August der Starke wollte es wissen
Kursächsische Postmeilensäulen wurden in Preußen gestürzt und sind auf Medaillen abgebildet



Der Jäger mit seinem Hund vor dem Schloss Moritzburg bei Dresden wird als August der Starke gedeutet. Die Postmeilensäule mit dem sächsischen und polnischen Allianzwappen unter der Königskrone steht ebenfalls vor dem von einem Graben umgebenen Jagdschloss der sächsischen Kurfürsten und Könige.



Die Medaille von 1977 zeigt die unterschiedlich gestalteten großen und kleinen Postmeilen- oder Distanzsäulen und erinnert daran, dass August der Stark den Befehl zur Vermessung seines Reichs und Aufstellung dieser mit seinem Monogramm und Wappen geschmückten Wegemarken aus Sandstein gab.



Die undatierte Medaille bildet die Säulen vor einem Messwagen beziehungsweise dem Schloss Lauenstein ab, in dem auch der Vermessung Sachsens und der Aufstellung von Postmeilensäulen gedacht wird.



An die Zeit, als Bad Belzig noch zu Sachsen gehörte, erinnert die Postmeilensäule mit Angaben über Reisezeiten.



Die Grafik aus dem 18. Jahrhundert zeigt, wie die sächsischen Stadtsäulen und die anderen Steine gestaltet sind und was die Angaben auf ihnen zu bedeuten. In der Zeit nach August dem Starken hat man sie als unmodern und wenig praktikabel angesehen und daher vernachlässigt.



Im Atlas augusteus saxonicus, den Zürner im Auftrag seines Landesherrn erarbeitet hat, sieht man auf farbigen Miniaturen unter anderem die Vermessungsarbeiten mit Hilfe eines von vier Pferden gezogenen Meilenwagens und mit Meilenkarren, mit denen lange und kurze Strecken vermessen wurden. Der von Zürner und Mitarbeitern geschaffene Atlas augusteus saxonicus befindet sich im Sächsischen Staatsarchiv Dresden und umfasst 12884 Karten und Risse.



Sächsischen Barock und preußischen Frühklassizismus repräsentieren die Postmeilensäulen in Zwickau und Rheinsberg.



Vor den Spittelkolonnaden an der Leipziger Straße in Berlin steht eine preußische Postmeilensäule, beides sind Kopien aus den 1980-er Jahren. (Fotos/Repros: Caspar)

In verschiedenen Städten im mittleren und südlichen Brandenburg stehen historische Postmeilensäulen mit dem Doppelwappen und dem Monogramm AR (Augustus Rex) des sächsischen Kurfürsten und polnischen Königs August des Starken. Betrachter werden sich über diesen heraldischen Bezug auf frühere Besitzverhältnisse wundern und erfahren beispielsweise in Bad Belzig, dass diese Stadt bis 1815 zu Sachsen gehörte. Durch Belzig verlief eine wichtige Handelsstraße zwischen Magdeburg und Jüterbog sowie eine Heerstraße zwischen Wittenberg, Brandenburg und Potsdam. Auf dem Obelisk aus Sandstein sind Entfernungen nicht in Meilen angegeben, sondern in Stunden, die man mit der Postkutsche bis ans Ziel benötigte. In Kursachsen wurde 1722 die sächsische Meile mit einer Länge von 9,062 Kilometern und mit zwei Wegstunden berechnet.

In DDR-Zeiten kümmerten sich Geschichts- sowie Münz- und Medaillenfreunde um die Erforschung des Verkehrs- und Straßenwesens in alter Zeit, und sie tun es auch heute und publizieren ihre Untersuchungssergebnisse. 1989 brachte die Forschungsgruppe Kursächsische Postmeilensäulen im Berliner transpress-Verlag das "Lexikon Kursächsische Postmeilensäulen" heraus, in dem erklärt wird, warum August der Starke die Straßen seines Kurfürstentums vermessen ließ. Ziel wer es, den Personen- und Warenverkehr zu fördern und durch Aufstellung der steinernen Pyramiden sicherer zu machen. Der Verein hat das auch das Buch "Postsäulen und Meilensteine" im Schütze-Engler-Weber Verlag Dresden veröffentlicht, das 2020 seine vierte Auflage erlebte, was das große Interesse an dem Thema unterstreicht.

Forschungen im Rahmen des Kulturbunds

Hin und wieder bietet der Handel Medaillen und Münzen mit Motiven zur Post- und Verkehrsgeschichte an. Wenn man Glück hat, sind auch Prägestücke mit Postmeilensäulen dabei. Als noch der Kulturbund der DDR das organisatorische Dach für zahlreiche Heimat- und Münz- und anderen Freunde war, brachte die Forschungsgruppe Kursächsische Postmeilensäulen eine Kupfermedaille von 1977 heraus, auf deren Vorderseite große und kleine Wegemarken aus der Zeit Augusts des Starken zu erkennen sind. Die Medaille gehört in das Gebiet der Kulturbundmedaillen, die in DDR-Zeiten anlässlich von Jubiläen, Ausstellungen und Tagungen und zur Auszeichnungszwecken geprägt wurden. Sie sind wissenschaftlich gut erfasst und publiziert, und sie bilden ein interessantes Sammelgebiet, für das man im Handel und auf Münzenmessen rechtpreiswerte Belegstücke bekommt.

