Ideen blieben auf der Strecke
Nicht alle Münzpläne wurden in der Bundesrepublik Deutschland verwirklicht, aber es gibt interessante Probeprägungen





Von der für 1970 geplanten Hölderlin-Münze und der Ausgabe zur „Heimkehr der Saar“ von 1958 existieren nur Probeabschläge, die, wenn sie vom Münzhandel angeboten werden, hohe Preise erzielen.







Hin und wieder tauchen im Münzhandel Probeabschläge oder Modelle von Münzen wie Friedrich Schiller 1955, Oskar von Miller 1957, Albrecht Dürer 1971 und Martin Luther 1971. Sie unterstreichen die Suche damaliger Künstler ausdrucksstarken Bildern.



Die Zehn-Mark-Münze von 1972 mit der „Olympia-Spirale“ wurde in zwei Versionen geprägt, die mit DEUTSCHLAND war in der DDR verboten.(Fotos/Repros: Caspar)

In der frühen Bundesrepublik Deutschland gab es neben den verwirklichten Münzen auch Projekte, die über die Planung nicht hinaus kamen. 1954 wurde angeregt, die Tausendjahrfeier von Lüneburg durch ein Fünf-Mark-Stück zu begehen und es der Ausgabe zur Hundertjahrfeier des Germanischen Nationalmuseums Nürnberg von 1952 anzuschließen (siehe Eintrag vom 15. November 2022). Der Vorschlag wurde mit dem Hinweis abgelehnt, Jubiläen von Städten könnten nicht als hinreichende Prägeanlässe dienen, zumal zahlreiche weitere Anträge dieser Art folgen würden. Jahrzehnte später sahen andere Bundesregierung das Thema positiver und nahm zahlreiche Stadtjubiläen in ihr Prägeprogramm auf. Nicht in Betracht gezogen wurde 1957 eine Gedenkmünze zum 200. Geburtstag des Reichsfreiherrn Karl vom und zum Stein. Er hatte sich zu Beginn des 19. Jahrhunderts für die Reformierung des altpreußischen Staates an Haupt und Gliedern eingesetzt und war einer der großen Vorkämpfer für die deutsche Einheit. Offenbar war das in Zeiten des Kalten Krieges und der massiven deutsch-deutschen Spannungen für die Bundesregierung kein Argument, eine Gedenkmünze prägen zu lassen. Erst 1981 wurde dem Politiker, dem die Weimarer Republik 1931 ein Dreimarkstück gewidmet hatte, anlässlich seines 150. Todestages in beiden deutschen Staaten diese Ehre zuteil.

Kein Interesse bestand 1957 an einer Gedenkmünze zum 300. Geburtstag des Kurfürsten Johann Wilhelm von der Pfalz und auch nicht zum 125. Jahrestag des in der demokratischen Tradition der Bundesrepublik Deutschland so hoch gehaltenen Hambacher Festes. Bei dieser Zusammenkunft im pfälzischen Neustadt protestierten 1832 unter schwarz-rot-goldenen Fahnen 30 000 Teilnehmer gegen Fürstenwillkür und für die deutsche Einheit, was von den Monarchen mit verschärfter „Demagogen“-Verfolgung, strenger Überwachung der Universitäten und anderen Zwangsmaßnahmen beantwortet wurde.

Alter Turm von Mettlach

Für eine Gedenkmünze von 1957 zur „Heimkehr der Saar“, also zur Eingliederung des bisher unter französischer Verwaltung stehenden Saarlandes in die Bundesrepublik Deutschland, wurde ein künstlerischer Wettbewerb ausgeschrieben. Er gedieh so weit, dass Modelle angefertigt wurden. Dargestellt ist auf einem der Alte Turm in Mettlach, der das älteste Bauwerk des Saarlandes und eines seiner Wahrzeichen darstellt. Erbaut von 990 bis 994 als Grabkapelle des Heiligen Lutwinus, des Gründers des Klosters Mettlach, ist der achteckige Turm dem Dom zu Aachen nachempfunden. Der von der Jury ausgewählte Entwurf von Karl Roth sollte in einer Auflage von beachtlichen 500 000 Stück geprägt werden. Doch dann sprach sich das Bundeskabinett gegen die Saar-Münze aus. Im Deutschen Bundestag wurde die Ablehnung mit der angeblich nicht recht gelungenen Gestaltung, vor allem aber mit dem Hinweis gerechtfertigt, es würden schon viel zu viele Gedenkmünzen ausgegeben, und man sollte „diese Maßnahme wesentlich einschränken“.

