Nicht alles stimmt, was über Münzen erzählt wird (2)
Seltsame Namen und Bilder regten schon immer die Fantasie der Menschen an und führten zur Legendenbildung



Peters Ziel war es, das Russische Reich dem Standard westeuropäischer Ländern anzugleichen und es zu einer allgemein geachteten, ja gefürchteten Großmacht zu machen. Das gelang durch gesetzgeberische und organisatorische Maßnahmen, aber auch mit Waffengewalt und Schließung von Bündnissen mit auswärtigen Monarchen. Peter der Große, hier dargestellt auf einem Fünfhundert-Rubel-Schein, trug nur einen kleinen Oberlippenbart, der auch in Westeuropa üblich war. Die farbige Grafik zeigt, wie einem Bojaren der Bart gestutzt wird.





Das Kupferzeichen, volkstümlich Bartkopeke genannt, diente im frühen 18. Jahrhundert als Quittung für die von Peter dem Großen erhobenen Bartsteuer. Die russische Inschrift lautet in der Übersetzung „Das Geld ist erhoben“. Wenn russische Münzen vorgelegt werden, ist manchmal zu entscheiden, ob es sich um ein Original etwa des 17. oder 18. Jahrhunderts oder eine Nachprägung für wohlhabende Sammler oder ein ganz neues Produkt handelt.



Von dem 1825 in vorauseilendem Gehorsam geprägten Konstantinrubel kommen nur ganz wenige Exemplare vor. Selten sind auch die unter dem Zaren Nikolaus I. zwischen 1828 und 1845 hergestellten und bald wieder eingeschmolzenen Platinmünzen, gegen die sich kein Geringerer als Alexander von Humboldt ausgesprochen hat.





Mit acht Groschen wurden Soldaten in der preußischen Armee Woche für Woche entlohnt. Das war zum Leben wenig und zum Sterben zu viel. Aus dem Sold hat man den Begriff „Achtgroschenjunge“ abgeleitet und damit gemeint, dass so einer für Geld alles tut. Mit den so genannten Sterntalern sollen die Hinterbliebenen der in Amerika für fremde Interessen verbluteten Hessen „entschädigt“ worden sein.



Viele 1816 und 1817 in Berlin geprägte Kammerherrentaler kommen abgegriffen vor, selten sind Stücke in exzellenter Erhaltung.



Solche Doppeltaler, für die man eine Flasche Champagner bekam, dürften viele Arbeiter, Tagelöhner und andere schlecht bezahlte Menschen niemals in der Hand gehabt haben.



Der Verzicht des Schweriner Großherzogs Friedrich Franz II. auf die Formel V. G. G.(Von Gottes Gnaden) in der Umschrift des 1848 in Berlin geprägten Talers verschaffte ihm den Namen Angsttaler. Woher er kommt, kann nicht gesagt werden.



Dass ihm keine Fürsten die Krone antragen, sondern Leute aus dem Volk, also Vertreter der 1848/49 in Frankfurt am Main tagenden Nationalversammlung, hat Friedrich Wilhelm IV. so in Wut versetzt, dass er deren Abgesandte mit rüden Worten abservierte. Die Karikaturen zeigen den „Romantiker auf dem Thron“ mal als „Schafskopp“, wie die Berliner sagen, auf dem Thron beziehungsweise als dem Champagner erlegener Säufer, der mit der Kaiserkrone spielt.



Die in der Kaiserzeit geprägten Ausgaben zu 2,5 Tola verbinden das Bildnis der Hammonia und das hamburgische Wappen mit Angaben über ihren Feingehalt und das Gewicht.



Der 1952 in Hamburg geprägte Europino war nur eine Eintagsfliege und ist heute eine begehrte Rarität. (Fotos/Repros: Caspar, Künker)

Peter I., der Große, wie die Mit- und Nachwelt den berühmtesten aller Zaren nennt, war ursprünglich zur Thronfolge nicht bestimmt. Mit zehn Jahren wurde er 1682 nach dem Tod seines älteren Bruders, des Zaren Fjodor III., unter Umgehung seines schwachsinnigen Stiefbruders Iwan V. zum Zaren ausgerufen. Da Peter noch zu jung war, übernahm seine Stiefschwester Sophie die Regentschaft. Um ihn von den Staatsgeschäften fernzuhalten, wuchs der junge Mann außerhalb von Moskau auf. Dort befasste er sich mit Kriegs- und Flottenspielen und interessierte sich für technische Fragen. Peter betätigte sich handwerklich und suchte Kontakt zu gebildeten Westeuropäern. 1689 entmachtete er seine Stiefschwester, schickte sie ins Kloster und übernahm die Allein- oder Selbstherrschaft, wie es auch auf russischen Münzen heißt. Aus dem Nordischen Krieg von 1700 bis 1721 ging der Zar nach vielen Schlachten zu Wasser und zu Lande gegen König Karl XII. von Schweden siegreich hervor. Seinen Triumph über diesen seinen Hauptfeind ließ er auf zahlreichen Medaillen feiern, und auch sonst spielten Krieg und Frieden, aber auch die Entwicklung des Landes zu einer Großmacht mit einer starken Armee und Flotte auf ihnen eine große Rolle.

