Königin ohne Land sammelte Münzen
Christina von Schweden und Liselotte von der Pfalz hatten auch numismatische Ambitionen



Dass Königin Christina von Schweden und Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans, besser bekannt als Liselotte von der Pfalz, auch Münzsammlerinnen waren, ist wenig bekannt. Ihnen blieb erspart zu sehen, dass die numismatischen Schätze nach ihrem Tod in alle Winde zerstreut wurden.



Die Ex-Königin von Schweden verlebte viele Jahre in Rom und ist als Christina Alexandra im Petersdom unter einem prächtigen Grabmal bestattet.



Die Medaille von 1632 feiert Christina als Nachfolgerin ihres im gleichen Jahr bei Lützen tödlich verwundeten Vaters Gustav Adolf mit einem Bildnis und dem aus der Asche steigenden Phoenix.



Der Taler aus der Münzstätte Stettin von 1641 bildet die junge Königin in kostbarer Hofrobe und das von "wilden Männern" bewachte Wappen des unter schwedische Kontrolle gelangten Herzogtums Pommern.





Die Medaille von 1707 bildet die Herzogin von Orléans als wohlbeleibte Dame ab und zeigt sie unter einem Baldachin thronend. Zu ihren Füßen halten Löwen als Symbole ihrer deutschen Heimat Wache. Liselotte klagt in ihren Briefen oft über ihren Sohn Philippe von Orléans, der Frankreich zeitweilig für den noch minderjährigen Ludwig XV. regierte und es in chaotische Zustände führte.





Der Pfaffenfeindtaler des "dollen" Herzogs Christian von Braunschweig-Lüneburg aus dem Jahr 1622 und weitere Prägungen aus seiner Zeit hatten es Liselotte angetan. Als sie eine goldene Auswurfmünze von 1619 anlässlich der Krönung ihres Großvaters Kurfürst Friedrich V. von der Pfalz zum König in Böhmen geschenkt bekam, war sie hocherfreut.





Was ihre Münz- und Medaillensammlung enthält, hat Liselotte von der Pfalz nicht genau vermerkt, aber es dürften auch Prägungen ihres Schwagers, des französischen Königs Ludwig XIV. dabei gewesen sein, der sich die Sonne, wie auf der Medaille von 1674 zu sehen, zu seinem Symbol erwählt hat. Medaillen auf die Königskrönung des brandenburgischen Kurfürsten Friedrich III. am 18. Januar 1701 in Königsberg nannte sie ebenfalls ihr eigen. (Fotos/Repros: Caspar)

Münzen und Medaillen sammeln und über sie zu forschen, ist eigentlich Männersache, sagt man. Doch zu den Liebhabern geprägten Metalls kamen in der Barockzeit auch einige fürstliche Damen, die sich für geprägtes Metall begeisterten. Heute findet man in numismatischen Vereinen und Münzkabinetten immer öfter Frauen, die auch als Autorinnen mit vielen interessanten Publikationen in Erscheinung treten und sich erfolgreich an Ausstellungen und anderen Aktivitäten beteiligen und auch im Münzhandel tätig sind. Warum das Sammeln von Münzen und Medaillen und die Beschäftigung mit ihnen über Jahrhunderte eine Männerdomäne war, müsste noch gesondert erforscht werden. Die bekanntesten Münzsammlerinnen der Barockzeit sind Königin Christina von Schweden und die mit einem Bruder des französischen Sonnenkönigs Ludwig XIV. vermählte Herzogin Elisabeth Charlotte von Orleans, besser bekannt als Liselotte von der Pfalz. Sie machte sich einen Namen durch unzählige Briefe über das Leben am Hof von Versailles.