Die Argumentation war ziemlich fadenscheinig, denn es gab zu diesem Zeitpunkt ja erst vier über fünf Jahre verteilte Sonderprägungen – Germanisches Nationalmuseum, Schiller, Markgraf Ludwig Wilhelm von Baden und Eichendorff. Die Bundesregierung hatte aber wohl politische Bedenken, denn sie mochte es nicht für opportun gehalten haben, durch eine Sonderprägung extra noch auf die für Frankreich blamable Volksbefragung aufmerksam zu machen, die 1957 zur Eingliederung des Saarlandes in die Bundesrepublik Deutschland führte.

Die Bundesregierung musste um 1970 zahlreiche Anträge für alle möglichen Gedenkmünzen abwehren, die ihr von Vereinen und Verbänden, Kommunen und anderen Interessenten gestellt wurden. Sie konterte die Begehrlichkeiten unter anderem mit dem Hinweis auf die Auslastung der vier bundesdeutschen Münzämter, aber auch mit dem Ratschlag, man möge sich doch der Medaille als Medium bedienen. Abgelehnt wurden Prägeprojekte anlässlich von Jubiläen der Universitäten in Kiel, Tübingen und München, aber auch zu ziemlich absonderlichen Anlässen. Nur als Probeprägungen liegt eine Fünf-Mark-Münze zum 200. Geburtstag des Dichters von Johann Christian Friedrich Hölderlin vor. Nach einem zweistufigen Findungsverfahren sollte die Münze in einer Auflage von drei Millionen Stück in Karlsruhe nach einem Modell von Eberhard Luttner hergestellt werden. Doch kam es nicht zur Realisierung, denn das Bundesfinanzministerium zog am 27. November 1970 seinen Auftrag zurück und begründete dies mit der „angespannten Lage in der Versorgung des Zahlungsverkehrs mit Münzgeld aller Sorten“.

Köpfe und andere Motive

Nicht verwirklicht wurden Pläne für die Ausgabe einer Gedenkmünze zum 400. Geburtstag des Astronomen Johannes Kepler (1971), der in der DDR durch ein von Axel Bertram gestaltetes Fünfmarkstück geehrt wurde und an den eine Zehn-Euro-Münze von 2009 erinnert. Auf der Strecke blieb ferner ein Fünf-Mark-Stück zum 425. Todestag des Reformators Martin Luther 1971, der 1983 durch Münzen in der Bundesrepublik und der DDR zu seinem 500. Geburtstag gewürdigt wurde. Statt Luther gelangte an die Bankschalter und in die Hände der Sammler eine von Doris Waschk-Balz gestaltete Fünf-Mark-Münze zum 375. Todestag des lange in Duisburg tätigen Kartographen Gerhard Mercator. Dazu fragte der bekannte Münzforscher Peter Berghaus im „Numismatischen Nachrichtenblatt“ Heft 8/9 1970 kritisch an, ob es nicht besser gewesen wäre, noch 25 Jahre zu warten, um Mercator zu seinem 400. Geburtstag zu ehren. Der 375. Geburtstag sei reichlich an den Haaren herbei gezogen, „wenn man bedenkt, dass der 100. Geburtstag von Ernst Barlach (geb. 2. 1. 1870 in Wedel) oder die 25jährige Wiederkehr des bedeutsamen 20. Juli 1944 nicht durch Sondermünzen gefeiert worden sind. Ein Blick auf die weiteren geplanten Sondermünzen lässt auch eine Sondermünze zum 100. Geburtstag des Reichspräsidenten Friedrich Ebert (geb. 4. 2. 1871 in Heidelberg) vermissen, führt dagegen jedoch ein 5-Mark-Stück zum 425. (!) Geburtstag von Martin Luther auf. Wohin werden wir noch gelangen?“ Berghaus wird es Jahrzehnte später gefreut haben, dass in der DDR eine Fünf-Mark-Münze zum 50. Todestag des von den Nationalsozialisten als „entartet“ verunglimpften Bildhauers Ernst Barlach geprägt wurde, und 1975 eine bundesdeutsche Münze zum 50. Todestag von Friedrich Ebert erschien, aber auch dass 1994 die Widerstandskämpfer des 20. Juli 1944 durch eine Zehn-Mark-Münze geehrt wurden.