Der Einfluss westeuropäischer Politiker und Berater an seinem Hof prägte Peters Weltbild, das mit den altrussischen Verhältnissen in Konflikt geriet. Der Zar reorganisierte die Verwaltung und schränkte den Einfluss der Kirche ein. Dass er sich mit Ausländern umgab, trug ihm den Hass vieler Landsleute ein, die sich zurückgesetzt fühlten. Peters Wunsch, dass sich russische Männer ihre langen Bärte abschneiden lassen und westeuropäische Kleider tragen sollen, wurde zähneknirschend befolgt. Die in Moskau als Quittung für die Entrichtung einer speziellen Steuer auf das Tragen von Bärten geprägten Kupfermarken, auch Bartkopeken genannt, sind begehrte Sammelstücke und suchen in der internationalen Münzgeschichte ihresgleichen. Die meisten erhalten gebliebenen Marken sind rund, es gibt aber auch eckige, wohl nur probeweise hergestellte Ausgaben. Gegenstempel auf manchen Stücken beweisen, dass eine Kontrolle vorgenommen wurde. Auf ihnen ist zu erkennen, was den Zaren störte und woraus er Geld zu schlagen verstand. Denn zu seiner Zeit war in vornehmen Kreisen westlich der Grenzen seines Reiches eine solche Gesichtsbehaarung verpönt. Widerstand gegen die diktatorischen Maßnahmen Peters des Großen und seine Eingriffe in das Privatleben seiner Untertanen war zwecklos und wurde mit Verbannung oder Todesstrafe geahndet. Bei der Verfolgung seiner Feinde konnte der Selbstherrscher aller Reußen unerbittlich und grausam sein, worin er sich nicht von anderen Zaren, sowjetischen Diktatoren sowie weiteren Tyrannen unterschied.

Widerstand gegen den Zaren war zwecklos

Abgaben auf Bärte aller Art waren nicht die einzigen, mit denen der Zar seine Untertanen erboste und schröpfte, denn er erließ weitere Steuern etwa auf Badehäuser, Stiefel, Brennholz und sogar Ofenrohre, es gab auch Perücken-, Fenster- und Rasierpinselsteuern. Eine allgemeine Besteuerung von Nahrungsmitteln und Verbrauchsgütern wie bei uns kannte man damals noch nicht. 1715 betrug die Bartsteuer 50 Rubel, was für einfache Leute kaum erschwinglich war. Das erwirtschaftete Geld brauchte der Zar zur Finanzierung des gegen Schweden geführten Nordischen Kriegs. Jahrzehnte später hat Katharina II., die Große, die als lächerlich empfundene Bartsteuer abgeschafft.

Übrigens war Russland unter Peter dem Großen nicht das einzige Land mit einer Bartsteuer, das hatte es auch in Frankreich im 16. Jahrhundert gegeben. König Franz I. stieß sich daran, dass sich Geistliche einen Bart wachsen lassen und des Königs Barttracht nachahmen. Er konnte den Papst bewegen, dass er ihm gestattete, kirchliche Bartträger mit einer Abgabe zu belegen, was zu Ärger innerhalb der Geistlichkeit führte. Hohe Würdenträger konnten sich ihren Gesichtsschmuck erkaufen und waren sofort als „bessere Menschen“ zu erkennen, während sich die niedere Geistlichkeit aus finanziellen Gründen rasieren musste und damit diskriminiert war. Die Pariser Sorbonne entschied 1561, dass das Tragen eines Bartes mit „priesterlicher Ehrbarkeit“ unvereinbar ist, und stellte einheitliche Verhältnisse her. Damit war auch die Abgabe vom Tisch, denn Geistliche trauten sich nicht mehr, mit einem Bart unter die Leute zu gehen.

Novodely und Konstantinrubel

Selbst erfahrenen Fachleuten und pfiffigen Sammlern können Irrtümer bei der Beurteilung der Frage „echt oder falsch“ passieren. Aufgrund guter Beziehungen zum Zarenhof und zur Münzverwaltung versorgten sich russische Sammler legal mit Nachprägungen, für die alte oder auch neu geschnittene Stempel verwendet wurden. So ist Vorsicht beim Erwerb russischer Münzen, und zwar nicht nur von ausgesprochenen Raritäten, angebracht. Der Brauch, diese „Novodely“ (die Neugemachten) herauszubringen, geht auf Zar Peter III. zurück, der zumindest mit Duldung seiner Gemahlin Katharina II., einer aus Anhalt-Zerbst stammenden Prinzessin, umgebracht wurde. Im Ukas 170 von 1762 bestimmte der Kaiser: „Jede Privatperson ist berechtigt, beim St. Petersburger Münzhof nicht nur eine beliebige Anzahl aus dem Verkehr gezogener Münzen, sondern ganze Sammlungen von Münzen aus den verflossenen Jahren, die bereits aus dem Verkehr gezogen sind, zu bestellen“. Wo keine alten Stempel vorhanden waren, durften neue nach alten Vorbildern geschnitten und verwendet werden, was von Sammlern und Händlern weidlich ausgenutzt wurde. Nicht in jedem Fall sind die Nachprägungen als solche zu erkennen. Der Münzfachhandel müht sich nach bestem Wissen, Altes von Neuem zu trennen. Fälschungen im eigentlichen Sinne sind die alten Sammleranfertigungen aus Gold, Silber und Kupfer nicht, weil hinter ihnen eine offizielle Behörde stand. Die russischen Novodely werden gern gesammelt und, wie kann es anders sein, auch nachgemacht.

