Auf der Suche nach verlorenen Schätzen
Akademie der Künste dokumentiert in neuer Ausstellung am Pariser Platz in Berlin Ergebnisse ihrer Provenienzforschung



Anstelle des kriegszerstörten Hauses der Akademie der Wissenschaften neben dem Hotel Adlon am Pariser Platz wurde nach Plänen von Günter Behnisch ein 2005 eröffneter Neubau errichtet, in dem man Spuren des Hauses aus der Kaiserzeit sieht.



Die rußgeschwärzte Figur der Urania aus Sandstein stand ursprünglich auf der Attika des alten Akademiegebäudes Unter den Linden. Im Eingangsbereich des Hauses am Pariser Platz begrüßt sie, von unten angestrahlt, die Besucherinnen und Besucher.



Die Akademie der Künste arbeitet an einem dunklen Kapitel ihrer Geschichte und zeigt, was aus ihrem großartigen Kunstbesitz wurde, was fehlt und was zurück gekommen ist. Ein Holzturm und darin befindliche Reproduktionen erinnern an verlogen gegangene Gemälde, Grafiken, Skulpturen und Medaillen aus Akademiebesitz.



Auf der Rückseite eines zweiten Gemäldes ist das „Tanzende Paar“ des Malers Rudolf Bunk aus dem Jahr 1936 befestigt. Vermutlich führte Materialknappheit zu dieser ungewöhnlichen Art, das Fragment für die Nachwelt zu erhalten.



Die „Havelziehbrücke“ des als „entartet“ abgestempelten Malers Max Kraus überstand wie durch ein Wunder alle Gefahren der NS-, Kriegs- und Nachkriegszeit und gelangte 1981 in den Besitz der Akademie der Künste Berlin (Ost).



Das für ein Grabmal der eigenen Familie bestimmte Relief wurde 1936 von den Nazis aus einer Akademieausstellung entfernt. Käthe Kollwitz, die als „entartet“ verunglimpfte Bildhauerin, wurde nicht gefragt.



Max Oppenheimer, der das Porträt des Komponisten Ferrucio Busoni schuf, musste vor den Nazis fliehen. Das Gemälde wurde 1968 in West-Berlin angekauft. Was bis dahin mit ihm geschah, ist ungeklärt, „verfolgungsbedingter Entzug“ wird nicht ausgeschlossen.





Kriegsverluste sind die von Anton Graff gemalten Porträts von Jeanne Marie und Daniel Chodowiecki und des jungen Adolph Menzel, aber auch das Akademiegebäude am Pariser Platz, von dem man im Inneren nur noch Spuren erkennt.



In dem Zettelkasten sind Werke des Akademiemitglieds von Otto Dix verzeichnet, der als „Entarteter“ den Nazis besonders verhasst war, von ihnen aber am Leben gelassen wurde. (Fotos/Repros: Caspar)

Der brandenburgische Kurfürst Friedrich III., seit 18. Januar 1701 König Friedrich I. in Preußen, war ein von Eitelkeit, Verschwendungssucht und Machtstreben getriebener Herr, unter dessen Regentschaft zwischen 1688 und 1713 am Berliner Hof eine unselige und teure Günstlingswirtschaft seltsame Blüten trieb. Jedoch ging er ruhmvoll als Gründer der Universität in Halle (1694) sowie von zwei in Berlin ansässigen Akademien in die Geschichte ein. Der 11. Juni 1696 ins Leben gerufenen Akademie der Künste folgte am 11. Juli 1700 die Stiftung der Akademie der Wissenschaften. Der mit der musisch interessierten, geistvollen Hannoveranerin Sophie Charlotte vermählte Herrscher erhoffte sich von den Gründungen kulturellen und wirtschaftlichen Aufschwung seines armen und rückständigen, zerklüfteten und von allen möglichen Mächten umstellten Landes.

Die Akademie der Künste, eine Versammlung von Malern, Bildhauern, Literaten und anderen Künstlern, war die erste dieser Art in Deutschland und nach Rom und Paris die dritte in Europa. Sie sollte „allgemeine Kunstverbesserung“ bewirken, „gute Partien in Zeichnung und Kolorit“ schaffen und den Berliner Hof in künstlerischen Fragen beraten. Von ihren Mitgliedern wurde Hilfe bei der Ausbildung junger Künstler sowie bei Ausstellungen, aber auch zur Sammlung von Informationen über kulturelle Vorgänge in anderen Ländern erwartet. Das 1699 erlassene Statut spricht von „établirung und desto nützlicher Fortpflantzung aller Kuenste und Wissenschaften / in allen Unseren Landen“. Da jedes neue Mitglied Proben seiner Arbeit der Sozietät überlassen musste, sie aber auch Vermächtnisse erhielt und Ankäufe tätigte, sammelte sich bei ihr mit der Zeit ein bedeutender Kunstbesitz an. Durch politische Eingriffe während des Nationalsozialismus und Verluste im Zweiten Weltkrieg und danach büßte die Akademie einen großen Teil ihrer Schätze ein.