Als der schwedische König Gustav II. Adolf im Jahre 1632 in der Schlacht von Lützen bei Leipzig fiel, bestieg seine erst sechsjährige Tochter Christina den Thron. In weiser Voraussicht, dass der amtierende König sterben könnte, hatte der Reichsrat die erst ein Jahre alte Prinzessin 1627 zur Thronfolgerin erklärt. Bis zu ihrer Volljährigkeit im Jahre 1644 regierten andere Persönlichkeiten für die junge Monarchin, die ihre Herrschaft bis zum Jahr 1654 ausübte. Unter dem Einfluss von Jesuiten stehend, konvertierte das einzige Kind des berühmten Verteidigers des Protestantismus, als der Gustav II. Adolf gefeiert wurde, 1654 zum katholischen Glauben. Ihr Übertritt wurde von der Gegenreformation frenetisch als Sieg über das Luthertum gefeiert. Da sie nach dem Religionswechsel die schwedische Krone nicht mehr tragen konnte, musste sie auf den Thron verzichten und das Land verlassen.

Abdankung und Umzug nach Rom

Nach ihrer Abdankung mit erst 28 Jahren begab sich Christina nach Rom und blieb dort bis zu ihrem Tod im Jahre 1689. Obwohl die Ex-Königin, die sich den Beinamen Alexandra zulegte, Verbindungen zu zahlreichen Potentaten ihrer Zeit unterhielt und sich auch in Papstwahlen einmischte, hatte sie keinen entscheidenden Einfluss mehr auf die Geschicke ihrer Zeit. Vor ihrem Abgang von der politischen Bühne sorgte Christina dafür, dass ihr Vetter Karl Gustav von der Pfalz, mit dem ihre Heirat nicht zustande gekommen war, als Karl X. Gustav ihr Nachfolger wurde. Eigene Kinder hatte Christina nicht, ja sie war, ähnlich wie Elisabeth I. von England, nicht einmal verheiratet, was in der damaligen Gesellschaft zu manchen Tuscheleien führte. Auch fand man es eigenartig, dass sie wie ein Gelehrter mit den größten Geistern ihrer Zeit korrespondierte und ihre Zeitgenossen durch burschikoses Auftreten, ja das Tragen von Männerkleidung schockierte, wie ein Mann zu reiten und zu schießen verstand, mehrere Sprachen sprach und sich um keine Konvention scherte. Dessen ungeachtet brachte man der selbstbewussten und reiselustigen Ausnahmeerscheinung in der europäischen Fürstenfamilie großen Respekt entgegen.

In Erinnerung bleibt Christina von Schweden als Kunstsammlerin. Da sie sich für alles Antike interessierte, trug sie auch die numismatischen Hinterlassenschaften des Römischen Reiches und weiterer Länder aus grauer Vorzeit zusammen und pflegte damit eine männliche Leidenschaft. Sie finanzierte Ausgrabungen und besaß, passend zu ihrer Münzsammlung, auch eine wertvolle Bibliothek. Mit ihren Ambitionen zählt Christina zu den ersten prominenten Münzsammlerinnen. Hervorzuheben ist, dass sie ihre Schätze nicht für sich allein behielt, sondern sie auch der Forschung zugänglich machte. Nach ihrem Tod wurde die Münzsammlung durch Verkauf und Diebstahl dezimiert und in alle Himmelsrichtungen verstreut. Wertvolle Stücke gelangten als Kriegsbeute während der napoleonischen Zeit um 1800 nach Paris. Im Petersdom in Rom erinnert ein prächtiges Epitaph mit Bildnismedaillon und Kronenschmuck daran, dass Christina Alexandra, die frühere Königin von Schweden, in der Hauptkirche der katholischen Christenheit ihre letzte Ruhe gefunden hat. Nach ihrem Tod am 19. April 1689 wurden Teile ihres Besitzes an kostbaren Büchern, Briefen, Dokumente sowie Münzen und Medaillen von den Päpsten erworben, die große Masse aber hat man zur Deckung ihrer Schulden verkauft und so in alle Winde verstreut.

