Löhne und Preise in Preußen 18. und 19. Jahrhundert
Vortrag von Helmut Caspar in der Berliner Numismatischen Gesellschaft am 28. April 2022









"Über Geld spricht man nicht, entweder hat man welches oder nicht", lautet eine alte, ironisch gemeinte Volksweisheit. Wirtschaftswissenschaftler, Historiker, Soziologen und andere Spezialisten wissen, was man früher verdient hat und was für welche Erzeugnisse und Dienstleistungen zu zahlen war. Das wegen der komplizierten Quellenlage und der Unvergleichbarkeit vieler Währungen nicht leicht zu bearbeitende Thema wird in der Numismatik meist nur am Rande behandelt. Wir Sammler sind froh, wenn wir Aurei und Sesterzen, Brakteaten und Groschen, Dukaten und Taler, Mark und Pfennige bekommen. Manchmal fragen wir uns, was man dafür bekam und wie lange man für großen und kleinen Lohn arbeiten musste.

Das hat sich auch Heinrich Heine gefragt, der sich bei einem Besuch der Münze zu Clausthal überlegte und das in seiner "Harzreise" auch schilderte, welches Schicksal wohl der eben blitzblank aus der Presse gefallene Taler haben wird, was man für ihn bekommt, durch welche Hände er geht und was mit ihm geschieht, wenn er eines Tages, abgenutzt und unansehnlich wie er ist, nur noch für die Schmelze taugt.

Die da oben und die da unten

Ich habe für diesen Vortrag nachgesehen, wie die Verhältnisse in Preußen im 18. und 19. Jahrhundert ausgesehen haben, und möchte zeigen, wie riesengroß die Schere zwischen den Einkünften von "denen da oben" und "denen da unten" war, wo Geld mit vollen Händen ausgegeben, ja zum Fenster hinaus geworfen und in Kriegen regelrecht verpulvert wurde, und wo es von den Ärmsten der Armen zusammengestottert werden musste. Ich habe Preislisten, Erinnerungen, Haushaltbücher, Briefe und andere Dokumente gelesen und biete Ihnen hier einen mit vielen Bildern versehenen Überblick. Dank an Lutz Fahron, der mir bei der Gestaltung der Folien geholfen hat.

Das von Frank Berger verfasste Buch "Das Geld der Dichter in Goethezeit und Romantik" (Wiesbaden 2020) ist für mein Thema wichtig und nützlich. Der Numismatiker in Frankfurt am Main hat seine Darlegungen über Einnahmen und Ausgaben damaliger gut verdienender, aber auch ganz armer Poeten wegen der besseren Vergleichbarkeit der unterschiedlichen Währungen berechnet. Er gibt die Nominale mal hier in Konventionsmünze, dort in Reichstaler oder Gulden und dann auch in Louisdor und Dukaten an. Am Ende des Buches rechnet er die Währungen von damals in den Euro von heute um. Danach repräsentiert ein preußischer Reichstaler aus der Zeit um 1800 einen Wert von 200 Euro, und ein preußischer Friedrichsd'or aus Gold zu fünf Talern wäre umgerechnet 1083 Euro wert. Für das "Lied der Deutschen", dessen dritte Strophe "Einigkeit und Recht und Freiheit" wir als Nationalhymne singen, bekam Heinrich Hoffmann von Fallersleben von seinem Verleger Campe vier Louis' dor. Nach Bergers Umrechnung waren die 5044 Euro für das Gedicht ein gutes Honorar.

Flaute in der Geldbörse

Während Johann Wolfgang von Goethe seine erheblichen Aufwendungen für sein Haus in Weimar und die Bewirtung seiner Gäste und nicht zuletzt für seine Sammlungen aus dem Gehalt als Weimarer Minister sowie aus Buchtantiemen und einem nicht unbeträchtlichen Erbe bestritt, war Friedrich Schiller auf sein mageres Professorengehalt und Buchhonorare, Zuwendungen des Weimarer Herzogs Karl August sowie von Freunden angewiesen. Mozart und Beethoven konnten auf Unterstützung durch Gönner, Einnahmen aus Konzerten, Unterrichtsstunden und andere Quellen zurückgreifen. Mozart verdiente glänzend, doch zerflossen die Taler und Dukaten unter seinen Händen, und am Ende hat man ihn in einem namenlosen Massengrab in Wien verscharrt. Die Honorare, die Franz Schubert bekam, waren überschaubar. Gutmütig und anspruchslos, wie der Komponist war, begnügte er sich mit dem Wenigen, was ihm seine Verleger zahlten, so dass in seiner Geldbörse meistens Flaute herrschte.

