Sammlung nach Plan und Absicht
Johann Wolfgang von Goethe hinterließ kluge Sätze über Münzen und Medaillen



Das Goethe-Schiller-Denkmal vor dem Weimarer Nationaltheater wurde 1852 bis 1857 von Ernst Rietschel geschaffen. Der Dichter schwebt auf der 1832 zu seinem Tod von Anton Friedrich König geschaffenen Medaille auf einem Schwan in den Olymp.



Johann Wolfgang von Goethe, hier abgebildet auf einer 1816 von Johann Gottfried Schadow "nach dem Leben" geschaffenen Medaille, wurde durch Münzen und Medaillen zu belehrenden Betrachtungen angeregt.



Carl August von Sachsen-Weimar und Eisenach war nicht nur Freund und Arbeitgeber von Goethe, sondern half ihm auch bei der Beschaffung von Münzen und Medaillen. Henri François Brandt schuf 1825 die Medaille zur Fünfzigjahrfeier von Goethes Ankunft in Weimar, auf der Vorderseite sind der Großherzog und seine Frau Luise abgebildet.



In der Goetheschen Medaillensammlung liegen meistens Stücke aus unedlem Metall. Bisweilen kamen auch Prägungen aus Silber und Gold hinzu, hier ein Pesttaler aus Sankt Joachimsthal von 1528.



Natürlich wären Goethe originale Römermünzen lieber gewesen, aber er begnügte sich auch mit den von Antonio Cavino in Padua gefertigten Nachbildungen, hier Bronzemünze von Julius Caesar.





Bei seiner Italienreise 1786 bis 1788, die ihn aus einer Lebenskrise rettete, lernte Goethe auch Rom und seine Sehenswürdigkeiten kennen. Die mit Bastionen umgebene Engelsburg und die Peterskirche mit den Kolonnaden davor sind auf den Medaillen der Päpste Pius IV. und Alexander VII. aus dem 16. und 17. Jahrhundert präzise abgebildet. Wenn er diese und andere Prägungen in Weimar in die Hand nahm, konnte er sich Rom, der Hauptstadt der Welt, wie er im Rückblick schrieb, nahe fühlen.



Die Bundesrepublik Deutschland und die DDR haben 1999, 1982 und 1969 dem Dichter Gedenkmünzen gewidmet. (Fotos/Repros: Caspar)

Goethes Wohn- und Schaffensort, die herzogliche und ab 1815 großherzogliche Residenzstadt Weimar, war klein und eng. Verbindungen in die große weite Welt bestanden aber durch intensive Korrespondenzen mit auswärtigen Freunden und Bekannten sowie und Gespräche mit Besuchern, die sich in seinem Haus am Frauenplan die Klinke in die Hand gaben. Hinzu kam die die Lektüre von numismatischer und kunstgeschichtlicher Literatur. Mit Blick auf seinen Nachlass verpflichtete Johann Wolfgang von Goethe seine Erben, "diese meine Sammlungen konserviert zu sehen. Einige davon, namentlich meine Münzen und Medaillen - deren Werth in historischer und artistischer Hinsicht nicht genug zu schätzen ist - , wünschte ich für die hiesige Bibliothek resp. Münzkabinett akquiriert zu sehen nach billigem Anschlag". So hat es Kanzler Friedrich Theodor von Müller, ein enger Freund des Dichters, am 19. November 1830 notiert und dazu dessen Bekenntnis festgehalten, er habe seit 60 Jahren jährlich wenigstens hundert Dukaten, das waren etwa 500 Taler, auf den Ankauf von Merkwürdigkeiten gewendet, noch weit mehr habe er geschenkt bekommen. "Ich habe nicht nach Laune und Willkür, sondern jedesmal mit Plan und Absicht und zu meiner folgerechten Bildung gesammelt und an jedem Stück meines Besitzes etwas gelernt". Des Dichters Erben haben sich an diese Verfügung gehalten, und so sind seine Sammlungen und darin auch die Münzen und Medaillen in Weimar geschlossen erhalten geblieben.

Öl für den Lebensdocht

Die Beschäftigung mit Münzen und Medaillen und das Lesen numismatischer Werke waren für den vielseitig interessierten und rastlos tätigen Minister, Dichter und Naturforscher so etwas wie das "nahrhafteste Öl für den Lebensdocht", heißt es in einem Brief von 1806 an den Weimarer Regierungsrat, Archivar und Bibliothekar Christian Gottlob von Voigt. "Mein einziger Trost ist der numismatische Talisman, der mich, auf eine bequeme und reizende Weise, in entfernte Gegenden und Zeiten führt", schrieb er 1803 an seinen Dichterkollegen Friedrich Schiller. Die Betrachtung von Münzen, und damit waren immer auch Medaillen gemeint, sei für ihn, da er keine Möglichkeit habe, größere Kunstwerke zu sehen, eine "besonders belehrende Unterhaltung, indem man die Kunstgeschichte aus ihnen sehr gut studieren kann, besonders wenn sich das Auge an Marmor hinlänglich geübt hat", schrieb er an Marianne von Eyenberg und wies auf das Kabinett in Gotha nicht weit von Weimar und andere Sammlungen hin, in denen man Münzen und Medaillen studieren könne.

