Quedlinburger Goldfuchs
Deutsche Gedenkmünzenserie zu hundert Euro begann 2003 mit berühmter Weltkulturerbestadt



Der Entwurf für den Quedlinburger "Goldfuchs" von 2003 zu hundert Euro stammt von der Kölner Designerin Agatha Kill und wurde aus einer Vielzahl von Beiträgen für einen künstlerischen Wettbewerb ausgewählt.



Die in eine Rathauswand eingelassene Tafel erzählt die Gründungslegende der im nördlichen Harzvorland gelegenen Stadt Quedlinburg.



Unübersehbar ist die auf dem Schlossberg gelegene, vom 936 gegründeten Damenstift genutzte Kirche Sankt Servatii, die zu den bedeutendsten Sakralbauten aus romanischer Zeit in Deutschland gehört.



Quedlinburgs Äbtissin Beatrix II. Gräfin von Winzenburg ließ um 1150 verschiedene Brakteaten (Hohlpfennige) im Gewicht von unter einem Gramm prägen. Sie hält die Hände wie zum Gebet in die Höhe, auf einem zweiten Silberstück hält sie ein Zepter und ein Buch in die Höhe.



Der vom Bildhauer Jochen Müller geschaffene Heinrich-Brunnen in der Quedlinburger Altstadt erinnert an die Krönung des ersten deutschen Königs Heinrichs im Jahr 919. Nach der Legende soll Heinrich der Vogler, wie man ihn auch nennt, am Quedlinburger Finkenherd die Nachricht von seiner Wahl zum König erhalten haben.



Ihre Herkunft als sächsische Prinzessin unterstrich die Quedlinburger Äbtissin Hedwig mit dem Wappen auf der Rückseite des Talers von 1617. Auf der Vorderseite steht König Heinrich der Vogeler, dem 919 nach der Legende die deutsche Königskrone angetragen worden sein soll, als er gerade mit dem Vogelfang beschäftigt war.



Der Taler erinnert an die Äbtissin Anna Dorothea von Sachsen-Weimar, die 1704 starb. Ein Jahrhundert später fiel Quedlinburg an Preußen und war für einige Jahre Teil des von einem Bruder des französischen Kaisers Napoleon I. beherrschten Königreichs Westphalen.



Vor dem Rathaus von Quedlinburg hält der steinerne Roland Wache. Die über die Aufsässigkeit ihrer Untertanen erzürnte Äbtissin Hedwig, die mit dem sächsischen Herrscherhaus verwandt war und von ihm unterstützt wurde, ließ das Standbild 1477 stürzen und zerschlagen. Die Reste überdauerten die Zeiten auf dem Hof des Quedlinburger Ratskellers und wurden 1869 zur Freude der geschichtsbewussten Einwohner wieder zu einer Figur zusammengefügt. Prinzessin Amalie von Preußen war Äbtissin in Quedlinburg und ging als bedeutende, freilich nicht einfache Förderin zeitgenössischer Musil und Musiker in die Geschichte ein. (Fotos/Repros: Caspar)

Die seit 1994 auf der Unesco-Liste des Weltkulturerbes stehende Fachwerkstadt Quedlinburg wurde 2003 durch eine Gedenkmünze zu 100 Euro zu ehren. Mit ihr eröffnete die Bundesrepublik Deutschland eine Serie von Goldmünzen, die ausgewählten Orten des Weltkulturerbes gewidmet ist. Die Bildseite erinnert an die Entstehung der mit über tausend Fachwerkbauten bestückten Stadt und kombiniert Elemente eines Siegels von König Heinrich I. mit einer Ansicht der mittelalterlichen Stiftskirche. Der Schriftblock darunter erwähnt herausragende sakrale Baudenkmäler den Schlossberg mit dem ehemaligen Damenstift und der Stiftkirche St. Servatius. Diese Miniatur wird eingerahmt von Buchstaben aus einem Siegel, das der aus sächsischem Herzogsgeschlecht stammende König Heinrich I. der Vogler (reg. 919-936) führte. Er machte die "Villa quake dicitur Quitilingaburg", so die erste urkundliche Erwähnung von 922, zu einem Zentrum des damaligen deutschen Reichs. Zahlreiche Besuche deutscher Könige und Kaiser im 10. bis 13. Jahrhundert in Quedlinburg, aber auch der Bau von Kirchen und Klöstern belegen die herausragende Stellung der Stadt als politisches und geistliches Zentrum im hohen Mittelalter.