Ergebnisse der Provenienzforschung

In der Akademie der Künste am Pariser Platz wird bis zum 22. Januar 2023 die Ausstellung „Spurensicherung - Die Geschichte(n) hinter den Werken“ gezeigt. Sie zeigt Ergebnisse der Provenienzforschung in den eigenen Sammlungen und dokumentiert, was bei der Suche nach den verlorenen Gemälden, Skulpturen und Dokumenten zutage kam. Zu sehen ist, wie die Nazis mit missliebigen, als „entartet“ diffamierten Künstlern umgegangen sind und was aus ihren Werken und Nachlässen wurde. Werner Heegewaldt, der Direktor des Akademiearchivs, macht in einem einführenden Beitrag zum Katalog darauf aufmerksam, dass Kunstwerke und Kulturgüter identitätsstiftend und von großer politischer und emotionaler Bedeutung sind. Das gelte für die Kulturen, in denen sie entstanden sind, ebenso wie für die Besitzer und ihre Nachkommen, aber natürlich auch für Museen und Sammlungen. „Eine Herausforderung der Provenienzforschung besteht darin, die verschütteten und auch verdrängten Geschichten über die Herkunft von Kunstwerken und ihre Besitzer zu recherchieren und ins Bewusstsein zurückzuholen. Gerade weil der Verlust der Kunstwerke häufig mit Krieg und Repression verbunden war, ist eine Klärung für die Beteiligten so wichtig“, schreibt Heegewaldt. Das gelte für das koloniale Erbe ebenso wie für NS Raubkunst oder Fälle von Kunstgutentzug in der DDR, auch wenn sich die Problemlagen stark unterscheiden würden.

Die Sowjetunion gab 1958 zahllose Kunstwerke an die DDR zurück, die die Rote Armee in Stalins Auftrag als Beutegut mitgenommen hat. Auch die Akademie der Künste in Ost-Berlin erhielt Teile ihres Besitzes zurück, doch nicht alles. Die Verluste aufzulisten glich einer Sisyphusarbeit, denn viele Inventare waren verloren. Das Ergebnis jahrzehntelanger Recherchen liegt in Gestalt des von Ingrid Hägele, Gudrun Schmidt und Gudrun Schneider verfassten Katalogs „Kriegsverluste der Preußischen Akademie der Künste“ aus dem Jahr 2005 vor (202 S., zahlreiche Abbildungen, 7,50 Euro, ISBN 3-88331-084-0). Bei der Präsentation der als 12. Folge der Schriftenreihe „Archiv-Blätter“ publizierten Dokumentation beschrieb die damalige Leiterin der Kunstsammlung, Gudrun Schmidt, die Verluste der Akademie als unfassbar und überaus schmerzlich. Zu den 2188 in dem Katalog aufgeführten Gemälden, Skulpturen, Zeichnungen und druckgrafischen Werken sowie 671 Aktenstücken müssten noch weitere 18 000 grafische Blätter und andere Kostbarkeiten gerechnet werden, über deren Zusammensetzung es nur globale Vorstellungen gibt. Besonders schmerzlich seien die Verluste bei Arbeiten von Carl Blechen, Johann Gottfried Schadow, Daniel Chodowiecki, Anton Graff, Adolph Menzel, Antoine Pesne, Augustin Terwesten und Bernhard Rohde. Was vermisst wird, dokumentiert die aktuelle Ausstellung anhand von Reproduktionen, aber auch von historischen Raumansichten, auf denen schemenhaft an den Wänden aufgehängte Bilder zu erkennen sind.

Niemals die Hoffnung aufgeben

Die Akademie gibt die Hoffnung nicht auf, dass nicht alles verloren ist, sondern vieles aus ihrem Besitz in russischen und anderen Museen und Archiven sowie bei Privatleuten aufbewahrt wird. So gelang es der Berliner Kunsthistorikerin Jelena Findeisen, im Moskauer Architekturmuseum Dutzende für die Geschichte des Denkmals Friedrichs des Großen Unter den Linden in Berlin und des Luther-Denkmals in Wittenberg wichtige Vorentwürfe namhafter Künstler aus der Zeit um 1800 aufzuspüren. Allerdings durfte sie die Blätter nicht reproduzieren, sondern konnte nur schnelle Handskizzen anfertigen, die aber eine klare Identifizierung der Vorlagen als Stücke aus dem Berliner Akademiebesitz erlauben. Die Ausstellung zeigt an Beispielen, dass solche Stücke da und dort zum Vorschein kommen und zurück gegeben werden. Bei Rückkäufen helfen Staat und Stiftungen, die über Geldsummen Stillschweigen bewahren. Hoffnung besteht auch, Objekte aus dem Besitz von Max Liebermann, Alfred Kerr, Walter Benjamin und anderen, die in der Nazizeit als „entartet“ oder weil sie Juden waren und nicht ins politische Konzept der neuen Machthaber passten aufzutreiben und wieder an die Akademie zurückzuführen. Dass sie dabei durchaus Erfolge hat, erfahren Besucherinnen und Besucher an markanten Beispielen.