Während man in Schweden nur Silbermünzen prägte und vor allem aus dem Erz eigener Gruben die berühmten Kupferplatten im Gewicht von einem und mehreren Talern herstellte, ließ Christina in den von den Schweden während des Dreißigjährigen Kriegs eroberten Ländern entlang der deutschen Ostseeküste zahlreiche Gold- und Silbermünzen prägen. Auf ihnen ist die Königin der Schweden, Goten und Vandalen, so ihr offizieller Titel, mit einem kleinen Krönchen auf dem Kopf dargestellt. Da sie in eine kostbare Hofrobe gehüllt ist, passen ihre Münzen auch gut in eine Sammlung zum Thema "Mode auf Münzen und Medaillen".

Leben im goldenen Käfig von Versailles

Besser als bei Christina von Schweden sind wir über Liselotte von der Pfalz als Münz- und Medaillensammlerin informiert. Die Gemahlin des Herzogs Philipp I. von Orleans war eine unermüdliche Briefschreiberin, die kritisch und sarkastisch die Zustände am Hof zu Versailles beschrieb und uns so ein einzigartiges, durch spätere Publikationen gut dokumentiertes Sittengemälde der Zeit des Sonnenkönigs hinterließ. Nachdem Ludwig XIV. 1661 volljährig geworden war, riss er alle Macht an sich und ging skrupellos gegen seine Gegner im Inneren und gegen ausländische Staaten vor. Um seine Position als erster Mann im Lande abzusichern, holte er Personen von Rang und Stand samt Familien an seinen Hof, stattete sie mit einträglichen, freilich vielfach unnützen Posten sowie militärischen Kommandostellen aus. Mit einem ausgeklügelten System von Gnade und Ungnade, das bei Potentaten auch heute Usus ist, hielt er seine vor allem mit Intrigen und Liebesaffären, aber auch kostspieligen Glücks- und Kartenspielen sowie höfischen Lustbarkeiten und der Jagd beschäftigten Höflinge im goldenen Käfig von Versailles bei der Stange und machte sie von sich abhängig. Wer sich im Reich des Sonnenkönigs nicht zur katholischen Kirche bekannte, wurde terrorisiert und des Landes verwiesen. Kurbrandenburg und andere protestantische Länder haben diese Hugenotten mit Kusshand aufgenommen. Der Exodus hatte für Frankreich erhebliche wirtschaftliche und kulturelle Folgen. Als Ludwig XIV. 1715 starb, war das Land bankrott. Die wirtschaftliche Not zu lindern, wurde massenhaft Papiergeld ausgegeben, das aber von den Bewohnern abgelehnt wurde.

Liselotte ließ sich durch Schicksalsschläge, Missgunst, Ränke und zeitweiligen Entzug der königlichen Huld nicht klein kriegen und hat sich bis ans Ende ihrer Tage ihren besonderen Humor bewahrt. Sie kam aus einer hochadligen Familie, in der es zu Beginn des Dreißigjährigen Kriegs (1618-1648) sogar einen König, den kurzzeitig in Böhmen herrschenden Winterkönig Friedrich von der Pfalz gab, die große Hoffnung der Protestanten im Lande und in Europa. Nach dem Tod des Kurfürsten Karl II. von der Pfalz 1685 wurde dessen Kunstbesitz laut testamentarischer Verfügung geteilt. Die kostbare Bibliothek ging nach Hessen-Kassel, die Gemmensammlung an Liselotte und die Münzen nach Berlin. In seinem Schloss an der Spree besaß der Große Kurfürst Friedrich Wilhelm von Brandenburg ein stattliches Münzkabinett, das von namhaften Gelehrten gepflegt und so zur Keimzelle der Sammlung im Bode-Museum auf der Museumsinsel wurde.