Für die Luther-Münze von 1971 wurde ein künstlerischer Wettbewerb veranstaltet, bei dem verschiedene Modelle mit allbekannten Luther-Bildnissen eingereicht wurden. Von deren Qualität scheint das damalige Preisgericht nicht überzeugt gewesen zu sein. Die Einengung ausschließlich auf Porträts sei bei Gedenkmünzen unserer Zeit nicht wünschenswert, sie führe zur Verringerung des künstlerischen Gestaltungspotentials, stellte die Jury fest und sprach sich dafür aus, auch für die Wertseite eine breitere Motivwahl zuzulassen und auch solche Künstler für Münzwettbewerbe zu gewinnen, „die sich aus künstlerischen Gründen bisher hiervon ferngehalten haben. So sollte z. B. den Künstlern die Motivwahl für beide Münzseiten freigestellt werden“. Mit anderen Worten, man wollte auch einmal etwas anderes auf den Münzen sehen als immer nur Bildnisse, die denen berühmter Maler nachempfunden sind. Schaut man die später geprägten Münzen beider deutscher Staaten an, so sieht man, dass diesem Wunsch da und dort entsprochen wurde, wie die Ausgaben zu Ehren von Dürer, Kopernikus, Lessing, Grimm, Grimmelshausen und vielen anderen zeigen, die ohne Porträts auskommen und daher besonders ansprechend gestaltet sind.

München statt Deutschland

Die Ausgabe immer neuer Gedenkausgaben hatte auch die Folge, dass sich Menschen, die noch nie etwas mit Münzen und Medaillen zu tun hatten, sich mit diesen zu beschäftigen begannnen. Es entwickelte sich eine Art Volkssport, der vor allem durch die Vorbereitungen auf die XX. Olympischen Spiele von 1972 belebt wurde. Drei Jahre vor deren Beginn beschloss der Bundestag ein Gesetz zur Prägung von silbernen Sondermünzen zu 10 DM zugunsten der Olympiade. Damit erhielt die Bundesrepublik Deutschland ein neues Nominal. Dergleichen hatte es dort noch nicht gegeben, während die DDR seit 1966 bereits Zehn- und Zwanzig-Mark-Stücke prägte. Insgesamt wurden in einer sechsteiligen Folge 116,4 Millionen Münzen in allen vier bundesdeutschen Münzstätten hergestellt. Der Nennwert dieser Riesenauflage betrug demnach 1,164 Milliarden DM, davon wurden 700 Millionen DM oder auch mehr, denn die Angaben schwanken, Münzgewinn für die Finanzierung der Olympischen Spiele verwandt. Dieser Betrag soll nahezu alle Kosten gedeckt haben. Zudem waren die Münzen eine gute und dauerhafte Werbung für das Sportspektakel.

Der gegenüber den bisherigen Fünf-Mark-Münzen vergrößerte Prägedruck bei den zehn-Mark-Münzen war noch recht gewöhnungsbedürftig, und so war die Prägung der Olympiaausgaben ein sowohl künstlerisch als auch technisch und logistisch schwieriges Unterfangen. Da die beteiligten Münzanstalten in Hamburg, München, Stuttgart und Karlsruhe nicht in der Lage waren, alle Silberronden selber herzustellen, wurden Aufträge an fremde Firmen vergeben. Die Folge waren erhebliche Qualitätsunterschiede und sogar Gewichtsdifferenzen bis zu einem Gramm sowie Abweichungen von der vorgeschriebenen Stärke der Münzen, auf die die numismatuische fachpresse aufmerksam machte.

Das offizielle Symbol der Spiele – die Strahlenspirale – erscheint auf der ersten, von Greta Lippl-Heinsen gestalteten Olympiamünze. Die um sie kreisende Inschrift XX OLYMPIADE 1972 IN DEUTSCHLAND erregte sowohl beim IOC als auch in der DDR Anstoß, die von der Zweistaatentheorie ausging und den Begriff Deutschland aus ihrem Vokabular gestrichen hatte. Mit dem Hinweis, dass die Ehre, Olympische Spiele auszurichten, nicht einem Land zuteil wird sondern einer Stadt, mussten neue Stempel mit der veränderten Ortsangabe IN MÜNCHEN angefertigt werden. Da die Widmung etwas kürzer war, musste man eine neue Schrift verwenden. Die schon ausgeprägten Münzen mit IN DEUTSCHLAND durften offiziell nicht in die DDR eingeführt werden, kursierten dort aber in Sammlerkreisen. Neben der Zehn-Mark-Münze mit der regelwidrigen Inschrift kam schon bald die politisch korrekte Version mit der Ortsangabe München heraus, so dass sich Sammler zweier Ausgaben mit der Strahlenspirale erfreuen können. Da beide Auflagen in einer Millionenauflage herauskamen und noch sehr viele Stücke im Handel und bei Sammlern vorrätig sind, liegen die heutigen Preise je nach Erhaltung im unteren Euro-Bereich.

17. November 2022

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