Nur noch wenige Tage besteht die Möglichkeit, sich im Märkischen Museum am Köllnischen Park mit Berliner Geschichte, Kultur und Lebensweise vertraut zu machen, in einem Haus, dessen Vorläufer bereits 1874 entstand, weil sich Berliner Bürger Sorgen um den „schönsten Schmuck des Vaterlandes“ machten, wie Karl Friedrich Schinkel ein halbes Jahrhundert zuvor die Bau- und Kunstdenkmäler des Landes bezeichnete. Viele Kunstschätze fielen in der Gründerzeit nach der deutschen Reichseinigung von 1871 dem Bauboom und Erneuerungswahn zum Opfer und wurden als „Plunder von damals“ auf den Müllhaufen der Geschichte geworfen. Auf der anderen Seite wären viele Kunstwerke aus Stein, Holz oder Metall auf Nimmerwiedersehen verschwunden, hätten nicht Vertreter des damaligen Bildungsbürgertums im wahrsten Sinne des Wortes eingegriffen, um sie vor der Vernichtung zu bewahren. Eine Auswahl von Hauszeichen, Grabsteinen und anderen Hinterlassenschaften kann man überall im Märkischen Museum und seinem Außenbereich bewundern. Geschnitzte Altäre und Heiligenfiguren, die den Bildersturm der nachreformatorischen Zeit überstanden hatten, schmücken ebenfalls verschiedene Säle.
Sanierung von Dach bis Keller
Das Museum wird ab 1. Januar 2023 wegen dringender Baumaßnahmen für das Publikum geschlossen (siehe S. 101). Wie beim Rundgang zu erfahren war, zeigt die Stiftung Stadtmuseum wichtige Exponate im Ephraimpalais unweit der Nikolaikirche. Dort gibt es in ein paar Monaten ein Wiedersehen mit archäologischen Fundstücken, mit Skulpturen aus Holz, Stein und Metall sowie Alltagsgegenständen, Kunstgewerbe und anderen Hinterlassenschaften aus den vergangenen tausend Jahren. Nach der Sanierung von Dach bis Keller und Neugestaltung der Rundgänge in den einzelnen Etagen wird sich in drei oder auch mehr Jahren fit für das 21. Jahrhundert gemachte Museum in zeitgemäßer Form und auch attraktiv für Kinder und Jugendliche zeigen.
Die bisherige Ausstellung war wie das ganze Haus in die Jahre gekommen und machte, ehrlich gesagt, einen etwas angestaubten Eindruck. Gut zu hören ist, dass das zwischen 1901 und 1907 nach Plänen des damaligen Stadtbaurats Ludwig Hoffmann erbaute Haus seine alten Rundgänge und Raumfluchten zurück bekommt, aber auch behindertengerecht erschlossen wird, ein Aspekt, an den man zur Erbauungszeit nicht gedacht hat. Ludwig Hoffmann hatte sich Bauten der märkischen Backsteingotik und der Renaissance zum Vorbild genommen, und so betritt man beim Rundgang auch kapellenartige Räume mit Spitzbogengewölben und solche mit edler Holzverkleidung, die aus Renaissanceschlössern und Häusern des gehobenen Bürgertums stammen könnten.
BerlinZEIT Geschichte kompakt
In der nur noch für wenige Tage gezeigten Dauerausstellung „BerlinZEIT Geschichte kompakt“ werden prägende Momente der Berliner Vergangenheit leicht verständlich und anhand ausgewählter Exponate in Erinnerung gerufen. Der Rundgang führt durch bedeutende Zeitabschnitte von der Eiszeit bis in unsere Zeit. So genannte Probenräume laden Gäste ein, sich über die Arbeit der Museumsleute vertraut zu machen und zu sehen, wie sie mit den ihnen anvertrauten Schätzen umgehen, wie sie sie zum Sprechen bringen und wie sie ihnen ihre alte Schönheit zurück geben. Die Ausstellung wird von einem unterhaltsamen Audioguide auf Deutsch und Englisch begleitet, in dem nicht nur die Stadt selbst zu Wort kommt, sondern auch manche ihrer Bewohner.
Die Ausstellung erzählt, wie sich Berlin von der kurfürstlichen und königlichen Residenz nach der Reichseinigung von 1871 zu einer Millionenmetropole mit all ihren Licht und Schattenseiten entwickelt hat. Wie es sich für eine stadtgeschichtliche Ausstellung gehört, werden gemalte und fotografierte Straßenszenen und einzelne Gebäude, etwa das Modell des Berliner Schlosses zur Zeit der Renaissance vor dem barocken Umbau durch Andreas Schlüter gezeigt. An einem Monitor kann man Szenen aus dem Ufa-Film „Andreas Schlüter“ von 1942 betrachten. Zu sehen sind Prunkräume der barocken Hohenzollernresidenz vor ihrer Zerstörung im Zweiten Weltkrieg und der endgültigen Beseitigung durch das SED-Regime in den frühen 1950er Jahren.
