Mensch, Natur und Technik
Numismatiker Klaus Priese erfasst in neuem Medaillenkatalog alles, was mit Berliner Ausstellungen, Messen und Börsen zu tun hat



Die frühe Ausstellungsmedaille von 1827 mir dem Kopf König Friedrich Wilhelms III. hatte auf der Rückseite Platz für Namen der Preisträger.





Der Ausstellung vaterländischer Gewerbeerzeugnisse wurde 1844 eine mit dem Bildnis Friedrich Wilhelms IV. und der Ansicht des Zeughauses Unter den Linden als Ausstellungsort gewidmet. Dass Friedrich Wilhelm IV. die Ausstellung besuchte, unterstreicht sein Interesse am Fortkommen von Industrie und Gewerbe in seinem Reich.



Besucher der Gewerbeausstellung von 1896 im Berliner Ortsteil Treptow rund 30 verschieede Preis- und Souvenirmedaillen, darunter auch solche zur Erinnerung an Ballonfahrten, an denen ganz mutige Besucher teilnehmen konnten.



Eine von der Firma Ludwig Löwe hergestellte Medaille von 1879 mit dem Doppelbildnis des Kaiserpaars Wilhelm I. und Augusta vermerkt, dass sie in der Ausstellungshalle auf einer dort hergestellten Prägemaschine gefertigt wurde. Das war für den Maschinenbauer eine gute Gelegenheit, die Leistungsfähigkeit dieses Geräts hervor zu haben.



Die Medaille zur Kunstausstellung von 1887 anlässlich des einhundertsten Todestages Friedrich II., des Großen, diente monarchischer Propaganda und stellte den berühmten Preußenkönig und Kaiser Wilhelm I. auf eine Stufe.



Briefmarken- und Münzausstellungen waren schon immer beliebte Medaillenthemen, hier eine Berliner Auszeichnungsplakette von 1924 mit dem Porträt von Heinrich von Stephan, der als Reichspostmeister und Gründer des Weltpostvereins bis heute große Verehrung erfährt.





Zur Internationalen Grüne Woche und Internationalen Funkausstellung kamen Dutzende mit Berlin-Motiven geschmückte Medaillen heraus. Sie zusammen zu bekommen, dürfte nicht einfach sein.



Die bis 1990 veranstalteten Münzausstellungen des DDR-Kulturbundes bleiben mit ihren Medaillen in Erinnerung.

Ein bei Sammlern besonders beliebtes Thema sind nationale und internationale Kunst- und Gewerbeausstellungen sowie Weltausstellungen. Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts haben sich in prächtigen Palästen quasi wie in einer Nussschale große und kleine Industriebetriebe, aber auch Künstler, Kunsthandwerker, Erfinder, Gewebetreibende und viele andere Personen einzeln und mit ihren Firmen samt ihren Angeboten präsentiert. Wenn dann der eine oder andere Aussteller mit einer Preismedaille oft aus Gold ausgezeichnet wurde, war das eine hervorragende Werbung. Die Ehrung wurde in Annoncen und Angebotskatalogen oder auf den jeweiligen Erzeugnissen durch Abbildung der betreffenden Medaille ausführlich gewürdigt. Sie bilden vielfach das Oberhaupt des Staates ab, in dem die Ausstellung stattfand, und wurden aufwändig mit Allegorien geschmückt, die die Segnungen friedlichen Handels und Verkehrs, aber auch Industrielle und ihre Erzeugnisse feiern. Da die Ausstellungsbesucher gern ein geprägtes Andenken nach Hause nehmen wollten, hat man für sie Erinnerungsmedaillen hergestellt, von denen manche auch heute recht preiswert zu haben sind.