Unter den numismatischen Raritäten des Zarenreiches ragt der legendäre Konstantinrubel aus dem Jahr 1825 heraus. Er erinnert daran, dass für kurze Zeit die Thronfolge nach dem überraschenden Tod von Zar Alexander I. unklar war. Beamte der Petersburger Münze glaubten, dass Großfürst Konstantin Pawlowitsch, der zweite Sohn von Paul I., neuer Zar ist. Sie konnten nicht wissen, dass es in der Herrscherfamilie wegen Konstantins unstandesgemäßer Heirat eine geheime Übereinkunft gab, in der dieser seinen Verzicht auf den Thron erklärte und dem jüngeren Bruder Nikolaus Pawlowitsch die Herrschaft abtrat. Als das bekannt wurde, hat man in Sankt Petersburg die in vorauseilendem Gehorsam begonnene Prägung der Rubel mit Konstantins Kopf und dem Zarenadler eingestellt und die schon hergestellten Stücke bis auf einen kleinen Rest vernichtet. Nach Angaben von Iwan Georgewitsch Spasski, dem großen Kenner der russischen und sowjetischen Münzgeschichte, befanden sich 1976 noch fünf Konstantinrubel in der Petersburger Eremitage beziehungsweise im Moskauer Historischen Museum. Da sich in der Zarenzeit reiche und einflussreiche Sammler Nachprägungen von dieser Top-Rarität zu verschaffen wussten, kommen sie gelegentlich in Privathand vor, außerdem gibt es Fälschungen.

Humboldt riet von Platinmünzen ab

Seit dem Altertum gab es nur wenige für die Münzprägung geeignete Metalle - Gold, Silber und Kupfer, manchmal auch Bronze und Messing. Erst im 19. Jahrhundert kamen weitere Metalle hinzu, und zwar Platin, Aluminium und Zink. Platin steht in der allgemeinen Gunst höher als Gold, doch das war nicht immer so. Umgekehrt besitzt das Aluminium, das im 19. Jahrhundert für kurze Zeit wie Gold aufgewogen wurde, als Münzmetall wenig Ansehen. Die während der Regierungszeit von Nikolaus I. zwischen 1828 und 1845 geprägten Platinrubel sind ein treffliches Beispiel dafür, wie man es damals verstand, die reichen Bodenschätze des Russischen Reichs profitabel zu vermarkten. In jenen Jahren wurden Werte zu drei, sechs und zwölf Rubel hergestellt. Obwohl die Auflagen recht groß waren, blieben nur wenige Stücke erhalten, was sie zu großen numismatischen Raritäten macht und im Münzhandel und auf Auktionen beträchtliche Preise erzielen lässt.

Platin war um 1819 im Ural entdeckt worden. Zuvor hatte man im Erzbergbau gefundenen Spuren des silbrig schimmernden Edelmetalls keine Aufmerksamkeit geschenkt und den Abraum unbeachtet auf Halden gefahren. Doch als es russischen Wissenschaftlern gelang, im Zusammenhang mit der Goldgewinnung auch reines Platin zu erzeugen, geriet das Edelmetall in den Blick der Regierung, die darüber nachdachte, was man aus ihm machen kann. Um 1825 wurde überlegt, ob es nicht sinnvoll ist, es für die Münzprägung zu nutzen. Um ganz sicher zu gehen, wurde der deutsche Naturforscher und Weltreisende Alexander von Humboldt vom russischen Finanzminister Georg von Cancrin um eine Stellungnahme gebeten. Der in Russland geschätzte Gelehrte war für dieses Gutachten bestens prädestiniert, denn er verfügte auch in Bezug auf Münzangelegenheiten aus seiner Zeit als Bergbaubeamter in preußischen Diensten über gute Erfahrungen. Humboldt riet von der Platinprägung mit dem Hinweis ab, dass Gold-, Silber- und Kupfermünzen zur Geldherstellung ausreichen würden und ein drittes, zudem noch mit Silber zu verwechselndes Edelmetall nur Verwirrung stiften würde. „Ich kann Euer Exzellenz nur beipflichten in dem Wunsche, jenen Reichthum von Platina, mit dem die Vorsehung die Russischen Staaten beglückt hat, nutzbar für die arbeitende Menschen-Klasse und für das Handels-Verkehr der Völker zu machen. Ich kann nur beipflichten in dem, auf weise Vorsicht gegründeten Entschlusse, der neuen Platina-Münze einen freiwilligen Umlauf, gleichsam als Luxus-Münze anzuweisen. Da Euer Exzellenz gewiss freimüthige Äusserungen über die vorgelegte Frage erwarten, so muss ich mich dahin aussprechen, dass jegliche Anwendung von Platina als Münze mir noch immer bedenklich vorkommt“, schrieb Humboldt dem Finanzminister und warnte vor „schmerzhafter Verwirrung“ im Russischen Münzwesen. Dem Metall mit der „kalten, ungefälligen Farbe“ gab der Gelehrte lediglich eine Zukunft als Material für Gefäße aller Art und riet, es für Orden und Medaillen einzusetzen, um auf diese Weise Gold einzusparen. Des Weltreisenden Einwände nutzten nichts, und so kamen die ungeliebten, „Grauchen“ genannten Platinmünzen auf den Markt. Sie wanderten in großer Zahl ins Ausland ab , wurden dort eingeschmolzen und starteten schon bald eine neue Karriere in der sich stark entwickelnden Chemie-und Schmuckindustrie.

