Mit Zahnrad und Getreideähre
Wie ein Münzmotiv aus der Nazizeit auf frühe Geldstücke der DDR aus Aluminium gelangte
Die Karte aus dem Zweiten Weltkrieg feiert die Besetzung von Nachbarländern des Deutschen Reiches durch die Wehrmacht und die "Umsiedlungen des Führers", mit denen die Ansiedlung von so genannten Ostvölkern germeint waren, sofern sie in das rassistische Weltbild der Nationalsozialisten passten, bei gleichzeitiger Vertreibung beziehungsweise Ermordung der Menschen, die das nicht taten.
Wer vor und nach 1950 mit diesen Alumünzen bezahlte, wird nicht gewusst haben, dass das Symbol auf der Rückseite schon mal für deutsches Besatzungsgeld vorgesehen war.
Das Fünfzigpfennigstück aus Bronze mit dem Pflug vor der Fabrik nennt DEUTSCHLAND als Ausgabestaat, dabei war aber nur die DDR gemeint.
Was sich hinter den Mauern des damaligen VEB Münze der DDR - hier ein Blick auf den aus der Nazizeit stammenden Bau am Rolandufer aus der Zeit nach 1969 - bedarf weiterer Klärung. (Fotos/Repros: Caspar)
Vieles ist aus der neuen und neuesten deutschen Münzgeschichte bekannt, aber nicht alles. Vor Überraschungen ist man nie sicher. So tauchte vor einigen Jahren eine 1943 probeweise für das von der deutschen Wehrmacht besetzte so genante Reichskommissariats Ukraine geprägte Fünfzig-Kopeken-Münze auf (siehe Jaeger-Katalog "Die deutschen Münzen seit 1871", Battenberg-Gietl-Verlag Regenstauf 26. Auflage Seite 887, Nr. N619A), die 2008 bei Künker in Osnabrück für sage und schreibe 11 000 Euro versteigert wurde. Der Vormarsch der Roten Armee in das von deutschen Truppen und ihren mörderischen Einsatzgruppen geschundene Besatzungsgebiet verhinderte die massenhafte Herstellung der Münze mit der Zahl 50 und der Angabe REICHSKOMMISSARIAT UKRAINE und der Wertangabe KOPEKEN auf der Vorderseite. Dass es sich um eine Probe handelt, wird unter der Ziffer angegeben. Gauleiter Erich Koch errichtete in dem Reichskommissariat eine blutige Schreckensherrschaft gemäß seiner Überzeigung "Wir sind ein Herrenvolk, das bedenken muss, dass der geringste deutsche Arbeiter rassisch und biologisch tausendmal wertvoller ist als die hiesige Bevölkerung" (zit. Ernst Klee "Das Personenlexikon zum Dritten Reich", Edition Kramer Koblenz 2011, S. 322).
Wie ein Münzmotiv aus der Nazizeit auf frühe Geldstücke der DDR aus Aluminium gelangte
Das Besondere an der Probemünze von 1943 ist, dass die Bildseite mit einer Ähre auf de
Wie ein Münzmotiv aus der Nazizeit auf frühe Geldstücke der DDR aus Aluminium gelangtem Zahnrad nach dem Zweiten Weltkrieg in der Sowjetischen Besatzungszone beziehungsweise ab 1949 DDR auf Ein-, Fünf- und Zehnpfennigstücken aus Aluminium erscheint. Die in der Zeitschrift "Münzen & Sammeln" Heft 21/207 beschriebene Fünfzig-Kopekenmünze von 1943 sollte im so genannten Reichskommissariat Ukraine ausgegeben werden, doch war die Rote Armee schneller und machte der Naziherrschaft ein Ende.
Symbol der Deutschen Arbeitsfront
Franz Paul Krischker, der führende Stempelschneider und Medailleur der damaligen Preußischen Staatsmünze in Berlin, hatte das Motiv für eine Medaille der Deutschen Arbeitsfront (DAF) geschaffen, also der 1933 gegründeten NS-Dachorganisation von Arbeitnehmern und Arbeitgebern. Die DAF war am 10. Mai 1933 gegründet worden. Die angeblich freiwillige, in Wirklichkeit aber weitgehend erzwungene Mitgliedschaft in dieser alles beherrschenden Einheitsgewerkschaft gab dem NS-Regime ein Mittel in die Hand, um die Bevölkerung sowohl am Arbeitsplatz als auch in der Freizeit zu überwachen und zu indoktrinieren. Mit 25 Millionen Mitgliedern war die DAF die größte Massenorganisation im damaligen NS-Staat. Ihrem Chef Robert Ley gelang es, mit mehr als 44.000 hauptamtlichen und 1,3 Millionen ehrenamtlichen Mitarbeitern in nahezu alle Bereiche der nationalsozialistischen Wirtschafts- und Sozialpolitik einzudringen.
Franz Krischker musste, als ein Symbol für die ostdeutschen Kleinmünzen gesucht wurde, nichts anderes tun, als aus dem Logo der Arbeitsfront das Hakenkreuz zu entfernen und durch eine Getreideähre zu ersetzen. Und schon hatte die von der Staatspartei SED beschworene, aber niemals wirklich existierende "Aktionseinheit der Arbeiter und Bauern" ein passendes Symbol erhalten. Dass die deutschen Besatzer es für ihr Geld in der Ukraine verwenden wollten, dürften damals außer Krischker kaum jemand gewusst haben, schon gar nicht die DDR-Bewohner, die mit den "Aluchips" bezahlten.
Gussmodell im Berliner Münzkabinett
Dass auf den frühen DDR-Münzen DEUTSCHLAND als Staatsbezeichnung steht, war kein Versehen, sondern hat mit der Selbstdarstellung und dem Alleinvertretungsanspruch des Arbeiter-und-Bauern-Staates zu tun, der sich im Vergleich zur verhassten Bundesrepublik Deutschland als das bessere Deutschland, als Hort der Demokratie, Freiheit und Kultur verstand und "Westdeutschland" als Kolonie der USA und Hort von Alt- und Neonazis verunglimpfte. Nach Annahme des Gesetzes über das Staatswappen der DDR vom 26. September 1955 wurde ein neues Münzdesign eingeführt, das auf der Rückseite Hammer und Zirkel im Ährenkranz mit einem darum gewickelten schwarz-rot-goldenen Band sowie die Bezeichnung DEUTSCHE DEMOKRATISCHE REPUBLIK zeigt.
Franz Krischker hatte keinen Anlass, über seine Idee zu sprechen, die in Gestalt eines eisernen Gussmodells mit der Jahreszahl 1943 im Besitz des Berliner Münzkabinetts überliefert ist. DDR-Kataloge haben die Peinlichkeit verschwiegen. Über die Urheberschaft liest man dort nur ganz allgemein "Entwurf und Gestaltung: Münze Berlin". Ältere Auflagen des Jaeger-Katalogs der ab 1871 geprägten deutschen Münzen sprechen vom Symbol des im Juni 1948 beschlossenen Zweijahresplans und nennen ebenfalls nur die "Münze Berlin". Nach Bekanntwerden der historischen Hintergründe wird in neuen Auflagen Franz Krischker als Gestalter genannt.
14. März 2022
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