Mit Germania und Eisenbahn

Im Jahr 1844 fand in Berlin eine Gewerbeausstellung statt, die durch eine Medaille aus Silber oder Kupfer mit einer sitzenden Borussia auf der Vorderseite und einer schnaufenden Eisenbahn auf der Rückseite verewigt ist. Um sie herum werden in einem Kranz sechs Errungenschaften des Industriezeitalters wie die Dampfschifffahrt, der mechanische Webstuhl und die Dampfmaschine gewürdigt. Die von Heinrich Lorenz und Emil Schilling geschaffene Medaille 1844 der sitzenden Germania und der von Emblemen von Industrie und Handwerk umgebenen Eisenbahn wurde in der silbernen Ausgabe in Silber an Preisträger ausgegeben, war in Kupfer aber ein Trostpreis für Teilnehmer an einer Lotterie. Die Medaille ist recht häufig und wird immer wieder im Handel angeboten. Sie kommt auch in Kupfer vergoldet oder versilbert und sogar in Eisenguss vor.

Über diese und weitere Berlin-Medaillen zum Generalthema „Mensch – Natur – Technik“ und dem Bezug auf Ausstellungen, Messen, Börsen und ähnliche Veranstaltungen hat der Berliner Numismatiker Klaus Priese den auf jahrelanger intensiver Forschungsarbeit basierenden Katalog „Ausstellungen, Messen, Schauen und Börsen in Berlin von 1706 bis heute im Spiegel von Medaillen, Plaketten, Marken, Abzeichen“ verfasst. Das Buch im A-4-Format erschien im BoD-Books on Demand Norderstedt 2022, hat 304 Seiten sowie zahlreiche farbige Abbildungen und kostet 79 Euro (ISBN 978-3-7562-0485-4, Bezug info@bod.de oder Telefon 040/53433511).

Zur Belohnung fleißiger Helfer

Die große Zeit der Berliner Ausstellungsmedaillen begann Mitte des 19 Jahrhunderts. Voran gegangen aber war eine kleine Medaille des Gothaer Stempelschneiders Christian Wermuth von 1706 mit dem Bildnis König Friedrich I. anlässlich der ersten Messe an der Spree und auf der Rückseite mit einer Henne und ihren Küken. Die lateinische Umschrift bedeutet „Ich mache keinen Unterschied ob es ein Trojaner oder Rutuler ist“, womit ein kleines Volk im antiken Latium gemeint ist und gesagt wird, dass jeder in Berlin willkommen ist, der etwas auszustellen oder zu verkaufen hat. Mit dem Kopf von König Friedrich Wilhelm III. geschmückt sind ein paar Nummern weiter Medaillen aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, auf deren Rückseiten man den Name des Preisträgers und eine Jahreszahl eingravieren lassen konnte. Ehrenamtliche Helfer bekamen diese in Gold, Silber und Kupfer geprägten Medaillen von Karl Pfeuffer als Anerkennung für ihre Leistungen. Weiter geht es mit einer Medaille von Henri Fran?ois Brandt, auf der die thronende Germania mit Schwert und Buch zwischen Weinreben und Ährenbündel abgebildet ist. Die Inschrift „Vorwärts mit deutscher Kraft und deutschem Fleiß“ war Programm und drückt Tatkraft und Selbstbewusstsein aus, die man im Zeitalter der Industrialisierung mit all ihren Licht- und Schattenseiten benötigte, um Innovationen durchzusetzen und sich gegen Konkurrenten zur Wehr zu setzen.

In seinem umfangreichen, künftig auch als Zierwerk verwendeten Katalog, der chronologisch und nicht nach Sachgebieten geordnet ist, hat er im Ergebnis intensiver Sucharbeit in Sammlungen und der numismatischen Literatur mehr als 900 Medaillen und verwandte Objekte erfasst, beschrieben und abgebildet. Der Verfasser hat erstaunlich viele Medaillen zur Grünen Woche, aber auch zu Briefmarken- und Münzausstellungen und anderen Ereignissen dieser Art erfasst. Den „Vogel“ schießt die Grüne Woche mit etwa 65 verschiedenen Ausgaben mit dem Ährenlogo und rückseitig verschiedenen Berlin-Motiven, gefolgt von der Internationalen Funkausstellung, die es auf mindestens 20 Medaillen brachte, um zwei Beispiele zu nennen. Es dürfte einiger Anstrengungen nötig sein, um die Serien komplett zu bekommen, und auch Klaus Priese kann einige Exemplare nur beschreiben, sie aber nicht im Foto vorstellen.