Was die Kriegsverluste betrifft, so erfahren wir in der Ausstellung und der begleitenden Publikation, dass Auslagerungorte nicht immer sicher waren. So gab es hohe Verluste an Kulturgüter durch Bombeneinschläge im angeblich bombensicheren Tresor der neuerbauten Reichsmünze am Berliner Molkenmarkt und anschließenden Plünderungen. Dass sehr viel später dort gestohlene Arbeiten des Malers Carl Blechen im West-Berliner Kunsthandel auftauchten und durch Rückkauf wieder in die Obhut der Akademie der Künste gelangten, wird in der Ausstellung als hoffnungsvolles Beispiel dokumentiert.

Gute Partien in Zeichnung und Kolorit

Die Ausstellung zeigt, wie die oft sehr langwierige Spurensicherung und Nachverfolgung verläuft und welche detektivischen Methoden angewandt werden, um Provenienzen manchmal über Ländergrenzen hinweg aufzuklären. Zugleich thematisiert die Ausstellung, wie komplex die Entscheidungsfindung bei sogenannten belasteten Objekten ist, bei denen Rückgabeansprüche bestehen. Sie befasst sich überdies mit Kunstgütern und Sammlungen, auf die die DDR-Behörden ein Auge geworfen haben, um sie in staatlichen Besitz zu bringen oder auch im Westen für Devisen zu vermarkten. Besonders schäbig wurde die Tochter Sibylle Schallenberg-Nagel des im zweiten deutschen Staat in hohen Ehren stehenden Malers Otto Nagel behandelt, der 1967 starb. Von ihr wurde eine Erbschaftssteuer von 1,6 Millionen Ostmark verlangt. Da sie diese immense Summe nicht aufbringen konnte, musste sie dem Arbeiter-und-Bauern die Sammlung ihres Vaters „schenken“. In der Publikation zur Ausstellung berichtet Ulf Bischof, mit welcher Perfidie DDR-Behörden vorgegangen sind, um sich Nagels Nachlass unter den „Nagel“ zu reißen, wie sie mit der Tochter umgesprungen sind, aber auch auch wie das 1973 am Märkischen Ufer eingerichtete Otto-Nagel-Haus erst mit staatlicher Hilfe eingerichtet wurde und dann verwahrloste. Das Thema weitete sich unter Ulbricht und Honecker aus, weil Privatsammler unter der Gier skrupelloser „Kunstvermarkter“ von der Kommerziellen Koordinierung nach Erzielung von Devisen litten und in Prozesse wegen angeblicher Steuerhinterziehung verwickelt wurden. Dies geschah, nur um billig an deren Gemälde, Grafiken, Möbel, Skulpturen, Porzellane, Zinn, Münzen und Medaillen usw. zu gelangen und sie in den Westen zu verkaufen oder Lücken in DDR-Museen zu füllen. Da die auf die DDR gerichtete Provenienzforschung erst am Anfang steht, dürften noch manche schlimme, das Bild der DDR als Land der Kultur und Kunst ankratzende Tatsachen ans Tageslicht kommen.

In dem Katalog von 1997 „Gute Partien in Zeichnung und Kolorit - 300 Jahre Kunstsammlungen der Akademie der Künste“(Ars Nicolai Berlin 1997, ISBN 3-875584-991-4) wird ausführlich über die Verluste berichtet, die die Akademie im Laufe ihrer dreihundertjährigen Geschichte erleiden musste. So wurden 1743 bei einem Brand im Akademiegebäude Unter den Linden, einem ehemaligen Marstall, alle bis dahin gesammelten Gemälde, Grafiken, Skulpturen, Gipsabgüsse usw. vernichtet. Diese Verluste hat man später auszugleichen versucht, aber was weg war das war weg. Deutlich wird auch, dass die Akademie nur geringe finanzielle Mittel besaß, um ihren Kunstbesitz zu erweitern.Oft war sie auf Schenkungen, Nachlässe und jene schon erwähnten Belegarbeiten angewiesen. Bedeutende Teile ihrer grafischen Sammlung musste sie im Zusammenhang mit der Gründung des Kupferstichkabinetts der Königlichen Museen (1823) abgeben. Der preußische Staat mühte sich um den Erwerb ganzer Grafiksammlungen wie die 14000 Blätter umfassende Sammlung Derschau aus Nürnberg. Wichtig war das Bemühen von Johann Gottfried Schadow um die Pflege der Akademiesammlungen. Hinderlich war bisweilen die preußische Bürokratie, die für die Bewilligung selbst geringer Talerbeträge zum Ankauf grafischer Blätter seitenlange Begründungen verlangte.

6. November 2022

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