Medaillen von Päpsten, Kaisern und Königen

So war Liselotte numismatisch vorbelastet, als sie daran ging, in Frankreich eine eigene Münzsammlung aufzubauen. Weitläufig mit dem schwedischen, preußischen und englischen Königshaus verwandt, unterhielt die "Palatina", wie man die Pfälzerin auch nannte, dorthin briefliche Kontakte und war bestens über die Vorgänge an den Fürstenhöfen in Stockholm, Berlin, London, Hannover und anderswo informiert. Angesichts ihrer großen Verwandtschaft nimmt es nicht Wunder, dass sie sich um Medaillen von dort aus Gold und Silber bemühte. In ihren vielen meist auf Deutsch geschriebenen Briefen hat sie ihre Münzen und Medaillen nur pauschal erwähnt. Doch ist es Karl Kollnig, dem Verfasser des Buches über "Liselotte von der Pfalz Herzogin von Orléans. Eine fürstliche Münzsammlerin" gelungen, das eine oder andere Stück zu identifizieren. Das Buch erschien 1987 im Verlag Gutenberg Melsungen, hat 94 Seiten und zahlreiche Abbildungen (ISBN 3-87280-043-4). Liselotte erteilte in ihrer umfangreichen Korrespondenz auch Aufträge, die eine oder andere "Medaille" oder gleich eine ganze Kollektion für sie zu kaufen, und sie bedankt sich bei ihren Vertrauten mit warmen Worten, wenn sie solche Neuerwerbung ihrem Kabinett einfügen konnte.

Wenn Liselotte von Medaillen schrieb, dann meinte sie auch Münzen. Erwähnt werden als Neuerwerbungen Prägungen etwa zur preußischen Königskrönung von 1701 und anlässlich des Besuchs des russischen Zaren Peter I., des Großen, 1717 in Paris sowie solche der Päpste und mit dem Bildnis von Martin Luther, dem sie sich als Protestantin im streng katholischen Frankreich nahe fühlte. Immer wieder zählt Liselotte mit einigem Stolz auf, wie viele Medaillen (respektive Münzen) sie schon zusammengetragen hat. Wenn sie nicht von ihrem Schatzmeister d'Avous so abscheulich bestohlen worden wäre und 50 000 Taler verloren hätte, "könnte ich Medaillen genung von Gold bekommen, nun aber kann ich nur fünf oder sechs auf einmal haben, kann doch alle Monat[e] mein Cabinet so vermehren. Erstlich hatte ich nur 160, nun habe ich 511, hoffe also mit der zeit doch ein schön[es] Cabinet mit raren Medailen zu haben", schreibt sie am 27. April 1710 ihrer Brieffreundin Kurfürstin Sophie nach Hannover. Neun Jahre später notiert sie, dass sie 930 goldene Medaillen ihr eigen nennt, leider ohne genauere Angaben über diesen Schatz zu machen.

Natürlich machte sich Liselotte Gedanken, was aus ihrer Sammlung werden soll, wenn sie eines Tages stirbt. Offensichtlich hatte ihr Sohn Philipp II. von Orléans wenig Interesse an der so liebevoll gepflegten und mit hohen Kosten angeschaffte Kollektion seiner Mutter. Die Münzen und Medaillen gingen nach ihrem Tod 1722 in kirchlichen Besitz über. Von dort gelangte sie im Laufe des 19. Jahrhunderts in das Cabinet des Médailles & Antiques der Bibliothèque Nationale in Paris. Dort befindliche Objekte kann man nicht mehr in der Sammlung der Pfälzerin zuordnen, und so geben nur ihre Briefe Auskunft über die Leidenschaft einer hochadligen Vertreterin des Barock, die sich mit alten und neuen Münzen und Medaillen beschäftigte und in ihnen so etwas wie "Öl für den Lebensdocht" sah, um ein klassisches Wort zu benutzen, das Johann Wolfgang von Goethe für seine bis heute in Weimar sorgsam verwahrte und wissenschaftlich publizierte Münz- und Medaillensammlung prägte.

20. Juli 2022

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