 in preußische Hand. Das Gespräch zwischen ihm und Otto von Bismarck wurde vom Hofmaler Anton (von) Werner gestaltet . Der Verlierer musste ertragen, dass man ihn als Igel mit Bajonetten auf dem Rücken karikierte.





Napoleon III. war ein Neffe von Napoleon I., der es binnen weniger Jahre vom einfachen Soldaten zum meist gefürchteten Mann in Europa brachte und einem ganzen Zeitalter seinen Stempel aufdrückte. An ihn reichte der auf den Medaillen in der Art von Kupfermünzen zu zehn Centimes mit einer preußischen Pickelhaube als „Napoleon III. le Miserable“ und Operettenkaiser verspottete Herrscher nicht heran. Besonders drastisch ist die Umwandlung des Kaiserkopfes in einen Schweinekopf, dem man einen Siegerkranz umgebunden hat. Nachdem Wilhelm I. ihn im März 1871 aus preußischer Gefangenschaft entlassen hatte, ging er nach England ins Exil, wo er zwei Jahre später mit 65 Jahren starb.



Indem Unbekannte dem bei Sedan geschlagenen Napoleon III. wie bei einem Hund eine Halskette umlegte, machte man das silberne Fünf-Francs-Stück von 1855 für den normalen Geldverkehr unbrauchbar, hatte aber auf einfache Weise ohne viele Worte eine Spottmünze hergestellt.



Auf dem Doppeltaler von 1835 haben unbekannte Graveure aus dem Kopf des Kurfürsten Friedrich Wilhelm I. von Hessen-Kassel die Fratze eines gehörnten Teufels gemacht. Die am Hals eingeschlagene Jahreszahl 1831 bezieht sich auf sein Vorgehen gegen die im gleichen Jahr verkündete liberale Verfassung. 1866 wurde der Kurfürst im Zuge des Deutsch-deutschen Krieges vom Thron gestoßen, sein Land wurde von Preußen annektiert.



Aus silbernen Dreimarkstücken haben Unbekannte Spottmünzen gemacht, indem man Wilhelm II. einen Hut aufstülpt oder ihm eine Tabakspfeife in den Mund steckt. Der Kaiser ließ sein Volk schmählich im Stich, als er im November 1918 nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg ins niederländische Exil flüchtete. Bis zu seinem Tod 1941 hoffte er, mit klingendem Spiel durchs Brandenburger Tor reiten zu können und die Macht wieder an sich zu reißen. Das wusste allerdings Hitler zu verhindern. Da nutzte es sich, das sich einige Preußenprinzen bei ihm lieb Kind zu machen versuchten. (Fotos/Repros: Caspar)

Ein hochinteressantes Sammel- und Forschungsgebiet ist das der satirischen Münzen beziehungsweise der Spottmedaillen. Analog zu Holzschnitten, Kupferstichen, Flugblättern und Pamphleten aller Art hat man schon vor langer Zeit auch geprägtes und gegossenes Metall als Mittel der fürstlichen Selbstdarstellung beziehungsweise der Gegenpropaganda verwendet, um sich auf der einen Seite mit der Aura des Großen, Klugen und Starken, des Guten und Gerechten zu umgeben beziehungsweise die gegnerische Seite durch Spott und Hohn niederzumachen und zu verteufeln. Die Methoden der Verleumdung waren alles andere als fein. Bei politisch und religiös motivierten Kämpfen hat man den Gegner als Antichrist und Ungeheuer in Menschengestalt angeprangert und ihm alles erdenklich Schlechte an den Hals gewünscht.

Das Thema „Spott und Satire auf Münzen und Medaillen“ enthüllt trefflich, zu welchem Hass und mit wie viel Niedertracht Menschen fähig sind, wenn es darum geht, sich gegenüber anderen Vorteile zu verschaffen und einmal errungene Positionen zu verteidigen und mit aller Macht auszubauen. „Spottmünzen sind Schaumünzen, welche geschlagen werden, um eine Person oder Begebenheiten lächerlich zu machen. Freilich sind nicht alle mit einem feinen Stachel versehen“, schreibt Carl Christoph Schmieder im „Handwörterbuch der gesammten Münzkunde“ (Halle und Berlin 1811). Genannt werden unter anderem eine württembergische Medaille von 1738 auf den Hoffaktor Jud Süß, der des Hochverrats an seinem Herzog beschuldigt wurde und dessen Leichnam nach einem unfairen Gerichtsverfahren mit anschließendem Todesurteil zur allgemeinen Abschreckung in einem eisernen Käfig zur Schau gestellt wurde. Die Nationalsozialisten haben den Fall 1940 verfilmen lassen, um Stimmung für den „Endlösung der Judenfrage“ genannten Massenmord zu machen.

