Mit der Welt im Dialog und Austausch
Im Humboldt Forum sind Beninbronzen als Leihgaben aus Nigeria und andere Artefakten in neuer Ausstellung zu sehen





Ein an eine riesigen Gurke hängendes Mikrofon lädt im Schlüterhof zu vielfältigen Darbietungen ein, im Bild oben befindet sich in der zweiten Etage des Ostflügels die neu eröffnete Ausstellung mit Artfakten aus Afrika, Lateinamerika, Asien und Ozeanien. Im Nachbau des Berliner Schlosses arbeiten die Stiftung Humboldt Forum, die Stiftung Preußischer Kulturbesitz mit ihrem Ethnologischen Museum und dem Museums für Asiatische Kunst der Staatlichen Museen, die Humboldt-Universität mit dem Humboldt Labor sowie das Stadtmuseum mit der Ausstellung BERLIN GLOBAL zusammen.



Die nach der Rückgabe nach Nigeria jetzt als Leihgaben von dort im Humboldt Forum gezeigten, im Wachsausschmelzverfahren hergestellten Bronzeskulpturen sind besondere Anziehungspunkte in der neuen Ausstellung.





Mit der feierlichen Eröffnung der Ausstellungen in der zweiten Etage des Ostflügels am 17. September 2022 ist ein weiterer Meilenstein für das Humboldt Forum erreicht. Auf mehr als 16.000 Quadratmetern und in über 40 Ausstellungsmodulen werden rund 20.000 Exponate gezeigt und erläutert, hier Artefakte aus Mittelamerika.



Was aus Elfenbein gefertigt wurde, zeigt die Ausstellung anhand von reich verzierten Kult- und Schmuckgegenständen.



Musikinstrumente wie die Trommel und Flöten und andere Objekte des Alltags, aber auch Goldarbeiten aus Mittelamerika ziehen neugierige Blicke auf sich. Rechts zeigt die märchenhaft ausgeschmückte Grafik aus dem 16. Jahrhundert, wie versklavte Arbeiter den Eroberern Gold herbei schaffen. Viele mit Gold und Silber beladene Schiffe erreichten Europa nicht.



Traditionelle Kleidung und Bräuche indigener Völker finden an vielen Stellen im Berliner Humboldt Forum großes Interesse. (Fotos: Caspar)

Wenn in Kriegen und auf anderem Weg Kunstwerke, Dokumente und andere Besitztümer geraubt wurden, diente das nicht nur der Bereicherung von Sammlungen aller Art und der Ausstattung von Schlössern, sondern waren auch ein Mittel, besiegten und unterdrückten Völkern die kulturelle Identität streitig zu machen und ihnen zu sagen, wer die da oben und die da unten sind. Die Zeiten haben sich geändert. Zwar wird immer noch Kulturgut geraubt, verschleppt und verkauft, aber die Debatte über Verbleib und Rückgabe schon lange in Museen befindlichen Objekten ist voll entbrannt, die Suche nach ihnen beschäftigt zahlreiche Wissenschaftler und hat auch die Politik erreicht.

Die Diskussion über Verbleib oder Rückgabe von Objekten, die von Kolonialmächten in Afrika, Asien, Amerika und Ozeanien geraubt und in deren Ethnografischen Museen oder, wie man lange sagte, Völkerkundemuseen eingefügt wurden, führte dazu, dass sich die Staatlichen Museen zu Berlin Preußischer Kulturbesitz, und nicht nur sie, entschlossen haben, die so genannten Benin-Bronzen, die zu den berühmtesten Artefakten der afrikanischen Geschichte gehören und der ganze Stolz der Dahlemer Museen waren, an den nigerianischern Staat zurück zu geben. Sie werden im Ostflügel des Humboldt Forums als dessen Leihgaben mit weiteren Objekten präsentiert.

Faszinierender Blick auf Epochen und Länder

Die neue Ausstellung gewährt einen faszinierenden, Epochen und Kontinente umfassenden Blick auf ganz unterschiedliche Kunstwerke, Länder und Kulturen rund um den Globus. Das bisher im Berliner Bezirk Dahlem angesiedelte, jetzt ins Humboldt Forum umgezogene Ethnologische Museum und das Museum für Asiatische Kunst der Staatlichen Museen zu Berlin sowie die Stiftung Humboldt Forum zeigen in engem Austausch mit internationalen Partnern und Gemeinschaften Skulpturen aus Metall, Stein und Keramik, aber auch Alltagsgegenstände, Kostüme, Waffen und andere aus Afrika, Lateinamerika, Asien und Ozeanien stammende Objektes, deren Herkunft und Bedeutung in deutsch-englischen Texten erläutert werden.