Die auf Heinrich I. verweisenden Schrift- und Bildkürzel laden nach Meinung der damaligen Jury dazu ein, sich intensiv mit der Geschichte Quedlinburgs zu befassen. Die auf der Goldmünze dargestellte Damenstiftskirche ist dem Heiligen Servatius gewidmet und birgt die Gebeine des 936 verstorbenen Königs Heinrich I. und seiner Gemahlin Mathilde, der Gründerin des adligen Damenstifts, deren Äbtissinnen im 12. Jahrhundert, einem Trend der Zeit folgend, eigene Münzen prägen ließen. Auf diesen Brakteaten aus hauchdünnem Silberblech ist Beatrix II., die Vorsteherin der Fürstabtei Quedlinburg, mal allein in einer Architekturkulisse sitzend, mal gemeinsam mit dem als Vogt der Abtei tätige Pfalzgraf Friedrich II. abgebildet. Porträtähnlichkeit haben die Stempelschneider von damals nicht angestrebt. Wichtig war bei diesen zerbrechlichen Hohlpfennigen, so ihr anderer Name, nicht angestrebt. Da das von adligen Damen bewohnte Stift das Münzrecht besaß, hat es dieses einträgliche und prestigeträchtige Privileg auch später vereinzelt genutzt.

Amalie und die Musik ihrer Zeit

Damenklöster dieser Art waren einträgliche Versorgungsstätten für unverheiratete Fürstentöchter, denn nicht jeder war eine standesgemäße Heirat vergönnt. Sammler von Münzen geistlicher Fürstentümer kennen die seltenen Taler aus den Jahren 1617 und 1705, die die Quedlinburger Äbtissinnen Dorothea von Sachsen und Anna Dorothea von Sachsen-Weimar ehren. Eine berühmte Klostervorsteherin war Amalie, eine Tochter des preußischen Soldatenkönigs Friedrich Wilhelm I. und Schwester seines Nachfolgers Friedrich II., des Großen. Angeblich soll sie eine intime Beziehung zu dem Offizier und langjährigen Gefangenen Friedrichs II., Friedrich von der Trenck, unterhalten haben. In guter Erinnerung ist Amalie als Besitzerin einer nach ihr benannten Sammlung von Notenhandschriften, die an die Königliche Bibliothek zu Berlin, der Vorgängerin der heutigen Staatsbibliothek, fiel. Die Amalienbibliothek enthält neben Werken von Agricola, Graun, Hasse, Händel, Palestrina und Carl Philip Emanuel Bach vor allem Werke von Johann Sebastian Bach.

Seit 1755 Äbtissin von Quedlinburg, übte Amalie sie ihr Amt in Berlin aus, denn sie war nur dreimal in ihrer Abtei, die ihr jene finanziellen Mittel einbrachte, um ein standesgemäßes Leben als preußische Prinzessin führen zu können. Historiker haben Mühe, ihr Leben zu rekonstruieren, fest steht nur, dass sie mit zunehmendem Alter immer verschrobener und einsamer wurde. Nicht geringen Einfluss hatte die musikbegabte Amalie auf die Musik und die Musiker ihrer Zeit. Erst nach dem Tod ihres amusischen Vaters 1740 war der Siebzehnjährigen ein geregelter Musikunterricht mit Klavier, Gesang und Komposition erlaubt. Bekanntlich hielt der Soldatenkönig von Frauen und speziell von seinen Töchtern wenig, und wenn er wieder einmal Vater eine solchen wurde, hat ihn das geärgert. Als Äbtissin von Quedlinburg mit Hauptsitz in Berlin leistete sie sich mit Johann Philipp Kirnberger einen eigenen Hofmusiker. Dieser stammte aus dem Umfeld des 1750 in Leipzig gestorbenen Thomaskantors Johann Sebastian Bachs. Das Verhältnis Prinzessin Anna Amalias zu den Komponisten und Musikern ihrer Zeit wird als schwierig geschildert, ihr Urteil war hart und gefürchtet.

Stiftskirche als Kultstätte der Nazis

Erwähnt sei, dass der 1843 zum preußischen Konservator ernannte Architekt und Kunsthistoriker Ferdinand von Quast (1807-1877) die damals ziemlich marode Stiftskirche St. Servatius vorbildlich restauriert hat. Quast besitzt leider nicht die Prominenz eines Balthasar Neumann, Gottfried Semper oder Karl Friedrich Schinkel, sonst hätte man ihm vielleicht 2007 zu seinem 200. Geburtstag ebenfalls eine Gedenkmünze gewidmet. Wie der Braunschweiger Dom, so wurde auch die Quedlinburger Stiftskirche als so genannter König-Heinrich-Dom von den Nazis in eine nationalsozialistische Weihestätte umgewandelt und für Propagandazwecke missbraucht.

Im Zweiten Weltkrieg beschädigt, haben Denkmalpfleger in den vergangenen Jahrzehnten den Burgberg und seine wertvollen Bauten wie auch Teile der in DDR-Zeiten stark vernachlässigten Altstadt wieder instand gesetzt. Allerdings sind Sanierungs- und Restaurierungsmaßnahmen immer wieder nötig, denn eine Stadt mit diesem Alter und dieser fragilen Bausubstanz ist ein ständiger Pflegefall. Die Aufnahme der Quedlinburger Bauten 1994 in die Welterbeliste kann der Beschaffung der nötigen Mittel nur dienlich sein.

22. März 202

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