Wartburg im Portemonnaie
Neue Zwei-Euro-Münze würdigt das berühmte Bau- und Kunstdenkmal bei Eisenach, das seit 1999 Weltkulturerbe ist



Die DDR brachte 1982 eine von Heinz Rodewald gestaltete Fünfmarkmünze mit der Ansicht des berühmten Bau- und Kunstdenkmals in der Vogelperspektive heraus. Ganz neu ist die Zweieuromünze von 2022 mit der Ansicht der auf einem Berg gelegenen Wartburg. Der Entwurf stammt von Olaf Stoy



Die Münzen aus der 2006 begonnenen Serie zwei Euro würdigen die Bundesländer Baden-Württemberg, Sachsen und Bayern mit Ansichten des Klosters Maulbronn, des Dresdner Zwingers und des Schlosses Neuschwanstein.





Die Wartburg erlebte Zeiten des Glanzes und des Verfalls, sie sah zur Lutherzeit und danach anders und bescheidener aus als heute. Verschiedene Abschnitte waren im 19. Jahrhundert so baufällig geworden, dass man sie abreißen musste. Die Grafik aus der Zeit um 1847 zeigt, wie sehr der Zahn der Zeit an ihr genagt hat, darunter der Zustand des Bau- und Kunstdenkmals heute.



Manche Besucher der Lutherstube auf der Wartburg suchen vergeblich nach dem legendären Tintenfleck an der Wand.



Besonders wertvolle Zeugnisse romanischer Bildhauerkunst sind überall erhalten gebliebenen Säulenkapitelle.



Das von August Oetken gestaltete Mosaik von 1902 in der Elisabeth-Kemenate schildert, verbunden mit einer Hommage Kaiser Wilhelms II. an Großherzog Carl Alexander, seinen Großonkel, die Legende der Heiligen Elisabeth, die als Landgräfin von Thüringen der Pflege der Armen und Kranken verschrieben hatte.



Die von Moritz von Schwind Mitte des 19. Jahrhunderts geschaffenen Wandbilder schildern die Gründungssage der Wartburg und weitere Ereignisse in mittelalterlicher Zeit. Die von den Besuchern in die Burg mitgebrachte Feuchtigkeit tut den empfindlichen Fresken nicht gut, deshalb müssen Abstand und weitere Vorsichtsmaßnahmen beachtet werden.



Mit der Wartburg-Medaille ehrte der in Zella-Mehlis tätige Stempelschneider Helmut König seinen Kollegen Ferdinand Helfricht, daneben eine Medaille, die am Souvenirstand auf der Wartburg angeboten wird. (Fotos: Caspar)

Nach der Hundert-Euro-Münze aus Gold von 2011 hat die Wartburg bei Eisenach die Ehre, erneut auf einem Geldstück dargestellt zu werden, diesmal im Wert von zwei Euro. Ab sofort tragen wir das Bau-, Geschichts- und Kunstdenkmal, das 1999 in die Unesco-Liste des Weltkulturerbes eingetragen wurde, im Portemonnaie. Durch den internationalen Geldverkehr gelangt die Münze auch über unsere Grenzen. Mit der von Olaf Stoy gestalteten Wartburgmünze endet die 2006 begonnene Serie, die die deutschen Bundesländer mit einem markanten Bauwerk würdigt. Die von Wolfgang Reuter gestaltete Goldmünze von 2011, die neue Zweieuromünze sowie einige Medaillen regen dazu an, in die Geschichte der Wartburg einzutauchen, die ein Touristenmagnet der Extraklasse ist. Die Wartburg war Residenz thüringischer Landgrafen und sächsischer Kurfürsten und ging unter anderem als Ort in die Geschichte ein, an dem der Wittenberger Reformator Martin Luther 1521/22 unter dem Namen "Junker Jörg" das Neue Testament in die deutsche Sprache übersetzte. Beide Münzen erinnern daran, dass die Wartburg eng mit der thüringischen und damit der deutschen Nationalgeschichte verbunden war.

Zur Zeit des Grafen Ludwig dem Springer erbaut, war die Burg unter dem Landgrafen Hermann I. ein Hort von Kunst und Kultur und Pflegestätte der mittelhochdeutschen Dichtkunst. Auf der Wartburg fand der so genannte Sängerkrieg von 1207 statt, bei dem Wolfram von Eschenbach, Walther von der Vogelweide und weitere Minnesänger miteinander wetteiferten und von dem der Wandbilder des Malers Moritz von Schwind berichten. Zu erwähnen ist auch die Landgräfin Elisabeth, die sich, auf der Wartburg und in Marburg lebend, aufopferungsvoll um Arme und Kranke sorgte und dafür im Jahr 1235 heilig gesprochen wurde. Am 18. Oktober 1817, dem vierten Jahrestag der Völkerschlacht bei Leipzig, forderten oppositionelle Studenten beim Wartburgfest unter der schwarz-rot-goldenen Fahne das Ende der elenden Fürstenherrschaft und Adelswillkür und bekräftigten ihre Hoffnung auf ein einheitliches Deutschland, das erst 1871 durch Ausrufung des preußischen Königs Wilhelm I. zum deutschen Kaiser entstand.