Die Rolle, die Goethe als Kunst-, Münz- und Naturaliensammler spielte, ist gut erforscht. Jochen Klauß, der Kurator von Goethes Münzen- und Medaillensammlung, hat den Medaillenbesitz von der Renaissance-Zeit bis zum frühen 19. Jahrhundert in der Schriftenreihe "Die Kunstmedaille in Deutschland" (Bd. 13/I und 13/II, herausgegeben von der Deutschen Gesellschaft für Medaillenkunde und der Stiftung Weimarer Klassik, Berlin 2000) publiziert. Er ging darin auch auf die Frage ein, warum sich der Dichter und Minister so sehr für antike Münzen sowie Medaillen vor allem der Renaissance begeisterte und sich bis an sein Lebensende mit großem finanziellem Einsatz um sie bemühte. Im zweiten Band dieser Publikation sind, chronologisch gegliedert, Goethes Äußerungen und solche von Zeitgenossen über Münzen und Medaillen zu finden, wobei zu bemerken ist, dass viele von als Münzen bezeichnete Stücke in Wahrheit Guss- oder Prägemedaillen sind.

Münzhandel in der Postkutschenzeit

Ein Teil dieser Quellensammlung besteht aus Bestellungen bei Freunden und Händlern sowie Dankschreiben, Quittungen und nicht zuletzt klugen Gedanken darüber, was in Goethes numismatischer Welt wichtig ist. Weitere Betrachtungen über Goethes Leidenschaft vermittelt das ebenfalls von Jochen Klauß verfasste Buch "Goethe als Medaillensammler" (Böhlau Verlag Köln und Weimar 1994). Die Einträge werfen ein bemerkenswertes Licht auf die Art und Weise, wie in der Postkutschenzeit der Handel mit Münzen und Medaillen sowie Gemälden, Grafiken, Skulpturen, Büchern und anderen Objekten mithilfe von europaweiten Netzwerken vonstatten ging. Goethe nutzte seine Beziehungen zu Freunden in aller Welt, die ihn mit Kunstwerke aller Art, naturwissenschaftlich interessanten Gegenständen, Literatur und auch Münzen und Medaillen beglückten.

Für alle, die etwas über Goethe als Kenner und Sammler von Zeugnissen antiker Kunst und Kultur, aber auch von Münzen und Medaillen erfahren wollen, ist das zweibändige Werk von Ernst Grumach "Goethe und die Antike" (Potsdam 1949) eine Fundgrube ersten Ranges. Zeitgleich erschien das Buch von Hermann Kuhn "Geprägte Form. Goethes Morphologie und die Münzkunst" in den Schriften der Hallischen Goethe-Gesellschaft (Weimar 1949). Diese und weitere Publikationen belegen die Begeisterung des Sammlers für Münzen und Medaillen mit vielen klugen Sätzen. Eine Auswahl des Medaillenbestandes war 1971 in Weimar und Leipzig sehen, wie sich mach einer von uns erinnern wird. Der von Gerhard Femmel verfasste Katalog ",Merkwürdige Frauen' und ,bedeutende Männer' ihrer Zeit kunstreich abgebildet'" machte mit den schönsten von Goethe gesammelten Porträtmedaillen der Renaissance und der Klassik bekannt und würdigte das Steckenpferd des Dichters, wie Friedrich Schiller einmal schrieb. Grundsätzlich ging Erich Trunz in seinem Aufsatz "Goethe als Sammler" auf die vielseitigen Interessen des Dichters im Goethe-Jahrbuch (88. Bd. 1972 Böhlau Verlag, S. 13-61) ein. Schließlich sei auf das Buch von Lothar Frede "Das klassische Weimar in Medaillen" (Weimar 1959) hingewiesen, das verschiedene Prägungen vorstellt, die zu Goethes und seinen Zeitgenossen zu Ehren geprägt wurden. Alle diese Publikationen zeigen, wie wunderbar der Dichter und Politiker die Numismatik als Quelle historischer und künstlerischer Erkenntnis zu nutzen verstand, wie er sie bereitwillig anderen vermittelte und wie das numismatische Nachleben dieser Ausnahmeerscheinung am deutschen Dichterhimmel beschaffen ist.