Magdeburger Hurenkarrentaler

Im Verlauf ihrer langen Geschichte hat die Stadt Magdeburg Gedenkmünzen geprägt, um Ansprüche auf ihre Reichsfreiheit zu betonen, auf ihre ruhmreiche Vergangenheit hinzuweisen und ihre Treue zur Lutherschen Lehre zu unterstreichen. Der in verschiedenen Varianten geprägte Interimtaler von 1549 greift mit dem Spruch PACKE DI SATHAN DV INTERIM das Augsburger Interim an. Die Interim genannte Zwischenzeit wird durch ein dreiköpfiges Ungeheuer, den Satan, symbolisiert, das vergeblich gegen Jesus Christus anzukämpfen versucht. Die Taufe des Heilands auf der Rückseite der Magdeburger Münze wird von einem plattdeutsch formulierten Spruch DIT IS MIN LEVE SON DEN S GI HO umschlossen. Kaiser Karl V. hatte nach dem Sieg über den Schmalkaldischen Bund (1547) versucht, seine gegen das Lutheranertum gerichteten religionspolitischen Ziele durchzusetzen. Das Augsburger Interim wurde von protestantischer Seite abgelehnt, wobei sich Magdeburg durch besonderen Eifer hervortat.

Doch auch die Katholiken waren mit der Verordnung unzufrieden. Lange konnte sich der Kaiser seines Sieges nicht erfreuen, denn schon 1552 musste er nach einem Aufstand protestantischer Fürsten das Interim zurücknehmen und die konfessionelle Spaltung des römisch-deutschen Reiches akzeptieren. Johann David Köhler, der Herausgeber und Autor der „Wöchentlichen Historischen Münzbelustigungen“ fragte sich 1750, ob der Interimtaler von 1549 aus Magdeburg stammt, wo die Stadt doch erst später das Münzrecht erhielt. Er beschreibt das grässliche Ungeheuer mit stacheliger Schwanzspitze, schildert den geschichtlichen Hintergrund dieser Schmähprägung, deren Urheber sich aus Furcht vor Strafe nicht zu erkennen gab, und übersetzt die Inschrift um die Taufszene so: „Dies ist mein lieber Sohn, du sollst ihn hören“.

An die Gründung von Magdeburg durch Kaiser Otto den Großen erinnert der so genannte Hurenkarrentaler von 1622. Die Ausgabe kommt als einfacher und mehrfacher Taler, aber auch als Klippen und sogar als Zehn-Dukaten-Stücke im Gewicht von 31 bis 34 Gramm vor. Dargestellt ist auf der Vorderseite der reitende Kaiser, während auf der Rückseite vier nackte Frauen auf einem Wagen stehen, der von Schwänen gezogenen wird. Die Inschrift unter dieser Szene „Venus die heydnisch gottin zart. / so blos hier angebettet wart / Hegegen gepflantzt an dies: ort“ meint, dass der Ort ein Hort des Heidentums und der Lust war, bevor Kaiser Otto I. ihn zu einer christlichen, ganz der Sitte und Moral verpflichteten Stadt machte. In den „Münzbelustigungen“ von 1750 setzte sich Köhler mit dem Hurenkarrentaler auseinander und bildet ihn ab. „Unter einem solchen ehrbarn und züchtigen Volcke, welches die Hurerey und den Ehebruch äußerst verabscheuete, und mit der größten Strenge bestrafete, konte ein Römischer Hurentempel keinen Platz haben“, empörte sich der Gelehrte. Der Auftraggeber hätte bedenken sollen, „diesen Zucht und Ehrliebenden Teutschen angedichteten Heydnischen Greul mit einem so frechen und geilen Aufzug auf demselben vorzustellen, indem er damit veranlasset hat, daß man denselben auf allerhand Begebenheiten geschlagenen, und deswegen mit gewissen Beynahmen belegten Thalern, unter den schändlichen Nahmen des Hurenkarrenthalers beyzehlen kan“. Friedrich von Schrötter zitiert in seinem Buch über die Münzen des Erzbistums und der Stadt Magdeburg aus einer Geschichte der Stadt Magdeburg (1850), in der es heißt, „liederliche Frauenspersonen“ seien vor oder neben einem Wagen gespannt und mit Flederwischen und Schellen behängt worden. „So mussten sie ihn vom Rathause nach den Wohnungen des Bürgermeisters und des Marktrichters ziehen und bekamen Schläge, wenn sie nicht munter zuschritten“. Schrötter zufolge bestand der Brauch bis ins 18. Jahrhundert, also bis in die preußische Zeit hinein.