Kulturstaatsministerin Claudia Roth erklärte bei der Ausstellungseröffnung, auch wenn mit dem Ostflügel jetzt der letzte Teil des Humboldt Forums eröffnet wird, gehe die Arbeit weiter. Das Humboldt Forum habe sich zu einem offenen Ort der internationalen Begegnung entwickelt, an dem Altes hinterfragt wird und Neues entsteht. Es zeige, wie abseits der ausgetretenen Pfade eurozentristischer Sichtweisen lebendige Museumsarbeit aussehen kann. Hier wird sich nicht nur offen und kritisch mit der kolonialen Vergangenheit auseinandergesetzt und dargelegt, "wie man in Zukunft partnerschaftlich und auf Augenhöhe mit Expertinnen und Experten aus den Herkunftsgesellschaften Ausstellungen umsetzen kann. Das Humboldt Forum bleibt ‚work in progress' im besten Sinne." Der Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Hermann Parzinger, betonte, das Humboldt Forum sei zwar vollendet, und doch stehe es am Anfang. "Dieses Haus ist im Dialog und im Austausch entstanden. Auf dieser Basis gegenseitigen Vertrauens muss es sich kontinuierlich verändern und weiterentwickeln. Unser Wille zu Offenheit und Transparenz, die Anerkennung kolonialen Unrechts mit daraus resultierenden Rückgaben und vielfältige neue Formen der Kooperation und der Koproduktion werden unsere Arbeit auch in Zukunft bestimmen." Dabei gehe es auch um die Überwindung noch immer dominanter westlicher Perspektiven und um ein besseres Verständnis dafür, wie Menschen aus den verschiedensten Teilen der Welt heute leben und was ihnen wichtig ist. Das Humboldt Forum könne diese Kraft nur dann entfalten, wenn es gemeinsam mit den anderen Ländern Themen setzt und vielfältige Fragen der Gegenwart zu klären hilft. Lars-

Christian Koch, Direktor des Ethnologischen Museums und des Museums für Asiatische Kunst, freut sich, dass die im vergangenen Jahr eröffneten Ausstellungsflächen ein so großes Publikumsinteresse fanden. Mit den jetzt der Öffentlichkeit präsentierten Abschnitten sei das Humboldt Forum komplett. "Ohne die intensive Zusammenarbeit mit unseren internationalen Partnerinnen und Partnern hätten wir viele Ausstellungsbereiche so nicht realisieren und der Verantwortung nicht gerecht werden können, die wir gegenüber unserer Sammlungsgeschichte haben."

Relikte aus dem sagenhaften Eldorado

Neu eröffnet sind die Räume mit Objekten aus Nord-, Mittel- und Südamerika. Die Spannbreite reicht von der Sammeltätigkeit des norwegischen Forschungsreisenden Johan Adrian Jacobsen an der Westküste Kanadas und den indigenen Perspektiven auf die Objekte in Berlin bis hin zur Amazonasregion. Zu den Highlights gehören Exponate wie ein traditionelles Versammlungshaus (Bai) aus Palau, ein fidschianisches Doppelrumpfboot (Drua), der bekannte Goldmann Kazike der präkolumbischen Quimbaya oder die monumentalen Cotzumalhuapa-Stelen aus dem heutigen Guatemala. Die Kunst der Khmer ist mit raumgreifenden, 23 Meter langen historischen Abgüssen der Reliefs der Tempelanlage Angkor Wat mit Szenen aus Himmel und Hölle vertreten. Religiöse Architektur der nördlichen Seidenstraße lässt sich anhand der spektakulären Rekonstruktion der begehbaren buddhistischen "Höhle der Ringtragenden Tauben" erleben. Im Ausstellungsbereich zur globalen Diversität des Islam trifft das Publikum auf einen seltenen iranischen Derwischmantel aus dem 19. Jahrhundert und auf Vitrinen, deren Inhalt von Moscheegemeinden in Berlin gestaltet wurde.