An Anlässen hat es nie gefehlt

An Anlässen zur Prägung hat es nicht gefehlt. Da gab es Hygiene- und Krankenpflegeausstellungen, aber auch Kochkunst-, Bäcker-, Gartenbau-, Lederwaren-, Maschinen- und Papierindustrieausstellungen, ferner, Hunde-, Geflügel-, Pferde-, Jagd- und Tierschutzausstellungen, um die Bandbreite anzudeuten. Zu diesen und zu Bau-, Kunst-, Theater-, Mode und vielen anderen Ausstellungen hat man manchmal mehrere, auch zur Finanzierung genutzte Medaillen zumeist aus billigem Material ausgegeben, von teuren und kostbaren Preismedaillen abgesehen. Solange es die Monarchie gab, wurden viele Ausgaben mit dem Kopf des jeweils regierenden Königs von Preußen und ab 1871 deutschen Kaisers geschmückt und damit aufgewertet. Manche Stücke besitzen eine angeprägte Öse, um sie an einem bunten Band am Rockaufschlag zu befestigen. Medaillenproduzenten und Künstler hatten mit der Herstellung dieser Erinnerungsstücke viel zu tun und dürften nicht schlecht dabei verdient haben. Das aber zu untersuchen, wäre eine weitere Aufgabe für Klaus Priese oder andere Autoren. Es verwundert, dass man nach der deutschen Einigung von 1871 in der jungen Reichshauptstadt Berlin die Chance verstreichen ließ, die Welt zu sich einzuladen und zu zeigen, was deutsche und ausländische Industrie, Landwirtschaft und Gewerbe aktuell zu bieten haben. Ein Blick in die Historie zeigt, dass Berliner Industrielle, Gewerbetreibende, Künstler, Kunsthandwerker und viele andere Personen an der Ausrichtung einer Weltausstellung interessiert waren, wie sie schon in London, Paris und an anderen Orte stattgefunden hatten. Wünsche, die aufblühende Metropole durch ein solches Ereignis zu „adeln“, gab es schon in den 1880-er Jahren. In einer 1879 im Berliner Ortsteil Moabit veranstalteten und durch Medaillen dokumentierte Gewerbeausstellung zeigten Industrie und Handwerk ihr ganzes Können. In guter Erinnerung ist die Schau auch deshalb, weil hier die erste, von der Firma Siemens & Halske gebaute elektrische Bahn probeweise fuhr und die Besucher in Erstaunen versetzte. Unter dem Eindruck der großen Resonanz und des Lobs vieler ausländischer Gäste wurde noch im gleichen Jahr ein Verein gegründet, der die Werbetrommel für eine Weltausstellung im Jahr 1885 schlug.

Gewerbeschau im Treptower Park

Indes, die Befürworter des Projekts hatten nicht mit dem Widerstand der Reichsregierung, des Centralverbands Deutscher Industrieller und weiterer einflussreicher Gremien gerechnet. Sie schoben die zu erwartenden hohen Kosten vor, die nach ihrer Meinung in keinem Verhältnis zum Nutzen stehen und wiesen darauf hin, dass ähnliche Veranstaltungen im Ausland meist ein Verlustgeschäft waren. Ein solches Defizit könne sich das Deutsche Reich nicht leisten, hieß es bei den Gegnern des ehrgeizigen Projekts. Dessen Fürsprecher verwiesen auf die beflügelnde Wirkung eines friedlichen Austauschs zwischen den Nationen und auf die wirtschaftlichen Impulse durch das Kennenlernen anderer Länder und ihrer Erzeugnisse. All die schönen Argumente verfingen nicht. Die Reichsregierung und nach ihr der Reichstag ließen 1881 und 1882 die Ausstellungspläne platzen. Die Ablehnung Berlins als Austragungsort einer Weltausstellung hatten sicher auch mit partikularistischen Vorbehalten rheinisch-westfälischer und süddeutscher Industrieller gegenüber der aufstrebenden Reichshauptstadt und der Sorge zu tun, sie könnte als Konkurrentin allzu mächtig werden und den eigenen Geschäfte schaden.