Landeskinder nach Amerika verkauft

Es gibt unzählige Taler mit volkstümlichen Namen, um manche wie den Sterntaler, den Landgraf Friedrich II. von Hessen-Kassel 1778 prägen ließ, ranken sich Legenden. Dass die mit dem preußischen Reichstaler vergleichbare Landmünze zu 24 Groschen von Sammlern in den USA „Blooddollar“ genannt wird, hat einen traurigen Grund. Um seine teure Hofhaltung finanzieren zu können, vermietete der Landgraf junge Männer an auswärtige Staaten, vor allem an Großbritannien. Dessen König Georg III. setzte sie in Nordamerika gegen die Unabhängigkeitsbewegung in Marsch. Den Soldaten wurde ein sicheres Auskommen versprochen, über die wirklichen Gefahren der Überfahrt und über das, was sie in der Neuen Welt erwartet, wurden sie nicht aufgeklärt. Über 20 000 Hessen mussten für fremde Interessen kämpfen, unzählige starben im Krieg zwischen England und Frankreich in Nordamerika und im Kampf gegen die Unabhängigkeitsbewegung. Der mit dem Stern des 1770 von Friedrich II. für Tapferkeit und Treue gestifteten Hausordens vom goldenen Löwen geschmückte Taler wurde zur „Entschädigung“ jener Familien verwendet, deren Väter und Söhne in Nordamerika verblutet waren oder als Verwundete die Heimat erreichten.

Seit 1760 an der Spitze von Hessen-Kassel stehend, war Friedrich II. der erste und einzige Herr über die Landgrafschaft nach der Reformation, der zum katholischen Glauben übertrat. Die Vermietung oder besser der Verkauf von Soldaten gegen Subsidien war ein lukratives Geschäft, das den Landgrafen zu einem der reichsten Fürsten im Römisch-deutschen Reich machte. Er machte sich einen Namen als Bauherr, Kunstsammler und Stifter des nach ihm benannten Museums Fridericianum in Kassel sowie als Vertreter der Aufklärung. Er siedelte Industrie und Manufakturen in Hessen an, und er holte Künstler und Gelehrte nach Kassel. Auf der anderen Seite zog er wegen des Soldatenhandels bis heute Hass und Verachtung auf sich. Das scheint Friedrich II. nicht bekümmert zu haben, er brauchte das Geld, um seine großartigen Bauvorhaben in Kassel finanzieren zu können. Übrigens war Friedrich II. von Hessen-Kassel nicht der einzige Barockherrscher, der seine Untertanen gegen Geldzahlungen in fremde Kriege schickte, doch ist er der bekannteste Vertreter für diese Art Gelderwerb. Ein anderer war der sächsische Kurfürst und polnische König Friedrich August I., genannt August der Starke, der sich die „Lieferung“ besonders hoch gewachsener Männer durch den preußischen Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I. mit chinesischem Porzellan vergüten ließ. Die so genannten Dragonervasen sind in zahlreichen sächsischen Museen und Schlössern ausgestellt.

Lange war der Soldatenhandel anerkannte Praxis, erst mit der Aufklärung kam er in Misskredit. Kein geringerer als Friedrich Schiller fand mit Blick auf die Soldatenvermietung, mit der Herzog Karl Eugen von Württemberg viele Taler verdiente, starke Worte des Abscheus. Im 2. Akt, 2. Szene von „Kabale und Liebe“ erzählt ein alter Kammerdiener, dass die nach Amerika verschifften angeblichen Freiwilligen jene Edelsteine „bezahlen“, die der Fürst verschenkt. „Es traten wohl so etliche vorlaute Bursch’ vor die Front heraus und fragten den Obersten, wie teuer der Fürst das Joch Menschen verkaufe? – Aber unser gnädigster Landesherr ließ alle Regimenter auf dem Paradeplatz aufmarschieren und die Maulaffen niederschießen. Wir hörten die Büchsen knallen, sahen das Gehirn auf das Pflaster spritzen, und die ganze Armee schrie: Juchhe! Nach Amerika! [...] Noch am Stadttor drehten sie sich um und schrieen: ,Gott mit euch, Weib und Kinder! Es leb’ unser Landesvater – Am jüngsten Gericht sind wir wieder da!“

Ich bin doch kein Kammerherr

Nach den Befreiungskriegen von 1813 bis 1815 zeigte sich der preußische König Friedrich Wilhelm III. auf seinen Talern und anderen Münzen im Schmuck des 1813 gestifteten Eisernen Kreuzes, der Adler hockt auf eroberten Waffen und Fahnen. Im Eifer des Gefechts unterlief einem Stempelschneider 1816 eine Peinlichkeit, denn er setzte auf einem Taler die Inschrift FR. WILH. III K. V. PREUSS. um das königliche Bildnis. Als der König die ungewöhnlichen Abkürzung sah, soll er unwillig gesagt haben, er sei doch nicht der „Kammerherr von Preuss“. Dieser Ausruf brachte ihnen den Spitznamen Kammerherrentaler ein. Da von ihnen schon eine gehörige Anzahl geprägt war, hat man sie nicht vernichtet. Im Gegenteil wurde der Stempel noch 1817 verwendet. Dass die Kammerherrentalern viel im Umlauf waren, zeigen Gebrauchsspuren. Makellose Stücke werden gut bezahlt. Wer sich nach weiteren preußischen Münzen mit volkstümlichen Namen umschaut, begegnet auch dem Champagnertaler. Sein Name bezieht sich auf die in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts überall im damaligen Deutschen Bund, dem Zusammenschluss aller Fürstentümer und Freien Städte mit Einschluss von Österreich, geprägten Vereinsdoppeltaler, weil der Preis einer Flasche des prickelnden Getränks zwei Taler kostete. Das war für damalige Verhältnisse eine große Summe, für die Tagelöhner lange und schwer arbeiten mussten.