Kursachsen war bereits im ausgehenden 16. Jahrhundert vermessen worden, im 17. Jahrhundert hat man hölzerne Wegsäulen errichtet, die aber wenig haltbar waren. August der Starke, seines Zeichens Kurfürst von Sachsen und König von Polen, beauftragte 1713 Adam Friedrich Zürner, das Land neu aufzunehmen und verlässliches Kartenmaterial anzufertigen, das man zur Ankurbelung von Handel und Wirtschaft, aber auch aus militärischen Gründen benötigte. Der Pfarrer und Kartograph legte mit seinem "geometrischen Wagen" über 18 000 sächsische Meilen zurück, das waren umgerechnet rund 163 116 Kilometer. Seine 1717 erschiene "Chur-Sächsische Post-Charte" enthält recht verlässliche Angaben über das Reich der Wettiner und ist auch heute eine wichtige Geschichtsquelle.

Doppelwappen unter der Königskrone

Bald schon befahl der Landesherr die Errichtung der steinernen Postsäulen, die je nach den auf ihnen vermerkten Distanzen in unterschiedlichen Größen angefertigt wurden. Die so genannten Stadtsäulen wurden mit dem farbig dekorierten Doppelwappen von Sachsen und Polen unter der Königskrone geschmückt, ergänzt durch das Monogramm AR für Augustus Rex. Die anderen Säulen waren kleiner und bescheidener, aber immer mit dem königlichen Monogramm versehen. Da die Städte und Gemeinden, also die Untertanen, die Kosten für ihre Errichtung tragen mussten, und ihnen der Nutzen der Säulen vielfach nicht ersichtlich war, gab es erhebliche Widerstände. Die Säulen mit Entfernungsangaben zu großen und kleinen Orten im Lande standen auf Marktplätzen und vor den Toren der Städte.

Viele dieser interessanten Denkmale der Kultur- und Verkehrsgeschichte wurden, da sie schon stark abgewittert oder nur unvollständig erhalten waren, in den vergangenen Jahrzehnten restauriert oder gänzlich durch Kopien ausgetauscht. 1964 wurde die Kulturbundgruppe Kursächsische Postmeilensäulen in Karl-Marx-Stadt, dem heutigen Chemnitz, gegründet. Engagierte Heimatfreunde sowie Post- und Verkehrshistoriker haben beschädigte, gelegentlich in Häusern etwa als Türschwellen und in Mauern eingebaute Steinmonumente gerettet. Manche hat man nach alten Vorlagen ergänzt und wieder aufgestellt.

Bei "Preußens" unerwünscht

Im Ergebnis der Befreiungskriege und des Wiener Kongresses (1815) musste das bis zur Völkerschlacht bei Leipzig am 18. Oktober 1813 mit Frankreich verbündete Königreich Sachsen große Teile seines Territoriums an Preußen abtreten. Erinnerungen an die alten Zeiten waren den Hohenzollern unerwünscht, und so wurden auch viele Postsäulen aus der Zeit Augusts des Starken entfernt. Man begründete die Maßnahme damit, dass sie mit ihren als altertümlich und irreführend empfundenen Zeit- und Entfernungsangaben und dem auf das ehemalige Herrscherhaus weisenden Wappenschmuck nicht mehr in die neue preußische Zeit passen. Offenbar wurde der Befehl zum Säulensturz nicht überall befolgt, sonst gäbe es nicht auch heute noch diese mehr oder weniger authentisch erhaltenen Obelisken in Belzig, Dahme, Döbern, Elsterwerda, Lübbenau, Mühlberg, Niemegk, Uebigau und anderen Städten.

Nach aktuellen Zählungen sind heute noch rund 900 Meilensteine auf dem Gebiet des 1947 auf Beschluss des Alliierten Kontrollrats aufgelösten Staates Preußen bekannt, davon rund 500 ganze Meilensteine, 100 Halbmeilensteine und 200 Viertelmeilensteine. Errichtet seit dem frühen 18. Jahrhundert nach sächsischem Vorbild, bestehen sie meist aus Sandstein, seltener aus Granit, Gusseisen oder gebranntem Ton. Verziert sind die Obelisken, Würfel und Rundsäulen mit dem preußischen Adler und/oder einem Posthorn. Manchmal kann man Monogramme preußischer Könige lesen, unter deren Regentschaft die Steine aufgestellt wurden. Die unterschiedlich großen Markierungen wurden im Abstand von je einer preußischen Meile (7,532 km) beziehungsweise nach Einführung des metrischen Systems alle fünf und zehn Kilometer entlang der ehemaligen Reichsstraße 1 und an anderen Chausseen aufgestellt. Kleinere Exemplare nennen kürzere Distanzen.

Umstellung von Meilen auf Kilometer

In Rheinsberg erinnert der Obelisk auf dem Marktplatz an den reiselustigen Prinzen Heinrich von Preußen, der hier ein halbes Jahrhundert residiert hat. Auf der Tafel sind Entfernungen in preußischen Meilen nach Stockholm (142), Sankt Petersburg (224), Berlin (12), Potsdam (15) und Paris (156) angegeben. Noch heute gibt es Säulen und Obelisken mit Entfernungsangaben bis nach Berlin sowie in die ehemaligen Westprovinzen der preußischen Monarchie, wobei Köln, Minden, Koblenz oder Aachen genannt werden. Um die Reisenden nicht zu verwirren, hat man nach der Reichseinigung von 1871 die Entfernungsangaben auf den Säulen den neuen Verhältnissen angepasst. Statt der Meilen las man nun Angaben in Kilometern. Manchmal wurde die Seite mit den preußischen Meilen nur um 180 Grad gedreht, oft aber wurden die Angaben dem Stein geschlagen und neue Daten eingefügt. Es ist auch vorgekommen, dass man Meilensteine in simple Grenzmarkierungen unfunktionierte oder als Baumaterial verkaufte.

4. August 2022

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