Nach dem Thronwechsel von 1888, als nach dem Tod von Wilhelm I. und Friedrich III. dessen Sohn Wilhelm II. an die Spitze Preußens und des Deutschen Reiches gelangte, machte sich eine einflussreiche Unternehmergruppe Hoffnung, den an Industrie, Technik und Kunst interessierten jungen Kaiser für ihre Weltausstellungspläne einzunehmen. Doch Wilhelm II. hatte andere Ziele. Er brauchte Geld für die Aufrüstung, die Vergrößerung des deutschen Heers und den Bau von Kriegsschiffen. Außerdem hatten inzwischen bedeutende Weltausstellungen in Amsterdam, Chicago und Mailand stattgefunden, und es war eine weitere für Paris zur Hundertjahrfeier der Revolution von 1789 geplant. Die Befürworter der Berliner Weltausstellung ließen sich von Rückschlägen nicht beirren und bereiteten statt ihrer eine große Gewerbeausstellung für 1896 vor, die dann tatsächlich vom 1. Mai bis 15. Oktober stattfand. Beworben wurde die im Treptower Park veranstaltete Ausstellung durch ein von dem bekannten Grafiker und Schriftgestalter Ludwig Sütterlin entworfenes Plakat, auf dem eine Arbeiterhand mit Hammer vor blauem Grund aus der Erde emporwächst.

Großer Besucheransturm

Als die Schau eröffnet war, zeigten sich die Besucher beeindruckt. Bekannte Architekten hatten auf einer Fläche von 900 000 Quadratmetern ein Stück Alt-Berlin mit der Stadtmauer sowie historischen, aus Holz, Gips und Pappe gebildeten Gebäuden darin gestaltet. Altägyptisches Flair vermittelte die Station Kairo, wo man Pyramiden der Pharaonen, aber auch einen Basar und einen Harem bewundern konnte. Hinzu kamen Alpenpanoramen, auf dem Wasser schaukelnde Schiffe, ein Vergnügungspark für gehobene Ansprüche, wie es in der Werbung hieß, diverse Restaurants und weitere Attraktionen. Mit einem Aufwand von mehreren Millionen Mark wurde außerdem die Infrastruktur rund um den Treptower Park für den erwarteten Besucheransturm fit für das 20. Jahrhundert gemacht. Ein steinerner Zeuge für die Mühen um schnelle Erreichbarkeit des Ausstellungsparks „im fernen Osten“ ist die im mittelalterlichen Stil errichtete Oberbaumbrücke, als Verbindung zwischen den Stadtteilen Friedrichshain und Kreuzberg. Auch das Archenhold-Observatorium stammt aus der Zeit der Gewerbeausstellung von 1896.

Das Buch ist nicht nur ein Katalog einschlägiger Medaillen und ähnlicher numismatischer Objekte mit Bezug auf Ausstellungen, Messen und weiteren Veranstaltungen, sondern stellt auch eine Chronik der Berliner Kultur-, Kunst- und Wirtschaftsgeschichte der vergangenen 200 Jahre dar. Die Nummerierung ist so gestaltet, dass man neu entdeckte Objekte, die sicher bald ans Tageslicht kommen und auf die sich der Verfasser schon jetzt freut, mühelos eingeordnet werden können. Ohne die von Klaus Priese erfassten Medaillen, Marken und Zeichen wüssten wir heute, von Kultur- und Lokalhistorikern abgesehen, wahrscheinlich wenig oder nichts von dem reichen Vereins- und Ausstellungswesen in Berlin. Das alles anhand ihrer numismatischen Hinterlassenschaften ans Tageslicht gebracht zu haben, ist ein großes Verdienst des Verfassers, zu dem man ihm aus ganzem Herzen gratulieren möchte.

15. Oktober 2022

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