Um einen in Berlin mit dem Münzzeichen A geprägten Taler des Großherzogs Friedrich Franz II. von Mecklenburg-Schwerin aus dem Revolutionsjahr 1848 rankt sich die Legende, der Landesherr habe aus Angst vor der Revolution den Zusatz „V.G.G“ (Von Gottes Gnaden) weggelassen. Dies verschaffte der Silbermünze den Namen „Angsttaler“. Wer die Bezeichnung erfunden hat, ist nicht bekannt. auf jeden Fall aber war und ist die Legende durchaus verkaufsfördernd. Schaut man hinter die Kulissen, dann stellt sich heraus, dass Großherzog Paul, der Vorgänger des durch die revolutionären Ereignisse von 1848 in Angst versetzten Friedrich Franz II. die traditionell fürstliches Gottesgnadentum betonende Floskel fortließ und sich andere Monarchen, einschließlich der Könige von Preußen seit dem 18. Jahrhundert, auf ihren Münzen ebenfalls ohne den Zusatz abbilden ließen. Allerdings fällt auf, dass Friedrich Franz II. von Mecklenburg-Schwerin seine Würde auf einem 1864 ebenfalls in Berlin geprägten Taler durch den Zusatz „V.G.G.“ betonte. Auf älteren Münzen, die sich fast ausschließlich der lateinischen Sprache bedienten, ließen sich Fürsten mit der Formel D. G. oder DEI GRATIA (Von Gottes Gnaden) abbilden. Auf englischen Münzen lautet der königliche Titel konsequent bis heute D. G. REX/REGINA F. D. Von Gottes Gnaden König/Königin Verteidiger des Glaubens (Fidei Defensor).

Zu den besonderen Raritäten des 19. Jahrhunderts zählt der in nur 200 Exemplaren geprägte Frankfurter Doppelgulden von 1849 mit der Aufschrift „Friedrich Wilhelm IV Koenig von Preußen erwählt zum Kaiser der Deutschen d. 28. März 1849“. Von diesem Gedenkstück mit dem doppelköpfigen Adler ohne Krone und der Umschrift „Constituirende Versammlung i. D. F. Stadt Frankfurt 18. Mai 1848“ kommen wenige Goldabschläge vor, die besonders hoch bezahlt werden. Der Doppelgulden wurde auch mit dem einköpfigen Adler der Freien Stadt Frankfurt am Main geprägt. Als die Münzen entstanden, hatte man nicht die Rechnung mit dem Wirt, also dem König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen, gemacht, denn er lehnte das Angebot, Kaiser der Deutschen zu werden, entrüstet ab. Eine Kaiserkrone aus der Hand des Volkes war in seinen Augen ein mit dem Ludergeruch der Revolution behafteter „Reif von Dreck und Letten“.

In der Frankfurter Nationalversammlung hätte man wissen müssen, wie der konservativ denkende, am feudalen Ständestaat eisern festhaltende König von Preußen zur Kaiserfrage steht. Dass man in vorauseilendem Gehorsam sogar Münzen und auch einige Medaillen auf den „Imperator Germaniae“ prägte, zeugte von politischer Blauäugigkeit. Auf der anderen Seite entstanden so numismatische Kuriositäten in der an Merkwürdigkeiten reichen Münzgeschichte des 19. Jahrhunderts. Als die Nationalversammlung Erzherzog Johann von Österreich zu einer Art deutschem Staatsoberhaupt wählte, hat man Doppelgulden geprägt. Diese Stücke von 1849 mit der Aufschrift „Erwählt zum Reichsverweser über Deutschland“ sind relativ häufig und dürften in keiner Talersammlung fehlen.

Das Märchen vom Love-Dollar

Um viele Münzen ranken sich merkwürdige, unglaubliche Geschichten, manche sind ausgesprochen verkaufsfördernd wie die Legende um den so genannten Frankfurter Love Dollar. Damit sind jene Taler und Doppeltaler gemeint, welche die Freie Stadt Frankfurt am Main Mitte des 19. Jahrhundert mit ihrer Symbolfigur, der Francofurtia, prägen ließ. Münzfreunde in den USA sahen in der schönen Frau eine Geliebte des Bankiers Rothschild und waren begierig, die mit einer angeblichen Liebesgeschichte verbundenen Münzen zu bekommen. Zu begehrten Sammelstücken avanciert, wurden die Silberstücke profitabel von Spekulanten vertrieben. Das auch von dem damals bekannten und wegen seiner antisemitischen Äußerungen berüchtigten Historiker Heinrich von Treitschke kolportierte Gerücht, die kostbar gewandete Dame auf der Münze habe eine Liebesbeziehung mit einem Vertreter des Frankfurter Bankhauses Rothschild gehabt, war zwar falsch, besaß aber wundersame Werbewirkungen. In der Mainmetropole konnte man über die Spekulationen nur den Kopf schütteln, denn hier war man überzeugt, dass sich der Stempelschneider August von Nordheim die seinerzeit gefeierte Frankfurter Schauspielerin Fanny Janauschek zum Vorbild genommen hatte. Dass die Symbolfigur einen Kaisermantel mit gesticktem Reichsadler darauf trägt, deutet auf die 1806 im Zusammenhang mit dem Untergang des Heiligen Römischen Reichs deutscher Nation aufgegebenen Reichsunmittelbarkeit von Frankfurt am Main. Zudem weisen das auf einigen Ausgaben links und rechts des Frauenbildnisses angebrachte Eschenheimer Tor und der Turm des bei Krönungen genutzten Kaiserdoms auf die ruhmreiche Vergangenheit der Mainmetropole hin.

