"Nach mir wird ein Schwan kommen"
Auf Münzen und Medaillen hat man den Reformator Martin Luther in Begleitung eines stolzen Vogels mit weißem Gefieder gezeigt





Die Hansestadt Stralsund feierte 1717 das zweihundertjährige Jubiläum der Reformation mit einer Medaille, die die Stadtansicht mit der Figur Martin Luthers kombiniert. Der Schwan zu den Füßen als Symbol ist auch auf der Medaille von 1730 zum zweihundertjährigen Jubiläum der Augsburgischen Konfession zu sehen, die Luther und Jan Hus ehrt. Die Hamburger Medaille von 1717 bezieht sich auf eine Weissagung des Jan Hus. Kurz vor seinem Feuertod 1517 soll er gesagt haben: "Heute bratet ihr eine Gans, über 100 Jahre wird kommen ein Schwan, den werdet ihr wohl ungebraten lassen."





Die unsignierte Medaille in Talerform aus der Zeit um 1717 erinnert an die Verbrennung des tschechischen Reformators Jan Hus 1415 in Konstanz. Mit ihrem Hus-Luther-Taler setzte die Stadt Magdeburg 1617 den beiden Reformatoren ein ungewöhnliches Denkmal.



Die von Luther ausgelöste Bewegung zur Erneuerung der Kirche fand ihren Niederschlag auf zahlreichen Flugschriften, Büchern und Bildern. Hier führt der Reformator die Menschen aus der Finsternis des Aberglaubens und zeigt ihnen den Weg zu Jesus Christus, beobachtet vom Papst und seinen als verachtenswert karikierten Anhängern beobachtet. Die Bilder aus einem über Luthermünzen und -medailen geht Kurfürst Friedrich dem Weisen ein Licht auf, das sein Schützling Martin Luther angesteckt hat.



Die Medaille von 1717 feiert Friedrich den Weisen und seinen Schützling Martin Luther, der mit der Kraft des Wortes seine katholischen Gegner das Fürchten lehrt, die seine feste Burg nicht niederbrennen können.





Der Reformationstaler von 1617 ehrt den sächsischen Kurfürsten Johann Georg I. und Luthers Beschützer Friedrich den Weisen. Ähnlich gestaltet ist der Taler von 1630 zur Hundertjahrfeier der Augsburgischen Konfession. Mitten im Dreißigjährigen Krieg sind er und weiterte Prägungen dieser Art bemerkenswerte Zeugnisse für Treue und Glaubensstärke.



Zum fünfhundertsten Geburtstag von Martin Luther 1983 gaben die Bundesrepublik Deutschland und die DDR unterschiedlich gestaltete Gedenk- und Kursmünzen mal mit Porträt, mal mit Lutherstätten in Eisleben, Wittenberg und Eisenach heraus. (Fotos/Repros: Caspar)

Kaum eine Persönlichkeit der deutschen Geschichte ist, von Kaisern, Königen und Fürsten abgesehen, ist so oft durch Medaillen und Münzen geehrt worden wie Martin Luther. Regelmäßig wurde seiner bei Jahrhundertfeiern der Reformation gedacht. 1617 erinnerte man mit in Ländern und Städten, die sich Luthers Lehre angeschlossen hatten, daran, dass der Augustinermönch am 31. Oktober 1517 seine 95 Thesen wider den Ablasshandel und andere Auswüchse innerhalb der Papstkirche an die Wittenberger Schloss- und Universitätskirche geschlagen hat. Die mutige Tat brachte dem Wittenberger Professor große Popularität ein, gefährdete aber auch sein Leben. Indem der sächsische Kurfürst Friedrich der Weise ihn auf der Wartburg bei Eisenach als "Junker Jörg" unter seinen Schutz stellte, bewahrte er ihn vor dem Zugriff kaiserlicher Häscher und sicher auch vor dem Tod als Ketzer auf dem Scheiterhaufen wie 102 Jahre zuvor Jan Hus, der während des Konzils zu Konstanz als Ketzer öffentlich verbrannt wurde.

Die Augsburger Konfession von 1530, die den protestantischen Fürsten Glaubensfreiheit "bis zum nächsten Konzil" zusicherte, wurde 1630 durch weitere Gedenkstücke gefeiert. Sie und die vielen anderen Gepräge sind in der numismatischen Literatur in mehreren Katalogen aufgelistet. Erwähnt sei insbesondere das Buch von Hugo Schnell "Martin Luther und die Reformation auf Münzen und Medaillen" (München 1983). Sammler kennen vielleicht auch die bereits im frühen 18. Jahrhundert veröffentlichten barock-weitschweifigen Kataloge, insbesondere das Buch von Christian Juncker über das "Guldene und Silberne Ehren-Gedächtniß des Theuren Gottes-Lehrers D. Martini Lutheri", das 1706 in Schleusingen erschien.