Mit vollen Händen gab der Dichter E. T. A. Hoffmann Geld am Spieltisch und im Weinrestaurant aus. Als er 1822, vor nunmehr 200 Jahren starb, hinterließ der Jurist und Dichter erhebliche Zechschulden. Auf ihre Begleichung verzichtete der Wirt von Lutter & Wegener, weil die Neugierigen, die ihn und seine Runde bestaunten, den Umsatz erheblich gesteigert hatten. Preußens oberster Baumeister Karl Friedrich Schinkel war mit einem Jahresgehalt zwischen 1200 Talern (1810) und 2800 Talern (1838) gut abgesichert, während sein Zeitgenosse August Wilhelm Iffland als Schauspieldirektor im Jahr 3000 Taler (1796) erhielt und aus eigenen Schriften und Theaterstücken weiteres Einkommen bezog. Zudem, hat der König ihn durch Übernahme erheblicher Schulden "begnadet".

Heiratserlaubnis an Vermögen gebunden

Heinrich von Kleist war ständig klamm. Literarisch mit seinen Dramen, Komödien und Erzählungen überaus produktiv, blieben ihm die Anerkennung seiner Zeitgenossen und der wirtschaftliche Erfolg versagt. Ungeachtet seiner prekären Lage und immer in der Hoffnung, dass sich bei ihm alles zum Besseren wendet, ging Kleist auf Reisen, doch Fahrten in Kutschen und Übernachtungen in Hotels waren damals sehr teuer. Also machte er Schulden, und seine Schwester Ulrike musste ihm aus der Patsche helfen. Zwar gehörte Heinrich von Kleist als Adliger zum Ersten Stand in Preußen, der von den Hohenzollern mit allen erdenklichen Privilegien und Einkünften bedacht wurde, reich ist er aber nicht geworden. Als Leutnant bei der Garde in Frankfurt an der Oder bekam er 13 Taler im Monat und musste davon Wohnung und Uniform selbst bezahlen. Um eine Heiratserlaubnis zu bekommen, sollte er ein Vermögen von mindestens 600 Talern nachweisen. Das Ende ist bekannt, denn 1811 nahmen sich Kleist und seine Geliebte Henriette Vogel am Kleinen Wannsee gemeinsam das Leben.

Reise-, Übernachtungs- und Umzugskosten waren vor und nach 1800 sehr hoch, so dass diejenigen, die ihren Wohn- und Arbeitsort wechseln mussten, bei der Obrigkeit um Zuschüsse bitten mussten und manchmal auch bekamen. Das Fahren mit der Eisenbahn ab dem zweiten Drittel des 19. Jahrhunderts war nicht für umsonst zu haben. Alte Fahrpläne zeigen unterschiedlich, nach den drei Klassen gestaffelte Preise. Blicken wir in den Fahrplan der Berliner Eisenbahnen von 1853, dann sehen wir, dass ein Ticket einer etwa 356 km langen Fahrt von Berlin nach Breslau in der 1. Klasse 11 Taler und 2,5 Silbergroschen, in der 2. Klasse 8 Taler und 5 Silbergroschen und in der 3. Klasse 5 Taler und 17,5 Silbergroschen kostete. Die 190 km lange Fahrt nach Leipzig kostete in der 1. Klass 6 Taler, in der 2. Klass 4 Taler und in der 3. Klasse 3 Taler. Wer von Berlin nach Potsdam (35 km) reisen wollte, zahlte je nach Klassen zwischen 24 und 12 Silbergroschen.

Krasses Lohngefälle zwischen Männern und Frauen

Der Berliner Journalist Ernst Dronke durchstreifte zwei Jahre lang die preußische Haupt- und Residenzstadt und beschrieb sie in seinem 1846 in Frankfurt am Main erschienenen Buch "Berlin". Im Abschnitt "Das Proletariat" wird auf Groschen und Pfennig genau aufgelistet, was Arbeiter und Handwerker, die ja den eigentlichen Wohlstand in Preußen schufen, verdienten und wie ihr Leben "zum Trödel" verkommt, wie Dronke schrieb. Er gibt die Löhne getrennt nach Frauen und Männern an. Die Spanne bei Tagelöhnen reicht bei den Frauen von der Feinwäscherin in Höhe zwischen zehn und zwölf Silbergroschen bis hinab zu Fabrikmädchen, Schenkmädchen und Zigarrenmacherinnen, die zwischen zwei und sechs Silbergroschen bekamen. Bis zu zehn und zwölf Silbergroschen am Tag erhielten Feinwäscherinnen, Silber- und Goldstickerinnen sowie Friesiermädchen. Das war so gut wie nichts. Dazu muss man bedenken, dass Frauen nicht das ganze Jahr arbeiten konnten, sondern eine "stille Zeit" von zwei bis vier Monaten hinnehmen mussten, in denen sie beschäftigungslos waren und kein Geld verdienten.