Ins Auge fallen unter anderem Objekte aus Gold, die vor über 500 Jahren von den Spaniern, die im sagenhaften Eldorado ihr Glück machen wollten, geraubt und nach Europa verschleppt wurden. Kein Geringere als der Nürnberger Maler und Grafiker Albrecht Dürer hat die Schätze gesehen und schrieb 1520 über sie: "Ich sah die Dinge, die dem König aus dem neuen Goldland gebracht worden waren: eine Sonne ganz aus Gold, einen ganzen Klafter breit, ebenso einen Mond ganz aus Silber und genauso groß. Ich habe in meinem ganzen Leben nichts gesehen, was mein Herz so erfreute wie diese Dinge. Denn ich sah dabei erstaunliche künstlerische Gegenstände, und ich wunderte mich über die feine Erfindungsgabe der Menschen in diesen entfernten Ländern. Ja ich kann nicht genug Lobendes über die Dinge sagen, die ich vor mir hatte." V Nachrichten aus der Terra nova, der Neuen Welt, wirkten in Europa geradezu elektrisierend. Nach Columbus kamen zahlreiche Eroberer, die die auf dem amerikanischen Kontinent lebenden Bewohner mit List, Feuer und Schwert unterwarfen und sie mit Gewalt zum christlichen Glauben bekehrten. Vor allem waren es abenteuerliche Geschichten über das Goldland Eldorado, die vielen Glücksrittern die Furcht vor der ungewissen Überfahrt oft mit tödlichem Ausgang nahmen. Viele machten sich auf den Weg, manche kamen als reiche Leute zurück in die Heimat. Das auf Silber- und Goldschiffen nach Europa geschaffte Edelmetall kurbelte dort zwar die Wirtschaft und Kultur an, doch hielt es die Kolonialstaaten davon ab, sich um die eigene Fortentwicklung zu kümmern. Spanien ist ein treffliches Beispiel dafür, was passiert, wenn man sich nur auf fremde Quellen verlässt und nicht genug für den eigenen Wohlstand tut. Auch andere Länder haben mit dieser bitteren Wahrheit Bekanntschaft gemacht.

Raubgut aus Benin an Nigeria zurückgegeben

Zwei Räume widmen sich dem Kunsthandwerk im historischen Königreich Benin. Gezeigt werden bisher zum Berliner Bestand gehörende historische Werke, die nach der kürzlich erfolgten Rückgabe an Nigeria als Leihgaben in Berlin bleiben. Den berühmten Bronzen wird zeitgenössische Kunst aus Nigeria gegenübergestellt. Die mit nigerianischen Fachleuten konzipierte Ausstellung wird in den kommenden Jahren gemeinsam weiterentwickelt, so dass man bei künftigen Besuchen immer etwas Neues erfahren wird. Die so genannten Beninbronzen waren 1897 von britischen Truppen bei der Eroberung des altehrwürdigen Königreichs von Benin im heutigen Nigeria geraubt worden. Mehr als 3000 Bronzefiguren und andere Artefakte wurden nach Europa verschleppt, um sie an Sammler und Museen zu verkaufen. Im Rahmen eines am Beginn der Ausstellung gezeigten Forschungsprojekts wird rekonstruiert, wie die Stücke in zahlreiche Museen gelangt sind. Indem eine kleine Auswahl dieser im Wachsausschmelzverfahren hergestellten Bronzegüsse im Humboldt Forum gezeigt werden, wird die hohe Kunstfertigkeit der Bewohner von Benin vor langer Zeit betont und die von europäischen Kolonialmächten in die Welt gesetzte Legende vom "unzivilisierten" Afrika widerlegt, dem man erst einmal christliche Kultur und europäisches Wissen beibringen muss.

Die gewaltsamen Ereignisse von 1897 spielen im kollektiven Gedächtnis der heutigen Zwei-Millionen-Stadt Benin City und von Nigeria eine bedeutende Rolle. Auch heute werden Bronzearbeiten nach Vorlagen von damals gestaltet. Das Ethnologische Museum arbeitet mit indigenen Organisationen und Bildungseinrichtungen in Brasilien, Kolumbien und Venezuela zusammen. Dabei geht es um die Geschichte und Gegenwart der Objekte, um ihre Bedeutung und Funktion. Die Partner des Museums entdecken ihr verborgenes Erbe und holen es mit ihren Stimmen und Kommentaren zurück ins Leben, heißt es auf einer Ausstellungstafel. Berliner Museumsleute präsentieren in enger Zusammenarbeit mit internationalen Partnern und Communities präsentieren nicht nur aktuelle Forschungsergebnisse zu den Objekten sowie neue Ausstellungs- und Vermittlungskonzepte, sondern stellen sich auch der eigenen Sammlungsgeschichte. Die kritische Aufarbeitung der Provenienzen und Erwerbungskontexte ebenso wie deren Einbettung in die Kolonialgeschichte prägen die Arbeit der Sammlungen auch zukünftig. Dazu trägt auch das vielfältige Programm des Humboldt Forums bei, das neben Ausstellungen vielfältige Bildungs- und Wissenschaftsangebote sowie Veranstaltungen zu dem Kernthema Kolonialismus und Kolonialität umfasst. 18. September 2022

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