Architectura in nummis

Die neue Wartburgmünze passt gut zu Gedenkmünzen und Medaillen, die Martin Luther würdigen. Zu nennen sind außer Gold- und Silbermünzen aus dem 17. bis 19. Jahrhundert mit dem Bildnis des Augustinermönchs und Wittenberger Professors auch die seltene Gedenkmünze von 1917 zu drei Mark mit dem Bildnis Friedrichs des Weisen, seines kurfürstlichen Beschützers, sowie die von 1933 sowie von 1983, die mit Luthers Bildnis geschmückt wurden. Neu ist die 2017 ausgegebene Zwanzigeuromünze, die nach einem Entwurf von Patrick Niesel das an Lucas Cranach dem Älteren angelehnte Porträt von Luther mit einem Detail seiner 95 Thesen von 1517 kombiniert. In die Serie gehören DDR-Geldstücke von 1982 mit der Ansicht der Wartburg sowie von 1983 mit der Wittenberger Schlosskirche und Luthers Geburtshaus in Eisleben.

Die Münzen zu zwei Euro, mit denen die 16 deutschen Bundesländer gewürdigt werden, könnten den Anfang einer Sammlung zum Thema "Architectura in nummis" bilden. Viele Belegstücke sind mit Stadt- und Gebäudeansichten geschmückt. Auf ihnen finden wir Kirchen Burgen und Schlösser, Brücken, Türme und andere Bauwerke. Wie das Brandenburger Tor in Berlin, der Dresdner Zwinger, der Kölner Dom oder eben auch die Wartburg dienen sie als Erkennungszeichen für eine bestimmte Stadt, Region oder geschichtliche Epoche.

Liebe zur alten deutschen Kunst

Die Wartburg bot im frühen 19. Jahrhundert ein Bild des Jammers. Eisenach war zur Goethezeit eine Nebenresidenz der Herzöge und ab 1815 Großherzöge von Sachsen-Weimar und Eisenach. Mindestens achtzehnmal weilte Johann Wolfgang von Goethe auf der Burg, deren traurigen Zustand er auch auf Zeichnungen überliefert hat. Nach den Befreiungskriegen von 1813 bis 1815, als das Bewusstsein für alterehrwürdige Bauten und Kunstwerke erwachte und sich die Denkmalpflege langsam entwickelte, befasste er sich der Dichter und Weimarer Minister mit dem Plan, auf der Wartburg ein Kunstmuseum einzurichten. Er konsultierte seinen Freund, den großherzoglichen Staatsminister Christian Gottlob von Voigt, zur Frage, wie man sakrale und andere Kunstgegenstände beschaffen könnte. "Diese Gegenstände wären um desto erwünschenswerter, als man sie zu Auszierung der Kapelle auf der Wartburg brauchen und jenem Ritterschloss abermals eine analoge Zierde geben könnte. Bei der gegenwärtigen Liebe und Leidenschaft zu den Resten der alten deutschen Kunst ist diese Akquisition von Bedeutung und die Wartburg wird künftig noch manche Pilger zählen", beschrieb Goethe seine Vorstellung von einem Wartburgmuseum. Die damals vor der Vernichtung bewahrten, weil nicht als "modern" aufgefassten Hinterlassenschaften sind der ganze Stolz der großartigen Schnitzplastik-Sammlungen auf der Wartburg und des Thüringer Museums in Eisenach.

Ausbau im Geschmack des Historismus

Großherzog Carl Alexander entschloss sich Mitte des 19. Jahrhunderts, die Wartburg durch den Architekten Hugo von Ritgen unter Nutzung aller verfügbaren Dokumente und Bilder umfassend restaurieren und im Geschmack des Historismus als Denkmal für seine Ahnen sowie nationale Gedenkstätte und fürstliche Residenz ausbauen und verschönern zu lassen. Ritgen ging bei seiner Arbeit vorsichtig vor, denn er nutzte vorhandenes Baumaterial und alte Bildhauerarbeiten. Der Wiederaufbau ist vor allem der Großherzogin Sophie, der Gemahlin von Carl Alexander, zu danken ist, die der Burg bedeutende finanzielle Mittel zukommen ließ. Verschiedene beeindruckende Bauteile wie die Neue Kemenate, der Bergfried, die Torhalle und Treppenhäuser sind romantische Erfindungen des 19. Jahrhunderts. Diese Zutaten aber tun der Burg keinen Abbruch, denn die Um- und Anbauten ließen sie neben dem 2012 mit einem anderen Zwei-Euro-Stück gewürdigten von Schloss Neuschwanstein bei Füssen im Allgäu zu "der" deutschen Burg schlechthin werden. Nicht unerwähnt sollte sein, dass der Festsaal der Wartburg auf Wunsch des bayerischen Königs Ludwig II. noch einmal in dessen Märchenschloss Neuschwanstein kopiert wurde.

Bei Restaurierungsarbeiten des 20. Jahrhunderts hat man die Fassung aus der Zeit von Großherzog Carl Alexander und danach respektiert, auch wenn man vor allem über die unangemessen-protzigen Mosaiken aus der Kaiserzeit und weitere Zutaten gestritten hat und es auch heute noch tut. Zum Glück blieben von Kaiser Wilhelm II. gestifteten Mosaiken mit Motiven aus der Elisabethlegende erhalten. So bekommt man einen guten Eindruck davon, wie um 1900 auch mit Hilfe der Kunst monarchische Propaganda betrieben wurde. Wie diese in Berlin gepflegt wurde, kann man auf den Mosaiken in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche anhand der hohenzollernschen Ahnengalerie sehen, an deren Ende ehrfurchtgebietend Kaiser Wilhelm II. samt Familie marschiert.

21. Februar 2022

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