Dank der Henker an ihren Vorgesetzten

Nach der deutschen Reichseinigung von 1871 wurden die in verwirrender Vielzahl auch in der Freien und Hansestadt Hamburg kursierenden Sorten eingezogen und nach und nach durch das neue Reichsgeld ersetzt. Im Schmelztiegel landeten massenhaft die guten alten hamburgischen Markstücke, die wegen ihres hohen Silberanteils mit 1,20 (Reichs-)Mark bewertet wurden, sowie andere Münzen, die über die Jahre in den Haushalten gehortet worden waren. 1871 orientierte sich der Name der Einheitswährung, um Irritationen zu vermeiden, nicht am norddeutschen Taler oder am süddeutschen Gulden, sondern an der seit dem späten Mittelalter mit großem Erfolg wegen ihrer guten Qualität geprägten Hamburger und Lübecker Mark.

Im Mittelalter und lange danach wurden Verbrecher und solche, die man dafür hielt, auf barbarische Weise vom Leben zum Tod befördert. Die Henker und ihre Knechte, die die Hinrichtungen durch Feuer und Schwert, Strick und Rad, heißes Öl und Ertränken durchführten, gehörten keineswegs zu den „ehrbaren“ Berufen und besaßen, obwohl sie im damaligen Justizsystem wichtige Funktionen ausübten, nur geringes Ansehen. Man ging ihnen nach Möglichkeit aus dem Weg, und wenn mal wieder eine Seuche herrschte, wurde den verängstigten Leuten geraten, Leichenwäscher, Totengräber, Henker und Hexen zu meiden, weil von ihnen angeblich nur Unheil ausgeht.

In Hamburg standen die Henker aus gutem Grund unter staatlichen Schutz. Sie erfreuten sich als Organe der Justiz der besonderen Fürsorge desjenigen Senators, der für ein Jahr das Amt des ältesten Gerichtsherrn, auch Praetor genannt, ausübte. Wenn er aus dem Amt schied, erhielt er vom Henker zum Dank für gewährten Schutz einen silbernen Scharfrichterpfennig. Von diesen medaillenartigen Silberstücken ohne Geldwert gibt es sorgfältig gearbeitete Exemplare, die für die Zeit 1541 bis 1810 belegt sind. Der Verzicht auf die Scharfrichterpfennige fällt mit der für die Bewohner überaus schweren Zeit der Besetzung der Hansestadt durch Truppen von Kaiser Napoleon I. und ihrer Umwandlung in das Zentrum eines französischen Departments zusammen. Handelte es sich bei den Geschenken der Henker an ihren Schutzherrn anfangs um bescheidene gravierte Silberscheiben, so ging man schon bald zu gegossenen, manchmal inwendig hohlen Exemplaren über. Dann und wann legte man um die Scharfrichterpfennige gewundene Silberringe, und es kommen auch Exemplare mit Spuren von Vergoldung und mit Henkeln und Ringen vor. Dargestellt sind auf der einen Seite das aus einer Torburg bestehende, auf unzähligen städtischen Münzen abgebildete Hamburger Wappen, während auf der Rückseite das Wappen des mit einem Scharfrichterpfennig beschenkten Senators angebracht ist.

Hamburger Tolar-Münzen fürs Ausland

Eine Besonderheit der Hamburger Münzgeschichte aus der Zeit nach 1871 stellen die seltenen und seltsamen Handelspiaster dar, über die es in der zeitgenössischen Fachpresse einiges Rätselraten gab. In den „Berliner Münzblättern“ wurde nach ihrem Sinn gefragt und wo sie hergestellt wurden. Recherchen ergeben, dass die unterschiedlich gestalteten Handelspiaster in den 1870-er Jahren eine Antwort auf Vorschläge des aus Hamburg stammenden Göttinger Professors Adolf Soetbeer waren, parallel zu den Reichsgoldmünzen, die Privatleute mit eingeliefertem Gold gegen eine kleine Gebühr in den offiziellen Münzstätten schlagen lassen durften, auch silberne Handelsmünzen herzustellen. Der Währungsexperte erinnerte daran, dass Silber im Orient sowie in Indien und China als Rohstoff für Münzen und Schmuck großes Ansehen genießt. Durch die Ausprägung solcher Münzen könne man in Zeiten, da im Deutschen Reich eine Goldwährung existiert, die inländischen Silbervorräte abbauen und analog zu den österreichischen Maria-Theresien-Talern mit der Jahreszahl 1780 oder den beliebten mexikanischen Peso-Münzen mit solchen deutschen Handelsmünzen gute Auslandsgeschäfte tätigen. Da im deutschen Kaiserreich infolge der Umstellung auf die neu geschaffene Mark alte Silbermünzen massenhaft eingezogen und eingeschmolzen wurden, gab es beim Silber einen Überfluss und Preisverfall. Diesen Überhang gelte es durch Prägung spezieller für das Ausland bestimmter Münzen nach und nach abzubauen und daraus Profit zu gewinnen, schlug Soetbeer vor.