Hier die Guten, dort die Bösen

Münzen und Medaillen dienten als Mittel, sich selber mit der Aura des Guten und Gerechten zu umgeben beziehungsweise die gegnerische Seite auf üble Weise zu verteufeln. Die Prägungen oft aus Silber hatten ausgesprochen exquisiten Charakter nicht zuletzt weil namhafte Künstler sie schufen. Sie konnten das allerdings nur tun, wenn sie sich des Schutzes eines mächtigen Fürsten oder eine Stadtverwaltung sicher waren, die mit der politischen Tendenz und künstlerischen Ausfertigung konform gingen. Mit anderen Worten konnten antiösterreichische Spottmedaillen nicht im Reich der Habsburger geprägt werden, das geschah in Preußen oder einem anderen mit ihnen verfeindeten Ländern. Umgekehrt hätte sich niemand getraut, gegen den preußischen König Friedrich II., den Großen, zu polemisieren, wenn sein Wohnsitz und Arbeitsplatz in seinem Machtbereich lag. Die Methoden der numismatischen Verleumdung waren alles andere als fein. Bei politisch und religiös motivierten Kämpfen haben eifrige Stempelschneider die jeweils andere Seite als Ketzer, Teufel und Antichrist angeprangert und ihren Vertretern alles erdenklich Schlechte an den Hals gewünscht. Solche Medaillen, auf denen Papst und Satan miteinander vermischt sind, hat man im 16. Jahrhundert anlässlich der blutig ausgetragenen Religionskriege geprägt und gegossen. Sie sind beliebte Sammelstücke und kommen regelmäßig in den Angeboten des Münzhandels vor.

Als sich der französische Kaiser Napoleon III. am 2. September 1870 nach nur kurzem Kampf im Deutsch-französischen Krieg bei Sedan den Truppen des preußischen Königs Wilhelm I. und seiner Verbündeten ergeben musste, ergossen sich nach dem Motto „Wer den Schaden hat, braucht nicht für den Spott zu sorgen“ Kübel von Dreck, Hohn und Häme auf den kleinen Neffen des großen Kaisers Napoleon I. Analog zu Grafiken, Flugblättern und Spottliedern wurde auch geprägtes Metall als Mittel verwendet, um Wut an „Klein Zack“ auszulassen, wie man den Kaiser nach einer Figur in „Hoffmanns Erzählungen“ und der gleichnamigen Oper von Jacques Offenbach manchmal nannte. Sich, seine Macht und Größe überschätzend, hatte sich der 1852 nach einem Staatsstreich auf den Thron gelangte Napoleon III. mit Preußen im Zusammenhang mit der Besetzung des spanischen Throns durch den Prinzen Leopold von Hohenzollern angelegt und sich waghalsig in ein Kriegsabenteuer gestürzt, aus dem er und seine Truppen als Verlierer wie begossene Pudel abzogen. König Wilhelm I. von Preußen und sein Ministerpräsident Otto von Bismarck, der spätere Reichskanzler, ergriffen die Gelegenheit, es dem französischen „Erbfeind“ zu zeigen und durch eine „Revolution von oben“ die deutsche Einigung im Zeichen des preußischen Adlers mit Waffengewalt zu erringen.

Pickelhaube statt Lorbeerkranz, Eule statt Adler

Im Falle des Verlierers der Schlacht von Sedan wurden Kupfermedaillen im Stil der französischen Centimesstücke mit dem belorbeerten Kaiserkopf und dem französischen Adler verunstaltet. Unbekannte, wahrscheinlich in Frankreich tätige Graveure schnitten neue Stempel und stülpten dem Gefangenen des preußischen Königs und ab 18. Januar 1871 deutschen Kaisers Wilhelm I. eine Pickelhaube über und verwandelten das stolze Empire français in ein elendes „Vampire français“. Der französische Adler, der unzähligen Soldaten in den „Heldentod“ begleitete, mutierte zu einer lächerlichen Eule. Es gehörte schon viel Sarkasmus und Selbstverleugnung dazu, das Symbol des eigenen Landes auf solch üble Weise lächerlich zu machen.

Zu den Spottmünzen aus Kupfer gesellten sich originale Silbermünzen zu fünf Francs, bei denen man dem Kaiser in beleidigender Absicht quer über den Hals eine Kette oder das Wort SEDAN einpunziert hat. Diese Silbermünzen besaßen eine hohe Kaufkraft, und es musste schon viel Hass und Verachtung im Spiel gewesen sein, wenn jemand diese Münzen auf diese spektakuläre Weise unbrauchbar gemacht hat. Denn mit ihnen zu bezahlen dürfte kaum noch möglich gewesen sein. Wer die Produzenten waren, ob sie in Frankreich oder Deutschland tätig waren, kann nicht gesagt werden. Da sie sich der Majestätsbeleidigung schuldig machten und das hohe Strafen zur Folge hatte, hielten sie sich bedeckt. Abnehmer für solche Spottprägungen muss es gegeben haben, denn ungeachtet vieler Verluste sind bis heute noch manche Stücke erhalten und werden auch vom Münzhandel zu moderaten Preisen angeboten.