Hier gebratene Gans, da stolzer Schwan

Zahlreiche Münzen und Medaillen sind mit dem Bildnis des Augustinermönchs und Professors an der Wittenberger Universität geschmückt, der 1483 in Eisleben geboren wurde und1546 dort starb. Münzen und Medaillen, aber auch Grafiken, Gemälde und Skulpturen zeigen den streitbaren Theologen und Bibelübersetzer in Begleitung eines stolzen Schwans. Man sieht den weißen Vogel mit dem langen Hals zu seinen Füßen, manchmal hält der Theologe ihn auch im Arm. Was es damit auf sich hat, zeigt ein Blick in die Literatur. 1517 zitierte Luther seinen Vorgänger im Geiste, den 1415 als Ketzer in Konstanz verbrannten Jan Hus, unter Bezug auf dessen mit Gans zu übersetzenden Namen: "Über hundert Jahre sollt ihr Gott und mir antworten. Auch werden sie eine Gans braten. Es wird ein Schwan nach mir kommen, den werden sie nicht braten. Und ist also geschehen."

Der Bezug auf die Gans und den Schwan war kein Zufall. Die mit Jan Hus, dem tschechischen Reformator und Rektor der Prager Universität, verglichene Gans gilt als behäbig und zahm, während der mit seinem deutschen Nachfolger Martin Luther in Verbindung gebrachte stolze Schwan agiler und zu Höherem bestimmt ist und sich auch besser als die Gans zu wehren weiß. Als Luther 1546 gestorben war, widmete man ihm ehrenvolle Lieder wie dieses: "Er ist der rechte David zwar / hat uns gesungen lieblich klar / Gottes Wort an allem End / im Geist von Johann Hus erkennt / dass er sollt sein der weiße Schwan / der lieblich sollt singen fortan." In Büchern über Luther-Münzen und die Art und Weise, wie mit dem Reformator politische und religiöse Propaganda gemacht wurde, sind Beispiele für die Schwanensymbolik zu finden. Es gibt zahllose Heiligendarstellungen, die durch charakteristische Attribute wie Waffen, Gebäude, Handwerks- und Folterwerkzeuge, Löwen, Adler und andere Tiere sowie Pflanzen, Bücher und weitere Zeichen vervollständigt wurden.

Reformatoren auf Magdeburger Taler von 1617

Die Widersacher der Lutherschen Lehre nutzten wie ihre Befürworter neben Stichen und Flugblättern auch Münzen und Medaillen als Medium, um Propaganda für ihre Ziele zu machen und die andere Seite zu verteufeln. Die Methoden in beiden Lagern waren, überblickt man das Material, alles andere als fein. Man findet in Publikationen über Luther und seine Zeit sowie Katalogen zum Thema "Spottmünzen" auch bemerkenswerte Zeugnisse der Propaganda zugunsten des Wittenberger Reformators beziehungsweise von der katholischen Kirche befeuerten Gegenreformation. Als im Jahre 1617 in verschiedenen protestantischen Fürstentümern und Städten des Thesenanschlags einhundert Jahre zuvor gedacht wurde, verfiel die Stadt Magdeburg auf die Idee, zwei Reformatoren - Jan Hus und Martin Luther - auf ein und derselben Münze darzustellen. Das ist einmalig in der Münzgeschichte. Der böhmische geistliche Hus und sein Wittenberger Amtsbruder Luther sind, angetan mit pelzverbrämten Mänteln und jeder eine Bibel haltend, auf der Vorderseite des von Münzmeister Heinrich Meier geprägten Talers dargestellt. Einzelheiten nennt Friedrich von Schrötter in der "Beschreibung der neuzeitlichen Münzen des Erzstifts und der Stadt Magdeburg 1400-1682" (Magdeburg 1909). Die in zwei Zeilen umlaufende Legende zitiert eine angebliche Äußerung von Jan Hus über das Fortwirken seiner Lehre und nimmt Bezug auf die reformatorische Tätigkeit Luthers.

Der um 1370 geborene tschechische Prediger an der Bethlehemkapelle zu Prag und Rektor der Prager Universität wurde im Jahre 1410 vom Papst wegen seiner Forderungen nach Reformierung der Kirche und Kritik am Ablassunwesen exkommuniziert. Hus, der übrigens eine Rechtschreibreform ausgearbeitet hatte, die in ihren Grundzügen bis heute gilt, war der geistige Wortführer einer Bewegung gegen die geistliche und weltliche Feudalobrigkeit. Seine Predigten fanden vor allem im einfachen Volk großen Zuspruch. Indem Hus tief greifende Reformen in der Kirche und Gesellschaft verlangte und dabei Ideengut des englischen Reformators John Wiclif aufgriff, geriet er in unlösbare Konflikte mit der weltlichen und geistlichen Obrigkeit seiner Zeit.