Geprägte Form, die lebend sich entwickelt

Vorhanden waren im Haus am Frauenplan neben Griechen- und Römermünzen auch Medaillen der Päpste sowie solche mit Bildnissen von gekrönten und nicht gekrönten Berühmtheiten. Seinem Berliner Freund, dem Berliner Maurermeister und Leiter der Singakademie Karl Friedrich Zelter, beschrieb er seine Sammlung am 28. Februar 1814 so: "Ich besitze eine sehr schöne Medaillensammlung, meist in Bronze, von der Hälfte des 15. Jahrhunderts an bis auf unsere Zeit. Sie ist hauptsächlich gesammlet, um den Gang der Kunst im Plastischen, dessen Widerschein man immer in den Medaillen sieht, dem Freund und Kenner vor Augen zu bringen. [...] Auch giebt eine solche Sammlung Gelegenheit zu sehr interessanten Betrachtungen, so gut als die Suiten griechischer und römischer Münzen; ja sie ergänzt den Begriff, den uns jene geben und läßt ihn bis auf die neueren Zeiten verfolgen".

Aus dem heute noch im Zusammenhang mit Münzen und Medaillen genutzten Goetheschen Zitatenkästchen stammen Aussprüche wie "Und keine Zeit und keine Macht zerstückelt / geprägte Form, die lebend sich entwickelt" oder - auch von Denkmalpflegern als Motto verwendet - "Manche Herrliche der Welt ist in Krieg und Streit zerronnen, Wer beschützet und erhält, hat das höchste Los gewonnen". In seinem Roman "Wahlverwandtschaften" nimmt der Dichter Menschen aufs Korn, die sich roh "selbst gegen die schätzbarsten Kunstwerke verhalten. [...] Niemand weiß eine Medaille am Rand anzufassen; sie betasten das schönste Gepräge, den reinsten Grund, lassen die köstlichsten Stücke zwischen Daumen und Zeigefinger hin- und hergehen, als wenn man Kunstformen auf diese Weise prüfte".

Vorliebe für Hinterlassenschaften der Päpste

Ein enger Freund, Kanzler Friedrich von Müller, erlebte 1823, wie Goethe seinen Sohn August rügte, weil er Medaillen ungeschickt in der Mitte angefasst hatte. Indem er zeitgenössische Prägungen solchen der Renaissance gegenüberstellte, bekundete er Sympathie für das 16. Jahrhundert und Abneigung für "kalvinisch kalte" und "preußisch trockene" Schöpfungen der eigenen Zeit, von denen er Exemplare durch Ankäufe oder Schenkung seiner Sammlung einfügen konnte. Darunter befinden sich solche mit Bildnissen des Kaisers Napoleon I. und weiteren Zeitgenossen.

Während seiner Reise nach Italien vom September 1786 und Mai 1788 sah der junge Goethe bei einem fürstlichen Sammler antike Münzen und war gleich Feuer und Flamme. "Welch ein Gewinn, wenn man auch nur vorläufig übersieht, wie die alte Welt mit Städten übersäet war, deren kleinste, wo nicht eine ganze Reihe der Kunstgeschichte, wenigstens doch einige Epochen derselben uns in köstlichen Münzen hinterließ. Aus diesen Schubkasten lacht uns ein unendlicher Frühling von Blüthen und Früchten der Kunst, eines in höherem Sinne geführten Lebensgewerbes und was nicht alles mehr hervor. Der Glanz sicilischer Städte, jetzt verdunkelt, glänzt aus diesen geformten Metallen wieder frisch hervor", notierte er enthusiastisch. In der "Italienischen Reise" schrieb er, leider hätten wir in unserer Jugend nur die Familienmünzen besessen, die nichts sagen, und die Kaisermünzen, welche dasselbe Profil bis zum Überdruss wiederholen und Bilder von Herrschern sind, die eben nicht zu den Musterbildern der Menschheit gehören.

Goethes besondere Liebe galt den Medaillen der Päpste, die nach und nach zusammenzubekommen es großer Mühe bedurfte. Er hatte sie im Zusammenhang mit der Arbeit an der Autobiographie von Cellini kennen und lieben gelernt. Im August 1803 notierte er in seinen Tag- und Jahresheften, er habe von einer Nürnbergischen Auktion "eine Masse" bekommen. "Die Originalfolge von Päpsten von Martin V. bis Clemens XI., also bis zum ersten Viertel des achtzehnten Jahrhunderts, wurde mir nicht allein zu eigen, sondern auch dazwischen Kardinäle und Priester, Philosophen, Gelehrte, Künstler, merkwürdige Frauen, in scharfen, unbeschädigten Exemplaren, teils gegossen, teils geprägt, aber wundersam und bedauerlich: unter manchen Hunderten kein Cellini. Aufgeregt war man nun auch hier, das Geschichtliche zu studieren."

15. August 2022

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