Höhnische Nachbildung des kaiserlichen Geldes

In der „Numismatischen Zeitung“ Heft 9/1871 kommentierte der Hanauer Numismatiker Reinhard Suchier zwei ihm bekannt gewordene Spottmedaillen dieser Art folgendermaßen: „Hiernach dürfte die zuerst erwähnte Münze [...] mit etwas anderen Augen anzusehen sein. Die von mir beschriebene ist offenbar, wie das goldgleiche Aussehen und namentlich der Henkel beweist, kein für den Cours bestimmtes Geldstück, sondern ein Erzeugniss der Industrie, der die herrschende Stimmung benutzenden Privatspeculation“. Der Numismatiker hält es für ausgeschlossen, dass die Stücke „von der Republik“ geprägt wurden, denn „einer republikanischen Regierung dürfen wir zutrauen, dass sie die Würde des Staates nicht durch solches Geld herabsetzt, und die Angabe ,Kupfermünze’ und 10 Centimes-Stücke’ wird darauf zu beschränken sein, dass die Medaillen Parodien oder höhnische Nachbildungen des kaiserlichen Geldes sind.“ Die Annahme, die Spottmedaillen seien im März oder April 1871 während der Herrschaft der Commune in der Pariser Münze geschlagen worden, widerlege sich dadurch, „dass das von mir gesehene Exemplar bereits vor dieser Zeit angekauft wurde“. Wer sucht, findet mit einigem Glück verschiedene Varianten der kupfernen Spottmünzen mit Napoleons Kopf unter der Pickelhaube und dem verunstalteten Adler. Ihr heutiges Vorkommen lässt darauf schließen, dass es nach 1871 einen oder mehrere Hersteller sowie viele Abnehmer gab.

Der Wilhelm hat in Sack gehaun

Abnehmer hatten auch umgravierte Münzen, die bei Sammlern unter dem Stichwort „Wilhelm mit Zylinder“ bekannt sind. Gemeint ist der deutsche Kaiser und preußische König Wilhelm II., der von 1888 bis zu seiner Abdankung am 9. November 1918 regierte und nach dem Ersten Weltkrieg komfortabel im holländischen Exil bis zu seinem Tod am 4. Juni 1941 lebte. Indem spottlustige Metallhandwerker das Porträt des Monarchen auf Zwei-, Drei- und Fünf-Mark-Stücken veränderten, indem sie ihm einen kleinen Zylinder aus Silberblech auflöteten oder dem Kaiser durch Gravur eine Tabakspfeife oder Zigarre in den Mund steckten und ihn damit zu einem normalen Bürger, Zivilisten oder gar Proleten herab stuften, nahm man ihm den Nimbus eines Herrschers von Gottes Gnaden. Im Volksmund kursierten Spottverse wie dieser: „O Tannebaum, o Tannebaum, / Der Wilhelm hat in Sack gehaun. / Er kauft sich einen Henkelmann / Und fängt bei Krupp als Dreher an“, lautete ein Spottgedicht, das nach dem Ende der Monarchie im Deutschen Reich kursierte und mit Henkelmann einen gewöhnlichen Hut meinte, wie tausende Arbeiter ihn auf dem Weg zur Fabrik oder beim Tanzvergnügen trugen.

Ab und zu werden solche Stücke im Münzhandel angeboten, und es gibt Sammler, die systematisch nach ihnen suchen. Wann und von wem die Silberstücke in Spottmünzen umgewandelt wurden, ist nicht bekannt. Wer sich der Mühe unterzog, machte Münzen mit ihrer seinerzeit recht hohen Kaufkraft unbrauchbar, aber es muss für sie einen Markt gegeben haben. Als Kaiser Wilhelm II. noch fest im Sattel saß, wären Hersteller wegen Majestätsbeleidigung mit Gefängnis bestraft worden. Indem sie aus Kursmünzen mit damals hoher Kaufkraft Spottmünzen machten, gingen sie ein finanzielles Risiko ein. Es muss sich aber gelohnt haben, denn auch heute kommen die verunstalteten „Taler“ mit dem Bildnis des „Kika-Kika-Kaisers“, wie man ihn auch nannte, im Handel und in manchen Sammlungen vor.

22. November 2022

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