Das Tolar-Projekt stieß in Hamburg auf wenig Gegenliebe, doch kam es zur Prägung von verschieden gestalteten Handelspiastern. Da sie ganz anders gestaltet waren wie die regulären Fünf-Mark-Stücke, konnten sie mit diesen nicht verwechselt werden. Die Reichsregierung nahm an den numismatischen Novitäten Anstoß, weil auf ihnen das Wappen der Freien und Hansestadt erscheint, die ja ein zum Deutschen Reich gehörender Bundesstaat war, zum anderen war die Öffentlichkeit wohl nicht für die Neuauflage von Münzen zu begeistern, die im 18. Jahrhundert speziell für den Handel mit Ostasien gefertigt wurden. Von den Hamburger Handelspiastern wurden nach Aussage der Akten 5459 Stück für das Hamburger Handelshaus F. W. Burchhard hergestellt. Doch dürften die meisten bald wieder eingeschmolzen worden sein, so dass nur ganz wenige Stücke erhalten sind.

Europino und falsche Sterne

Blicken wir zum Schluss in die Gegenwart. Unsere Euro-Währung hatte in den frühen 1950er Jahren einen Vorläufer, doch hieß sie anders, nämlich Europino. Ein passendes Silberstück entstand in einer Zeit, als in Westeuropa die Trommel für die wirtschaftliche und politische Vereinigung des Kontinents gerührt wurde, sofern er nicht unter kommunistischer Vorherrschaft stand. Berühmt wurde der Ausspruch des französischen Finanzexperten Jacques Rueff aus dem Jahr 1950: „Europa entsteht über das Geld, oder es entsteht gar nicht“. Zwei Jahre später wurden in amerikanischem Auftrag versuchsweise in der Hamburger Münze Münzen mit der Aufschrift „5 Europino“ geprägt. Dies geschah allerdings in einer Auflage von nur eintausend Stück, was ihre Seltenheit erklärt. Die Schrift um zwei Schwerter mit darum gewundenen Zweigen appelliert sieben Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs und mitten im Kalten Krieg mit der lateinischen Inschrift EUROPA FOEDERATA an das Ziel, die Einigung Europas mit friedlichen Mitteln herzustellen. Die Europino-Münzen sollten in allen Staaten des alten Kontinents gelten, doch war die Zeit dafür noch nicht reif. Europa vor und hinter dem Eisernen Vorhang hatte noch mit den Folgen des Zweiten Weltkriegs zu kämpfen. So blieben die Europino-Münzen Eintagsfliegen und stellten schon zur Entstehungszeit große numismatische Raritäten dar.

Der Euro wurde im Jahr 2002 eingeführt, und das war ein in jeder Hinsicht einschneidendes Ereignis, das sowohl begrüßt als auch wortreich verdammt wurde. Wer genau und systematisch ins Portemonnaie schaut und Glück hat, findet manches Geldstück, das eigentlich die Prägeanstalten nicht hätte verlassen dürfen. 1999 wurden in der Berliner Münze unter den Augen des Finanzministers Theo Waigel die ersten Euro- und Centmünzen geprägt. So schön sie aussahen, sie hatten einen „Haken“ in Gestalt der sich um ihre Achse drehenden Europasterne. Dass sie nicht richtig stehen, kam erst später heraus. In einem Brief des Leiters der Vertretung der Bundesrepublik Deutschland bei der Europäischen Kommission, Axel R. Bunz, wurde bemängelt, dass die Sterne auf den deutschen Euro-Münzen falsch angeordnet sind, „und zwar mit einer Spitze zum Außenrand der Münzen hin“. Richtigerweise müssten sie analog zur EU-Flagge mit der Spitze nach oben ausgerichtet sein.

Das Bundesfinanzministerium reagierte umgehend und versprach, „die 12 Sterne entsprechend dem bekannten Abbild auf der europäischen Flagge jeweils aufrecht, d. h. mit der Spitze nach oben zeigend im Kreis um das nationale Design anzuordnen.“ Alle bisherigen auf Vorrat mit der Jahreszahl 2002 hergestellten Münzen mit den „falschen“ Sternen würden vernichtet. Offenbar wurden nicht alle Stücke eingeschmolzen, denn sonst hatten - auf welchen Wegen auch immer – nicht ein paar Exemplare die Münzstätte verlassen dürfen. Jedenfalls tauchen ab und zu welche auf und werden auch vom Münzhandel wegen ihrer besonderen Entstehungsgeschichte für viel Geld angeboten, was auch für viele andere mit sonderbaren Bildern, Inschriften, Zuschreibungen versehenen Prägungen gilt.

19. Dezember 2022

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