Wenn man die Ausstellung von heute mit der von vor ein paar Jahren vergleicht, dann wird man sehen, dass sich viel aufgeräumter und besser strukturiert darbietet. Wer gehofft hat, die berühmte Sammlung von Musikautomaten sehen zu können, wird enttäuscht sein, denn sie sind bereits abtransportiert und werden im kommenden Jahr in einem Berliner Bezirksmuseum neu aufgestellt und zum Erklingen gebracht.
Schönster Schmuck des Vaterlands
Nach der Einigung von 1871 wuchs die neue Reichshauptstadt Berlin ins schier Unermessliche. Das schuf erhebliche Probleme im Zusammenleben der Menschen, bei ihrer Versorgung sowie im Gesundheitswesen und der Hygiene. Vieles haben die Berliner, und nicht nur sie, Rudolf Virchow und Zeitgenossen zu verdanken - den Bau von Krankenhäusern und Markthallen, die Hebung des Ansehens der ärztlichen Zunft und deren bessere Bezahlung und die Anstellung von Schulärzten, aber auch wichtige Neuerungen auf dem Gebiet der Hygiene wie den Bau einer modernen Kanalisation und die Fleischbeschau. Darüber hinaus machte sich Virchow als Anthropologe bei der Erforschung der frühen Menschheitsgeschichte und der Förderung des Museumswesens in Berlin verdient. So war er einer der Mitbegründer und Förderer des Märkischen Museums und des Museums für Völkerkunde in Berlin. Das Medizinhistorische Museum ging aus dem von Virchow geschaffenen Pathologischen Museum hervor und befindet sich in dem aus der Kaiserzeit stammenden Museumshaus des Instituts für Pathologie auf dem Gelände der Charité (Campus Mitte). Erwähnt sei nicht zuletzt, dass sich der Gelehrte für die 1886 enthüllten Humboldt-Denkmäler vor der nach ihnen benannten Universität Unter den Linden eingesetzt hat und selber unweit der Charité durch ein Denkmal geehrt wird.
Marinehaus mit neuen Aufgaben
Berlin ist zweimal von fremden Truppen besetzt worden – 1806 durch Kaiser Napoleon I. nach der verlorenen Schlacht bei Jena und Auerstedt und 1945 nach der bedingungslosen Kapitulation der Wehrmacht und dem Ende der Nazidiktatur. Beide Ereignisse und ihre Folgen spielen in der Ausstellung eine herausragende Rolle. Als Napoleon I. am 27. Oktober 1806 durch das Brandenburger Tor nach Berlin einzog, wurde dieses Schauspiel von den entsetzten Bürgern mit bangen Erwartungen beobachtet. Von Potsdam über Charlottenburg kommend, nahm er die Stadtschlüssel entgegen und richtete sich im Berliner Schloss wohnlich ein. Die Bewohner der Haupt- und Residenzstadt hielten sich an den berühmten Befehl ihres Kommandanten, General Friedrich Wilhelm Graf von der Schulenburg-Kehnert, der schon am 17. Oktober 1806 gleich nach Bekanntwerden des preußischen Desasters von Jena und Auerstedt verkündet hatte: „Der König hat eine Bataille verlohren. Jetzt ist Ruhe die erste Bürgerpflicht. Ich fordere hierzu alle Einwohner Berlins auf. Der König und seine Brüder leben!“
Auf der anderen Straßenseite verbirgt sich das zur Stiftung Stadtmuseum gehörende Marinehaus hinter Baugerüsten. Es wird eines Tages Teil des noch zu schaffenden Museums- und Kreativquartiers sein, in dem die unterschiedlichsten Menschen jeden Alters an der Fortentwicklung der Stadt gedanklich und praktisch mitwirken können. Nach jahrzehntelangem Leerstand, der dem in der Kaiserzeit als Club von Marineoffizieren erbauten Haus alles andere als gut getan hat, erfolgt nun endlich der Innenausbau als weitere Museumsdependance mit Schwerpunkt moderne Kunst und heutiges Zusammenleben in der Millionenmetropole Berlin. Wann die Eröffnung des Hauses mit viel Ausstellungsfläche sein wird, kann niemand sagen, aber es werden einige Jahre ins Land gehen.
7. Dezember 2022
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