Märtyrertod auf dem Scheiterhaufen

Auf dem Konstanzer Konzil widerstand Jan Hus der Forderung, seinen Ideen abzuschwören. Als Abschreckung für seine Anhänger wurde er am 6. Juli 1415 in der Bischofsstadt am Bodensee öffentlich als Ketzer verbrannt. Die Nachricht vom gewaltsamen Tod ihres Wortführers, dem freies Geleit nach Konstanz zugesichert worden war, löste in Böhmen große Empörung aus. Der Märtyre wurde zum Namensgeber einer militanten Bewegung, die kirchenreformatorische, antifeudale, national-tschechische Ziele verfolgte und große Wirkungen in ganz Europa hatte. Die Hussiten lehrten die damaligen Machthaber durch Überfälle und Brandschatzungen das Fürchten. Die stark abgekürzte zweizeilige Inschrift in lateinischer Sprache auf dem Magdeburger Taler lautet übersetzt: "Nachdem einhundert Jahre vergangen sind, werdet ihr Gott und mir, dem 1415 verbrannten Jan Hus, Recht geben. Nach Ablauf dieser Zeit wurde Doktor Martin Luther zur Wiederherstellung der himmlischen Lehre von Gott im Jahre 1517 berufen". Der "Zeitplan" wurde fast eingehalten. 1521 gewährte der sächsische Kurfürst Friedrich der Weise dem mit päpstlichem Bann und kaiserlicher Acht belegten Luther auf der Wartburg bei Eisenach Zuflucht, wo er unter dem Namen "Junker Jörg" das Neue Testament ins Deutsche übersetzte.

Der Magdeburger Taler von 1617 war ein mutiges Bekenntnis am Vorabend des Dreißigjährigen Kriegs, denn natürlich waren auch jene Raubzüge und Morde in schmerzlicher Erinnerung, die von Hussiten in den nach ihnen benannten Kriegen unter Berufung auf den in Konstanz öffentlich verbrannten Reformator verübt wurden. Für die Vorderseite und die Rückseite des Magdeburger Talers wurden leicht variierende Stempel hergestellt, was auf großen Werkzeugverbrauch und eine stattliche Zahl von geprägten Exemplaren deutet. Heinrich Gottlob Kreußler, der 1818 in Leipzig das mit Kupferstichen versehene Buch "D. Martin Luthers Andenken in Münzen nebst Lebensbeschreibungen merkwürdiger Zeitgenossen desselben" veröffentlichte, geht auf die Münze nicht ein, verweist aber unter der Überschrift "Jubel-Münzen der Stadt Gotha" auf eine 1717 geprägte Medaille, die auf der Vorderseite des Brustbild von Jan Hus und auf der Rückseite das Porträt Martin Luthers zeigt.

Eintracht zwischen Kurfürst und Erneuerer Namentlich Kursachsen, die Wiege und mit seiner Residenz- und Universitätsstadt Wittenberg Ausgangspunkt der Lutherschen Reformation, tat sich vor allem in den Jahren 1617 und 1630 durch Gedenktaler und andere Münzen sowie Medaillen hervor, die die Glaubensstärke des Herrscherhauses unterstreichen sollten. So findet man auf Gold- und Silbermünzen von 1617 Brustbilder des Kurfürsten Friedrich des Weisen, der schützend seine Hand über Luther hielt, und seines Nachfahren Johann Georg I. Außerdem gibt es Medaillen, auf denen Johann Georg I. und Martin Luther zusammen dargestellt sind, was zeitlich ein Unding ist, aber Kontinuität unterstreichen soll. Die Stücke sind unter anderem in dem von Julius und Albert Erbstein verfassten Katalog "Erörterungen auf dem Gebiete der sächsischen Münz- und Medaillen-Geschichte bei Verzeichnung der Hofrath Engelhardt`schen Sammlung" (Dresden 1888-1909, Reprint Leipzig 1976) zu finden. Sie sind frühe Beispiele für das Bestreben, historische Ereignisse auf Münzen und Medaillen zu verewigen. Zur Einhundertjahrfeier der Augsburger Konfession 1630, mitten im Dreißigjährigen Krieg, kamen wiederum Gedenkmünzen mit dem Brustbild der beiden sächsischen Kurfürsten heraus. Das war in jener Zeit, als Johann Georg I. dem in Norddeutschland eingefallenen Schwedenkönig Gustav Adolf, der sich als Verteidiger der lutherischen Lehre verstand, zu imponieren trachtete. Der Kurfürst hat mehrfach die Seiten gewechselt und war zeitweilig auch mit dem Kaiser und der von ihm geführten katholischen Liga verbunden.

Mit heiligem Eifer, wie man damals sagte, nahmen sich die in den kleinen sächsisch-thüringischen Herzogtümern und anderen protestantischen Ländern regierenden Fürsten aus dem Haus Wettin des Themas an, so dass Sachsen-Sammler hier reiches Material finden. Darüber hinaus taten sich jeweils zu den Säkularfeiern 1617, 1630, 1717, 1730, 1817 und 1830 andere protestantische Stände durch Talerprägungen und Goldmünzen sowie durch Medaillen hervor. Nachdem die seit August dem Starken katholischen Kurfürsten und - ab 1806 - Könige von Sachsen als Verteidiger der lutherischen Lehre ausgefallen waren, traten die Hohenzollern in Brandenburg-Preußen vor allem im 19. Jahrhundert mit aufwändig gestalteten Reformationsmedaillen hervor.

12. Februar 2022



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