An der unteren Lohnskala mit einem Tageslohn um vier Silbergroschen befanden sich Dronke zufolge Frauen, die als Auslegerinnen in Druckereien, Deckennäherinnen, Stickerinnen oder Seidenwicklerinnen beschäftigt waren. Kinder, die aus purer Not zum Familienunterhalt beisteuern mussten, bekamen zehn bis zwölf Silbergroschen in der Sechstagewoche bei einem Zehn-Stunden-Tag. Häufig wurden Arbeiterinnen nach Akkord bezahlt. Wenn etwa Zigarrenwicklerinnen zu viel Tabak verbrauchten, hat man ihnen das von ihrem Hungerlohn abgezogen.

Etwas besser als Frauen, Mädchen und Kinder wurden Männer bezahlt. Juweliere und Uhrmacher, das heißt spezialisierte Handwerker, bekam einen Tageslohn zwischen 15 und 20 Silbergroschen, ein Waffenschmied zwischen 10 und 15 Silbergroschen und ein Schriftsetzer 15 Silbergroschen. Schrift-, Gelb- und Eisengießer gingen mit einem Tageslohn zwischen 15 und 20 Silbergroschen nach Hause, während sich Maurer, Zinngießer, Klempner, Tischler und Buchdrucker mit zehn sowie Buchbinder mit 7,5 Silbergroschen zufrieden geben mussten. Dronke notierte zu einzelnen Posten, dass Lohnempfänger vielfach arbeitslos sind und kein Geld für Kost und Wohnung haben. Er beschreibt, dass bestimmte Arbeiten gesundheitsschädlich sind, und verweist auf Lungenhusten, gebückte Körperhaltung und krumme Beine. "Und auch moralisch werden sie durch dies Leben in jeder Weise abgestumpft und vernichtet."

Besuch in der Berliner Münze

Im Jahr 1823 besuchte der badische Münzwardein Ludwig Kachel im Auftrag seines Großherzogs mehrere deutsche Münzstätten, um Informationen für die Verbesserung der eigenen Geldproduktion zu sammeln. Kachel sah sich in zwei Berliner Geldfabriken um, in der Hauptmünze am Werderschen Markt und der Neuen Münze in der Münzstraße 10 bis 12 unweit des Alexanderplatzes. Einem Oberarbeiter wurden laut Kachel pro Schicht 22 ½ Silbergroschen, seinem Stellvertreter 17 ½ und einem Arbeiter 15 Silbergroschen gezahlt. Da der Taler 30 preußische Silbergroschen galt, erhielt ein Arbeiter am Tag einen halben Taler, das waren in einem Monat bei sechstägiger Arbeitswoche zwölf Taler und im Idealfall bei Vollbeschäftigung pro Jahr 144 Taler.

Dieser Lohn war zum Leben zu wenig und zum Sterben zu viel, dies vor allem wenn man bedenkt, dass zuhause in der Regel viele Mäuler zu stopfen waren. Allerdings konnten die Arbeiter ihre Bezüge durch "einfache Nachtarbeit" ein wenig aufbessern. Als besondere Errungenschaft notierte Kachel eine Art Sparkasse, in die Besucher der Münzstätte einen Obolus taten und auch etwas aus den Arbeitslöhnen eingezahlt wurde. Aus dieser Kasse wurden kranke Arbeiter unterstützt. Viel dürfte es nicht gewesen sein.

Die Kehrseite der Medaille

Gegen die kümmerliche Entlohnung der Münzarbeiter nahmen sich die Gehälter der leitenden Beamten geradezu fürstlich aus. Als preußischer Generalmünzdirektor bekam Christian Friedrich Goedeking 3000 Taler im Jahr. Das waren 225 Taler im Monat oder, in Mark nach 1871 ausgedrückt, 675 Mark, da der Taler mit drei Mark berechnet wurde. Der Münzmeister erhielt 2000, der Wardein 1500 und der Münzmechaniker immerhin noch 1000 Taler. Hinzu kamen verschiedene Vergünstigungen wie freie Dienstwohnungen und bei den Graveuren besondere Gratifikationen, wenn beispielsweise eine Medaille oder ein Münzbild dem König besonders gefielen. Zum Vergleich erhielten Hofbeamte, Minister und Generalfeldmarschälle mit 10 000 Talern ein Vielfaches dessen, womit der Chef der preußischen Münzadministration und seine unmittelbaren Untergebenen als Jahresgehalt bezahlt wurden, von anderen, erheblich geringeren Einkünften ganz zu schweigen.

Mit meiner kleinen Einführung und den folgenden Bildern habe ich Sie vielleicht neugierig gemacht, sich selber mit dem Thema "Löhne und Preise damals und heute" zu beschäftigen und quasi die Kehrseite Ihrer Schätze, oder wie man sagt der Medaille, genauer zu betrachten.

28. April 2022

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